Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit heute
VPRRS 2023, 0068
LG Bonn, Urteil vom 01.02.2023 - 1 O 99/22
1. Auch wenn kennzeichnend für das Open-House-Verfahren ist, dass der Auftraggeber grundsätzlich mit sämtlichen Interessenten kontrahieren will, die die Auftrags- und Teilnahmebedingungen erfüllen, ist eine bloße Auftragsbekanntmachung noch kein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags.
2. Durch die Übermittlung eines ein ausgefüllten Angebotsformulars für das Open-House-Verfahren an den Auftraggeber kommt (noch) kein Vertrag zu Stande. Voraussetzung ist vielmehr, dass auf das Angebot des Bieters ein Zuschlag durch den Auftraggeber tatsächlich erteilt wird.
3. Spätestens mit Eingang des Angebots des Bieters beim Auftraggeber wird im Rahmen eines Open-House-Verfahrens ein (vorvertragliches) Schuldverhältnis begründet, das den Auftraggeber zur Einhaltung der von ihm selbst gesetzten Verfahrensregeln und zur Gleichbehandlung der Teilnehmer, zur Transparenz und zur Rücksichtnahme verpflichtet.
4. Eine vorvertragliche Pflichtverletzung in Gestalt einer zu Unrecht verweigerten Zuschlagserteilung begründet jedenfalls in den Fällen, in denen das betroffene Ausschreibe- oder Vergabeverfahren bereits abgeschlossen ist, allenfalls einen Anspruch des zu Unrecht übergangenen Bewerbers auf Ersatz des positiven Interesses, mithin insbesondere des durch Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinns.

Online seit gestern
VPRRS 2023, 0067
BayObLG, Beschluss vom 14.03.2023 - Verg 1/23
1. Zur Zwangsvollstreckung einer Entscheidung der Vergabekammer.*)
2. Aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts, namentlich der Vertragsfreiheit, kann und darf der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich nicht dazu gezwungen werden, einen Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen.
3. Es liegt nicht in der Kompetenz der Vergabekammer, zur Beseitigung einer Rechtsverletzung eine Maßnahme zu treffen, die einen rechtlichen oder tatsächlichen Kontrahierungszwang bedeutet.

Online seit 20. März
VPRRS 2023, 0064
VK Bund, Beschluss vom 23.02.2023 - VK 2-2/23
1. Öffentliche Auftraggeber haben die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden, u. a. über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu informieren. Der Vertrag darf bei einem elektronisch geführten Vergabeverfahren frühestens zehn Tage nach Absendung der Information geschlossen werden.
2. Teilt der öffentliche Auftraggeber den Bietern ausdrücklich mit, dass er beabsichtigt, den Zuschlag an den Zuschlagsprätendenten an einem bestimmten Tag zu erteilen und wird der der Zuschlag vor dem mitgeteilten Termin erteilt, wird die Wartefrist nicht eingehalten und der Vertrag ist von Anfang an unwirksam. Das gilt auch dann, wenn der mitgeteilte Termin über die gesetzlich gebotene Wartemindestfrist hinausgeht.
3. Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers anhand der von diesem den Bietern bekannt gegebenen Zuschlagskriterien. Diese bekannt gemachten Zuschlagskriterien sind gegenüber allen Bietern gleich anzuwenden.
4. Der Auftraggeber darf von den bekannt gemachten Zuschlagskriterien nicht abweichen, ohne dass er dies den Bietern vorab mit angemessener Frist bekannt gegeben hat.

Online seit 17. März
VPRRS 2023, 0063
VG Cottbus, Urteil vom 03.02.2023 - 3 K 1618/19
1. Das EU-Recht ermächtigt die nationale Vollzugsbehörde nicht zur Aufhebung der Zuwendungsbescheide, sondern enthält nur Vorgaben für die Geltendmachung der Forderung nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der durch das Unionsrecht gesetzten Grenzen, insbesondere hinsichtlich des Vertrauensschutzes.
2. Die gesetzlich in § 49 Abs. 3 VwVfG normierten Widerrufsgründe sind abschließend. Die Verpflichtung zur Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften als Hinweis auf das Gesetz stellt für sich genommen noch keine Auflage dar. Maßgeblich für den Auflagencharakter ist der Vorbehalt der Rückforderung. Hierfür reicht nicht, allgemein im Bescheid Rechtsvorschriften zu benennen.
3. Dem gesetzlichen Gebot, bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten, ist zu entnehmen, dass bei Verfehlung des mit der Gewährung von öffentlichen Zuschüssen verfolgten Zwecks das Ermessen nur durch eine Entscheidung für den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen (sog. intendiertes Ermessen).
4. Diese Haushaltsgrundsätze überwiegen im Allgemeinen das Interesse des Begünstigten, den Zuschuss behalten zu dürfen, und verbieten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen.

