Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5421 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2004
VPRRS 2004, 0447
VK Sachsen, Beschluss vom 03.07.2003 - 1/SVK/067-03
1. Es stellt eine unzulässige Nachverhandlung nach § 24 Nr. 3 VOB/A dar, wenn der Auftraggeber vom Bieter in einzelnen Leistungspositionen wie auch in der Gesamtangebotssumme als Additionssummen eingetragene Preispositionen als Minderpreise (mit negativen Vorzeichen) abzieht und der Bieter dadurch das wirtschaftlichste Angebot abgeben würde. Dies gilt auch dann, wenn diese Positionen als Minderposten im Ursprungsleistungsverzeichnis bezeichnet waren, vom Bieter jedoch zu den anderen Positionspreisen hinzuaddiert worden waren.*)
2. Einheitspreise dürfen vom Auftraggeber auch im Rahmen der rechnerischen Prüfung nach § 23 Nr. 2 und Nr. 3 Abs. 1 VOB/A nicht abgeändert werden.*)
3. Das Fehlen der geforderten "Aufgliederung wichtiger Einheitspreise" stellt keinen zwingenden Ausschlussgrund nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A dar. Diese fehlenden Angaben haben weder einen Einfluss auf den Angebotspreis noch wird durch ihr Fehlen der Angebotsinhalt zweifelhaft.

VPRRS 2004, 0446

VK Sachsen, Beschluss vom 12.06.2003 - 1/SVK/054-03
1. Eine Rüge nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB kann auch bei einem vom Auftraggeber eingeschalteten Ingenieurbüro erfolgen, wenn dessen bisherige Handlungen dem Auftraggeber zuzurechnen waren. Dies ist der Fall, wenn das Ingenieurbüro im Außenverhältnis zu den Bietern nahezu allein aufgetreten ist (LV-Anfragen, Federführung beim Bietergespräch bei diesem, Fertigung des Absageschreibens nach § 13 VgV auf Kopfbogen des Ingenieurbüros).*)
2. Ein Zuschlag ist nicht gemäß § 114 Abs. 2 S. 1 GWB wirksam erteilt, wenn es noch der Zustimmung zu Änderungen des Vertrages bedarf. Eine Annahme des Angebots unter Erweiterungen, Einschränkungen und sonstigen Änderungen gilt nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag. Dieser Antrag des Auftraggebers auf Abschluss eines abgeänderten Vertrages bedarf zu seiner Wirksamkeit deshalb noch einer Annahmeerklärung des Bieters, die dem Auftraggeber auch noch zugehen muss.*)
3. Bei der Wertung von Nebenangeboten nach § 25 Nr. 5 VOB/A muss sich der Auftraggeber ein klares Bild von der vorgesehenen Ausführung der Leistung machen können. Dabei ist auf dessen Empfängerhorizont abzustellen. Aus einem Nebenangebot muss klar hervor gehen, anstelle welcher Hauptleistungspositionen es treten soll und inwieweit. Eine Wertung eines Nebenangebotes kommt nicht in Betracht, wenn der Auftraggeber gezwungen ist, den Angebotspreis selber zu ermitteln. Die Vergleichsrechnung kann der Bieter nicht auf den Auftraggeber abwälzen, insbesondere wenn etliche LV-Positionen in unterschiedlichen Leistungstiteln betroffen sind.*)
4. Es führt zum Ausschluss von Haupt- und Nebenangeboten nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A, wenn ein zwingend mit Angebotsabgabe geforderter aktueller Nachweis der Gültigkeit einer Haftpflichtversicherung vom Bieter nicht geführt wird.*)
5. Die Vorlage einer schon mit Angebotsabgabe vorzulegenden und trotz erstmaliger Fristsetzung nicht in der geforderten Weise vorgelegten Bescheinigung erst im Vergabenachprüfungsverfahren ist auch angesichts der Regelung des § 24 Nr. 2 VOB/A nicht mehr relevant.*)

VPRRS 2004, 0445

VK Sachsen, Beschluss vom 13.06.2003 - 1/SVK/053-03
1. Ändert der Bieter im Leistungsverzeichnis (als Bestandteil der Verdingungsunterlagen, § 9 i. V. m. § 10 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A) vorgegebene Mengenfaktoren ab und ersetzt diese durch eigene davon abweichende Mengenangaben, so ist das Angebot wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1b i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A auszuschließen.*)
2. Fehlen im selbstgefertigten Kurz-LV des Bieters ganze LV-Positionen völlig und hat dieser überdies dort LV-Positionen numerisch benannt, die sich im Original-LV des Auftraggebers so nicht finden, ist das Angebot wegen Unvollständigkeit nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b i. V. m. § 21 Nr. 1 VOB/A auszuschließen.*)

VPRRS 2004, 0444

VK Sachsen, Beschluss vom 25.06.2003 - 1/SVK/051-03
1. Grundsätzlich bestimmt § 7 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A, dass bei Öffentlicher Ausschreibung (Offenem Verfahren, vgl. § 1 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A) die Unterlagen - ohne vorgezogene Eignungsprüfung - an alle Bewerber abzugeben sind, die sich gewerbsmäßig mit Leistungen der ausgeschriebenen Art befassen. Dem gemäß findet im Offenen Verfahren im Gegensatz zum Nichtoffenen oder Verhandlungsverfahren keine vorgezogene Eignungsprüfung im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs statt.*)
2. Die Regelung des § 7 a Nr. 2 Abs. 4 VOL/A verdeutlicht, dass ein Ausschluss eines Bewerbers vom Wettbewerb erst erfolgen darf, wenn zuvor rechtliches Gehör gewährt oder ein standardisiertes Verfahren auf objektivierter Grundlage durchgeführt wurde.*)
3. Sachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer reichen nicht aus, um diesen nach § 7 Nr. 5 c VOL/A in einem künftigen Offenen (Vergabe-)Verfahren von vornherein (keine Übersendung der Verdingungsunterlagen) vom Wettbewerb auszuschließen. Der - präventive - Ausschluss vom Vergabeverfahren darf keine Sanktion für Probleme in der Vertragsabwicklung in einem anderen Vergabeverfahren sein. Normale Beanstandungen im Rahmen einer Dienstleistungserbringung stellen keine schwere Verfehlung i. S. des § 7 Nr. 5 c VOL/A dar, auch wenn sie die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Unternehmens beeinträchtigen. Schwer ist eine Verfehlung nur dann, wenn sie schuldhaft begangen wurde und erhebliche Auswirkungen hat.*)
4. Für das Vorliegen einer schweren Verfehlung ist der Auftraggeber beweispflichtig. Soweit Grundlage eine nicht rechtskräftige Entscheidung ist, ist dem Bewerber, der ausgeschlossen werden soll, rechtliches Gehör zu gewähren, in dem ihm unter Nennung der maßgeblichen Tatsachen, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Für das Tatbestandsmerkmal "nachweislich" in § 7 Nr. 5 c VOL/A sind dieselben hohen Anforderungen zu stellen wie an einen "nachweislichen" Zugang eines Angebotes beim Auftraggeber im Rahmen des § 22 Nr. 6 VOB/A. Bestehen begründete Zweifel, kann von einem Nachweis nicht gesprochen werden.*)
5. Eine schwere Verfehlung i. S: d. § 7 Nr. 5 c VOL/A darf grundsätzlich (zunächst) nur zum Ausschluss im laufenden Vergabeverfahren führen. Der Bewerber muss zudem die Möglichkeit erhalten, darzulegen, dass er durch organisatorische Maßnahmen (z. B. Trennung von verantwortlichen Mitarbeitern etc.) nunmehr Zustände wieder hergestellt hat, die seine Zuverlässigkeit belegen.*)
6. Als Maßnahme der Vergabekammer gemäß § 114 Abs. 1 GWB kommt (nur) die Aufhebung der Ausschreibung - und nicht die verspätete Zulassung zur Angebotsangabe - in Betracht, wenn ein Bewerber in einem Vergabeverfahren nach der VOL/A zu Unrecht vom Wettbewerb ausgeschlossen wurde, aber Preisabsprachen mit den wenigen für den Zuschlag noch in Betracht kommenden und deshalb beigeladenen Bietern zu befürchten sind und zudem faktisch stark unterschiedliche Angebotsfristen für die Bieter die Folge wären.*)

VPRRS 2004, 0443

VK Sachsen, Beschluss vom 17.06.2003 - 1/SVK/050-03
Hat der Auftraggeber fälschlicherweise die Vergabekammer als zuständige Nachprüfbehörde benannt, kann teilweise von der Erhebung von Verfahrenskosten abgesehen werden.

