Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2005, 0620
VK Südbayern, Beschluss vom 10.02.2005 - 81-12/04
1. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt.
Der in § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB verwendete Schadensbegriff muss unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden (in Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004, Az. 2 BvR 2248/03). Der Schaden besteht demnach darin, dass durch den einzelnen beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des Antrag stellenden Bieters auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können. Entscheidend für das Vorliegen einer Antragsbefugnis und damit der Gewährung von Primärrechtsschutz ist mithin die Eignung der gerügten Vergaberechtsverstöße, eine solche Chancenbeeinträchtigung begründen zu können. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Antragsteller im Sinne einer darzulegenden Kausalität nachweisen kann, dass er bei korrekter Anwendung der Vergabevorschriften den Auftrag erhalten hätte.
An die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB werden daher keine sehr hohen Anforderungen gestellt. Es wird vielmehr als ausreichend angesehen, dass ein Schadenseintritt nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.*)
2. Nach § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A kann der Auftraggeber die Bieter auffordern, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen. Von dieser Möglichkeit hat die Vergabestelle hier Gebrauch gemacht, indem sie unter Nr. 6 der Bewerbungsbedingungen vorgegeben hat, dass der Bieter in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben muss, auf Verlangen sind die vorgesehenen Nachunternehmer zu benennen. Angaben zu Art und Umfang des geplanten Nachunternehmereinsatzes stellen nach bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich eine kalkulationserhebliche Erklärung dar, die sich wegen ihrer erheblichen Bedeutung für die Beurteilung der Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters auf die Wettbewerbsstellung auswirken.*)
3. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, die Antragstellerin ist durch den Ausschluss ihres Angebots gemäß § 25 Nr. 2 VOB/A in ihren Rechten verletzt, weil die Antragsgegnerin ihre Entscheidung auch von dem - erst während der 2. Wertungsphase geforderten - Terminplan abhängig gemacht hat.
Auch wenn ein Terminplan nicht von § 8 Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOB/A erfasst ist, wäre er, sofern ihn die Antragsgegnerin als von den Bietern geforderte Erklärung verlangen wollte, im Anschreiben zur Aufforderung zur Angebotsabgabe selbst aufzuführen. Das folgt aus § 10 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. a. VOB/A i. V. m. § 10 Nr. 5 Abs. 2 Buchst. q VOB/A. Aufzuführen sind im Anschreiben alle Angaben, die außer den Verdingungsunterlagen für den Entschluss zur Angebotsabgabe notwendig sind (§ 10 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A). Dazu zählen insbesondere auch Erfordernisse, die die Bewerber bei der Bearbeitung ihrer Angebote beachten müssen, etwa die Forderung des Auftraggebers nach der Aufstellung bestimmter Terminpläne für die Ausführung der Bauleistung. Dies ist für den Bieter zum einen von Bedeutung, um den Aufwand abzuschätzen, den er mit dem Angebot hat, zum anderen aber auch wesentlich für die Konformität seines Angebots.*)

VPRRS 2005, 0619

VK Südbayern, Beschluss vom 03.02.2005 - 79-12/04
1. Der Grundsatz der Gleichbehandlung (hier insbesondere § 4 Abs. 2 und 3 VOF) ist gefährdet, wenn am Vergabeverfahren Personen teilnehmen, die entweder auf Bieterseite gegenüber anderen Bewerbern möglicherweise einen Informationsvorsprung haben oder bei denen die Gefahr einer Interessenskollision und in diesem Zusammenhang der Parteilichkeit auf Auftraggeberseite besteht.*)
2. Gemäß § 6 Abs. 2 VOF dürfen Sachverständige weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein und auch nicht beteiligt werden. Daraus ergibt sich zunächst, dass ein Ausschluss nur innerhalb ein und desselben Verfahrens in Betracht kommt. Verfahrensübergreifend erscheint die Objektivität des Sachverständigen nicht gefährdet, wenn es nicht ausnahmsweise in beiden Verfahren auf dieselbe Frage ankommen sollte.*)

VPRRS 2005, 0618

VK Südbayern, Beschluss vom 25.10.2004 - 35-05/04
1. Das Vergabeverfahren steht grundsätzlich unter dem Gebot der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit aller Wettbewerbsteilnehmer gemäß § 97 Abs. 2 GWB i.V.m § 2 Nr. 2 VOL/A. Dies bedeutet unter anderem, dass allen Bietern dieselben Mindestanforderungen erfüllen müssen, die für das konkrete Angebot und die Kalkulation von Bedeutung sind, um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.*)
2. Nach § 25 Nr. 3 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen; der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend. Die Bestimmung ist zusammen mit § 9 a VOL/A zu sehen, wonach die Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung alle Zuschlagskriterien angeben, deren Verwendung sie vorsehen, und zwar möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung.*)
3. Wie der Wortlaut von § 9a VOL nahe legt ("möglichst"), wird dem öffentlichen Auftraggeber die Bekanntgabe einer Reihenfolge oder einer Gewichtung von Wertungskriterien hierdurch nicht vorgeschrieben. § 9a VOL trifft insofern keine verbindliche Anordnung. Verstöße hiergegen bleiben folgenlos und rechtfertigen nach Ansicht der Kammer keine Beanstandung des Vergabeverfahrens.*)

VPRRS 2005, 0617

LG Leipzig, Urteil vom 19.08.2005 - 01HK O 7069/04
1. Ein ungerechtfertigter Ausschluss aus einem Vergabeverfahren stellt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 311 Abs. 2, § 241 BGB dar, die zu Schadensersatzansprüchen des ausgeschlossenen Bieters führen kann.
2. Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Vertretung des rechtswidrig ausgeschlossenen Bieters stellen erstattungsfähigen Schaden dar.

VPRRS 2005, 0616

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05.10.2005 - VK-SH 23/05
1. Das Interesse gemäß § 107 Abs. 2 GWB wird grundsätzlich durch die Abgabe eines Angebotes dokumentiert. Eine Antragsbefugnis kann jedoch ausnahmsweise auch in Betracht kommen, wenn der Unternehmer gerade durch die gerügten Verfahrensfehler an der Abgabe beziehungsweise an der Erstellung des Angebots gehindert worden ist.*)
2. Die Antragsbefugnis beschränkt sich in diesen Fällen auf die Geltendmachung solcher Vergabefehler, die - entweder einzeln oder kumulativ - kausal für diesen Entschluss der Nichtbeteiligung gewesen sein könnten und die die Anordnung einer Aufhebung des Verfahrens oder die Wiederholung der bisherigen Verfahrensschritte rechtfertigen können. Vergaberechtsfehler im Verlauf des weiteren Verfahrens können jedoch nur Bieter rügen, die ein Angebot abgegeben haben und denen aus diesen Fehlern ein Schaden erwachsen kann.*)
3. Bereits aus der Vergabebekanntmachung "erkennbare" Verstöße gegen Vergabevorschriften, die positiv erkannt wurden, sind immer auch gleichzeitig als "erkannte" Verstöße im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB zu betrachten und damit unverzüglich zu rügen.*)
4. Zur positiven Kenntnis von Vergaberechtsverstößen.*)