Online seit 16. März
VPRRS 2023, 0062
VK Lüneburg, Beschluss vom 14.10.2022 - VgK-17/2022
1. Die Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Die früher angewandte Praxis, die Eignungskriterien erst in Vergabeunterlagen mitzuteilen, ist nicht mehr zulässig.
2. Die Eignungskriterien müssen in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein müssen. Ein Verweis genügt nicht. Der (potentielle) Bieter und Bewerber soll sich bereits aufgrund der Bekanntmachung überlegen können, ob er die festgelegten Eignungskriterien erfüllen kann.
3. Eine Mindestanforderung an die Eignung ist vorschriftsgemäß bekannt gemacht, wenn in der Bekanntmachung durch einen Link auf die Internetseite der Vergabestelle verwiesen wird und die interessierten Unternehmen durch bloßes Anklicken zum entsprechenden Formblatt gelangen können (Abschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2012, 1336 - nur online).
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Online seit 15. März
VPRRS 2023, 0061
VK Lüneburg, Beschluss vom 21.12.2022 - VgK-21/2022
1. Änderungen an den Vergabeunterlagen sind unzulässig. Das betreffende Angebot ist zwingend von der Wertung auszuschließen.
2. Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen immer dann vor, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet, als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt. Auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen kommt es nicht an.
3. Eine Leistung, die von den vorgesehenen technischen Spezifikationen abweicht, kann angeboten werden, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist. Die Abweichung ist ausdrücklich im Angebot zu bezeichnen und die Gleichwertigkeit mit dem Angebot nachzuweisen.
4. Technische Spezifikationen sind technische Regelwerke, Normen oder allgemeine Eigenschafts- oder Funktionsbeschreibungen (vgl. Ziffer 1 der Anlage TS zur VOB/A EU), nicht jedoch die individuell auf das konkrete Bauvorhaben bezogenen technischen Angaben.

Online seit 14. März
VPRRS 2023, 0060
VK Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2023 - VgK-27/2022
1. Das Vergaberecht verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, sich wettbewerbsrechtlich fair zu verhalten. Dazu gehört jedenfalls im Bauvergaberecht das Verbot der Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses.
2. Der öffentliche Auftraggeber legt dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt, wenn er von den Anbietern feste Preise für alle Positionen des Leistungsverzeichnisses einfordert, obwohl durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die verhängten Sanktionen erhebliche Veränderungen in der Bitumenversorgung bestehen.
3. Der Ukrainekrieg ist als Ereignis anzusehen, das den Bietern auch noch im Frühjahr 2023 eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ohne Preisgleitklausel unmöglich macht (Fortführung von VK Westfalen, IBR 2022, 532).

Online seit 13. März
VPRRS 2023, 0059
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.02.2023 - Verg 9/22
Dem Europäischen Gerichtshof wird die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 32 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2014/24/EU mit Rücksicht auf Art. 14 AEUV einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Vergabe eines der Daseinsvorsorge dienenden öffentlichen Auftrags bei äußerster Dringlichkeit auch dann im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung erfolgen kann, wenn das Ereignis für den öffentlichen Auftraggeber voraussehbar und die angeführten Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit ihm zuzuschreiben sind?

Online seit 10. März
VPRRS 2023, 0057
VK Berlin, Beschluss vom 08.02.2023 - VK B 1-21/22
Bei einer Rücknahme oder sonstigen Erledigung des Antrags vor einer Entscheidung der Vergabekammer wird die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen getroffen. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen, wenn er sich durch die Antragsrücknahme freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat.