VPRRS 2004, 0442

VK Sachsen, Beschluss vom 28.05.2003 - 1/SVK/046-03
1. Bietet der Bieter abweichend von technischen Vorgaben des Auftraggebers im Leistungsverzeichnis an und hat der Auftraggeber den Nachweis der Gleichwertigkeit der angebotenen mit der ausgeschriebenen Leistung schon mit Angebotsabgabe gefordert, so ist das Angebot auszuschließen, wenn derartige Gleichwertigkeitsnachweise nicht beigebracht wurden.*)
2. Besteht eine Unklarheit in einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses, so ist objektiv auszulegen, wie eine Fachfirma dies verstehen musste. Gemäß § 17 Nr. 7 VOB/A hat der Bieter bei Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses die Möglichkeit der Nachfrage beim Auftraggeber.*)

VPRRS 2004, 0440

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2004 - Verg 38/04
1. Einem mittelständischen Unternehmen fehlt nicht die Antragsbefugnis, wenn es zwar kein eigenes Angebot abgegeben hat, aber rügt, dass es durch die Gesamtvergabe anstelle einer Vergabe in Teillosen und/oder Fachlosen gemäß § 97 Abs. 3 GWB, § 5 Nr. 1 VOL/A gerade an einer Angebotsabgabe gehindert war.
2. Für die Stellung des Nachprüfungsantrages ist keine Frist vorgesehen. Auch die Annahme einer ungeschriebenen Frist zur Einreichung des Nachprüfungsantrags zur weiteren Beschleunigung ist nicht geboten. Bei zögerlicher Einreichung des Nachprüfungsantrags riskiert der Bieter den zwischenzeitlichen Zuschlag des Auftraggebers und damit den endgültigen Verlust des Auftrags.
3. In den nationalen Bestimmungen des § 97 Abs. 3 GWB und des § 5 Nr. 1 VOL/A liegen keine Verletzung des Europarechts. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/50/EWG ist nicht ersichtlich. Es ist nicht zu erkennen, weshalb mit der losweisen Vergabe eine Diskriminierung großer Unternehmen einhergehen soll. Der Wettbewerb wird hierdurch lediglich erweitert, wobei alle Wettbewerber die gleichen Bedingungen vorfinden.
4. Der öffentliche Auftraggeber hat die Möglichkeit, von einer Losaufteilung abzusehen, wenn überwiegende Gründe für eine einheitliche Auftragsvergabe sprechen. Eine solche Sachlage kann gegeben sein, wenn die Aufteilung unverhältnismäßige Kostennachteile bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens bzw. einer "unwirtschaftliche Zersplitterung" führen würde
5. Dem Aspekt der Mittelstandsförderung genügt es nicht, die Möglichkeit der Bildung von Bietergemeinschaften zuzulassen. Vielmehr müssen mittlere Unternehmen nach dem Normzweck der hier verletzten Vergabevorschriften in geeigneten Fällen in die Lage versetzt werden, sich eigenständig zu bewerben.

VPRRS 2004, 0439

VK Hessen, Beschluss vom 12.07.2004 - 69d-VK-31/2004
1. Die Vergabestelle ist nur verpflichtet, in der Bekanntmachung und/oder den Verdingungsunterlagen die Wertungskriterien anzugeben. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, einzelne Wertungsparameter vor der Wertung offen zu legen.*)
2. Verlangt die Vergabestelle bei der Ausschreibung einer Kläranlage von den Bietern eine Garantie für Mindestanforderungen für alle Lastfälle, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Bieter eine Einstandspflicht im Rahmen des abzuschließenden Werkvertrages übernehmen sollen.*)
3. Eine von der Vergabestelle geforderte Garantieerklärung ist in dem dafür vorgegebenen Formblatt abzugeben. Müssen bestimmte Werte, die die Bieter im Rahmen einer Garantieerklärung abzugeben haben, von der Vergabestelle noch errechnet und in das dafür vorgesehene Formblatt übertragen werden, liegt keine Garantieerklärung vor, mit der Folge, dass das betreffende Angebot von der Wertung auszuschließen ist.*)

VPRRS 2004, 0438

VK Hessen, Beschluss vom 29.07.2004 - 69d-VK-82/2003
Gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB hat der Antragsteller, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterliegt, dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten. Die Vorschrift findet nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur bei einer Zurückweisung des Nachprüfungsantrags Anwendung, sondern auch dann, wenn die antragstellende Partei ihren Nachprüfungsantrag zurückgenommen hat.

VPRRS 2004, 0437

VK Südbayern, Beschluss vom 03.08.2004 - 43-06/04
1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig, da die §§ 97 ff. GWB im vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Nach § 100 Abs. 1 GWB gilt der Vierte Teil des GWB nur für Aufträge, welche die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegten Schwellenwerte erreichen oder übersteigen.*)
2. Bei einer Baumaßnahme oder einem Bauwerk bemisst sich der Schwellenwert von mindestens 5 Mio. Euro nach dem geschätzten Gesamtauftragswert.*)
3. Eine pflichtgemäße Schätzung muss nach rein objektiven Kriterien erfolgen und muss jenen Wert treffen, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegments und auf dem Boden einer betriebswirtschaftlichen Finanzplanung veranschlagen würde (vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 06.07.2000 - Verg 1/99). Der Auftraggeber hat diese Schätzung anhand von objektiven Kriterien vorzunehmen, wobei an die Schätzung selber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2002, Verg W 4/02).*)
4. Nach § 3 Abs. 1 VgV ist bei der Schätzung des Auftragswertes von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung auszugehen. Der insoweit maßgebliche Gesamtauftragswert errechnet sich dann aus der Summe aller für die Erstellung der baulichen Anlage erforderlichen Leistungen ohne Umsatzsteuer; nicht zum Gesamtauftragswert gehören die Baunebenkosten, die Grundstückskosten, die Kosten der öffentlichen Erschließung, die Kosten für Vermessung und Vermarkung, Kosten für bewegliche Ausstattungs- und Einrichtungsgegenstände sowie etwaige Entschädigungen und Schadenersatzleistungen (Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Aufl., A § 1 a Rdnr. 10, 12).*)
5. Kosten für Unvorhergesehenes müssen vollständig in den Gesamtauftragswert eingehen, wenn diese Kosten nicht eigens ausgewiesen wurden und in die einzelnen Kostengruppen der Kostenrechnung eingerechnet werden.*)
6. Kosten für die Baubewachung sind nicht als Baunebenkosten anzusehen und deshalb in den Gesamtauftragswert einzubeziehen. Gemäß § 4 Nr. 5 VOB/B hat der Auftragnehmer die von ihm ausgeführten Leistungen bis zu Abnahme vor Beschädigung und Diebstahl zu schützen. Die Bieter haben dies bei ihrer Kalkulation zu berücksichtigen. Übernimmt der Auftraggeber diese Leistungen, handelt es sich um "etwaige vom Auftraggeber bereitgestellte Leistungen" i. S. v. § 1 a Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A, die zum Gesamtauftragswert hinzuzurechnen sind (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB-Kommentar, Rdnr. 11 zu § 1 a VOB/A). Nicht zu berücksichtigen sind dagegen bewegliche Ausrüstungsgegenstände wie z. B. Stühle, Tische, etc..*)
7. Dass die Baunebenkosten für die Ermittlung des Gesamtauftragswerts nicht angesetzt werden dürfen, ergibt sich mittelbar aus § 3 VgV. Zu den Baunebenkosten gehören alle Kosten, die neben der Vergütung für die ausgeschriebene Bauleistung im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben entstehen, wie z. B. Kosten für Architekten- und Ingenieurleistungen (soweit diese nicht ausnahmsweise auch zum ausgeschriebenen Bauauftrag gehören), für Verwaltungsleistungen des Auftraggebers bei Vorbereitung und Durchführung des Bauvorhabens, für die Baugenehmigung, für die Bauversicherung, Finanzierungskosten, etc..*)
8. Nach § 99 Abs. 3 GWB sind Bauaufträge Verträge unter anderem über die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauwerks, das Ergebnis für Tiefbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Dies entspricht der Definition des Art. 1 lit. c) der Richtlinie 93/37/EWG vom 14.06.1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, wonach ein Bauwerk das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten ist, die eine wirtschaftlich oder technisch funktionale Einheit darstellen, nicht also nur Teil einer solchen funktionalen Einheit sind.*)

