Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
10957 Entscheidungen insgesamt
Online seit 13. Juni
VPRRS 2025, 0119
VK Berlin, Beschluss vom 28.04.2025 - VK B 1-73/24
1. Zwischen Nachforderungen und Aufklärung des Angebotsinhalts ist streng zu unterscheiden.
2. Eine Nachforderung ist nur für leistungsbezogene Unterlagen, die nicht die Wirtschaftlichkeitsbewertung betreffen, und unternehmensbezogene Unterlagen zulässig. Die Korrektur fehlerhafter Unterlagen ist nur für unternehmensbezogene Unterlagen zulässig.
3. Die Aufklärung wiederum erlaubt keine Änderung des Angebots, also keine Nachreichung von Unterlagen und auch weder die Anforderung fehlender Bestandteile des Angebots noch die Korrektur von Angebotsunterlagen.
4. Die Aufklärung setzt eine konkrete Aufforderung zur Klarstellung einer durch den Auftraggeber eindeutig zu benennenden und tatsächlich bestehenden Unklarheit voraus.
5. Ob in der Erläuterung eines Angebots durch den Bieter zugleich eine ausschlusswürdige Änderung des Angebots darstellt, ist durch Auslegung aus der Perspektive eines objektiven Empfängers zu ermitteln (hier verneint). Bei Unklarheiten kann der Auftraggeber zur Aufklärung berechtigt und verpflichtet sein.

Online seit 12. Juni
VPRRS 2025, 0118
VK Berlin, Beschluss vom 04.04.2025 - VK B 1-3/25
1. Ein Auftrag über die die "Errichtung einer VDI-Infrastruktur, Lieferung und Montage von Rechenzentrumscontainern" ist kein Bauauftrag, sondern ein Dienstleistungsauftrag.
2. Die Nichtbeantwortung von Bieterfragen ist vergaberechtswidrig und verletzt den Bieter in seinen Rechten. Es besteht keine Bieterobliegenheit, den öffentlichen Auftraggeber an die Beantwortung von Bieterfragen zu erinnern.
3. Die 30-Tages-Frist zur Feststellung der Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags ist nicht anwendbar, wenn die Information der Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber unzureichend ist.
4. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren besteht keine aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA). Die Vorschrift des § 130d ZPO ist im Vergabenachprüfungsverfahren nicht (analog) anwendbar.

Online seit 11. Juni
VPRRS 2025, 0117
VK Thüringen, Beschluss vom 13.08.2024 - 5090-250-4003/476
Eine Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung darf nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen, in denen ein dringendes Interesse des Auftraggebers und der Allgemeinheit an einer sofortigen Erteilung des Zuschlags besteht, welches deutlich das Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Nachprüfungsverfahrens übersteigt (hier verneint).

Online seit 10. Juni
VPRRS 2025, 0116
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.06.2024 - 2 VK LSA 10/24
1. Eine Annahme mit Änderungen ist nur dann nicht als neues Angebot zu werten, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll.
2. Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu informieren. Ein etwaiger Verstoß dagegen berührt die Zuschlagsaussichten der Antragstellerin nicht.
3. Vergleichbar ist eine Leistung dann, wenn sie der ausgeschriebenen Leistung nahekommt und entsprechend ähnelt. Die Referenzen müssen quantitativ und qualitativ vergleichbare Leistungen betreffen und den Schluss zulassen, der Bieter werde in der Lage sein, die ausgeschriebene Leistung vertragsgemäß durchzuführen.

Online seit 6. Juni
VPRRS 2025, 0115
VG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2025 - 6 K 4798/21
1. Ein Zuwendungsgeber ist zum Widerruf der gewährten Zuwendung berechtigt, wenn ein schwerer Verstoß gegen Vergaberecht vorliegt. Ein derartiger Verstoß liegt bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung vor (wie Runderlasses des Finanzministeriums vom 18.12.2003 - I 1-0044-3/8).*)
2. Zur Abgrenzung zwischen konstruktiver Leistungsbeschreibung (= Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis) und (teil-)funktionaler Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm).*)
3. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters klar ersichtlich ist, welche Leistung der Auftragnehmer zu welcher Zeit, in welchem Umfang und in welcher Qualität zu erbringen hat und welche Anforderungen und Bedingungen an die vom Auftraggeber geforderte Leistung gestellt werden.*)

Online seit 5. Juni
VPRRS 2025, 0114
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.11.2024 - RMF-SG21-3194-9-34
1. Ein Nachprüfungsantrag ist auch dann unzulässig, wenn die Bekanntmachung den Hinweis enthält, dass die Vergabekammer für die Überprüfung der Vergabeentscheidung zuständig sei. Eine falsche Angabe kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen.
2. Setzt die Vergabestelle durch eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung den Rechtsschein, dass ein Nachprüfungsverfahren zulässig ist, entspricht es der Billigkeit, ihr nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Online seit 4. Juni
VPRRS 2025, 0111
OLG Naumburg, Beschluss vom 02.09.2024 - 6 Verg 2/24
1. Auskunftsrechte in einem Vergabenachprüfungsverfahren gehen nicht über die Reichweite des materiellen Begehrens hinaus. Der Umfang der Akteneinsicht ist wegen der Akzessorietät dieses Verfahrensrechts begrenzt auf diejenigen Inhalte "der Akten" der Vergabestelle, die erforderlich sind, um dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit zu geben, seine Rechte zu wahren.
2. Daneben ist zu berücksichtigen, dass - ungeachtet der gesondert vorzunehmenden Prüfung der Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Teilnehmer des Vergabeverfahrens durch die Gewährung von Akteneinsicht - auch die Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit (geringstmöglicher Eingriff in Rechte Dritter) und insbesondere des Beschleunigungsgrundsatzes im Verfahren eine Beschränkung der Akteneinsicht rechtfertigen können.

Online seit 3. Juni
VPRRS 2025, 0110
VK Niedersachsen, Beschluss vom 21.11.2024 - VgK-24/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber muss die Wertung so durchführen, dass sie nachträglich in einer nachvollziehbaren Weise erläutert werden kann. Er verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB), wenn er die Angebote in einer Weise wertet, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen.
2. Die Vorgabe abstrakter Wertungskriterien ist zulässig, wenn ihre Anwendung durch eine konkrete Dokumentation nachvollziehbar wird (BGH, IBR 2017, 387 = VPR 2017, 121).
3. Der Einwand eines unzureichenden Informationsschreibens nach § 134 GWB erledigt sich regelmäßig durch die fristgerechte Einreichung des Nachprüfungsantrags, spätestens mit Antragserwiderung oder Akteneinsicht.