Online seit 9. März
VPRRS 2023, 0058
VK Rheinland, Beschluss vom 17.02.2022 - VK 40/21
1. Bei einem schlechten Rang des Angebots ist für eine ernstliche Möglichkeit des Schadenseintritts i.d.R. erforderlich, dass der Antragsteller auch gegen die ihm in der Rangfolge vorgehenden Bieter konkrete Einwendungen vorbringt.*)
2. Grundsätzlich muss die Rüge erkennen lassen, aufgrund welcher Quellen der Antragsteller im Hinblick auf die Erfüllung welcher Eigenschaften Zweifel hat. Der Hinweis auf das Internet ermöglicht es dem öffentlichen Auftraggeber nicht, Anhaltspunkte für die Überprüfung der vorgetragenen Zweifel zu liefern.*)
3. Werden dem Antragsteller während des Nachprüfungsverfahrens weitere mögliche Vergabeverstöße bekannt, kann er diese unmittelbar zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, ohne vorher rügen zu müssen.*)
4. Einem ausgeschlossenen Konkurrenzangebot ist eine Indizwirkung für die Preisbildung nur dann abzusprechen, wenn der konkrete Ausschlussgrund die Preisbildung beeinflusst haben kann.*)

Online seit 8. März
VPRRS 2023, 0056
OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.2022 - 11 Verg 2/21
1. Hat der Beschwerdesenat des Oberlandesgerichts die Entscheidung der Vergabekammer über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten im Zuge der Senatsentscheidung geprüft, liegt eine die gerichtliche Kostenfestsetzung durch das Oberlandesgericht tragende Kostengrundentscheidung im Rahmen eines vollstreckbaren Titels gem. § 103 Abs 1 ZPO auch dann vor, wenn die sofortige Beschwerde diesbezüglich zurückgewiesen worden ist und daher der Tenor der Beschwerdeentscheidung die Entscheidung über Kosten und Aufwendungen des Verfahrens vor der Vergabekammer nicht wiedergibt; zu einer solchen Prüfung besteht bei einer in der Sache zu bescheidenden sofortigen Beschwerde stets Anlass (Anschluss an OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.02.2015 - 2 Verg 2/14, IBRRS 2015, 1876 = VPRRS 2015, 0185).*)
2. In diesen Fällen ist das Oberlandesgericht im Kostenfesetzungsverfahren zur Entscheidung über die festsetzbaren Aufwendungen des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (entgegen OLG München, Beschluss vom 30.12.2011 - Verg 9/11, IBRRS 2012, 0767 = VPRRS 2012, 0090).*)

Online seit 7. März
VPRRS 2023, 0055
BayObLG, Beschluss vom 20.01.2023 - Verg 14/22
1. Liegt das Angebot eines Bieters auf einem abgeschlagenen Platz, muss er zur Begründung seiner Antragsbefugnis (§ 160 Abs. 2 GWB) schlüssig Vergabeverstöße behaupten, die sich auf die Rangfolge der Angebote in der Weise auswirken können, dass sein Angebot auf eine aussichtsreiche Rangstelle vorrückt, oder die es gebieten, das Vergabeverfahren - bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht - noch weitergehend zurückzuversetzen.*)
2. Erforderlich ist, dass der Bieter Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorträgt, die einen hinreichenden Verdacht auf den gerügten Vergabeverstoß begründen. Daran fehlt es, wenn die Argumentation des Antragstellers nicht plausibel ist, weil er ihm bekannte Tatsachen ausblendet.*)

VPRRS 2023, 0054

VK Berlin, Beschluss vom 08.02.2023 - VK B 1-23/22
Bei einer Rücknahme oder sonstigen Erledigung des Antrags vor einer Entscheidung der Vergabekammer wird die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen getroffen. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsteller die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen, wenn er sich durch die Antragsrücknahme freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat.

Online seit 6. März
VPRRS 2023, 0053
VK Berlin, Beschluss vom 28.11.2022 - VK B 1-34/20
1. Bei einer Rücknahme oder sonstigen Erledigung des Vergabenachprüfungsantrags vor einer Entscheidung der Vergabekammer wird die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen getroffen.
2. Es ist regelmäßig unbillig, nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens dem Antragsteller Gebühren aufzuerlegen, obwohl er aufgrund der getroffenen Abhilfeentscheidung durch den Auftraggeber im materiellen Sinne obsiegt hat.

Online seit 3. März
VPRRS 2023, 0052
OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.01.2023 - 19 Verg 1/22
1. Die Vergabekammer erhebt Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwands im Nachprüfungsverfahren, mit denen die Beteiligten belastet werden.
2. Bei der Ausfüllung dieses Gebührenrahmens ist dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip Rechnung zu tragen, sodass die Gebühr entsprechend dem Aufwand der Vergabekammer und der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache zu bestimmen ist. Dem kann im Ausgangspunkt durch Anwendung der von den Vergabekammern des Bundes entwickelten Gebührentabelle Rechnung getragen werden.
3. Hat der Antragsteller kein Angebot abgegeben, kann der Wert des Verfahrensgegenstands auf Grundlage einer verantwortlichen Einschätzung des Auftraggebers geschätzt werden.