VPRRS 2004, 0436

VK Südbayern, Beschluss vom 01.07.2004 - 40-06/04
1. Unklare und widersprüchliche Angebote in Bezug auf die Nachunternehmer-Erklärungen sind gemäß §§ 25 Nr. 1, 21 Nr. 1 VOB/A zwingend auszuschließen.*)
2. (Zur) Selbstausführungspflicht (hier) in Bezug auf besonders schwierige Leistungen im Ingenieurtiefbau.*)
3. Zum Ausschluss eines Angebotes zwingt bereits, dass Angaben und Erklärungen fehlen, die von der Vergabestelle und Auftraggeberin in den Ausschreibungsunterlagen gefordert werden und die infolgedessen als relevant für die Vergabeentscheidung gelten (§ 21 Nr. 1 VOB/A). Hier: fehlende Nachweise zur Eignung bei den selbst auszuführen Leistungen.*)

VPRRS 2004, 0433

VK Südbayern, Beschluss vom 13.07.2004 - 39-05/04
1. Das Recht, eine Ausschreibung aufzuheben, konkretisiert sich im Wege der Ermessensreduzierung auf Null zu einer Pflicht, wenn der Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 lit. a - c VOB/A gleichzeitig einen Verstoß gegen andere Vergabevorschriften darstellt und der Zuschlag schon deswegen rechtswidrig wäre. Weitere Voraussetzung ist, dass die Rechtswidrigkeit nur durch die Aufhebung beseitigt werden kann.*)
2. Entspricht das Angebot eines Bieters nicht der Verpflichtung zur Selbstausführung nach § 4 Nr. 8 Abs. 1 VOB/B, so ist das Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A von der Wertung auszuschließen.*)

VPRRS 2004, 0431

VK Südbayern, Beschluss vom 24.06.2004 - 37-05/04
1. Das Vergabeverfahren steht grundsätzlich unter dem Gebot der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit aller Wettbewerbsteilnehmer gemäß § 97 Abs. 2 GWB i. V. m. § 2 Nr. 2 VOL/A. Dies bedeutet unter anderem, dass allen Bietern dieselben Mindestanforderungen erfüllen müssen, die für das konkrete Angebot und die Kalkulation von Bedeutung sind, um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden (Müller-Wrede, VOL/A-Komm., § 2 Rdn. 9)*)
2. Versäumt der Auftraggeber Kriterien zur Prüfung der Gleichwertigkeit eines vom vorgegebenen Leitfabrikat abweichenden Fabrikats anzugeben, kann dies grundsätzlich nicht zum Ausschluss des Angebotes des Bieters führen, der ein Produkt eines anderen Herstellers anbietet (VK Brandenburg VK 34/03 vom 30.06.2004).*)
3. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten, die sich aus Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergeben, auf deren Einhaltung sie einen Anspruch hat, verletzt, §§ 114 Abs. 1, 97 Abs. 7 GWB, weil der Auftraggeber die aus dem Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) abgeleitete Dokumentationspflicht verletzt hat und die Leistungsbeschreibung nicht so eindeutig beschrieben war, dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten. Die Wertung, insbesondere hinsichtlich der Gleichwertigkeit ist, soweit sie durchgeführt wurde, fehlerhaft. Der Antragstellerin wurden keine konkreten Kriterien zur Wertung unter Setzung einer angemessenen Frist genannt. Zudem hatte zum Zeitpunkt der Ausschreibung mindestens ein Produkt des Leitfabrikats die geforderte Zertifizierung noch nicht.*)

VPRRS 2004, 0430

OLG Koblenz, Beschluss vom 20.10.2004 - 1 Verg 4/04
1.) Die Antragsbefugnis beurteilt sich ausschließlich nach dem Vorbringen des Antragstellers; außerhalb des zur Überprüfung gestellten Gegenstands liegende Gründe bleiben dabei unberücksichtigt. Allein das Vorhandensein eines zwingenden Ausschlussgrunds im Angebot des Antragstellers kann daher in keinem Fall mehr zum Wegfall der Antragsbefugnis führen und zwar gleichgültig, ob die Vergabestelle den Ausschlussgrund bereits ihrer Vergabeentscheidung zugrunde gelegt und der betroffene Bieter den Ausschluss mit seinem Nachprüfungsantrag als fehlerhaft gerügt hat oder der Ausschlussgrund erst im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens zur Sprache gekommen ist.*)
2.) Haftet dem Angebot des Antragstellers wegen unvollständiger Angaben ein zwingender Ausschlussgrund an, scheidet eine Verletzung seiner Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB auch dann aus, wenn die zugunsten eines anderen Bieters getroffene Zuschlagsentscheidung vergaberechtsfehlerhaft gewesen ist; derjenige, der selbst mit Abgabe eines unvollständigen Angebots ein zwingendes Erfordernis für die Teilnahme an einem ordnungsgemäßen und fairen Vergabeverfahren nicht eingehalten hat, besitzt, da er in keinem Fall den Zuschlag erhalten kann, im weiteren Verfahren keine schützenswerten Interessen mehr (vgl. BGH NZBau 2003, 293, 296; NJW 2002, 2558, 2559).*)
3.) Aus dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich nichts anderes; selbst wenn das bevorzugte Angebot des anderen Bieters mit demselben Ausschlussgrund behaftet ist und deswegen auszuschließen gewesen wäre, wird dadurch nicht die Rechtsposition des Antragstellers, sondern lediglich die der nachfolgenden Bieter mit ihren gewerteten Angeboten berührt.*)

VPRRS 2004, 0429

VK Lüneburg, Beschluss vom 29.10.2002 - 203-VgK-23/2002
1. Bei unklaren und auslegungsbedürftigen Aussagen in den Verdingungsunterlagen sollte der Bieter dies unverzüglich dem Auftraggeber mitteilen. Regelmäßig enthalten die Bewerbungsbedingungen öffentlicher Auftraggeber sogar eine entsprechende Verpflichtung. Das gleiche gilt für den Fall, dass die Verdingungsunterlagen nicht erfüllbare Forderungen enthalten. Das ist keine unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen gem. § 21 Nr. 1 Abs. 2, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A.
2. Ein Eigenanteil von 50 % bildet einen tauglichen Orientierungswert, um zu definieren, wann ein Bieter die Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 1 VOB/B im eigenen Betrieb ausführt.
3. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote zu berücksichtigen. Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Wettbewerb erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen.