Online seit 2. Juni
VPRRS 2025, 0105
VG Düsseldorf, Beschluss vom 11.02.2025 - 20 K 1167/24
1. Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Für die Zuordnung ist maßgeblich, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt.
2. Die von der öffentlichen Hand abgeschlossenen Grundstückskaufverträge gehören in aller Regel ausschließlich dem Privatrecht an. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde mit dem Grundstücksverkauf einen öffentlichen Zweck verfolgt und der Hoheitsträger freiwillig den Weg einer öffentlichen Ausschreibung wählt.

Online seit 28. Mai
VPRRS 2025, 0108
VK Westfalen, Beschluss vom 12.03.2025 - VK 1-9/25
1. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Erklärt der Antragsteller (= Bieter) das Vergabenachprüfungsverfahren für erledigt und schließt sich der Antragsgegner (= öffentlicher Auftraggeber) der Erledigungserklärung an, ist dessen Antrag, festzustellen, dass der Antragsteller durch das vom Antragsgegner durchgeführte Verfahren nicht in seinen Rechten verletzt war, unzulässig.

Online seit 27. Mai
VPRRS 2025, 0107
VG Schwerin, Urteil vom 10.04.2025 - 3 A 1671/20
1. Einzelfall von Verstößen gegen Auflagen der Ausschreibung eines öffentlich-rechtlichen Trägers; hier insbesondere gegen Auflagen nicht produktbezogen auszuschreiben.*)
2. Das Entschließungsermessen im Rahmen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG-MV ist aufgrund des Unionsrechts (hier aufgrund des Art. 35 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 640/2014) intendiert.*)
3. Das Auswahlermessen der Behörde wird durch die COCOF-Leitlinien der EU-Kommission intendiert.*)

Online seit 23. Mai
VPRRS 2025, 0106
VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024 - VgK-26/2024
1. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen das vergaberechtliche das Transparenzgebot, wenn er die Angebote in einer Weise wertete, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. Er muss die Wertung so durchführen, dass sie den Bietern oder einer Nachprüfungsinstanz nachträglich in einer nachvollziehbaren Weise erläutert werden kann.
2. Die Vorgabe abstrakter Wertungskriterien ist zulässig, wenn die Anwendung der abstrakten Kriterien durch eine konkrete Dokumentation für Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar wird (BGH, IBR 2017, 387 = VPR 2017, 121).
3. Zur Herstellung der Transparenz bedarf es bei abstrakten Wertungskriterien einer vertieften Dokumentation.

Online seit 22. Mai
VPRRS 2025, 0104
BayObLG, Beschluss vom 07.05.2025 - Verg 8/24
1. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
2. Bei der Überprüfung der Auswahlentscheidung können alle Tatsachen berücksichtigt werden, die in der Vergabedokumentation enthalten sind und der Auswahlentscheidung der Vergabestelle zu Grunde liegen, auch soweit diese zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Zuschlagsprätendenten nicht offenbart werden dürfen.
3. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben.
4. Die Bewertung von Konzepten fällt in den Kernbereich der Tätigkeit der Vergabestelle, so dass es zur Rechtsverteidigung nicht ohne Weiteres eines anwaltlichen Beistands bedarf.

Online seit 21. Mai
VPRRS 2025, 0103
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.05.2025 - 1 Verg 1/25
1. Öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 99 Nr. 1 GWB sind nur die Gebietskörperschaften und nicht die für sie handelnden Behörden.
2. Wissensvorsprünge, die ein Bieter aus einer früheren Kooperation mit dem öffentlichen Auftraggeber hat, begründen grundsätzlich keinen auszugleichenden Wettbewerbsvorteil.
3. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt in Betracht, wenn der Wissensvorsprung auf den öffentlichen Auftraggeber selbst zurückzuführen ist, weil er ausschreibungsrelevante Daten nur einzelnen Bietern zur Verfügung stellt.
4. Gleiches gilt, wenn ein Bieter solche Daten in einem anderen Projekt für den öffentlichen Auftraggeber erstellt hat und dieser sie im exklusiven Zugriffsbereich dieses Bieters belässt, obwohl er selbst bereits über die Daten verfügt oder sie zumindest von dem betroffenen Bieter herausverlangen kann.

Online seit 20. Mai
VPRRS 2025, 0102
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.07.2024 - Verg 2/24
1. Hersteller- und Produktvorgaben sind nur dann durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, wenn vom Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
2. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Produktvorgabe kann anzunehmen sein bei zu erwartenden Kompatibilitätsproblemen, die die Funktionalität in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigen würden und einen unverhältnismäßigen Mehraufwand entstehen ließen (hier bejaht).
3. Es besteht keine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Durchführung einer umfassenden Markterkundung.
4. Einer Fachlosvergabe und damit der Prüfung des Vorliegens eines (wirtschaftlichen oder technischen) Rechtfertigungsgrundes für eine Gesamtlosvergabe bedarf es nur, wenn es sich überhaupt um getrennte Märkte handelt.

Online seit 19. Mai
VPRRS 2025, 0101
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.07.2024 - Verg 11/24
1. Ein Vertrag - als notwendiges Merkmal eines öffentliches Auftrags - kann nicht angenommen werden, wenn eine Partei weder im Hinblick auf die Ausführung des Auftrags noch im Hinblick auf die für die Leistungen geltenden Gebühren über irgendeinen Spielraum verfügt. Eine solche Bindung kann sich aus einem bestehenden Vertragsverhältnis ergeben.
2. Die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Ausschreibung vergebenen Auftrags muss binnen sechs Monaten nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Mit Fristablauf ist der Vertrag - unabhängig davon, wann und ob überhaupt die Betroffenen Kenntnis von einem Verstoß des Auftraggebers erlangt haben - endgültig wirksam.

Online seit 16. Mai
VPRRS 2025, 0100
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2023 - Verg 6/23
1. Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden. Bei einer Hinzuziehung durch die Behörde ist die Notwendigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen anzunehmen.
2. Sofern im Mittelpunkt des Nachprüfungsverfahrens auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen stehen, spricht im Allgemeinen mehr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis ohnehin organisieren muss und daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf.
3. Umgekehrt kann die Beteiligung eines Rechtsanwalts notwendig sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren darüber hinaus nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, insbesondere verfahrensrechtlicher oder solcher Art stellen, die auf einer höheren Rechtsebene als jener der Vergabeordnungen zu entscheiden sind.

