Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile in allen Sachgebieten
Online seit heute
VPRRS 2023, 0205
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.01.2022 - 2 VK 5/21
1. Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Ist für den Zuschlag nicht (lediglich) die Abgabe des wirtschaftlichsten Angebots erforderlich, sondern ist zusätzlich ist Voraussetzung für die Auftragsvergabe, dass sich der Zuschlagsbieter zwingend der Verpflichtung zur Zahlung eines Transaktionsentgelts an einen Dritten unterwirft, wird eine vergaberechtlich nicht zulässige zusätzliche Anforderung gestellt.
2. Nach dem Wegfall des Verbots ungewöhnlicher Wagnisse (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2006) können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden
3. Der öffentliche Auftraggeber ist zu einer Minimierung der Kalkulationsrisiken nur verpflichtet, wenn die anderenfalls bei den Bietern verbleibenden Risiken von diesen nicht mehr zumutbar zu tragen sind.
4. Die Festlegung des Mindestentgelts ist inhaltlich am ehesten einem im Vertrag vorgegebenen Mindestrabatt, der eine Kalkulationsvorgabe darstellt, vergleichbar. Eine solche Preisvorgabe ist dem Auftraggeber grundsätzlich nicht verwehrt.

Online seit 29. September
VPRRS 2023, 0204
EuGH, Urteil vom 21.09.2023 - Rs. C-510/22
Art. 106 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Inhaber einer Exklusivlizenz zur Nutzung von Mineralwasserquellen die Möglichkeit einräumt, ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren die mehrfache Verlängerung seiner Lizenz für jeweils fünf Jahre zu erlangen, wenn diese Regelung dazu führt, dass der Lizenzinhaber durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen Vorzugsrechte seine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der er einen solchen Missbrauch begeht, was vom vorlegenden Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Angaben zu beurteilen ist.*)

Online seit 28. September
VPRRS 2023, 0203
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.09.2021 - 3 VK 11/21
1. Ein Angebot ist zwingend auszuschließen, wenn es nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht.
2. Ein von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweichendes Angebot muss allenfalls dann nicht ausgeschlossen werden, wenn es sich um ein zulässiges Nebenangebot handelt.
3. Sind nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen, ist die Abgabe eines sog. isolierten Nebenangebots zwar grundsätzlich möglich, kann aber (wie hier) in den Vergabeunterlagen für nicht zulässig erklärt werden.

Online seit 27. September
VPRRS 2023, 0202
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.11.2021 - 2 VK 4/21
1. Nur das körperliche Fehlen von geforderten oder nachgeforderten Unterlagen im Angebot führt zum Angebotsausschluss. Inhaltlich unzureichende Unterlagen sind nicht mit fehlenden Unterlagen gleichzusetzen.
2. Eine zum Ausschluss des Angebots führende Änderung an den Vergabeunterlagen liegen jedenfalls dann vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht.
3. Gibt der Auftraggeber ein Leitfabrikat mit dem Zusatz "oder vergleichbar" an, ist das Gebot der produktneutralen Ausschreibung grundsätzlich gewahrt.
4. Eine Rüge ist nur dann hinreichend substanziiert, wenn das rügende Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte dafür darlegt, die seinen Verdacht hervorgerufen haben, dass es zu einem Vergaberechtsfehler gekommen ist.

Online seit 26. September
VPRRS 2023, 0201
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.02.2022 - 3 VK 15/21
1. Der öffentliche Auftraggeber darf "produktscharf" ausschreiben, wenn nur das definierte Produkt seinen Bedarf deckt.
2. Eine "produktscharfe" Ausschreibung setzt kumulativ voraus, dass die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber hierfür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
3. An das Vorliegen des sachlichen Grunds sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Der Auftragsbezug bzw. die sachliche Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand müssen vorliegen sowie darüber hinaus die Überlegungen "objektiv", d. h. durch Dritte nachvollziehbar sein.
4. An die Begründung einer produktspezifischen Ausschreibung und ihre Dokumentation sind hohe Anforderungen zu stellen. Aus der Dokumentation müssen sich das Vorhandensein sachlicher Gründe und die daran anknüpfende Entscheidung des Auftraggebers für einen unbefangenen Dritten nachvollziehbar erschließen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine zulässige Ausnahme trifft den Auftraggeber.