VPRRS 2004, 0427

VK Lüneburg, Beschluss vom 19.09.2002 - 203-VgK-19/2002
1. Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB/A vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren.
2. Zu den materiellen Entscheidungen zählen Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis, sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote. Ein Vermerk, der es nicht ermöglicht, anhand der Angebotsauswertung und des Vergabevorschlags die Entscheidung nachzuvollziehen, genügt den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A nicht.
3. Der Auftraggeber muss bei ungewöhnlich hohem Preisabstand eine Plausibilitätsprüfung gem. § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A durchführen und Prüfung und Ergebnis zu dokumentieren.

VPRRS 2004, 0424

VK Lüneburg, Beschluss vom 20.09.2002 - 203-VgK-18/2002
1. Als äußerster Zeitraum für eine unverzügliche Rüge ist eine Frist von 2 Wochen anerkannt. Ein Bieter kann diese Frist aber nicht in jedem Fall ausschöpfen. In Fällen, in denen sich ein vermeintlicher Vergaberechtsfehler erst aus umfangreichen Kenntnissen und Studium der Rechtsgrundlagen ableiten lässt, kann auch dann noch rechtzeitig gerügt werden, wenn diese Frist von 2 Wochen deutlich überschritten wird. Wenn der gerügte Sachverhalt aber eine aus den Verdingungsunterlagen ersichtliche, für ein fachkundiges Unternehmen ohne weiteres erkennbare Tatsache betrifft, ist eine Rügefrist von max. 5 Tagen absolut ausreichend und zumutbar.
2. Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen . Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote. Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben.
3. Bei ungewöhnlich hohem Preisabstand gegenüber den übrigen Angeboten hat der Auftraggeber eine Plausibilitätsprüfung gem. § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A durchzuführen und Prüfung und Ergebnis zu dokumentieren.

VPRRS 2004, 0420

VK Halle, Beschluss vom 13.03.2001 - VK Hal 23/99
1. Die Antragsgegnerin verkennt, dass es nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf das Erkennenkönnen, sondern auf das tatsächliche Erkennen der Verstöße ankommt. Die objektive Möglichkeit des Erkennens ist nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB nur dann relevant, soweit der geltend gemachte Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits aufgrund der Vergabebekanntmachung erkennbar war.
2. Im deutschen Vergaberecht ist der Zuschlag zwar gleichbedeutend mit der Annahme des Vertragsangebotes eines Bieters, es gelten insofern die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts. Dies bedeutet allerdings, dass im Rechtssinne die Annahme erst dann vollzogen ist, wenn der nach außen Berechtigte (Art. 70 Abs. 2 GO LSA), in schriftlicher Form (Art. 70 Abs. 1 GO LSA) diese erklärt hat und der Bieterin die Annahmeerklärung zugegangen ist.
3. Nach § 27a VOL/A hat der Auftraggeber spätestens zehn Tage vor Zuschlag seiner Informationspflicht gegenüber den nicht berücksichtigten Bietern zu genügen . Jede andere Auffassung würde den durch das GWB ausdrücklich geschützten Primärrechtsschutz aushöhlen.
4. Obwohl § 27 Nr. 1 VOB/A eine Soll-Vorschrift darstellt, bedeutet dies nicht, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen dahingehend ausüben kann, dass sie alle Bieter erst nach vollzogener Zuschlagserteilung von ihren Angeboten entbindet. Die Vorschrift soll die Bieter davor schützen, nicht unnötig lange an ihr Angebot gebunden zu sein. Aus diesem Grund ist es nicht nur billig, sondern geboten, dass die Bieter, die nicht zum Zuge kommen, alsbald benachrichtigt werden. § 27 Nr. 1 VOB/A räumt dafür dem Auftraggeber abgestufte Möglichkeiten ein. Im vorliegenden Fall hätte die Antragsgegnerin unverzüglich nach Abschluss der Wertung im Sinne von § 25 Nr. 2 und Nr. 3 Abs. 1 u. 2 VOB/A die Antragstellerin benachrichtigen müssen, damit diese weiter bzw. neu hätte disponieren können.
5. Nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB ist der Begriff "unverzüglich" bedeutungsgleich mit dem Begriff "ohne schuldhaftes Zögern". Diese Definition aus dem Privatrecht wird auch auf das öffentliche Recht zur Auslegung des dort verwendeten Begriffs der "Unverzüglichkeit" erstreckt. In analoger Anwendung sind demnach dem Auftraggeber unter Beachtung der Interessen der Auftragnehmer sowie der etwaigen besonderen Verhältnisse im Einzelfall in der Regel zwei Wochen (als Obergrenze) bis zur Verständigung der Bieter zu zugestehen.
6. Der Antrag gilt nicht im Sinne des § 116 Abs. 2 i.V.m. 113 Abs. 1 GWB als abgelehnt. Denn die Verpflichtung der Vergabekammer, das Verfahren innerhalb von fünf Wochen abzuschließen, greift nicht für Feststellungsanträge. Im Regierungsentwurf zum Vergaberechtsänderungsgesetz wird diese Vorschrift als zentrale Regelung für die zügige Durchführung des Nachprüfungsverfahrens charakterisiert. Bei Feststellungsverfahren besteht keinerlei Bedürfnis an einer derartigen Verfahrensbeschleunigung, so dass der Gesetzgeber diesbezüglich bewusst keine Fristenregelung formuliert hat. Für eine eventuelle analoge Anwendung der Fünf-Wochen-Frist besteht demnach kein Raum.
7. Bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, sind nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung geeignet sind. Erscheinen Angebote ungewöhnlich niedrig, so sind diese zu überprüfen. Dem öffentlichen Auftraggeber obliegt es nicht zu entscheiden, ob eine Überprüfung sinnvoll ist oder nicht. Selbst wenn ein Angebot keinerlei Bezug mit der Wirklichkeit hat, ist der betreffende Bieter dennoch zur Stellungnahme aufzufordern. Ist ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat der Auftraggeber vor der Vergabe die Einzelposten des Angebotes zu überprüfen. Zu diesem Zweck sind vom Bieter die erforderlichen Belege abzufordern und ggf. ist ihm mitzuteilen, welche Belege für unannehmbar erachtet werden. Dabei ist dem Bieter eine angemessene Frist einzuräumen. Erteilt er keine Auskünfte, so kann dies den Ausschluss nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A bewirken.

VPRRS 2004, 0419

VK Halle, Beschluss vom 26.09.2000 - VK Hal 23/00
1. Der geschätzte Auftragswert hat sich auf das insgesamt zu errichtende Bauwerk oder die ganze sonstige Baumaßnahme zu beziehen, wobei für die betreffende bauliche Anlage alle Aufträge zusammenzurechnen sind, die für die vollständige Herstellung sowohl in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die sachgerechte Nutzung erteilt werden müssen.
2. Bei Korrektur des gerügten Vergabeverstoß der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Auswahlverfahrens liegt eine Verletzung von Rechten nach § 97 Abs. 2 und Abs. 7 GWB und ein entstandenen oder zu erwartenden Schaden für den Bieter nicht vor.

VPRRS 2004, 0418

VK Lüneburg, Beschluss vom 10.09.2002 - 203-VgK-15/2002
1. Keine "geforderten Erklärungen" im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, die mit dem konkreten Leistungsgegenstand nichts zu tun haben und die ohne weiteres nachgereicht werden können, sind z. B. Erklärungen zur Innungszugehörigkeit, Steuertreue, Staatsangehörigkeit und zum Subunternehmereinsatz. Diese Erklärungen können auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeliefert werden. Grund hierfür ist, dass Preis und Leistung durch das Fehlen nicht beeinflusst werden und das Angebot daher nicht unvollständig im Sinne des § 21 Nr. 1 VOL/A ist.
2. Im Rahmen der Wertung der Angebote muss der Auftraggeber gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zu prüfen, ob die Bieter persönlich und fachlich geeignet sind, die geforderte Leistung zu erbringen. Die Vergabestelle soll über die Ausschlussgründe des Nr. 1 hinaus Bieter aussortieren, von deren persönlicher und fachlicher Eignung sie nicht überzeugt ist. Dabei geht es um eine eingehende Prüfung, die den Rahmen des Ausschlussgrundes § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b i.V.m. § 7 Nr. 5 VOL/A übersteigt.