Online seit 15. Mai
VPRRS 2025, 0097
OLG Naumburg, Beschluss vom 16.08.2024 - 6 Verg 3/24
1. Zwar ist der Vergabesenat beim Oberlandesgericht in entsprechender Anwendung von § 169 Abs. 3 GWB - ebenso wie die Vergabekammer - befugt, andere vorläufige Maßnahmen zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes außer einem prozessualen Zuschlagsverbot anzuordnen. Ein auf die Untersagung eines Vergabeverstoßes durch die künftige Einleitung eines Vergabeverfahrens gerichteter Antrag ist auch insoweit nicht statthaft.*)
2. Für eine vorläufige Untersagung der Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens fehlt einem Antragsteller, der die Unwirksamkeit der Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens geltend macht, auch ein Rechtsschutzbedürfnis.*)

Online seit 14. Mai
VPRRS 2025, 0098
OLG Naumburg, Beschluss vom 19.07.2024 - 6 Verg 1/24
1. Reicht ein Bieter im Rahmen eines offenen Verfahrens, in dem die Lieferung einer produktscharf und modellbezogen beschriebenen Ware gefordert und die Lieferung des Nachfolgemodells unter der Bedingung der Vorlage einer zusätzlichen Herstellerbescheinigung über die Kompatibilität eröffnet wurde, innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot über die Lieferung des geforderten Produkts ein, so ist eine Verschlechterung seiner Zuschlagschancen im Vergabeverfahren auszuschließen, wenn er selbst nachträglich erklärt, zur Lieferung des angebotenen Produkts nicht in der Lage zu sein. Dem steht nicht entgegen, dass er nach Ablauf der Angebotsfrist erklärt, zur Lieferung des Nachfolgemodells fähig zu sein.*)
2. Allein dadurch, dass der Auftraggeber trotz erteilter Vorabinformation i.S.v. § 134 GWB zu Gunsten eines Bieters den Zuschlag im Vergabeverfahren nicht an diesen Bieter erteilt, verstößt der öffentliche Auftraggeber noch nicht gegen eine bieterschützende vergaberechtliche Regelung.*)
3. Ein anderer schwer wiegender, vom Gewicht den enumerativ in § 63 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 VgV aufgeführten Aufhebungsgründen äquivalenter Grund für eine Aufhebung der Ausschreibung liegt darin, dass zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung kein Angebot mehr vorliegt, welches den Ausschreibungsbedingungen entspricht.*)

Online seit 13. Mai
VPRRS 2025, 0095
VG Darmstadt, Beschluss vom 01.04.2025 - 7 L 2856/24
Das Auswahlverfahren zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession bzw. eines Dienstleistungsauftrags, die die Vergabe von Zuwendungen zur Erschließung bislang unterversorgter Gebiete mit schnellen Gigabit-Breitbandinternetanschlüssen zum Gegenstand hat, darf in Anlehnung an die kartellvergaberechtlichen Regelungen gestaltet werden. Der Auftraggeber kann dann die Vorschriften der KonzVgV und der VgV anwenden (Anschluss an OVG Sachsen, Beschluss vom 13.10.2022 - 4 B 241/22, IBRRS 2022, 3257 = VPRRS 2022, 0252). Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um ein gefördertes Projekt handelt und die entsprechende Anwendung der Vorschriften von KonzVgV und VgV im Zuwendungsbescheid des Fördermittelgebers gefordert wird.

Online seit 12. Mai
VPRRS 2025, 0096
OLG Naumburg, Urteil vom 17.01.2025 - 6 U 1/24
1. Zum Schadensersatzanspruch des öffentlichen Auftraggebers gegen einen Bieter nach § 180 Abs. 1 GWB.*)
2. Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Teilnehmer des Vergabeverfahrens kann sich der öffentliche Auftraggeber neben § 180 GWB auch auf die Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts, insbesondere auf § 280 Abs. 1 und 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, stützen.*)
3. In einem durch die Teilnahme an einem Vergabeverfahren begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Wirtschaftsteilnehmer obliegen den Parteien wechselseitig die Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, welche durch die im Verfahren geltenden Vergabevorschriften konkretisiert werden. Ein Bieter, der gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstößt, indem er sein Angebot in Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen des Angebots eines Mitbewerbers erstellt und dabei dessen Preisansätze jeweils systematisch unterschreitet, verstößt auch gegen die Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB.*)

Online seit 9. Mai
VPRRS 2025, 0093
VK Westfalen, Beschluss vom 12.03.2025 - VK 1-7/25
1. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für den Fortsetzungsfeststellungsantrag ist das Vorliegen des sog. Feststellungsinteresses. Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art und muss geeignet sein, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder zu mildern.
3. Durch die Erklärung des Antragsgegners, sich der Erledigungserklärung des Antragstellers anzuschließen, ist das Nachprüfungsverfahren beendet. Eine Umstellung von Anträgen im laufenden Nachprüfungsverfahren ist nicht mehr möglich.

Online seit 8. Mai
VPRRS 2025, 0094
VK Sachsen, Beschluss vom 19.12.2024 - 1/SVK/017-24
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf sich grundsätzlich auf die Angaben der Bieter und die von ihnen in ihren Angeboten abgegebenen Leistungsversprechen verlassen. Nur wenn sich Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen, und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Anforderungen möglicherweise nicht erfüllen kann, ist der Auftraggeber verpflichtet, Aufklärung zu verlangen und die ausreichende Leistungsfähigkeit des Bieters durch Einholung weiterer Informationen zu prüfen.*)
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, dass ein Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter erteilt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls läuft der Auftraggeber Gefahr, gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter zu verstoßen. Ein Auftraggeber darf eine Bieterfrage allenfalls im Einzelfall individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Information handelt.*)
3. Der Umstand, dass ein Bieter selbst eine Bieterfrage gestellt hat und als einziger eine Antwort erhalten hat, lässt eine Rechtsverletzung nicht entfallen. Denn es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Bieter durch die Berücksichtigung der ihm erteilten Antwort auf seine Bieterfrage einen Wettbewerbsnachteil erlitten hat, während andere Bieter, denen die Antwort nicht bekannt war, die Vorgabe nicht beachtet haben und dadurch günstiger anbieten konnten bzw. einen Wettbewerbsvorteil erlangen.*)
4. Eine Preisprüfung ist durchzuführen, wenn der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot 20 % oder mehr beträgt. Dabei ist auf die Differenz des Gesamtpreises und nicht auf einzelne Preispositionen abzustellen.*)