VPRRS 2005, 0615

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.10.2005 - VK-SH 27/05
1. Sehen Verdingungsunterlagen vor, dass Nachunternehmer nur "auf Verlangen" der Vergabestelle zu benennen sind, müssen die Nachunternehmer nicht zwingend bei Angebotsabgabe benannt werden. Aus einem den Verdingungsunterlagen beigefügten Formular, das Spalten zur Angabe von Nachunternehmern enthält, ergibt sich nichts Anderes.*)
2. Die Benennung von Ordnungszahlen für Nachunternehmerleistungen in Nachunternehmererklärungen ist bei Angebotsabgabe nicht erforderlich, wenn sich aus der schlagwortartigen Bezeichnung der Teilleistungen hinreichend klar ergibt, welche Leistungen von Nachunternehmer ausgeführt werden sollen. Aus einem den Verdingungsunterlagen beigefügten Formular, das Spalten zur Angabe von Ordnungszahlen enthält, ergibt sich nichts Anderes.*)
3. Enthält eine Nachunternehmererklärung Ordnungszahlangaben und werden diesen Ordnungszahlen schlagwortartig Nachunternehmerleistungen zugeordnet, die nicht oder zum Teil nicht den angegebenen Ordnungszahlen entsprechen, ist das Angebot nicht per se wegen Unklarheit der Nachunternehmererklärung auszuschließen. Für die Frage, welche Leistungen von Nachunternehmern ausgeführt werden sollen, ist grundsätzlich die Ordnungszahlangabe maßgebend. Etwas Anderes könnte nur dann gelten, wenn die schlagwortartigen Bezeichnungen der Teilleistungen erkennbar gar nichts mit den in den Ordnungszahlen angegebenen Teilleistungen zu tun haben.*)
4. Die vergaberechtlich bedeutsame Wettbewerbsrelevanz von Nachunternehmererklärungen ist davon abhängig, ob und inwieweit Nachunternehmererklärungen in den Verdingungsunterlagen gefordert werden.*)

VPRRS 2005, 0614

VK Sachsen, Beschluss vom 12.07.2005 - 1/SVK/073/05
1. Grundsätzlich liegt es - auch nach der Entscheidung des BGH vom 18.05.2004 (X ZB 7/04) - im Verantwortungsbereich des Bieters, wie er seine Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen des Leistungsverzeichnisses anbietet.*)
2. Reine "Unterkostenangebote" in einzelnen Preispositionen allein berechtigen den Auftraggeber nicht zum Vorbehalt einer vergaberechtlich verbotenen Preisverlagerung (Mischkalkulation) mit Ausschlussrelevanz nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A. Unterkostenangebote sind nach allgemeiner Auffassung per se nicht unzulässig. Nach der Rechtsprechung des BGH ist lediglich die Verschiebung eines in einer LV-Position kalkulierten Aufwands in eine andere LV-Position, also Abpreisungen verbunden mit kompensatorischen Aufpreisungen an anderer Stelle, untersagt. Gibt es aber keine derartigen tatsächlich auch überpreisten Positionen, verbietet sich eine darauf aufbauende Annahme einer kompensatorischen Preisverlagerung, die überhaupt erst den vom BGH angedachten Ausschlussgrund begründen kann (wie OLG Dresden, B. v. 01.07.2005, WVerg 7/05 und OLG Koblenz, B. v. 10.05.2005, 1 Verg 3/05).*)
3. Ein Prüfung, wonach einzig und allein eine auffällige Niedrigpreisposition (ohne Aufpreisungen an anderer Stelle) solange einem immer weiter und tiefer gehenden Rechtfertigungszenario zugeführt wird, bis schlussendlich sogar entgegen den Ausführungen einer erstbeurteilenden (unteren) Vergabestelle ein Rechtfertigungsmanko auf der Grundlage allein des ARS Nr. 25/2004 konstatiert wird, ist vergaberechtswidrig. In einer solchen Konstellation erweist sich ein Ausschluss durch eine (übergeordnete) Behörde, der einzig und allein auf eine nicht gesetzlich oder obergerichtlich gestützte Rechtsgrundlage gestützt wird (die in praxi überzogenen Ermächtigungen des ARS Nr. 25/2004) wie auch das Allgemeine Rundschreiben selber als vergaberechtswidrig.*)

VPRRS 2005, 0613

VK Südbayern, Beschluss vom 14.12.2004 - 70-10/04
1. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A darf die Beschreibung technischer Merkmale nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist. Es genügt, dass sich die Forderung besonderer Merkmale, bezogen auf die Art der zu vergebenden Leistung, rechtfertigen lässt, mithin sachlich vertretbar ist, womit dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass in die (auch) kaufmännische Entscheidung des Auftraggebers, welche Leistung mit welchen Merkmalen nachgefragt und ausgeschrieben werden soll, regelmäßig eine Vielzahl von Gesichtspunkten einfließt, die sich etwa daraus ergeben, dass sich die auf dem Markt angebotenen Leistungen trotz grundsätzlicher Gleichartigkeit regelmäßig in einer Reihe von Eigenschaften unterscheiden. Eine Differenzierung nach solchen Kriterien, soweit sie auf die Art der zu vergebenden Leistung bezogen sind, kann dem Auftraggeber nicht verwehrt werden, und nach welchen sachbezogenen Kriterien er seine Entscheidung auszurichten hat, ist ihm im Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben.*)
2. Das Angebot der Antragstellerin wurde in der ersten Wertungsstufe wegen Änderungen (§ 25 Nr. 1 VOL/A) ausgeschlossen. Auf das Angebot der Antragstellerin konnte der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es nicht eindeutig und daher auszuschließen war.*)

VPRRS 2005, 0612

VK Südbayern, Beschluss vom 14.12.2004 - 69-10/04
1. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A darf die Beschreibung technischer Merkmale nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall ist der Leistungsanforderung der Vergabestelle eine sachliche Rechtfertigung nicht abzusprechen. Im Rahmen einer Gesamtschau hat der Wettbewerb dies durch mehrere zuschlagsfähige Angebote auch bestätigt.*)
2. Das Angebot der Antragstellerin wurde in der ersten Wertungsstufe wegen nicht zweifelsfreier Änderungen der Eintragungen der Antragstellerin (§ 25 Nr. 1 VOL/A) ausgeschlossen. Auf das Angebot der Antragstellerin konnte der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es nicht zweifelsfrei und daher auszuschließen war.*)