VPRRS 2004, 0417

VK Sachsen-Anhalt (RP Halle), Beschluss vom 21.12.2000 - VK Hal 22/00
1. Nach der Vorschrift des § 107 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, dass ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Eine Rechtsverletzung und ein daraus drohender Schaden ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn der antragstellende Bieter selbst dann evident keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlages hat, wenn der geltend gemachte Vergabeverstoß ausgeräumt würde.
2. Die Bestimmungen in § 2 Nr. 1 Satz 1 VOB/A stellen bestimmte Anforderungen an die Bewerber, wozu u.a. deren Zuverlässigkeit zählt. Dieses Erfordernis ist dann nicht erfüllt, wenn der Bieter trotz nochmaliger Fristsetzung seiner Bringepflicht nicht nachkommt. Würde dem Auftraggeber die Pflicht obliegen, solange nachzufordern bis ein Bieter bereit ist, seine Unterlagen zu vervollständigen, so würde dies den ungehinderten Bauablauf gefährden und dem Sinn und Zweck eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens widersprechen.
3. Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sollen die Angebote nur die Preise und die in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Erklärungen enthalten; ferner müssen sie rechtsverbindlich unterschrieben sein. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Angebote die Preise und geforderten Erklärungen enthalten müssen. Angebote, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind unvollständig und müssen deshalb nach § 25 Nr. 1. Abs. 1 Buchst. b VOB/A von der Wertung ausgeschlossen werden.
4. Eine nachträgliche Einholung fehlender Preise bzw. Änderung der Preise ist nicht statthaft, da dieses Vorgehen einen Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A darstellen würde. Das Verbot der Verhandlung über das Angebot bzw. die Preise beinhaltet das Verbot des nachträglichen Verschaffens fehlender Preise.
5. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b) VOB/A sind Angebot, die den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen, zwingend auszuschließen. Hier gibt es aber Ausnahmen. Zwingende Voraussetzung ist, dass in einem Angebot nur Preise von im Vergleich zur Gesamtleistung untergeordneter Positionen fehlen, die angebotene Leistung aber auch ohne diese Positionen als in sich abgeschlossen gelten kann bzw. es möglich ist, die fehlenden Positionen ohne Schwierigkeit später gesondert in Auftrag zu geben.
6. Der Wettbewerb im Bauvertragswesen, muss jedem offen stehen, der in der Lage ist, im gewerblichen Verkehr Leistungen zu erbringen, also den Markt und damit Vertragswesen, muss jedem offen stehen, der in der Lage ist, im gewerblichen Verkehr Leistungen zu erbringen, also den Markt und damit den Wettbewerb in gesunder Weise zu bereichern. Auf Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren - insbesondere Markennamen - darf nur auf das unbedingt Notwendige im Rahmen der Leistungsbeschreibung abgestellt werden, da es grundsätzlich Sache des Auftragnehmers ist, zu entscheiden, welche Erzeugnisse er bei der betreffenden Bauausführung einsetzen will.
7. Eine unzulässige herstellerbezogene Systemvorgabe verstößt gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 2 Nr. 1 Satz 2 VOB/A sowie gegen das Diskriminierungsverbot des § 2 Nr. 2 VOB/A. § 2 Nr. 1 Satz 2 der VOB/A fordert, dass der Wettbewerb die Regel sein soll und entspricht mit dieser Forderung nach einem Wettbewerb dem Prinzip der marktwirtschaftlichen Grundsätze. Ziel eines uneingeschränkten Wettbewerbes soll es sein, allen in Betracht kommenden Firmen gleiche Chancen einzuräumen, § 97 Abs. 1 GWB.
8. Die Regelungen im § 9 Nr. 5 VOB/A sind als "Ist-Bestimmung" einzuhalten, es bleibt also grundsätzlich kein darüber hinausgehender Ermessensspielraum. Angaben hinsichtlich bestimmter Erzeugnisse, Verfahren und Ursprungsorte sind grundsätzlich bei der Aufstellung der Beschreibung der Leistung zu vermeiden. Dies gilt auch im Hinblick auf ein bestimmtes Güte- oder Überwachungszeichen, wenn es gleichwertige Stoffe oder Bauteile auf dem Markt gibt.
9. Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige sind nach § 4 Nr.3 Satz 1 VOB/A in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen (Fachlose) getrennt zu vergeben. Durch diese Vorgabe berücksichtigt die VOB die besondere Struktur der deutschen Bauwirtschaft und die Vorstellung der Bundesregierung zur Förderung der mittelständischen Unternehmen. Durch die Fachlosvergaben werden diese mittelständischen Unternehmen direkt Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers. Angesichts dieser Zielsetzung (Marktpflege) haben die Vergabestellen Mehraufwendungen durch Fachlosvergaben in ihrem Verwaltungsbereich, z.B. aus Koordinierung, Bauausführung und Gewerbeleistung hinzunehmen.

VPRRS 2004, 0416

VK Halle, Beschluss vom 22.10.2001 - VK Hal 19/01
1. § 97 Abs. 2 GWB sieht vor, dass alle Bewerber an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln sind. Zur Gewährleistung dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es erforderlich, alle entscheidungsrelevanten Kriterien im Rahmen der Bekanntmachung (§ 17a Nr. 2 VOB/A) für die Bewerber transparent zu machen.
2. Der § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bestimmt, dass von den Bewerbern Angaben hinsichtlich des Nachweises der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gefordert werden "dürfen". Sie müssen also nicht gefordert werden. Ob sie notwendig sind bzw. vom Auftraggeber für notwendig gehalten werden, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und wird vom Auftraggeber bestimmt.
3. Fünf Bewerber sind die absolute Untergrenze beim Nichtoffenen Verfahren. In der Regel werden deutlich mehr als 5 Bewerber aufzufordern sein, oftmals wird die Zahl zwischen 10 und 20 Bewerbern liegen. Entscheidend für die angemessene Anzahl ist das jeweilige Ergebnis des vorausgegangenen Teilnahmewettbewerbes. Haben sehr viele Bewerber ihr Interesse bekundet, so sind entsprechend viele zur Angebotsabgabe aufzufordern. Nach § 8a Nr. 2 Satz 3 VOB/A muss die Zahl der aufgeforderten Bewerber auf jeden Fall einen echten Wettbewerb sicherstellen.
4. Unter Gewährleistung des Wettbewerbsgrundsatzes kann der öffentliche Auftraggeber nach der BKR, Artikel 22 für die Vergabe eines Auftrages im Nichtoffenen Verfahren eine Marge bestimmen, innerhalb derer die Zahl der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen liegen wird. In einem solchen Fall ist die Marge stets in der Bekanntmachung anzugeben.