Online seit 7. Mai
VPRRS 2025, 0092
VK Thüringen, Beschluss vom 12.03.2025 - 5090-250-4003/499
1. Die künstliche Aufspaltung von eines einheitlichen (Interims-)Beschaffungsbedarfs, sei es durch mehrere Interimsaufträge, sei es durch eine Kombination aus Vertragsverlängerungen und (neuen) Interimsaufträgen, verstößt gegen das Umgehungsverbot mit der Folge, dass die Auftragswerte zu addieren sind.
2. Es ist nicht zulässig, wenn der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der vorzulegenden Eignungsunterlagen lediglich auf die Vergabeunterlagen verweist. Eine konkrete Verlinkung auf ein elektronisch ohne Weiteres zugängliches Dokument ist dagegen ausreichend, wenn an dem Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem verlinkten Formblatt gelangen können und auf einen Blick erkennen können, welche Anforderungen an sie gestellt werden.
3. Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz resultiert grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen.
4. Bei der Festlegung des Auftragsbeginns handelt es sich grundsätzlich um eine Vertragsbestimmung und nicht um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren, deren Verletzung im Nachprüfungsverfahren zur Überprüfung steht. Etwas anderes gilt dann, wenn sich eine Vertragsbestimmung auf die Auftragschancen eines Bieters auswirkt (hier bejaht für eine dreitägigen Ausführungsfrist).

Online seit 6. Mai
VPRRS 2025, 0091
EuGH, Urteil vom 20.03.2025 - Rs. C-730/22
1. Die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe ist dahin auszulegen, dass sie in zeitlicher Hinsicht auf Konzessionsverträge im Sinne ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. b anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/23 vergeben, aber durch Gesetzesbestimmungen verlängert wurden, mit denen zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer im Gegenzug erstens eine Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Gebühr eingeführt wurde, die anschließend erhöht wurde, zweitens den betreffenden Konzessionsnehmern die Verlegung ihrer Räumlichkeiten untersagt wurde sowie drittens eine Verpflichtung zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer eingeführt wurde, diesen Verlängerungen zuzustimmen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Gesetzesbestimmungen selbst nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind. In einer solchen Situation sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung finden.*)
2. Art. 43 der Richtlinie 2014/23 ist dahin auszulegen, dass er einer Befugnis des nationalen Gesetzgebers entgegensteht, durch Gesetzesbestimmungen, die nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind, einseitig die Laufzeit von Dienstleistungskonzessionen zu verlängern und dabei im Gegenzug erstens eine pauschal festgesetzte Gebühr zu erhöhen, die von allen betroffenen Konzessionsnehmern umsatzunabhängig geschuldet wird, zweitens ein Verbot der Verlegung ihrer Räumlichkeiten aufrechtzuerhalten sowie drittens eine Verpflichtung beizubehalten, nach der diese Konzessionsnehmer diesen Verlängerungen zustimmen müssen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Änderungen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/23 erfüllen.*)
3. Die Art. 5 und 43 der Richtlinie 2014/23 sind dahin auszulegen, dass sie einer Auslegung oder Anwendung innerstaatlicher gesetzlicher Vorschriften oder einer auf diesen Vorschriften beruhenden Anwendungspraxis nicht entgegenstehen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Befugnis nimmt, auf Antrag eines Konzessionsnehmers, wenn Ereignisse, die den Parteien nicht zurechenbar sowie unvorhersehbar sind, sich wesentlich auf das Betriebsrisiko der Konzession auswirken, ein Verwaltungsverfahren zur Änderung der Ausführungsbedingungen der betreffenden Konzession einzuleiten, solange diese Voraussetzungen gegeben sind und dies erforderlich ist, um gegebenenfalls die ursprünglichen Ausführungsbedingungen dieser Konzession wiederherzustellen.*)

VPRRS 2025, 0090

EuGH, Urteil vom 20.03.2025 - Rs. C-729/22
1. Die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe ist dahin auszulegen, dass sie in zeitlicher Hinsicht auf Konzessionsverträge im Sinne ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. b anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/23 vergeben, aber durch Gesetzesbestimmungen verlängert wurden, mit denen zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer im Gegenzug erstens eine Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Gebühr eingeführt wurde, die anschließend erhöht wurde, zweitens den betreffenden Konzessionsnehmern die Verlegung ihrer Räumlichkeiten untersagt wurde sowie drittens eine Verpflichtung zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer eingeführt wurde, diesen Verlängerungen zuzustimmen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Gesetzesbestimmungen selbst nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind. In einer solchen Situation sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung finden.*)
2. Art. 43 der Richtlinie 2014/23 ist dahin auszulegen, dass er einer Befugnis des nationalen Gesetzgebers entgegensteht, durch Gesetzesbestimmungen, die nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind, einseitig die Laufzeit von Dienstleistungskonzessionen zu verlängern und dabei im Gegenzug erstens eine pauschal festgesetzte Gebühr zu erhöhen, die von allen betroffenen Konzessionsnehmern umsatzunabhängig geschuldet wird, zweitens ein Verbot der Verlegung ihrer Räumlichkeiten aufrechtzuerhalten sowie drittens eine Verpflichtung beizubehalten, nach der diese Konzessionsnehmer diesen Verlängerungen zustimmen müssen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Änderungen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/23 erfüllen.*)
3. Die Art. 5 und 43 der Richtlinie 2014/23 sind dahin auszulegen, dass sie einer Auslegung oder Anwendung innerstaatlicher gesetzlicher Vorschriften oder einer auf diesen Vorschriften beruhenden Anwendungspraxis nicht entgegenstehen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Befugnis nimmt, auf Antrag eines Konzessionsnehmers, wenn Ereignisse, die den Parteien nicht zurechenbar sowie unvorhersehbar sind, sich wesentlich auf das Betriebsrisiko der Konzession auswirken, ein Verwaltungsverfahren zur Änderung der Ausführungsbedingungen der betreffenden Konzession einzuleiten, solange diese Voraussetzungen gegeben sind und dies erforderlich ist, um gegebenenfalls die ursprünglichen Ausführungsbedingungen dieser Konzession wiederherzustellen.*)