Online seit 25. September
VPRRS 2023, 0178
OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2023 - 11 Verg 3/23
1. Die Anforderungen an die Darlegung einer Vergaberechtsverletzung bzw. an die Rüge dürfen nicht zu hoch angesetzt werden. Ein Mindestmaß an Substanziierung ist jedoch einzuhalten. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen (sog. Rüge ins Blaue hinein) reichen nicht aus.
2. Eine Rüge ist hinreichend substanziiert, wenn zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorgetragen werden, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen.
3. Die Vorlage der eigenen Preiskalkulation reicht zur Substanziierung von Behauptungen nicht aus, soweit sich aus ihr keine Anhaltspunkte für eine unauskömmliche Kalkulation von Mitbewerbern ergeben.

Online seit 21. September
VPRRS 2023, 0198
BayObLG, Beschluss vom 06.09.2023 - Verg 5/22
1. Der Antragsteller kann mit der Rüge der fehlenden Fachlosaufteilung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB nur präkludiert sein, wenn ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass es im maßgeblichen Fachbereich einen eigenständigen Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen gibt.*)
2. Im Rahmen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB können besonders hohe Anforderungen unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten und diese nicht mehr durch gewichtige Gründe gerechtfertigt ist.*)

Online seit 20. September
VPRRS 2023, 0197
EuGH, Urteil vom 07.09.2023 - Rs. C-601/21
Aufträge über die Herstellung öffentlicher Dokumente, Vordrucke und Zeichen beeinträchtigen nicht zwangsläufig die wesentlichen Sicherheitsinteressen eines Mitgliedsstaats.

Online seit 19. September
VPRRS 2023, 0196
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.04.2023 - 34 A 2844/21
1. Sowohl die Organisationsentscheidung, zur betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung der Beschäftigten einer Dienststelle einen überbetrieblichen Dienst zu verpflichten, als auch die Festlegung der Anforderungen an die Fachkunde, Ausstattung und Arbeitsweise des überbetrieblichen Dienstes in den Ausschreibungsunterlagen (Leistungsverzeichnis/Leistungsbeschreibung) eines Vergabeverfahrens sind mitbestimmungspflichtige Maßnahmen vorbereitender Art gem. § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 LPVG-NW.*)
2. § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 LPVG-NW stellt seit der LPVG-Novelle 2011 insoweit keine Spezialvorschrift mehr dar.*)

Online seit 18. September
VPRRS 2023, 0195
LG Dortmund, Urteil vom 16.05.2023 - 19 O 10/23 (Kart)
1. Städte und Gemeinden handeln bei Abschluss von Konzessionsverträgen kartellrechtlich als Unternehmen. Sie haben eine marktbeherrschende Stellung, weil ihnen auf dem relevanten Markt eine Monopolstellung zukommt, und sind als solche Normadressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbots.
2. Wasserkonzessionsverträge sind solche Verträge, die den Betrieb von Leitungen auf oder unter öffentlichen Wegen für die öffentliche Wasserversorgung von Letztverbrauchern im Gebiet der Kommune betreffen, wobei eine "öffentliche Versorgung" vorliegt, wenn der Rechtsträger über ein festes Leitungsnetz Wasser an eine Vielzahl von Abnehmern in einem bestimmten Gebiet liefert.
3. Auch in einem Konzessionsvergabeverfahren im Bereich der Wasserversorgung sind die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das gilt jedenfalls dann, wenn an der Wasserkonzession ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht.
4. Das Auswahlverfahren muss so gestaltet werden, dass die an der Konzession interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Den am Erhalt der Wasserkonzession interessierten Unternehmen müssen zumindest die Entscheidungskriterien der Gemeinde rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden.