VPRRS 2004, 0415

VK Lüneburg, Beschluss vom 14.10.2002 - 203-VgK-22/2002
1. Trotz Überschreitens der EU-Schwellenwerte muss ein Auftrag nicht unbedingt europaweit ausgeschrieben werden, wenn der 2. Abschnitt ("a-Paragraphen") der VOL/A nur begrenzte Anwendung neben den Basisparagraphen findet.
2. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die schlüssige Darlegung, dass die Bieter bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte, ist nicht erforderlich.
3. Bei der Überprüfung der Eignungskriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A bewegt sich der Prüfungsrahmen auf einem mehr an der Überzeugung der Vergabestelle orientierten Maßstab . Dabei ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Auftraggeber bei der Prüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters auch auf eigene Erfahrungen aus früheren, abgeschlossenen Vertragsverhältnissen zurückgreift .
4. Die Verwertbarkeit früherer eigener Erfahrungen unterliegt mit einem Unternehmer zeitlichen Grenzen. Einen Anhaltspunkt für diese Grenzen bietet etwa der in § 8 Nr. 3 Abs. 1 a, b und c VOB/A indirekt geregelte Dreijahreszeitraum, der nach dem Schrifttum sogar für die Ausschlussdauer bei schweren Verfehlungen im Sinne des § 8 Nr. 5 VOB/A Anwendung finden soll. Dieser Rechtsgedanke lässt sich auch auf den VOL-Bereich übertragen.
5. Länger als 3 Jahre dürften einem Bieter damit etwaige negative Erfahrungen aus früheren Vertragsverhältnissen nicht entgegengehalten werden. Der Auftraggeber kann derartige Erfahrungen auch über diesen Zeitraum hinaus in aktuelle Vergabeentscheidungen mit einbeziehen, sofern er hinreichende Ermittlungen darüber anstellt, ob der betreffende Unternehmer etwaige bekannte Mängel personeller oder organisatorischer Art zwischenzeitlich abgestellt hat.
6. Ein Ausschluss von der Wertung kann erfolgen, wenn beispielsweise mit dem betreffenden Bieter noch verschiedene Prozesse aus vorangegangenen Auftragsverhältnissen geführt werden.

VPRRS 2004, 0412

VK Lüneburg, Beschluss vom 29.08.2002 - 203-VgK-13/2002
1. Durch im Rahmen der EU-weiten Ausschreibung erfolgte Benennung der Vergabekammer als Nachprüfstelle hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung besteht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie keines der verfahrensgegenständlichen Lose dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre.
2. Für den Fall, dass sich das Nachprüfungsverfahren erst nach wirksamer Einlegung des Nachprüfungsantrags erledigt, sieht § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB ein gesondertes Verfahren vor. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass auch ein Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB unzulässig ist, soweit der Nachprüfungsantrag erst nach Beendigung des Vergabeverfahrens gestellt wurde.
3. Gemäß § 21 Nr. 3 VOB/A ist die Anzahl von Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen. Etwaige Änderungsvorschläge oder Nebenangebote müssen auf besonderer Anlage kenntlich gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet werden. Üblicherweise werden Angebote dergestalt abgegeben, dass zunächst das oder die Hauptangebote vorangestellt werden, die dann noch Hinweise auf etwaige Nebenangebote und Sondervorschläge enthalten, die den Angeboten als Anlage beigefügt werden.
4. Nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das mit der Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, z. B. Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität oder technischer Wert, als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis ist danach grundsätzlich zwar nicht allein entscheidend. Das deutsche Vergaberecht schließt aber damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebots im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche, wenn nicht die maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach deutschem Vergaberecht vielmehr zwar regelmäßig das wichtigste, wenn auch nicht das allein entscheidende Kriterium.
5. VOB/A und GWB räumen dem Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum dahingehend ein, welches Angebot für ihn in einer vergleichenden Betrachtung und Abwägung hinsichtlich des Inhalts und der Preise das wirtschaftlich günstigste Angebot ist. Dieser Beurteilungsspielraum wird nur überschritten, wenn ein vorgeschriebenes Verfahren nicht eingehalten wird, wenn nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, wenn sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt wird.
6. Bei Nebenangeboten hat der Auftraggeber eine besonders eingehende und alle Vergabekriterien gewichtende und zueinander ins Verhältnis setzende, vergleichend abwägende Wertung durchzuführen. Daher ist eine klare und in sich geschlossene übersichtliche und erschöpfende Beschreibung des Nebenangebotes durch den Bieter zwingend erforderlich. Weist der Auftragnehmer die Gleichwertigkeit nicht bei der Angebotsabgabe nach, ist sein Nebenangebot von der Wertung auszuschließen.

VPRRS 2004, 0411

VK Halle, Beschluss vom 27.07.2000 - VK Hal 20/00
1. Nach § 107 Abs. 3 GWB ist unverzüglich zu rügen. "Unverzüglich" ist aber keinesfalls gleichbedeutend mit "sofort", da dem Unternehmen über die eigentliche Prüfung und Erarbeitung hinaus auch eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Unter Beachtung der Interessen der Auftraggeber sowie der etwaigen besonderen Verhältnisse im Einzelfall sind dem Unternehmen in der Regel zwei Wochen (als Obergrenze) bis zur Erklärung der Rüge zu belassen.
2. An das Formerfordernis des § 108 GWB dürfen jedoch keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere können die Anforderungen nicht größer sein, als die an die Form des § 117 GWB, der sofortigen Beschwerde vor dem zuständigen Oberlandesgericht.
3. § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. aus dem Kartellbeschwerdeverfahrensrecht nachgebildet. Nach § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. muss der Antragsteller keinen Antrag mit tenorierungsfähigem Inhalt ausformulieren und stellen muss. Vielmehr genügt es für die Zulässigkeit der Beschwerde, wenn sich das Beschwerdebegehren aus der Begründung ergibt; ferner reicht auch die Bezugnahme auf einen Antrag aus, der - erfolglos - bei den Antragsgegnern gestellt worden war und deren Verfügung nunmehr mit der Beschwerde angefochten wird.
4. Laut § 97 Abs. 2 GWB hat der Auftraggeber die Teilnehmer an einem Wettbewerb gleich zu behandeln, es sei denn, eine Differenzierung ist aufgrund der Regelungen des GWB selbst ausdrücklich geboten oder gestattet. Der in dieser Bestimmung normierte Gleichbehandlungsgrundsatz gehört zu den elementaren Prinzipien. Das Vergaberecht dient nicht zur Sicherstellung der Einhaltung von Tarifverträgen. Jeder Anbieter ist im Rahmen seiner kalkulatorischen Freiheit nicht gehindert, zwar Tariflöhne zu zahlen, diese jedoch nicht an dieser Stelle in die Kalkulation seines Angebotes einfließen zu lassen.
5. Nach den EG-Vergaberichtlinien ist das für die Auftragsvergabe maßgebende Kriterium entweder ausschließlich der niedrigste Preis oder das wirtschaftlich günstigste Angebot unter Beachtung mehrerer von Auftrag zu Auftrag unterschiedlicher Kriterien, wie etwa: Lieferfrist, Ausführungsdauer, Betriebskosten, Rentabilität, Qualität, Ästhetik und Zweckmäßigkeit, technischer Wert, Kundendienst und technische Hilfe, Verpflichtungen hinsichtlich der Ersatzteile, Versorgungssicherheit und Preis.
6. Nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III) kann bei der Durchführung einer Maßnahme, die die Vergabe eines öffentlichen Auftrages an ein Wirtschaftsunternehmen vorsieht, als vertragliche Nebenpflicht für alle Bewerber der Einsatz von dem Auftraggeber zugewiesener und geförderter Arbeitnehmer aufgenommen werden; es darf dabei aber kein Bewerber diskriminiert werden (vgl. § 262 Abs. 2 "Vergabe von Arbeiten").
7. Gemäß § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A dürfen Produkte oder Verfahrensbezeichnungen nur ausnahmsweise und nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" aufgenommen werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Der Zusatz "oder gleichwertiger Art" ist in diesen Fällen jedoch stets unerlässlich.
8. Nach § 97 Abs. 4 GWB i.V.m. § 25 Nr. 2, Abs. 1 VOB/A sind anhand der vorgelegten Nachweise, die Angebote der Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendige Sicherheiten bieten. Die Regelungen des § 97 Abs. 4 GWB stellen klar, dass weitergehende Kriterien, die in anderen Bundesgesetzen aufgeführt sind, nur nach Maßgabe der jeweiligen Regeln dieser Gesetze bei der Vergabe berücksichtigt werden können

VPRRS 2004, 0410

VK Hannover, Beschluss vom 23.01.2004 - VgK 14/2003
In § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A wird festgelegt, dass der Vertrag geschlossen ist, wenn auf ein Angebot ohne Abänderungen der Zuschlag erteilt wird. Ein Angebot muss also so konkret sein, dass ohne weitere Festlegung, Ergänzung oder Differenzierung der angebotenen Leistungen der Zuschlag erteilt werden kann.