VPRRS 2025, 0089

EuGH, Urteil vom 20.03.2025 - Rs. C-728/22
1. Die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die Konzessionsvergabe ist dahin auszulegen, dass sie in zeitlicher Hinsicht auf Konzessionsverträge im Sinne ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. b anwendbar ist, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/23 vergeben, aber durch Gesetzesbestimmungen verlängert wurden, mit denen zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer im Gegenzug erstens eine Verpflichtung zur Zahlung einer monatlichen Gebühr eingeführt wurde, die anschließend erhöht wurde, zweitens den betreffenden Konzessionsnehmern die Verlegung ihrer Räumlichkeiten untersagt wurde sowie drittens eine Verpflichtung zulasten der betreffenden Konzessionsnehmer eingeführt wurde, diesen Verlängerungen zuzustimmen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Gesetzesbestimmungen selbst nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind. In einer solchen Situation sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung finden.*)
2. Art. 43 der Richtlinie 2014/23 ist dahin auszulegen, dass er einer Befugnis des nationalen Gesetzgebers entgegensteht, durch Gesetzesbestimmungen, die nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2014/23 in Kraft getreten sind, einseitig die Laufzeit von Dienstleistungskonzessionen zu verlängern und dabei im Gegenzug erstens eine pauschal festgesetzte Gebühr zu erhöhen, die von allen betroffenen Konzessionsnehmern umsatzunabhängig geschuldet wird, zweitens ein Verbot der Verlegung ihrer Räumlichkeiten aufrechtzuerhalten sowie drittens eine Verpflichtung beizubehalten, nach der diese Konzessionsnehmer diesen Verlängerungen zustimmen müssen, um an jedwedem zukünftigen Verfahren zur Neuvergabe dieser Konzessionen teilnehmen zu dürfen, sofern diese Änderungen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/23 erfüllen.*)
3. Die Art. 5 und 43 der Richtlinie 2014/23 sind dahin auszulegen, dass sie einer Auslegung oder Anwendung innerstaatlicher gesetzlicher Vorschriften oder einer auf diesen Vorschriften beruhenden Anwendungspraxis nicht entgegenstehen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Befugnis nimmt, auf Antrag eines Konzessionsnehmers, wenn Ereignisse, die den Parteien nicht zurechenbar sowie unvorhersehbar sind, sich wesentlich auf das Betriebsrisiko der Konzession auswirken, ein Verwaltungsverfahren zur Änderung der Ausführungsbedingungen der betreffenden Konzession einzuleiten, solange diese Voraussetzungen gegeben sind und dies erforderlich ist, um gegebenenfalls die ursprünglichen Ausführungsbedingungen dieser Konzession wiederherzustellen.*)

Online seit 5. Mai
VPRRS 2025, 0088
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.04.2025 - Verg 35/24
Eine Wertungsmethode, die einen individuell von jedem Bieter selbst zu bestimmenden sog. Bietungsfaktor enthält, ist wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vergaberechtswidrig.

Online seit 30. April
VPRRS 2025, 0087
EuGH, Urteil vom 29.04.2025 - Rs. C-452/23
Art. 43 Abs. 1 c Richtlinie 2014/23/EU ist dahin auszulegen, dass
- unter den in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen eine Konzession auch dann ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens geändert werden kann, wenn sie ursprünglich ohne Ausschreibung an eine In-House-Einrichtung vergeben wurde und ihr Gegenstand zu einem Zeitpunkt geändert wird, zu dem der Konzessionsnehmer keine In-House-Einrichtung mehr ist;
- er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sicherzustellen, dass die nationalen Gerichte inzident und auf Antrag die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe einer Konzession anlässlich einer Klage auf Nichtigerklärung einer Änderung der Konzession überprüfen, wenn die Klage nach Ablauf aller Fristen, die im nationalen Recht in Anwendung von Art. 2f Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU geänderten Fassung für die Anfechtung dieser ursprünglichen Vergabe vorgesehen sind, von einem Wirtschaftsteilnehmer erhoben wird, der ein Interesse daran nachweist, dass allein der Teil dieser Konzession, der Gegenstand der Änderung ist, an ihn vergeben wird;
- die Änderung einer Konzession i.S.v. Art. 43 "erforderlich wurde", wenn unvorhersehbare Umstände eine Anpassung der ursprünglichen Konzession erfordern, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ordnungsgemäß ausgeführt werden kann.

Online seit 29. April
VPRRS 2025, 0086
BayObLG, Beschluss vom 09.04.2025 - Verg 1/25
1. Die Möglichkeit des Bieters, sich auf mehrere Referenzen für Teilleistungen zu berufen, besteht nur dann, wenn sie weder in der Bekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen wurde.
2. Aus der Formulierung "Auftragsmenge von mind. 10.000 Stück" folgt, dass Bieter sich hinsichtlich dieser Mindestauftragsmenge nur auf einen einzigen Referenzauftrag und nicht auf mehrere Aufträge berufen können.
3. Dem Auftraggeber steht zwar bei der Entscheidung, welche Anforderungen er an die Eignung der Bieter stellen will, und bei der Bewertung der Referenzen ein weiter Beurteilungsspielraum zu, er ist aber an die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden und darf hiervon nicht nachträglich zu Gunsten einzelner Bieter abweichen.