Online seit 15. September
VPRRS 2023, 0194
OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.08.2022 - 2 U 4/21 (Kart)
1. Gemeinden dürfen Bewerber um eine Konzession nicht unbillig behindern. Ob ein Auswahlverfahren unbillig behindert, bestimmt sich anhand einer Gesamtwürdigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielrichtung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist.
2. Eine unbillige Behinderung von Bewerbern um eine Konzession liegt vor, wenn deren Chancen auf den Abschluss des Konzessionsvertrags dadurch beeinträchtigt werden, dass die Auswahlentscheidung die an sie zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen nicht erfüllt.
3. Zu den an die Auswahlentscheidung zu stellenden verfahrensbezogenen Anforderungen gehört das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG.
4. Das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG gilt nicht schrankenlos. Es wird bereits durch seinen Zweck begrenzt, Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung rügen zu können. Daher besteht es nur in Bezug auf Aktenbestandteile des Vergabevorgangs, die für die Auswahlentscheidung relevant sind.
5. Damit ein unterlegener Bieter gegenüber einer (beabsichtigten) Konzessionsvergabe, die den Anforderungen (möglicherweise) nicht entspricht und sich damit als gesetzwidrig erweisen kann, seine Rechte wirksam wahrnehmen kann, muss ihn die Gemeinde auf sein Verlangen darüber unterrichten, aufgrund welcher Erwägungen sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Angebot des Bieters, dem die Konzession erteilt werden soll, nach den mitgeteilten Auswahlkriterien das bessere ist. Dazu ist grundsätzlich die umfassende Unterrichtung über das Ausschreibungsergebnis durch Überlassung einer ungeschwärzten und vollständigen Kopie des für die Auswahlentscheidung der Gemeinde erstellten Auswertungsvermerks erforderlich.

Online seit 14. September
VPRRS 2023, 0193
EuGH, Beschluss vom 10.01.2023 - Rs. C-469/22
Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 59 und dem 84. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen möchte, die Unterlagen über die Befähigung dieses Unternehmens und dessen verpflichtende Zusage erst nach der Auftragsvergabe einreichen muss.*)

Online seit 13. September
VPRRS 2023, 0192
OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2023 - 11 Verg 1/23
Wenn bereits der Nachprüfungsantrag wegen fehlender Antragsbefugnis (hier: fehlender Schaden des Antragstellers, da er gemeinsam mit anderen Bietern den Zuschlag für einen Rahmenvertrag für Abschleppdienstleistungen erhalten hat) unzulässig ist, so kann der Antragsteller nicht im Wege eines Fortsetzungsfeststellungsantrags die vermeintliche Vergaberechtswidrigkeit des Ausschreibungsverfahrens geltend machen.*)

Online seit 12. September
VPRRS 2023, 0191
VK Bund, Beschluss vom 11.08.2023 - VK 2-64/23
Ein Vergabenachprüfungsantrag ist mangels Antragsbefugnis unzulässig, wenn das eigentliche Interesse des antragstellenden Bieters nicht auf den Erhalt des streitgegenständlichen Auftrags gerichtet ist, sondern auf die Verhinderung einer zu späten Vergabe des Hauptauftrags.

Online seit 11. September
VPRRS 2023, 0189
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2022 - 1 VK LSA 19/21
1. Der Vergaberechtsweg ist nicht eröffnet, wenn man sich zu Recht auf die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB beruft.*)
2. Die Regelung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB steht in ihrer Gesamtheit nicht im Widerspruch zu bindendem europäischem Recht. Dem in § 107 Abs. 1 Nr. 4 letzter Hs. GWB verwendetem Begriff der Hilfsorganisation ist die Gemeinnützigkeit und damit auch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewissermaßen grundsätzlich immanent.*)
3. Dem Rechtstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 4 GG kann nicht ausschließlich durch die Gewährung von Primärrechtsschutz entsprochen werden. Ebenso wenig erwächst daraus ein Anspruch auf die Eröffnung eines bestimmten Rechtswegs.*)

Online seit 8. September
VPRRS 2023, 0188
VK Bund, Beschluss vom 17.08.2023 - VK 2-56/23
1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Bieterunternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies u. a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat.
2. Eine wesentliche Anforderung wird u. a. bei Nichtleistung sowie bei erheblichen Mängeln der ausgeführten Bauleistung, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, nicht erfüllt.