VPRRS 2005, 0611

VK Südbayern, Beschluss vom 14.12.2004 - 68-10/04
1. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB besteht die Rügeobliegenheit nur für die dem Antragsteller bekannten Vergabefehler. Kenntnis in diesem Sinn setzt einmal die positive Kenntnis der einen Vergabefehler (tatsächlicher oder vermeintlicher Art) ausmachenden Tatsachenumstände, außerdem aber auch die zumindest laienhafte rechtliche Wertung des Antragstellers voraus, dass die bekannten Tatsachen den Schluss auf eine Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen rechtfertigen. Eine rechtliche Verpflichtung des Antragstellers, sich die - über einen etwa bestehenden Verdacht hinaus - zur Erhebung einer Rüge erforderlichen Tatsachenkenntnisse durch eigenes Tun zu verschaffen und/oder bislang ungewisse rechtliche Bedenken durch Einholen anwaltlichen Rechtsrats zu erhärten, besteht grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme hiervon mag in dem Fall anerkannt werden, in welchem der Kenntnisstand des Antragstellers in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht einen solchen Grad erreicht hat, dass ein weiteres Verharren in Unkenntnis als ein mutwilliges Sich-Verschließen vor der Erkenntnis eines Vergaberechtsverstoßes gewertet werden muss. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verletzung der Rügeobliegenheit hat - wie sich aus dem Wortlaut des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ergibt - im Streitfall der Auftraggeber nachzuweisen.*)
2. Erkennbar sind Regelverstöße, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von einem durchschnittlichen Unternehmen erkannt werden. Bei der Konkretisierung dieses Maßstabes kommt es auch darauf an, ob das Unternehmen schon erhebliche Erfahrungen mit öffentlichen Aufträgen hat und daher gewisse Rechtskenntnisse vorausgesetzt werden können, die beim unerfahrenen Unternehmen nicht vorhanden sind.*)
3. Gemäß § 25 Nr. 1 VOL/A müssen Angebote zwingend von der Wertung ausgeschlossen werden, wenn sie geforderte Preisangaben nicht enthalten.
Der Ausschluss des Angebots war zwingend, weil in dem von der Antragsgegnerin aufgestellten Leistungsverzeichnis in den Spalten für den Einheitspreis und den Gesamtbetrag von der Antragstellerin keine Eintragungen vorgenommen worden waren.*)
4. Gemäß § 21 Nr. VOL/A sind Änderungen und Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig.
Es kann dahinstehen, ob im Rahmen der Auslegung eine Aufklärung zu den vermeintlichen Änderung oder Schreibfehlern erfolgen konnte oder musste, weil bereits die fehlenden Einheitspreise zwingend zum Ausschluss des Angebots führen mussten.*)
5. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A darf die Beschreibung technischer Merkmale nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist.
Diese Bestimmung bezweckt, eine Verengung oder sogar Ausschaltung des Wettbewerbs durch eine einseitige Orientierung des öffentlichen Auftraggebers auf bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse zu verhindern und den Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber zu wahren.
Im vorliegenden Fall ist der Leistungsanforderung der Vergabestelle eine sachliche Rechtfertigung nicht abzusprechen. Im Rahmen einer Gesamtschau hat der Wettbewerb dies durch mehrere zuschlagsfähige Hauptangebote bestätigt.*)
6. Die Entscheidung über die Aufhebung einer Ausschreibung ist nach § 26 VOL/A in das pflichtgemäße Ermessen der Vergabestelle gestellt. Eine Anordnung der Aufhebung durch die Nachprüfungsinstanzen kommt demnach nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn das Ermessen der Vergabestelle auf Null reduziert wäre.*)

VPRRS 2005, 0698

OLG München, Beschluss vom 12.04.2005 - Verg 6/05
Ein Angebot, das nicht sämtliche von der Vergabestelle geforderten Erklärungen enthält, ist zwingend auszuschließen.

VPRRS 2005, 0610

VK Südbayern, Beschluss vom 23.11.2004 - 45-06/04
1. Ein Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung ist zulässig, wenn der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig war, die Voraussetzungen des § 114 Abs.2 Satz 2 GWB gegeben sind und der Antragstellerin das Feststellungsinteresse zugestanden werden kann.*)
2. Das GWB sieht in § 114 Abs. 2 Satz 2 einen Feststellungsantrag für den Fall vor, dass sich das Nachprüfungsverfahren u. a. durch Erteilung des Zuschlages oder durch Aufhebung erledigt hat.*)
3. Für den Antrag der Antragstellerin, sie sei durch die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung in ihren Rechten verletzt, ist dieser das Feststellungsinteresse zuzugestehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Schadensersatzforderungen der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden können. Denn bereits mit dem Teilnahmeantrag und der Vorlage der für die Beurteilung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde erforderlichen Unterlagen entsteht ein Sonderverhältnis zwischen Vergabestelle und Bewerber. Das begründet bei vorwerfbarer Verletzung der zumindest auch dem Schutz des Bewerbers dienenden Vergabevorschriften mögliche Schadensersatzansprüche.*)
4. Im Rahmen eines Nichtoffenen Verfahrens wählt der Auftraggeber anhand der mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Nachweise (§ 8 a Nr. 2 VOB/A) unter den Bewerbern, die seinen Anforderungen bezüglich der Eignung entsprechen, diejenigen aus, die er zur Abgabe eines Angebotes auffordern will.*)
5. Die Prüfung nach § 8 a VOB/A erfolgt in zwei Schritten. Zunächst werden die geeigneten Bewerber von den ungeeigneten Bewerbern geschieden. In der zweiten Stufe wählt der Auftraggeber unter den verbliebenen, geeigneten Bewerbern diejenigen aus, die er dann zur Angebotsabgabe auffordert.
Für die Auswahl der Bieter im Nichtoffenen Verfahren sehen weder das Gesetz noch die Vergabebedingungen, hier der zweite Abschnitt der VOB/A, entsprechende Auswahlkriterien vor. Der vorgeschaltete öffentliche Teilnahmewettbewerb ist nicht Bestandteil des förmlichen Vergabeverfahrens, sondern dient vorrangig der Information des Auftraggebers über die Marktsituation. Die Bewerber, darunter auch die Antragstellerin, haben keinen subjektiven Anspruch auf Beteiligung an einem dem Teilnahmewettbewerb folgenden Nichtoffenen Verfahren. Selbst bei nachgewiesener grundsätzlicher Eignung kann ein Bewerber keinen Anspruch zur Angebotsabgabe herleiten. Die Vorschriften des § 8 bzw. § 8a VOB/A verpflichten einen Auftraggeber nämlich nicht, alle Bewerber, welche die verlangten Nachweise bezüglich ihrer Eignung vollständig beigebracht haben, zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern. Die Vorschrift lässt dem Auftraggeber im Gegenteil einen gewissen Beurteilungsspielraum bei seiner Auswahlentscheidung. Er hat dabei aber alles zu unterlassen, was zu einer Benachteiligung bzw. Diskriminierung bestimmter Bewerber führen könnte. Bei seiner Auswahlentscheidung hat der Auftraggeber darüber hinaus die Vorgaben des § 8 a Nr. 2 Satz 1 GWB, wonach mindestens 5 geeignete Bewerber aufzufordern sind, zu beachten.*)