Online seit 23. April
VPRRS 2025, 0082
VK Sachsen, Beschluss vom 09.09.2024 - 1/SVK/022-24G
1. Ein zugunsten der Vorabgestattung des Zuschlags streitender Abwägungsaspekt stellt die Verhinderung von Versorgungslücken im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge dar.*)
2. Insbesondere eine Interimsvergabe durch den Auftraggeber kann geeignet sein, eine vorübergehende Versorgungslücke unter weitgehender Schonung des Interesses an effektivem Primärrechtsschutz zu schließen, weil befristete Interimsvergaben in der Regel dem Zweck dienen, eine Lücke zu schließen, die durch ein Zuschlagsverbot infolge eines Nachprüfungsverfahrens entsteht.*)
3. Im Rahmen von Interimsvergabeverfahren betreffend Dienstleistungen der Daseinsvorsorge ist die Frage der Verursachung der Dringlichkeit nicht allein entscheidungserheblich. Die Dringlichkeit kann für eine gewisse Zeit - interimsweise -auch dann generell gegeben sein, wenn sie auf von dem Auftraggeber zu vertretenden Umständen beruht. Die zeitlich beschränkte Interimsvergabe ist somit selbst dann grundsätzlich zulässig, wenn die Gründe für die Dringlichkeitssituation in der Sphäre des Auftraggebers liegen. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit der Dringlichkeit tritt in diesen Fällen meist hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Versorgungsleistung zurück.*)

Online seit 22. April
VPRRS 2025, 0085
VK Saarland, Beschluss vom 18.11.2024 - 3 VK 3/24
1. Eine Änderung der Vergabeunterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Bieter etwas Anderes anbietet, als der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts verlangt und das Angebot dem vom Auftraggeber nachgefragten Gegenstand nicht entspricht.*)
2. Schreibt ein Auftraggeber eine Stahl-Modulbauweise aus, stellt ein angebotenes Bausystem aus Stahlbetonfertigteilen aufgrund des Verbunds der Werkstoffe von Beton und Stahl auch bei einer integrierten Stahlkonstruktion keine Stahl-Modulbauweise dar, sondern ist als ein Aliud zu klassifizieren.*)

Online seit 17. April
VPRRS 2025, 0084
VK Nordbayern, Beschluss vom 03.02.2025 - RMF-SG21-3194-9-37
1. Wenn sich der öffentliche Auftraggeber eines aus dem Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss er seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
2. Sowohl im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit der Angebote als auch eine Zumutbarkeit der Angebotskalkulation ist es vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn der öffentliche Auftraggeber sich bestimmte HOAI-Honorarparameter (z. B. Honorarzone, getrennte Honorarberechnung wegen Vorliegens mehrerer Objekte oder zeitlicher Trennung der Ausführung) frei anbieten lässt. Das gilt auch dann, wenn damit eine Abweichung von den objektiven Honorarparametern der HOAI verbunden ist.

Online seit 16. April
VPRRS 2025, 0083
VK Nordbayern, Beschluss vom 20.02.2025 - RMF-SG21-3194-9-31
1. Bei Kündigung eines Altauftrags und neuer Vergabe von noch nicht fertig gestellten oder nur mangelhaft erbrachten Leistungen ist für den maßgeblichen Schwellenwert auf den gekündigten Altauftrag abzustellen.
2. Restleistungen nach Kündigung eines (Alt-)Auftrags sind in einem neuen Vergabeverfahren auszuschreiben, da die Ersetzung des Auftragnehmers eine wesentliche Auftragsänderung darstellt.
3. Eine zügige Weiterführung von Arbeiten nach einer Kündigung sowie eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung genügen nicht, um eine Dringlichkeitsvergabe zu rechtfertigen.

Online seit 15. April
VPRRS 2025, 0081
VK Sachsen, Beschluss vom 21.01.2025 - 1/SVK/022-24
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf sich grundsätzlich auf die Angaben der Bieter und die von ihnen in ihren Angeboten abgegebenen Leistungsversprechen verlassen. Nur wenn sich Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen, und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Anforderungen möglicherweise nicht erfüllen kann, ist de Auftraggeber verpflichtet, Aufklärung zu verlangen und die ausreichende Leistungsfähigkeit des Bieters durch Einholung weiterer Informationen zu prüfen.*)
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, dass ein Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter erteilt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls läuft der Auftraggeber Gefahr, gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter zu verstoßen. Ein Auftraggeber darf eine Bieterfrage allenfalls im Einzelfall individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Information handelt.*)
3. Der Umstand, dass ein Bieter selbst eine Bieterfrage gestellt hat und als einziger eine Antwort erhalten hat, lässt eine Rechtsverletzung nicht entfallen. Denn es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Bieter durch die Berücksichtigung der ihm erteilten Antwort auf seine Bieterfrage einen Wettbewerbsnachteil erlitten hat, während andere Bieter, denen die Antwort nicht bekannt war, die Vorgabe nicht beachtet haben und dadurch günstiger anbieten konnten bzw. einen Wettbewerbsvorteil erlangen.*)
4. Eine Preisprüfung ist durchzuführen, wenn der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot 20% oder mehr beträgt. Dabei ist auf die Differenz des Gesamtpreises und nicht auf einzelne Preispositionen abzustellen.*)
5. Über die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird im Hauptsacheverfahren entschieden. Es löst gesonderte Vergabekammergebühren aus, über die getrennt und unabhängig davon zu entscheiden ist, wer die Kosten in der Hauptsache trägt. Dabei ist anerkannt, dass die Kostenlast für das Eilverfahren und den Nachprüfungsantrag in der Hauptsache unterschiedliche Beteiligte treffen kann.*)
6. Für die Kosten des Eilverfahrens nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) gelten die gleichen Grundsätze wie für die Kosten des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache. Die Frage der Verteilung der Kosten des Eilverfahrens richtet sich daher konkret nach den §§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog, der bestimmt, dass soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, er die Kosten zu tragen hat.*)

Online seit 14. April
VPRRS 2025, 0077
VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.09.2024 - VgK-22/2024
1. Grundsätzlich ist das Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht anwendbar, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt.
2. Ein Bauauftrag kann aber bei einer dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommenden Bauleistung durch Dritte vorliegen. Ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers liegt vor, wenn er sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt; ein nur mittelbares fiskalisches Eigeninteresse der Gemeinde genügt nicht.
3. Das Vorliegen eines Bauauftrags erfordert ferner die Eingehung einer einklagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung.

Online seit 11. April
VPRRS 2025, 0078
VK Nordbayern, Beschluss vom 28.01.2025 - RMF-SG21-3194-9-39
1. Eine Amtsermittlung durch die Vergabekammer ist - unabhängig von einer Begrenzung durch die Rügeobliegenheit - zulässig, wenn ein so schwer wiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei einer Fortsetzung des Verfahrens praktisch nicht möglich ist, etwa weil nur willkürliche oder sachfremde Zuschlagskriterien verbleiben oder das vorgegebene Wertungssystem so unbrauchbar ist, dass es jede beliebige Zuschlagsentscheidung ermöglicht (hier bejaht).
2. Sehen die Vergabeunterlagen vor, dass eine "Fachkommission aus Bauherr, Nutzer und Planer" die Prüfung und Wertung vornimmt, ist diese Zusammensetzung vergaberechtswidrig, da die Wertungsentscheidung nicht vom Auftraggeber auf Dritte delegiert werden kann.