Online seit 7. September
VPRRS 2023, 0187
OLG Frankfurt, Urteil vom 25.07.2023 - 11 U 71/22 (Kart)
1. Aus § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 GWB folgt weder ein Anspruch auf Fortsetzung des bisherigen Vertragsverhältnisses zu unveränderten Konditionen noch ein Anspruch auf ein Angebot zum Abschluss eines Folgevertrages zu nichtdiskriminierenden Bedingungen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 27.09.2022 - KZB 75/21, IBRRS 2022, 3690 = IMRRS 2022, 1631).*)
2. Im Falle der diskriminierungsfrei oder Abhängigkeit folgt aus § 33 Abs. 1, 2 i.V.m. § 19 Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 GWB jedoch ein Anspruch, an der Neuvergabe diskriminierungsfrei, d. h. zu fairen und objektiven Bedingungen, beteiligt zu werden.*)
3. Bei Prüfung einer unternehmensbedingten Abhängigkeit ist nur auf die heutigen Gegebenheiten abzustellen. Andere Erwägungen können nur im Rahmen der Prüfung einer unbilligen Behinderung oder einer ohne sachlichen Grund erfolgenden Andersbehandlung gleichartiger Unternehmen Berücksichtigung finden.*)
4. Es verstößt gegen § 1 GWB, den Folgevertrag mit demjenigen Bewerber abzuschließen, der aufgrund seiner durch den Vertragsschluss weiter gestärkten Marktstellung gegenüber Dritten höhere Preise durchsetzen wird, als andere Bewerber.*)

Online seit 6. September
VPRRS 2023, 0186
OGH Österreich, Beschluss vom 25.04.2023 - 10 Ob 13/23v
1. Eine Schadenersatzklage wegen eines Vergaberechtsverstoßes ist nur zulässig, wenn die jeweils zuständige Vergabekontrollbehörde zuvor einen hinreichend qualifizierten Vergaberechtsverstoß festgestellt hat. Dieser Bescheid ist eine Prozessvoraussetzung der Einklagung des Schadenersatzanspruchs.
2. Eine Schadenersatzklage ist jedoch unabhängig von der Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde zulässig, wenn das Vergabeverfahren vom Auftraggeber aufgrund eines hinreichend qualifizierten Vergaberechtsverstoßes widerrufen wurde. Ein Antrag auf Feststellung des in einem Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes ist nämlich nach dem Widerruf dieses Vergabeverfahrens nicht mehr möglich.
3. Hat der Auftraggeber das Vergabeverfahren zwar nicht widerrufen, wohl aber die Ausschreibungsunterlagen während des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekontrollbehörde berichtigt, ist eine Schadenersatzklage unabhängig von einer vorherigen Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde zuzulassen.

Online seit 5. September
VPRRS 2023, 0184
VG München, Beschluss vom 13.06.2022 - 7 E 22.2825
1. Die Zulassung eines Festwirts zu einem Bürger- oder Volksfest kann alle Merkmale einer Dienstleistungskonzession erfüllen. Die Annahme einer Dienstleistungskonzession ist auch nicht ausgeschlossen, wenn ein zivilrechtlicher Pachtvertrag geschlossen wird.
2. Den Gemeinden kommt bei Schaffung und Unterhaltung ihrer Einrichtungen eine weitreichende und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Gestaltungsbefugnis zu. Die Ausgestaltungsbefugnis der Gemeinde als Veranstalterin des Festes wird nur durch das Willkürverbot begrenzt.

Online seit 4. September
VPRRS 2023, 0183
VK Südbayern, Beschluss vom 05.06.2023 - 3194.Z3-3_01-22-54
1. Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist.
2. Der öffentliche Auftraggeber ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der rechtswidrig bezuschlagte Bieter das einzige Unternehmen ist, das die Anforderungen des Auftraggebers erfüllen kann. Hierfür sind stichhaltige Belege beizubringen.
3. Der vom öffentlichen Auftraggeber zu führende Nachweis des objektiven Fehlens von Wettbewerb muss durch eine umfassende Marktanalyse auf europäischer Ebene erfolgen.