VPRRS 2004, 0409

VK Hannover, Beschluss vom 18.03.2004 - VgK 01/2004
1. Bei einer Vielzahl von unzureichenden Fabrikatsangaben ist die Grenze einer zulässigen Aufklärung i. S. von § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A deutlich überschritten.
2. Einen Anspruch auf Nachverhandlung hat der Bieter eines im vorgenannten Sinne unklaren Angebotes nicht. Der Auftraggeber verfügt in dieser Hinsicht über einen Ermessensspielraum, inwieweit er zur Erläuterung eines Angebotes oder Beseitigung eventueller Unklarheiten ein Aufklärungsgespräch führt.
3. Aus dem Begriff "Fabrikat" lässt sich bereits ableiten, dass hier ein fabrikmäßig hergestelltes Erzeugnis und nicht der Name einer Firma/eines Herstellers gemeint sein kann.

VPRRS 2004, 0408

VK Arnsberg, Beschluss vom 14.10.2004 - VK 1-21/04
Auch bei nicht zuschlagsfähigem Angebot der Antragstellerin besteht ein Anspruch auf Verpflichtung der Vergabestelle zu vergaberechtskonformen Verhalten, wenn die Vergabeabsicht weiterbesteht und die Ausschreibung kein zuschlagsfähiges Angebot erbracht hat.

VPRRS 2004, 0407

VK Hannover, Beschluss vom 10.05.2004 - VgK 02/2004
1. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Teilnehmer an einem Vergabeverfahren aus § 97 Abs. 2 GWB i.V. m. der VOB/A fordert, dass nur die Erklärungen, die bei der Submission eröffnet wurden, gewertet werden und damit in die Bieterreihenfolge eingehen.
2. Erklärungen, die nicht lediglich Bescheinigungen betreffen, können nicht im Rahmen der Aufklärung nach § 24 VOB/A nachgebessert werden.

VPRRS 2004, 0404

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.06.2004 - 1 VK 32/04
1.Werden nach § 22 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A zu verlesende Angaben - etwa Preisabschläge bei Vergabe mehrerer Lose an einen Bieter - nicht verlesen, so stellt dies zwar einen Verstoß gegen die Vorschrift dar. Dies führt nicht zu einem Ausschluss der Prüf- und Wertungsfähigkeit, da es sich bei § 22 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A lediglich um eine Formvorschrift handelt, deren Verletzung nicht zu Lasten des Bieters gehen kann.
2. Die Bestimmung des § 21 Nr. 4 VOB/A (i.V.m. § 25 Nr. 5 VOB/A) stellt ihrem Wortlaut nach auf Preisnachlässe ohne Bedingungen ab.
3. Feststellungen zur einseitigen Bestimmbarkeit des Nachlasses durch den Bieter können nicht getroffen werden. Angebote über Preisnachlässe, die von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren künftiger Eintritt von der Entscheidung oder Wahl des Bieters abhängt, dürfen nicht gewertet werden.

IBRRS 2004, 3337

VK Lüneburg, Beschluss vom 07.06.2004 - 203-VgK-16/2004
1. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Nach der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB muss ein Bieter oder Bewerber rügen, sobald er im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler entdeckt.
2. Eine Bewertungsmatrix kann den Entscheidungsvermerk in der Vergabeakte ergänzen und präzisieren, sie kann den Vergabevermerk nicht völlig ersetzen. In der Vergabeakte muss wenigstens kurz erläutert werden, warum welcher Bieter für welches Kriterium welche Punkte erzielt hat.

VPRRS 2004, 0401

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.07.2002 - VK-SH 08/02
Für § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB ist maßgeblich, ob der konkrete Antragsteller aufgrund seiner Erfahrung und der konkreten Umstände den Vergabeverstoß hätte erkennen können.

VPRRS 2004, 0400

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.08.2002 - VK-SH 09/02
1. Der Bieter darf die Verdingungsbeschreibung nicht von sich aus ändern, selbst wenn sie unklar wären. Die Unzulässigkeit einer Änderung der Verdingungsunterlagen korrespondiert dabei mit der Vorgabe des § 9 VOB/A, wonach der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben hat.
2. Nebenangebote müssen nach Ziff. 4.1 der Bewerbungsbedingungen i.V.m. § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A auf einer besonderen Anlage unterbreitet und als solche deutlich gekennzeichnet sein. Voraussetzung für das Vorliegen eines Nebenangebots ist, dass die Ast. eine Willenserklärung abgegeben hat, die den Willen zu einer rechtlichen Bindung zum Ausdruck gebracht hat.
3. Nach Eröffnung des Angebots ist die Benennung eines Nachunternehmers nicht als Aufklärung über die geplante Art der Durchführung der Leistung nach § 24 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A zu verstehen. Eine solche Art der Aufklärung ist unzulässig, da eine durch Nachverhandeln bewirkte Verschiebung der Leistungsanteile zwischen Haupt- und Nachunternehmer stets einen bedeutsamen Eingriff in die Kalkulation und damit eine Veränderung des Angebots darstellt.

VPRRS 2004, 0399

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29.08.2002 - VK-SH 11/02
Keine Anwendung des Vierten Teil des GWB auf ein Bauvorhaben, wenn der Auftraggeber kein öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB.

VPRRS 2004, 0398

VK Südbayern, Beschluss vom 03.06.2004 - 36-05/04
1. Hat ein Bieter mit Angebotsabgabe abweichend von der Selbstausführungspflicht Nachunternehmerleistungen angeboten und kann keine Zuordnung zu den Leistungspositionen erfolgen, so sind die Leistungen unbestimmt und damit unklar. Eine Zuordnung zu Art und Umfang der Leistung gemäß Leistungsverzeichnis ist nicht möglich. Das unklare und widersprüchliche Angebot in Bezug auf die Nachunternehmer-Erklärung ist gemäß §§ 25 Nr.1, 21 Nr. 1 VOB/A zwingend auszuschließen.*)
2. Fordert die Vergabestelle bei mehreren Positionen die Einheitspreise von Lohn- und Materialkosten und hat der Bieter hier keine Eintragungen vorgenommen, so muss sein Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A ausgeschlossen werden, da es dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A nicht entspricht.*)

VPRRS 2004, 0397

VK Südbayern, Beschluss vom 25.05.2004 - 27-04/04
1. Unvollständige sowie unklare und widersprüchliche Angebote in Bezug auf die Nachunternehmer-Erklärungen sind gemäß §§ 25 Nr. 1, 21 Nr. 1 VOB/A zwingend auszuschließen.*)
2. Nach § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A kann der Auftraggeber die Bieter auffordern, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen.*)

VPRRS 2004, 0396

VK Südbayern, Beschluss vom 13.07.2004 - 46-06/04
1. Der Ausschluss eines Angebots, das geforderte Erklärungen (hier: bezüglich einer Vielzahl von Positionen Angaben zu Fabrikat/Hersteller und zum Typ des angebotenen Produkts) nicht enthält (§§ 21 Nr. 1 Abs. l Satz 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A) ist zwingend, wenn das Angebot sich nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Wertung eignet.*)
2. Nach den Bestimmungen des § 21 Nr. 2 VOB/A darf eine Leistung, die von den vorgesehenen Spezifikationen abweicht, angeboten werden, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist.*)
3. § 26 Nr. 1 VOB/A verpflichtet die Vergabestelle grundsätzlich nicht, eine Ausschreibung aufzuheben, wenn ein dort normierter Aufhebungsgrund vorliegt. Da es sich um eine Kann-Vorschrift handelt, steht es im Ermessen des Ausschreibenden, ob er von der Möglichkeit der Aufhebung Gebrauch macht.*)

VPRRS 2004, 0394

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.12.2002 - VK-SH 16/02
1. Dienstleistungen sind nach § 99 Abs.4 GWB in Verbindung mit § 4 Vergabeverordnung und §§ 1, 1a, 3a Nr. 1 VOL/A im offenen Verfahren zu vergeben, es sei denn bei den zu erbringenden Leistungen handelt es sich um solche, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden. Dann kann als Ausnahme nach § 3 a Nr. 2 Buchst. c) VOL/A Abschnitt 2 im Verhandlungswege vergeben werden.
2. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 3 a Nr. 2 Buchst. f) VOL/A Abschnitt 2 liegen nicht vor, wenn der Zusatzauftrag nicht zur Ausführung der mit dem Vertrag vergebenden Dienstleistungen erforderlich.