Online seit 10. April
VPRRS 2025, 0079
VK Niedersachsen, Beschluss vom 29.11.2024 - VgK-29/2024
1. Die Errichtung von Lärmschutzwänden stellt bei Straßen- und Brückenbauarbeiten ein marktübliches, abgrenzbares Gewerk und somit ein Fachlos dar.
2. Das gesetzliche Regel- und Ausnahmeverhältnis zwischen Los- und Gesamtvergabe bedeutet nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. Erforderlich ist jedoch, dass nach einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und/oder wirtschaftlichen Gründe überwiegen.
3. Ein Abwägungs- und Dokumentationsmangel ist anzunehmen, wenn weder Vergabevermerk noch die Dokumentation im Übrigen erkennen lassen, dass eine Abwägung mit den für eine Fachlosbildung sprechenden Gründen stattgefunden hat (sog. Abwägungsausfall).
4. Eine nachträgliche Heilung von Dokumentationsmängeln ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert.
5. Die besonderen technischen Anforderungen bei der Errichtung von Lärmschutzwänden bei einem Brückenbauwerk rechtfertigen regelmäßig keine Gesamtvergabe.

Online seit 9. April
VPRRS 2025, 0076
VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024 - VgK-25/2024
1. Insbesondere bei abstrakten Wertungskriterien ist die Wertungsentscheidung eingehend und nachvollziehbar zu dokumentieren (hier verneint).
2. Die Wertungsentscheidung ist vom Auftraggeber selbst zu treffen. Der Einsatz sachkundiger Personen (z.B. Nutzer) kann im Einzelfall geboten sein.

Online seit 8. April
VPRRS 2025, 0075
VK Westfalen, Beschluss vom 12.03.2025 - VK 1-10/25
1. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für den Fortsetzungsfeststellungsantrag ist das Vorliegen des sog. Feststellungsinteresses. Das Feststellungsinteresse kann gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient oder eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht.
3. Erklärt der Antragsteller (= Bieter) das Vergabenachprüfungsverfahren für erledigt und schließt sich der Antragsgegner (= öffentlicher Auftraggeber) der Erledigungserklärung an, ist dessen Antrag, festzustellen, dass der Antragsteller durch das vom Antragsgegner durchgeführte Verfahren nicht in seinen Rechten verletzt war, unzulässig. Denn es besteht keine Wiederholungsgefahr, weil der Antragsgegner durch die Zurückversetzung der Ausschreibung die Möglichkeit hat, (eigene) Vergaberechtsverstöße zu vermeiden.

Online seit 7. April
VPRRS 2025, 0073
VK Thüringen, Beschluss vom 21.03.2025 - 5090-250-4003/490
1. Hebt der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren auf, erledigt sich das Nachprüfungsverfahren.
2. Die Entscheidung über die Kostentragung in den Fällen einer Verfahrensbeendigung aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu treffen.
3. Wurde ein Nachprüfungsantrag deswegen zurückgenommen, weil der Bieter aufgrund einer Abhilfe durch den öffentlichen Auftraggeber sein materielles Ziel erreicht hat, entspricht eine Kostentragung des Auftraggebers der Billigkeit. Für den Fall einer übereinstimmenden Erledigungserklärung gilt das gleiche.

Online seit 4. April
VPRRS 2025, 0074
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.09.2024 - Verg 16/24
1. Nach dem Wegfall des Verbots zur Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter kaufmännisch vernünftigen Kalkulation in einem Vergabenachprüfungsverfahren beanstandet werden.
2. Der öffentliche Auftraggeber soll ein Vergabeverfahren erst dann ausschreiben, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann (sog. Vergabereife). Dazu gehört auch auch, dass die Vergabestelle im Zeitpunkt der Ausschreibung in der Lage sein muss, das Vorhaben durch entsprechend verfügbare Haushaltsmittel zu finanzieren.
3. Der öffentliche Auftraggeber setzt die Rahmenvereinbarung zu vergabefremden Zwecken ein, wenn eine Beauftragung über die vereinbarte Mindestabnahmemenge hinaus infolge ungesicherter Finanzierung völlig ungewiss und eine Information der Bieter hierüber unterblieben ist.
4. Eine Bieterfrage ist als Rüge zu qualifizieren, wenn aus ihr hinreichend deutlich wird, welches konkrete Tun oder Unterlassen der Vergabestelle für rechtswidrig erachtet wird und es muss klar sein, dass es sich um eine Beanstandung handelt und nicht lediglich um eine Bieterfrage.

Online seit 3. April
VPRRS 2025, 0072
VK Westfalen, Beschluss vom 12.03.2025 - VK 1-8/25
1. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für den Fortsetzungsfeststellungsantrag ist das Vorliegen des sog. Feststellungsinteresses.
3. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art und muss geeignet sein, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder zu mildern.
4. Erklärt der Antragsteller (= Bieter) das Vergabenachprüfungsverfahren für erledigt und schließt sich der Antragsgegner (= öffentlicher Auftraggeber) der Erledigungserklärung an, ist dessen Antrag, festzustellen, dass der Antragsteller durch das vom Antragsgegner durchgeführte Verfahren nicht in seinen Rechten verletzt war, unzulässig.

Online seit 1. April
VPRRS 2025, 0070
VK Nordbayern, Beschluss vom 25.02.2025 - RMF-SG21-3194-10-8
Ein isoliert auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfahrensaufhebung gerichteter Nachprüfungsantrag, mit dem nicht zugleich um Primärrechtsschutz nachgesucht wird, ist unzulässig.

Online seit 28. März
VPRRS 2025, 0068
OLG Dresden, Beschluss vom 17.03.2025 - Verg 4/24
1. Die Anhörungsrüge ist nur im Hinblick auf die Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör eröffnet, nicht aber in Bezug auf andere Verfahrensgrundrechte, wie etwa die Gewährung des gesetzlichen Richters.
2. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, weswegen zur Darlegung des Gehörsverstoßes gehört, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.