VPRRS 2005, 0609

VK Südbayern, Beschluss vom 17.08.2004 - 20-04/04
1. Ein Antrag auf Feststellung einer Rechtsverletzung ist zulässig, wenn die behaupteten Rechtsverletzungen vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens unverzüglich gerügt wurden und die Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB gegeben sind.*)
2. Mit der Formulierung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A als Sollvorschrift ist lediglich der Umstand der vertraglichen Handlungsfreiheit geschuldet, nicht zur Abgabe eines bestimmten Angebots verpflichtet zu sein. Die Rechtsfolge des zwingenden Angebotsausschlusses folgt unmittelbar und allein aus § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A. Auch das vergabeverfahrensrechtliche Prinzip der Transparenz und der Gleichbehandlung des § 97 Abs. 1, 2 GWB gebietet nur die Wertung solcher Angebote, die in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar seien, so dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt und angegeben sein müssten.*)
3. Diese Auslegung von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) und § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A gilt jedoch nicht für den Fall, dass die Vergabestelle den Hinweis gegeben hat, dass die Angaben für die Vergabeentscheidung relevant sind und ein Fehlen dieser Angaben zum Ausschluss des Angebots führen kann. Damit hat sich die Vergabestelle vielmehr die Möglichkeit offen gelassen, das Angebot auszuschließen oder auch nicht.*)
4. Der Tatbestand, der zu einer Aufhebung der Ausschreibung führen kann, ist nach § 26 Nr. 1 Buchstabe b VOB/A das Erfordernis der grundlegenden Änderungen der Verdingungsunterlagen. Es handelt sich hierbei um Gründe, die zum einen erst nach erfolgter Ausschreibung aufgetreten sind und zum anderen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, auf denen die Ausschreibung ursprünglich basierte, darstellen. Dass es sich hierbei nur um nicht vorhersehbare Änderungsgründe handeln kann, ergibt sich schon aus dem in § 16 Nr. 1 VOB/A verankerten Grundsatz, wonach der Auftraggeber erst dann ausschreiben soll, wenn alle Verdingungsunterlagen fertig gestellt sind und wenn innerhalb der angegebenen Fristen mit der Ausführung begonnen werden kann. Eine reine Motivänderung auf Seiten der Vergabestelle reicht für eine Aufhebung nicht aus, da § 26 Nr. 1 Buchstabe b VOB/A nicht darauf abstellt, ob der Auftraggeber die Verdingungsunterlagen ändern will, sondern ob er sie ändern muss.*)

VPRRS 2005, 0608

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2005 - Verg 38/05
Ein Angebot, für deren Wertung wesentliche geforderte Preisangaben fehlen, ist aus Gründen der Gleichbehandlung und Transparenz zwingend auszuschließen.

VPRRS 2005, 0607

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2005 - Verg 35/05
1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf fehlt es an der Antragsbefugnis des Antragstellers, wenn sein Angebot zu Recht ausgeschlossen worden ist, weil er auf ein zu Recht ausgeschlossenes Angebot einen Zuschlag nicht erlangen und folglich auch keinen Schaden erleiden kann. Jedenfalls ist in solchen Fällen der Nachprüfungsantrag aber unbegründet.
2. Bei Angabe des ausgeschriebenen Leitfabrikats durch den Bieter und lediglich zwei fehlenden Typenbezeichnungen kann die Vergabestelle davon ausgehen, dass auch der vorgegebene Typ angeboten wird; das Angebot ist also vollständig und nicht auszuschließen.
3. Das in der Bauwirtschaft aufgrund eines zur Zeit vorhandenen Preiswettbewerbs niedrige Preisniveau kann ein ungewöhnlich niedriges Angebot erklären.

VPRRS 2005, 0606

VK Münster, Beschluss vom 05.10.2005 - VK 19/05
Wird mit dem Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrages auch gleichzeitig die Mitgliedschaft in einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit angeboten, obwohl dies nicht Gegenstand der Ausschreibung war, so dass sich die Höhe der im Angebot genannten Prämie aufgrund der Möglichkeit von Nachschusspflichten ändern kann, so kann dieses Angebot nicht mit anderen Angeboten von Versicherungen, die diese Verknüpfung nicht haben, verglichen werden. Das Angebot ist zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) und d) VOL/A von der Wertung auszuschließen, weil eine andere als die ausgeschriebene Leistung angeboten wurde und kein fester Preis im Sinne von § 15 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A genannt wurde.*)

VPRRS 2005, 0605

OLG Rostock, Beschluss vom 06.07.2005 - 17 Verg 8/05
1. Bei der Frage, ob zwischen Preis und Leistung ein "offenbares Missverhältnis" im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/A besteht, kommt es nicht auf einen Vergleich einzelner Positionen des Leistungsverzeichnisses mit einem "auskömmlichen" Preis an, sondern auf den Gesamtpreis des Angebotes.
2. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinn von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, sondern "versteckt" die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebotes. Das Angebot ist zwingend auszuschließen.
3. Eine Beweislast dahingehend, dass der Bieter "beweisen" muss, dass er eine Mischkalkulation nicht vorgenommen, vielmehr jeden einzelnen Preis auskömmlich kalkuliert hat, ist § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nicht zu entnehmen.
4. Ein nachvollziehbarer Kalkulationsirrtum kann den Anschein einer Mischkalkulation entkräften.
5. Die Wirkung einer Verwaltungsanweisung (z.B. eines Rundschreibens) beschränkt sich auf eine Selbstbindung der Verwaltung im Rahmen eines ihr eingeräumten Ermessens. Das schließt eine Abänderung von Rechtssätzen im eigentlichen Sinne aus.

VPRRS 2005, 0604

OLG Rostock, Beschluss vom 17.06.2005 - 17 Verg 8/05
1. Bei der Frage, ob zwischen Preis und Leistung ein "offenbares Missverhältnis" im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 VOB/A besteht, kommt es nicht auf einen Vergleich einzelner Positionen des Leistungsverzeichnisses mit einem "auskömmlichen" Preis an, sondern auf den Gesamtpreis des Angebotes.
2. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinn von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, sondern "versteckt" die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebotes. Das Angebot ist zwingend auszuschließen.
3. Eine Beweislast dahingehend, dass der Bieter "beweisen" muss, dass er eine Mischkalkulation nicht vorgenommen, vielmehr jeden einzelnen Preis auskömmlich kalkuliert hat, ist § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nicht zu entnehmen.

VPRRS 2005, 0603

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.07.2005 - Verg 42/05
1. Gemäß § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A können von der Teilnahme am Wettbewerb Bewerber ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt. Unspezifizierte Vorwürfe, vage Vermutungen und Verdachtsmomente reichen hierfür nicht aus. Die Verfehlung muss nach objektiven Kriterien beweisbar sein. Ist der Bewerber eine juristische Person, kommt es für die Beurteilung auf die für das Unternehmen verantwortlich handelnden Personen an.
2. Zur "Selbstreinigung" von nachweislich schweren Verfehlungen muss ein Unternehmen sich unverzüglich und vollständig von den für die schweren verfehlungen verantwortlichen Personen trennen und ihnen jeden Einfluss auf die Geschäftsführung verwehren.
3. Schließt das Unternehmen stattdessen verdeckte Treuhandverträge den für die schweren verfehlungen verantwortlichen Personen ab, die diesen Personen weiterhin einen erheblichen Einfluss auf das Unternehmen belassen, bedeutet dies eine erneute schwere Verfehlung.