Online seit 2. März
VPRRS 2023, 0050
VK Berlin, Beschluss vom 30.03.2022 - VK B 2-41/21
1. Der öffentliche Auftraggeber bindet sich mit der Mitteilung des Wertungsergebnisses nicht in rechtlich erheblicher Weise selbst.
2. Die Annullierung des Wertungsergebnisses unterliegt keinen besonderen rechtlichen Beschränkungen und ist nach allgemeinen vergaberechtlichen Verfahrensgrundsätzen zulässig.

Online seit 1. März
VPRRS 2023, 0049
VK Bund, Beschluss vom 21.02.2023 - VK 2-4/23
1. Die Vergabekammer des Bundes ist für die Nachprüfung von Aufträgen zuständig, die der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen sind. Nicht entscheidend bzw. ausreichend ist es, ob/dass der Auftraggeber grundsätzlich auch selbst dem Bund zuzurechnender öffentlicher (Sektoren-)Auftraggeber ist.
2. Die Zuständigkeit der Vergabekammer des Bundes richtet sich nicht nach dem Auftraggeber, sondern danach, wem der Auftrag als solcher zuzurechnen ist.

Online seit 28. Februar
VPRRS 2023, 0048
VK Bund, Beschluss vom 13.02.2023 - VK 2-114/22
1. Der öffentliche Auftraggeber darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird. Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist er gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens bzw. die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen.
2. Die Tatsache, dass ein Bieter eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens als Hosting-Dienstleisterin einbinden will, muss den Auftraggeber nicht an der Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens zweifeln lassen (Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.09.2022 - 15 Verg 8/22, IBRRS 2022, 2708).
3. Rechtsanwälte sind keine "Beschaffungsdienstleister".
4. Der Vorauftragnehmer ist kein Unternehmen, das das Vergabeverfahren mit und für den öffentlichen Auftraggeber vorbereitet hat.

Online seit 27. Februar
VPRRS 2023, 0046
VK Thüringen, Beschluss vom 20.12.2022 - 4003-404-2022-E-V-009-EF
1. Ein Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist gem. § 160 Abs. 3 GWB unzulässig, wenn der Bieter/Antragsteller erkannte bzw. erkennbare Vergaberechtsverstöße nicht rechtzeitig gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat.
2. Die Präklusionsvorschriften des § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB sind nicht unionsrechtswidrig, da diese Regeln hinreichend genau, klar und vorhersehbar festlegen, wie und bis zu welcher Frist der Interessent/Bieter potentielle Vergaberechtsverstöße rügen muss.

Online seit 24. Februar
VPRRS 2023, 0045
VK Thüringen, Beschluss vom 07.07.2022 - 4003-392-2022-E-004-WAK
1. Auch wenn ein in der einschlägigen Vergabeverordnung normierter Aufhebungsgrund vorliegt, ist die Aufhebung der Ausschreibung vergaberechtswidrig, wenn der Auftraggeber das ihm eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt bzw. dies nicht hinreichend dokumentiert hat.
2. Der Auftraggeber hat - auch wenn ein Aufhebungsgrund vorliegt -zu überlegen und abzuwägen, ob er die Ausschreibung aufhebt. Er hat sämtliche für und gegen eine Aufhebung des Vergabeverfahrens sprechenden Belange seiner selbst und der Bieter gegeneinander abzuwägen. Zu prüfen ist zudem, ob weniger einschneidende Alternativen in Betracht kommen.
3. In einem Vergabeverfahren nach VgV sind die Bieter im Öffnungstermin (weiterhin) nicht zugelassen und die Preise damit zumindest bis auf Weiteres geheim. Die Regelungen über den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen der Unternehmen sind bieterschützend.
4. Verstößt der öffentliche Auftraggeber gegen die Verpflichtung zur Wahrung der Vertraulichkeit, ist er wegen Verletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dem Bewerber oder Bieter dadurch nachweislich ein Schaden entstanden ist.