Online seit 27. März
VPRRS 2025, 0069
OLG Jena, Beschluss vom 19.02.2025 - Verg 10/24
1. Für die Vergleichbarkeit erforderlich, aber auch ausreichend ist die Vorlage solcher Referenzleistungen, die der ausgeschriebenen Leistung soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters auch für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen.
2. Die referenzierte Leistung muss im Zeitpunkt der Abgabe nicht vollständig erbracht sein. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren "passgenauer" Ablauf letztlich zufällig ist, kann der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolgt.
3. Dass der Referenzauftrag auf einer festgestellt rechtswidrigen Vergabe beruht, ist irrelevant.
4. Sofern der öffentliche Auftraggeber aufgrund anderweitiger gesicherter Erkenntnisse zu der beanstandungsfreien Feststellung gelangt, das Angebot eines Bieters sei nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig, darf er auf eine Aufklärung verzichten.
5. Dokumentationsmängel können durch geeigneten Vortrag infolge einer Rüge oder im Nachprüfungsverfahren geheilt werden.

Online seit 26. März
VPRRS 2025, 0067
VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024 - VK 2-55/24
1. Für Grundlagen des Vergabeverfahrens, also Vorgaben bereits aus den Vergabeunterlagen, gilt eine an die bloße Erkennbarkeit anknüpfende, vorgezogene Rügeobliegenheit.
2. Bei der Erkennbarkeit ist abzustellen auf eine verobjektivierte Perspektive eines mit üblicher Sorgfalt agierenden Bieters. Es kommt allein darauf an, dass die den Verstoß begründenden Tatsachen bei laienhafter Bewertung vor Ablauf der Angebotsfrist gegenüber dem Auftraggeber hätten dargelegt werden können.
3. Es gehört zum allgemeinen Bieterwissen, dass Bewertungskriterien, die nicht zum Auftragsgegenstand passen, bzw. unklare Bewertungsmaßstäbe keine gleichmäßige Bewertung bzw. keine belastbare Konzepterstellung und damit keine vergleichbaren Angebote ermöglichen.
4. Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote steht dem Auftraggeber ein von den Nachprüfungsinstanzen nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Beurteilungsfehler ergeben sich, wenn der Auftraggeber bei seiner Bewertung die vorgegebenen Bewertungsmaßstäbe nicht eingehalten hat, von einem unzureichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist oder seine Bewertung willkürlich ist bzw. nicht auf sachgemäßen Erwägungen beruht.

Online seit 25. März
VPRRS 2025, 0065
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2025 - 13 B 102/25
1. Verwaltungsrechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Vorbeugender (vorläufiger) Rechtsschutz, der zur Sicherung des eigenen Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf gerichtet ist, in einem Auswahlverfahren für die Vergabe von Rettungsdienstleistungen die Zuschlagserteilung an den ausgewählten Mitbewerber einstweilen zu verhindern, setzt voraus, dass dem Betroffenen bei dem Verweis auf nachträglichen Rechtsschutz unzumutbare Nachteile etwa in Form einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung oder der Schaffung irreversibler Zustände drohen.*)
2. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber berührt grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG (i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG). Diese schützt einen Gewerbetreibenden weder davor, dass ihm durch staatliche Maßnahmen Konkurrenz erwächst, noch bietet sie Schutz gegen eine bloß faktische Benachteiligung durch Vereitelung künftiger Erwerbschancen. Als Eingriff in ein subjektives Recht kommt nur die Beeinträchtigung des sog. Bewerbungsverfahrensanspruchs, also des Rechts aus Art. 3 Abs. 1 GG auf eine verfahrenskonforme Auswahlentscheidung, in Betracht.*)
3. Dem hier allein geschützten Bewerbungsverfahrensanspruch wird ausreichend Rechnung getragen, wenn für die ausschreibende Stelle im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem ausgewählten Bewerber eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für den Fall eingeräumt ist, dass gesetzliche, gerichtliche oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen dem Vertrag die rechtliche oder tatsächliche Grundlage ganz oder teilweise entziehen. § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB, wonach ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, ist im rettungsrechtlichen Auswahlverfahren nicht anwendbar, wenn die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB greift. Anstelle des Vergaberechts finden § 13 RettG-NW und prozessual die Verwaltungsgerichtsordnung und die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsprozessrechts Anwendung. Eine § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB entsprechende Regelung kennt der Verwaltungsprozess nicht.*)

Online seit 24. März
VPRRS 2025, 0064
LG Stralsund, Urteil vom 08.01.2025 - 7 O 332/23
1. Ein dem Abschluss eines Pachtvertrags vorgelagerter Ideenwettbewerb ist kein Vergabeverfahren. Denn bei einem Ideenwettbewerb gibt es keinen Zuschlag, weil er nicht der Lösungsfindung dient, sondern der Aufgabenfindung.
2. Beteiligt sich ein Unternehmen an einem Ideenwettbewerb der öffentlichen Hand, entsteht zwischen den Beteiligten ein zivilrechtliches Schuldverhältnis, das die öffentliche Hand zur Beachtung der grundgesetzlich geschützten Grundsätze der Gleichbehandlung verpflichtet.
3. Die grundgesetzlich geschützten Grundsätze der Gleichbehandlung sind verletzt, wenn ein an dem Ideenwetttbewerb beteiligtes Unternehmen willkürlich benachteiligt wird.
4. Willkür setzt voraus, dass eine Entscheidung der öffentlichen Hand nicht nur fehlerhaft, sondern unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und es sich daher aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Die Darlegungs- und Beweislast trägt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen das Unternehmen.

Online seit 20. März
VPRRS 2025, 0063
VG Schwerin, Beschluss vom 17.02.2025 - 3 B 3547/24
1. Jede staatliche Stelle hat bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebensbereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten. Dieses Handeln ist anders als die in freiheitlicher Selbstbestimmung erfolgende Tätigkeit eines Privaten stets dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine willkürliche Ungleichbehandlung kann dem Gemeinwohl nicht dienen.
2. Der staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen.
3. Die tatsächliche Vergabepraxis kann zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Aufgrund dieser Selbstbindung kann den Verdingungsordnungen als den verwaltungsinternen Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe eine mittelbare Außenwirkung zukommen.
4. Jeder Mitbewerber muss eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Eine Abweichung von solchen Vorgaben kann eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten. Insofern verfügt jeder Mitbewerber über ein subjektives Recht, für das effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden muss.