VPRRS 2005, 0602

OLG Rostock, Beschluss vom 02.08.2005 - 17 Verg 7/05
1. Nach Rücknahme des Nachprüfungsantrages hat die "Einstellung" des Nachprüfungsverfahrens seitens der Vergabekammer lediglich deklaratorischen Charakter, ohne dass hierdurch eine Beschwer in der Hauptsache und/oder der Kostenentscheidung entsteht.
2. Die Kostenentscheidung der Vergabekammer ist selbständig anfechtbar.
3. Die Fiktion des § 116 Abs. 2 GWB, dass der Nachprüfungsantrag als abgelehnt gilt, führt zur Kostentragung des Bieters und schließt auf der Grundlage des die Kostentragung abschließend regelnden § 128 GWB die Kostenfolge ein.
4. Auch eine Antragsrücknahme ist als "unterliegen" im Sinne von § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB zu werten.

VPRRS 2005, 0601

EuGH, Urteil vom 20.10.2005 - Rs. C-264/03
1. Ein Baubetreuungsvertrag ist ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne des Art. 1 Buchstabe a der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG.
2. Ein nationales Gesetz, welches die Aufgabe der Baubetreuung den in einer abschließenden Liste aufgeführten juristischen Personen des nationalen Rechts vorbehält, verstößt gegen die Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG.
3. Auch bei Verträge, die vom Anwendungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinien auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens ausgenommen sind, müssen die Auftraggeber, die sie schließen, doch die Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten.
4. So verhält es sich u. a. bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, deren Wert nicht die in der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG festgelegten Schwellen erreicht.
VPRRS 2005, 0600

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.08.2005 - 1 VK LVwA 31/05
1. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor. Eine Rüge hat unmittelbar zu erfolgen und nicht erst nach Abschluss der Wertung.*)
2. Die Kenntnis der zuständigen Agentur für Arbeit ist weder relevant für den Nachweis der Fachkunde als auch für den Nachweis der Leistungsfähigkeit. Eine Befugnis für das Abfordern ist aus § 8 Nr. 3 Abs. 1 lit g), Abs. 2 VOB/A nicht herzuleiten. Erklärungen der Bewerbererklärung werden bereits mit dem neuen Formblatt Ang erfasst.*)
3. Einen Anspruch auf Nachverhandlung hat der Bieter, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, grundsätzlich nicht.*)

VPRRS 2005, 0599

OLG Rostock, Beschluss vom 30.05.2005 - 17 Verg 4/05
1. Bei einer Ausschreibung über die Durchführung der Restabfallentsorgung (Verwertung/Beseitigung) hängt die Leistungsfähigkeit des Bieters von dem gesicherten Vorhandensein der erforderlichen Kapazitäten der angebotenen Anlage(n) ab; fehlen bei dem Angebot geforderte Kapazitäten, ist es zwingend auszuschließen.
2. Der Vergabekammer sowie dem Vergabesenat obliegt es nicht, im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens die Rechtmäßigkeit einer Plangenehmigung zu prüfen bzw. ihre Rechtswidrigkeit festzustellen. Öffentlich rechtliche Genehmigungen für eine Anlage entfalten Tatbestandswirkung mit der Folge, dass die Anlagen- und Betriebszulassung weiteren Entscheidungen unbesehen zugrunde gelegt werden darf.
3. Die Transportentfernung als sog. "vergabefremder" Gesichtspunkt ist ein zulässiges Wertungskriterium.

VPRRS 2005, 0598

OLG Naumburg, Beschluss vom 11.10.2005 - 1 Verg 10/05
1. Fordert der Auftraggeber von den Bietern die Benennung inhaltlich vergleichbarer Referenzobjekte, kann eine Aufstellung über alle Aufträge eines Bieters z.B. seit dem Jahre 2000 nicht als taugliche Referenzliste anerkannt werden, wenn weder nähere Angaben zum Umfang des Auftrags noch zu den Auftraggebern enthalten sind und eine Verifizierung bzw. Nachfrage bei nahezu bei allen "Referenz"-Objekten ausgeschlossen ist.
2. Fordert der Auftraggeber die Vorlage des Entwurfs eines Forfaitierungsvertrages und legt der Bieter ein Formular für die Abtretung von Mietzinsforderungen zu Sicherungszwecken, also eine so genannte fiduziarische Abtretung bzw. Sicherungszession vor, ist die Forderung des Leistungsverzeichnisses nicht erfüllt. Das Angebot ist zwingend auszuschließen.

VPRRS 2005, 0597

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.09.2005 - 1 Verg 5/05
Die Ablehnung eines Antrags auf Berichtigung des Sachverhalts einer Nachprüfungsentscheidung ist keine Entscheidung im Sinn von § 116 Abs. 1 GWB.

VPRRS 2005, 0596

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.09.2005 - 1 Verg 2/05
1. Ein Kostenfestsetzungsbeschluss stellt eine selbständig anfechtbare Entscheidung dar, gegen die das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß den §§ 116 ff GWB zum Vergabesenat gegeben ist.
2. Über Beschwerden gegen Nebenentscheidungen der Vergabekammern - wie Entscheidungen über die Kosten und die Auslagen, selbst wenn sie isoliert getroffen worden sind - kann generell ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
3. Die Entscheidung über die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die zur nur Beratung im Vergabekammerverfahren entstanden sind, kann erst im Verfahren der Kostenfestsetzung erfolgen.
4. Die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten, die zur Beratung eines Antragstellers im Vergabekammerverfahren entstanden sind, richtet sich nach den Grundsätzen zur Erstattungsfähigkeit eines förmlich beauftragten Rechtsanwalts.