Online seit 23. Februar
VPRRS 2023, 0044
VK Westfalen, Beschluss vom 17.02.2023 - VK 3-48/22
1. Eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB kommt jedenfalls bei offensichtlichen, ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen. Unter einem sich Aufdrängen fällt auch ein bewusstes Sich-der-Erkenntnis-Verschließen. Ein Unternehmer verschließt sich der Erkenntnis eines Vergaberechtsverstoßes, wenn er als Teilnehmer eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einen Vergaberechtsverstoß erst nach Abgabe des finalen Angebots rügt, obwohl er sich mit den Vergabeunterlagen bereits zur Erstellung eines ersten indikativen Angebots intensiv auseinandersetzen musste und die streitigen Ausschreibungsunterlagen nicht nur gelesen, sondern auch angewendet hat.*)
2. Ein Zuschlags(unter)kriterium soll dem Auftraggeber eine weitergehende Differenzierung zwischen den Angeboten ermöglichen, um auf dieser Grundlage eine nachvollziehbare Auswahlentscheidung treffen zu können. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es im Rahmen der Bewertung einen Punktwert erhält und sich dieser in der Gesamtwertung wiederfindet. In Abgrenzung hierzu sind mit Blick auf den einem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung zukommenden Beurteilungsspielraum nicht sämtliche Überlegungen, die er im Rahmen der Wertung anstellt, gleich Zuschlagskriterien. Ein öffentlicher Auftraggeber muss sich mit den Angebotsinhalten auseinandersetzen und diese unter die Zuschlagskriterien subsumieren können.*)
3. Im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung überlässt der Auftraggeber dem Wettbewerb Rahmenbedingungen zur Lösung einer Aufgabe. Er ist zur Vorgabe von Lösungsvorschlägen nicht verpflichtet. Das gilt nicht nur bei standardisierten Leistungen, sondern auch bei einem komplexen Auftragsgegenstand. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit steigender Komplexität wechselwirkend die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der vorgegebenen Rahmenbedingungen steigen. Die Offenheit des Verhandlungsverfahrens darf nicht dazu führen, dass Bieter nicht mehr miteinander vergleichbare Angebote abgeben bzw. nicht mehr erkennen können, was von ihnen verlangt ist.*)

Online seit 22. Februar
VPRRS 2023, 0043
EuGH, Urteil vom 22.12.2022 - Rs. C-383/21
1. Art. 12 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass er im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts über die Direktvergabe öffentlicher Aufträge unmittelbare Wirkungen entfaltet, wenn der betreffende Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht fristgemäß in nationales Recht umgesetzt hat.*)
2. Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2 Ziff. i der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass für die Feststellung, dass ein öffentlicher Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über die den Zuschlag erhaltende juristische Person eine ähnliche Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübt, das in dieser Bestimmung genannte Erfordernis, dass ein öffentlicher Auftraggeber in den beschlussfassenden Organen der kontrollierten juristischen Person vertreten sein muss, nicht allein deswegen erfüllt ist, weil im Verwaltungsrat dieser juristischen Person der Vertreter eines anderen öffentlichen Auftraggebers sitzt, der auch dem Verwaltungsrat des ersten öffentlichen Auftraggebers angehört.*)
3. Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftrag, durch den einem öffentlichen Auftraggeber öffentliche Aufgaben übertragen werden, die Teil eines Verhältnisses der Zusammenarbeit zwischen anderen öffentlichen Auftraggebern sind, nicht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen ist, wenn der öffentliche Auftraggeber, dem diese Aufgaben übertragen wurden, bei der Erfüllung solcher Aufgaben nicht die Erreichung von Zielen anstrebt, die er mit den anderen öffentlichen Auftraggebern teilt, sondern sich darauf beschränkt, zur Erreichung von Zielen beizutragen, die nur diesen anderen öffentlichen Auftraggebern gemeinsam sind.*)

Online seit 21. Februar
VPRRS 2023, 0042
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2021 - Verg 11/21
1. Die Bieter sind schon angesichts des Zeitdrucks bei Angebotserstellung nicht gehalten, die Vergabeunterlagen auf Widersprüche hin routinemäßig zu überprüfen.
2. Einem durchschnittlichen Bieter muss jedenfalls bei umfangreicheren Vergabeunterlagen nicht ins Auge fallen, dass sich an verschiedenen Stellen in den Vergabeunterlagen unterschiedliche und sich widersprechende Formulierungen befinden.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist zur Nachforderung fehlender Unterlagen verpflichtet, wenn er weder in der Auftragsbekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen wirksam festgelegt hat, dass er fehlende Unterlagen nicht nachfordern wird.
4. Der Ausschluss einer Nachforderung muss eindeutig sein. Eindeutig ist der Ausschluss nur dann, wenn zweifelsfrei erkennbar ist, ob und in welchem Umfang die Nachforderung ausgeschlossen ist.
5. Intransparente Anforderungen oder widersprüchliche Vergabeunterlagen sind nicht eindeutig. Verbleiben Zweifel, geht diese zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers.