VPRRS 2005, 0595

EuGH, Urteil vom 13.10.2005 - Rs. C-458/03
1. Bei der Vergabe des Betriebs eines gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplatzes durch eine öffentliche Stelle an einen Dienstleistungserbringer, der als Entgelt für diese Tätigkeit die von Dritten für die Benutzung dieses Parkplatzes entrichteten Beträge erhält, handelt es sich um eine öffentliche Dienstleistungskonzession, auf die die Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG nicht anwendbar ist.*)
2. Die Artikel 43 EG und 49 EG sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz sind dahin auszulegen, dass sie es einer öffentlichen Stelle verbieten, eine öffentliche Dienstleistungskonzession ohne Ausschreibung an eine Aktiengesellschaft zu vergeben, die durch Umwandlung eines Sonderbetriebs dieser öffentlichen Stelle entstanden ist, deren Gesellschaftszweck auf bedeutende neue Bereiche ausgeweitet wurde, deren Kapital bald für Fremdkapital offen stehen muss, deren geografischer Tätigkeitsbereich auf das gesamte Land und das Ausland ausgedehnt wurde und deren Verwaltungsrat sehr weitgehende Vollmachten der Verwaltung innehat, die er selbständig ausüben kann.*)

VPRRS 2005, 0594

OLG München, Beschluss vom 07.10.2005 - Verg 007/05
Fertigt ein beratendes Ingenieurbüro für den öffentlichen Auftraggeber Stellungnahmen zu Rügen von Bietern, welche diese im Ausschreibungsverfahren erheben, werden Aufwendungen hierfür nicht nach § 128 GWB erstattet.*)

VPRRS 2005, 0593

OLG München, Beschluss vom 07.10.2005 - Verg 7/05
Fertigt ein beratendes Ingenieurbüro für den öffentlichen Auftraggeber Stellungnahmen zu Rügen von Bietern, welche diese im Ausschreibungsverfahren erheben, werden Aufwendungen hierfür nicht nach § 128 GWB erstattet.*)

VPRRS 2005, 0592

OLG München, Beschluss vom 28.09.2005 - Verg 19/05
Die Lieferung von marktüblicher Beleuchtung für ein Bauvorhaben ohne individuelle Anfertigung oder Bearbeitung im Hinblick auf die baulichen Gegebenheiten und ohne Montage- oder Einbauarbeiten ist keine Bauleistung. Erreicht der Wert des Auftrags nicht den Schwellenwert von 200.000 Euro, ist das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet, auch wenn der geschätzte Gesamtauftragswert des Bauvorhabens über dem Schwellenwert liegt.*)

VPRRS 2005, 0591

OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2005 - Verg W 11/04
1. Eine Rüge im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB liegt nur vor, wenn der Bieter der Vergabestelle eindeutig zu verstehen gibt, dass ihr die letzte Chance gegeben wird, den beanstandeten Verstoß zu korrigieren, bevor ein Nachprüfungsverfahren beantragt wird.
2. Eine Erklärung, mit der zum Ausdruck gebracht wird, dass der Bieter die Rechtsauffassung der Vergabestelle nicht teilt, genügt dem nicht.
3. Bei überschaubaren und einfach zu bewertenden Sachverhalten kann im Einzelfall auch eine Rügefrist von 1 bis 3 Tagen in Betracht kommen.
4. Hebt die Vergabestelle das Offene Verfahren mangels wertbare Angebote auf, geht ins Verhandlungsverfahren über und beteiligt in diesem dieselben Bieter wie im Offen Verfahren zuvor, so sind die im Offenen Verfahren angegebenen Zuschlagskriterien zu Grunde zu legen - auch wenn keine erneute Bekanntgabe von Zuschlagskriterien im Verhandlungsverfahren erfolgte.

VPRRS 2005, 0590

OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2005 - Verg W 9/05
Soweit ein Bieter in einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses besonders niedrige oder für vergleichbare Leistungen höchst unterschiedliche Einheitspreise fordert, kann daraus nicht ohne weiteres auf eine unzulässige und damit zum Angebotsausschluss führende Mischkalkulation geschlossen werden.

VPRRS 2005, 0589

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16.09.2005 - VK-SH 22/05
1. Die Nachprüfungsinstanzen können die Entscheidung einer Vergabestelle über die Eignung eines Unternehmens nur daraufhin prüfen, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraumes überschritten sind.
2. Der Beurteilungsspielraum wird beispielsweise überschritten, wenn der Auftraggeber die selbst aufgestellten Verfahrensbedingungen missachtet und von einem nicht vollständig ermittelten Sachverhalt ausgeht.
3. Sehen die Ausschreibungsunterlagen durch die Formulierung "sind vorzulegen" vor, dass die Bieter ihre Eignung zur Auftragsdurchführung innerhalb der Frist zur Angebotsabgabe nachzuweisen haben, zieht die unterbliebene oder nicht rechtzeitige Vorlage der damit zwingend geforderten Eignungsnachweise zwangsläufig den Ausschluss des betroffenen Angebots nach sich. Ermessen steht dem Auftraggeber nicht zu.
4. Nachweise der Eignung fallen nicht unter den Begriff der "Angaben und Erklärungen" gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A. Fehlen einem Angebot die in der Bekanntmachung geforderten Nachweise zur Dokumentation der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, richtet sich der Ausschluss des Angebots nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A.

VPRRS 2005, 0588

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.09.2005 - VK-SH 21/05
1. Bei der Auslegung einer Leistungsbeschreibung, die sich nach den §§ 133, 157 BGB zu vollziehen hat, ist auf den objektiven, fachkundigen Empfängerhorizont der Bieter abzustellen. Neben dem Wortlaut sind dabei auch die Umstände des Einzelfalls, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben heranzuziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der jeweils für die Abgabe eines Angebots in Frage kommende Bieterkreis über ein erhebliches Fachwissen verfügen muss.
2. Ein Angebot zu einem Preis, der unterhalb der Kostenschätzung der Vergabestelle selbst liegt, kann nicht unwirtschaftlich im Sinne von § 26 Nr. 1 Buchstabe c VOL/A sein und schon gar nicht einen anderen schwerwiegenden Grund für die Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 Buchstabe d VOL/A liefern.
3. Der Vergabestelle kann nicht zugestanden werden, zur Feststellung einer angeblichen Unwirtschaftlichkeit der eingegangenen Angebote auf kostengünstigere Vergleichsangebote von Bietern abzustellen, die sie zuvor wegen Nichterfüllung der Anforderungen der Ausschreibung ausgeschlossen hat oder ausschließen müsste.

IBRRS 2005, 2885

OLG Bamberg, Urteil vom 19.01.2005 - 3 U 53/04
1. Ein Festhalten am vereinbarten Pauschalpreis ist regelmäßig zumutbar, soweit Leistungsminderungen unterhalb von 20% der Auftragssumme bleiben.
2. Fordert ein - nicht öffentlicher - im Immobiliensektor tätiger Auftraggeber mehr als ein Jahr nach vollständiger und vorbehaltloser Zahlung des Pauschalpreises eine anteilige Rückzahlung wegen Mengenunterschreitungen, so kann dieser Rückzahlungsanspruch verwirkt sein.

VPRRS 2005, 0587

VG Leipzig, Beschluss vom 05.09.2005 - 5 K 1069/05
Verwaltungsgerichte sind für die Überprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte nicht zuständig.

VPRRS 2005, 0586

VK Brandenburg, Beschluss vom 24.09.2004 - VK 47/04
1. Der Primärrechtsschutz durch die Vergabekammer ist auch gegen konkrete Beschaffungsvorhaben eröffnet, die ein öffentlicher Auftaggeber ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens verwirklichen will.
2. Auch öffentlich-rechtliche Verträge unterfallen dem Vergaberecht.
3. Auf eine Dienstleistungskonzession ist das Vergaberecht des GWB nicht anzuwenden.
4. Der Qualifizierung einer Leistung als Dienstleistungskonzession steht nicht entgegen, dass der Konzessionär kein oder nur ein geringes wirtschaftliches Risiko trägt.
5. Die Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes in Brandenburg ist eine Dienstleistungskonzession.
6. Auch die Erfolgschancen des Nachprüfungsantrags sind bei der Entscheidung über eine vorzeitige Gestattung des Zuschlags nach § 115 Abs. 2 GWB zu berücksichtigen.

VPRRS 2005, 0585

VK Brandenburg, Beschluss vom 30.09.2004 - VK 44/04
Die fachliche Eignung von Bewerbern für die Durchführung von Dienstleistungen kann gemäß § 13 VOF insbesondere aufgrund ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Zuverlässigkeit beurteilt werden. Da es sich bei diesen Kriterien um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, ist der Beurteilungsspielraum der Auftraggeberin bei der Eignungsprüfung weit gefasst.

VPRRS 2005, 0584

VK Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2004 - VK 70/04
1. Inhaltlich unabdingbar für die Rüge ist, dass der Bieter der Vergabestelle gegenüber unmissverständlich deutlich macht, dass ihr hiermit die letzte Chance gegeben wird, den vorgetragenen Verstoß gegen Vergaberecht zu korrigieren, bevor der Bieter den Rechtsweg zur Vergabekammer beschreitet.
2. Die inhaltlichen Anforderungen an eine Rüge muss auch ein Erwiderungsschreiben des Bieters erfüllen, das auf eine aus Sicht des Bieters unbefriedigende Antwort des Auftraggebers auf eine erste Rüge ergeht.
3. Zu den allgemeinen Grundsätzen der Unverzüglichkeit einer Rüge.
4. Bei der Entscheidung über die Gestattung des Zuschlags nach § 115 Abs. 2 GWB können auch die Erfolgschancen des Nachprüfungsantrages berücksichtigt werden.
5. Der Vergabekammer ist es grundsätzlich verwehrt, auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens von Amts wegen im Sinne einer objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB einzuwirken. Diese Möglichkeit besteht nur im Rahmen eines zulässigen Nachprüfungsantrages.

VPRRS 2005, 0583

VK Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2004 - VK 66/04
1. Ein Auftrag, der den Bau einer Brücke im Rahmen des Baus einer Bundesstraße betrifft, ist als Angelegenheit der Bundesauftragsverwaltung dem Land Brandenburg gemäß § 18 Abs. 6 VgV in Verbindung mit Art. 90 Abs. 2 GG zuzurechnen und damit die Vergabekammer Brandenburg zuständig.
2. Inhaltlich Unabdingbar für die Rüge ist, dass der Bieter der Vergabestelle gegenüber unmissverständlich deutlich macht, dass ihr hiermit die letzte Chance gegeben wird, den vorgetragenen Verstoß gegen Vergaberecht zu korrigieren, bevor der Bieter den Rechtsweg zur Vergabekammer beschreitet.
3. Zu den allgemeinen Grundsätzen der Unverzüglichkeit einer Rüge.

VPRRS 2005, 0582

VK Brandenburg, Beschluss vom 23.11.2004 - VK 58/04
1. Der Auftraggeber verstößt gegen das Diskriminierungsverbot, wenn er mit dem Angebot die Vorlage einer Sanierungsträgerbestätigung nach §§ 157 Abs. 1, 158 BauGB a.F. für das entsprechende Bundesland fordert und das zuständige Ministerium die rechtzeitig beantragte Bestätigung im Hinblick auf eine erwartete Gesetzesänderung nicht weiter bearbeitet. Der Auftraggeber hat die Vorlage gleichwertiger Bestätigungen eines anderen Landes oder EU-Mitgliedstaates zuzulassen.*)
2. Ausgeschriebenen Leistungen als Sanierungsträger, die primär planerische Tätigkeiten wie Fortschreibung des städtebaulichen Rahmenplanes sowie Mitgestaltung von Bebauungsplanentwürfen betreffen, sind nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar mit der Folge, dass die VOF Anwendung findet. Unerheblich ist, dass die im Zusammenhang mit bzw. nach der Planung vorzunehmenden Arbeitsschritte wie Erörterung der Sanierungsmaßnahmen mit den Betroffenen und Fortschreibung und Kontrolle der Kosten- und Finanzierungsübersichten allgemein beschreibbar sind, wenn sie im Verhältnis zur planerischen Tätigkeit nur als Hilfsmittel zu qualifizieren sind, um das Ziel der Aufgabenstellung zu erreichen.*)

VPRRS 2005, 0581

VK Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2004 - VK 56/04
Stellt der Auftraggeber die Auflistung der angebotenen Einzelpreise klar und erläutert, dass ein angebotener Rabatt für einen Einzelpreis (nur) bei der Gesamtangebotssumme rechnerisch berücksichtigt wurde, beseitigt er die fehlende Transparenz der Angebotswertung. Ausschlaggebend ist trotz der Regelung in § 25 Nr. 3 Satz 2 VOL/A der Angebotspreis der Bieter, wenn die eingereichten Angebote inhaltlich übereinstimmen, also gemäß den nach den Vergabebedingungen maßgeblichen Bedingungen sachlich und inhaltlich in sonstiger Weise gleichwertig sind. Als das annehmbarste Angebot, auf das nach § 25 Nr. 3 VOL/A der Zuschlag erteilt werden soll, ist in einem solchen Fall das Gebot mit dem niedrigsten Angebotspreis anzusehen. Der Auftraggeber kann ohne Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A einen angebotenen Rabatt für Postzustellungen werten, auch wenn der Bieter hierfür noch nicht über eine Genehmigung nach § 34 Satz 4 PostG verfügt. Die Bestimmungen nach dem PostG über die Genehmigung der Preise fallen nicht unter die nach § 97 Abs. 7 GWB einzuhaltenden Vergabevorschriften. Bedarf ein Bieter zur Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen einer behördlichen Erlaubnis, hat über deren Erteilung oder Versagung ausschließlich die dazu berufene Fachbehörde zu entscheiden.*)

VPRRS 2005, 0580

VK Brandenburg, Beschluss vom 19.08.2004 - VK 54/04
1. Ein Nachprüfungsantrag ist wegen offensichtlicher Unzulässigkeit nach § 110 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht dem Auftraggeber zuzustellen, wenn der Antragsteller ersichtlich seine Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB nicht erfüllt hat. Eine Rüge, die über sechs Wochen nach Kenntnis von der Beteiligung eines nach Ansicht des Antragstellers wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens auszuschließenden Unternehmens erfolgt, ist nicht mehr unverzüglich i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.*)

VPRRS 2005, 0579

VK Brandenburg, Beschluss vom 24.09.2004 - VK 49/04
1. Es widerspricht Treu und Glauben, wenn der Antragsteller zwischen Angebotsabgabe und fachanwaltlicher Beratung betreffend Angaben zu Nebenangeboten und Zuschlagskriterien in der Aufforderung zur Angebotsabgabe einen Zeitraum von mehr als drei Monaten verstreichen lässt, um dann auf diese Kenntnisse zurückzugreifen, sobald er erkennt, dass die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu seinem Nachteil ausfallen könnte.*)
2. Bei einer Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB kommt es nicht auf positives Wissen von Vergabeverstößen an, sondern auf die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Antragstellers. Hierzu zählen Bieter, die an Vergabeverfahren teilnehmen und damit zu Verkehrskreisen gehören, in denen die Kenntnisse der Vergabevorschriften unabdingbar ist.*)
3. Bei einem geltend gemachten Verstoß gegen § 13 VgV mangelt es im Nachprüfungsantrag an der Antragsbefugnis. Die rechtlich schutzwürdigen Interessen des Bieters sind vollumfänglich dadurch gewahrt, dass der Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung an den öffentlichen Auftraggeber zugestellt wurde.*)
4. Ein Akteneinsichtsrecht ist bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht gegeben, da es nur in dem Umfang besteht, in dem es zur Durchsetzung der Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist.*)

VPRRS 2005, 0578

VK Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2005 - VK 2/05
1. Allein die Vorgaben, dass Nebenangebote wirtschaftlich und technisch in mindestens gleicher Detailliertheit zu beschreiben seien wie das Hauptangebot und die technische und wirtschaftliche Gleichwertigkeit detailliert nachzuweisen sei, stellen keine ausreichenden Mindestanforderungen für Änderungsvorschläge dar. Die Anforderungen dürfen nicht nur ganz allgemein formuliert sein, sondern müssen sich auf die konkrete Leistung beziehen und die für die konkrete Ausgestaltung eines Nebenangebotes maßgeblichen Erfordernisse beinhalten.*)
2. Betreffen Nebenangebote eine aus mehreren Losen bestehende Ausschreibung, bedarf es insoweit einer separaten Festlegung von Mindestbedingungen, da durch die Zulassung der Änderungsvorschläge Leistungspositionen anderer Lose betroffen sein können.*)

VPRRS 2005, 0577

VK Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2005 - VK 1/05
1. Das Angebot eines Bieters für einen Bauauftrag wird beurteilungsfehlerfrei wegen fehlender Eignung ausgeschlossen, wenn der Bieter kein Bauunternehmen ist, die eingereichten Referenzen nur etwa 10 % der Größe des ausgeschriebenen Loses entsprechen sowie nahezu ausschließlich Ausrüstungsarbeiten und Kläranlagenprojekte betreffen und der Bieter nicht mit dem Angebot einen Rückgriff auf die Ressourcen eines Unternehmens der Firmengruppe nachgewiesen hat.*)
2. Ein Bieter, der zudem sämtliche ausgeschriebene Bauleistungen auf Nachunternehmer übertragen will, entspricht nicht der Verpflichtung zur Selbstausführung nach § 4 Nr. 8 VOB/B.*)
3. Auf einen Verstoß gegen § 13 VgV allein kann ein Bieter einen Nachprüfungsantrag nicht stützen. Die rechtlich schutzwürdigen Interessen des Bieters sind vollumfänglich dadurch gewahrt, dass der Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung an den öffentlichen Auftraggeber zugestellt wurde. Die Vorabinformation dient keinem eigenständigen vergaberechtlichen Selbstzweck.

VPRRS 2005, 0576

VK Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2005 - VK 86/04
1. Dem Antragsteller fehlt die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB, wenn sein Angebot selbst dann keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, wenn die geltend gemachten Vergabeverstöße zutreffend und ausgeräumt worden wären. Die Entstehung eines Schadens durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ist in einem solchen Fall ausgeschlossen.*)
2. Bei einer fernmündlichen Rüge ist die Möglichkeit zur Korrektur von Vergabefehlern im laufenden Verfahren nur gegeben, wenn sich der Bieter an den zur Vertretung der Vergabestelle berufenen Vertreter wendet, der zur Abhilfe der beanstandeten Fehler in der Lage ist. Anderenfalls erfolgt die Rüge nicht im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gegenüber dem Auftraggeber.*)

VPRRS 2005, 0575

VK Brandenburg, Beschluss vom 04.02.2005 - VK 85/04
1. Die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist nur gegeben, wenn dem Antragsteller aus dem geltend gemachten Vergabeverstoß ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen ist oder zu erwachsen droht. Er muss ohne den Rechtsverstoß bei der Wertung der Angebote eine echte Chance auf Erhalt des Zuschlages gehabt haben, die durch den Rechtsverstoß beeinträchtigt wurde.*)
2. Daran fehlt es, wenn der Bieter aufgrund seines Wertungsrangs auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keine Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebotes und auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.*)

VPRRS 2005, 0574

VK Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2005 - VK 81/04
1. Pförtner sind keine Empfangsvertreter des Auftraggebers. Sie sind auch keine Empfangsboten, wenn weder eine Weisung noch eine Vollmacht zur Annahme von Angeboten vorliegt. Die verspätete Zustellung des Angebotes durch den Pförtner beim Auftraggeber fällt in den Verantwortungsbereich der Bieterin. Das verspätet eingegangene Angebot ist auszuschließen.*)
2. Die Beigeladene, die sich mit eigenen Anträgen am Nachprüfungsverfahren aktiv beteiligt hat, hat als „unterliegende Beteiligte“ i.S.d. § 128 Abs. 3 S. 1 GWB Kosten zu tragen, wenn sie mit ihrem Antrag unterliegt.*)

VPRRS 2005, 0573

VK Brandenburg, Beschluss vom 27.01.2005 - VK 79/04
1. Der Nachprüfungsantrag ist nur bei wirksam erfolgter Zuschlagserteilung unzulässig.*)
2. Korrigiert die Vergabestelle den beanstandeten Vergabeverstoß und setzt daraufhin das Vergabeverfahren fort, hat der erfolgreich Rügende Anspruch auf – erneute – Mitteilung nach § 13 VgV, warum die Vergabestelle trotz Abhilfe an ihrer ursprünglichen Entscheidung festhält. Diese neuen Wertungsgesichtspunkte waren nicht Gegenstand eines vorausgegangenen Informationsschreibens, sodass der Rügende von diesen Gründen keine Kenntnis hatte. Erst mit erneuter Mitteilung beginnt die 14-Tages-Frist des § 13 Satz 2 VgV zu laufen. Ein ohne diese Mitteilung geschlossener Vertrag nach § 13 Satz 6 VgV ist nichtig.*)
3. Vor der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes im VOF-Verfahren hat die Vergabestelle den im Wettbewerb verbliebenen Bietern sämtliche für die Erteilung des Zuschlagsmaßgeblichen Auftragskriterien mit der vorgesehenen Gewichtung für die Wertung bekannt zu geben. Das gilt auch für alle Unterkriterien einer Bewertungsmatrix, die die genannten Wertungskriterien konkretisieren.*)