VPRRS 2004, 0391

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.10.2004 - VK-SH 26/04
1. Die Angebotsfrist i.S.v. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e) VOL/A endet in Ermanglung einer konkret benannten Uhrzeit mit Ablauf des für die Angebotseinreichung bestimmten Tages. Aus der Angabe eines bestimmten Einreichungsortes (z.B. Zimmernummer) folgt nicht, dass die Angebotsfrist damit mit der üblichen Bürozeit endet.*)
2. Bietet ein Unternehmen sowohl selbstständig als auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft für den gleichen Auftragsgegenstand (z.B. alle Lose) an, hat dies wegen offenkundig wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens den Ausschluss beider Angebote gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A zur Folge.*)
3. Juristische Personen des Privatrechts sind - selbst wenn sie gemeinnützig sind - keine Einrichtungen i.S.v. § 7 Nr. 6 VOL/A.*)
4. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A hat keinen drittschützenden Charakter.*)
5. Nachverhandlungen über Fehlkalkulationen des Bieters sind wegen § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A selbst dann unstatthaft, wenn die Fehler (vermeintlich) offenkundig sind.*)
6. Eine Klaglosstellung der Antragstellerin - mit der Folge, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig wird - ist erst dann anzunehmen, wenn die Vergabestelle den beanstandeten Vergaberechtsverstoß bereits tatsächlich beseitigt hat. Eine reine Ankündigung der Antragsgegnerin reicht insoweit nicht aus.*)

VPRRS 2004, 0389

OLG Naumburg, Beschluss vom 01.09.2004 - 1 Verg 11/04
1. Werden Vorgaben in den Verdingungsunterlagen während der Vertragsverhandlungen mit einem Bieter durch die Vergabestelle selbst geändert, kann das Angebot des betroffenen Bieters - ungeachtet der Fragen, inwieweit die Vergabestelle diese Änderung noch zulässigerweise vornehmen durfte und ob diese Änderung diesen Falls nicht gegenüber allen Bietern im Vergabeverfahren hätte angewandt werden müssen - jedenfalls nicht nach §§ 25 Nr. 7 S. 2 i.V.m. Nr. 1 Abs. 1 lit. b), 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A ausgeschlossen werden.*)
2. Auch nach dem nationalen Vergaberecht gelten Unternehmen, die sich zusammengeschlossen haben, um eine Baukonzession zu erhalten, sowie mit den betreffenden Unternehmen verbundene Unternehmen nicht als Dritte i.S.v. § 32a Nr. 2 VOB/A.*)
3. Auf ein Angebot, für das die Bindefrist abgelaufen ist, kann gleichwohl noch ein Zuschlag erteilt werden; der wirksame Vertragsschluss hängt dann nach § 150 Abs. 1 BGB von der Annahme durch den Bieter ab.*)

VPRRS 2004, 0388

VK Nordbayern, Beschluss vom 30.09.2004 - 320.VK-3194-39/04
1. Richtet sich eine Forderung der Vergabestelle nicht an den Bieter, sondern an den Auftragnehmer, so werden diese geforderten Nachweise nicht bei Angebotsabgabe verlangt, sondern erst vor einer Auftragserteilung.*)
2. Bietervorschläge mit quantitativen Abweichungen von der ausgeschriebenen Leistung sind dann auszuscheiden, wenn eine Wettbewerbsverzerrung nicht ausgeschlossen werden kann.*)

VPRRS 2004, 0387

OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.07.2004 - 11 Verg 6/04
1. Zum Ausschluss eines Bieters wegen schwerer Verfehlungen bedarf es einer dokumentierten negativen Prognose, wonach die Verfehlungen für den zu vergebenden Auftrag erhebliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründen.
2. Fällt die Prognose positiv aus, erzeugt sie beim Bieter ein schutzwürdiges Vertrauen, das einem nachträglichen Ausschluss bei unveränderter Sachlage entgegensteht.

VPRRS 2004, 0386

BayObLG, Beschluss vom 09.09.2004 - Verg 18/04
1. Ist ohne Zustellung des Nachprüfungsantrags eine ablehnende Entscheidung der Vergabekammer ergangen, kann das mit dem Rechtsmittel befasste Oberlandesgericht die Zuschlagssperre des § 115 Abs. 1 GWB von sich aus herbeiführen, indem es erstmalig die Zustellung des Nachprüfungsantrags an den Antragsgegner veranlasst. Ein nach Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilter Zuschlag ist nichtig.*)
2. Zur Wertung von bedingten Nachlässen (Skonto).*)
3. Ist der günstigste Preis ausschließliches Zuschlagskriterium, bestehen grundsätzliche Bedenken, ein Skonto überhaupt für die Preisermittlung zu berücksichtigen.*)

VPRRS 2004, 0385

BayObLG, Beschluss vom 15.09.2004 - Verg 26/03
1. Einem Bieter steht auch dann die Antragsbefugnis zu, wenn er bei der rechtswidrigen Ausschreibung eines Leitfabrikates zwar in der Lage wäre, dieses zu liefern, er aber daran gehindert wird, ein wirtschaftlicheres Konkurrenzprodukt anzubieten.*)
2. § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A hat bieterschützende Funktion.*)
3. Legt ein Bieter vom Auftraggeber geforderte Prüfzeugnisse, welche offensichtlich für den Auftrag keine Bedeutung haben, nicht vor, darf sein Angebot nicht wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werden.*)

VPRRS 2004, 0384

BayObLG, Beschluss vom 20.09.2004 - Verg 21/04
Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A. Deshalb sind Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umhegt, grundsätzlich von der Wertung auszuschließen (wie BGH Beschluss vom 18.5.2004, X ZB 7/04). Daran ändert auch nichts, dass der Bieter seine "Mischkalkulation" im Rahmen von Nachverhandlungen offen legt.*)

VPRRS 2004, 0383

BayObLG, Beschluss vom 10.09.2004 - Verg 19/04
Gegen die Versäumung der Frist, innerhalb welcher beantragt werden kann, die aufschiebende Wirkung einer sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer zu verlängern, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich.*)

VPRRS 2004, 0382

VK Halle, Beschluss vom 13.12.1999 - VK Hal 20/99
1. An das Formerfordernis des § 108 GWB dürfen keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere können die Anforderungen nicht größer sein, als die an die Form des § 117 GWB, der sofortigen Beschwerde vor dem zuständigen Oberlandesgericht.
2. § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist ersichtlich dem § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. aus dem Kartellbeschwerdeverfahrensrecht nachgebildet. Nach § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. muss der Antragsteller keinen Antrag mit tenorierungsfähigem Inhalt ausformulieren und stellen. Vielmehr genügt es für die Zulässigkeit der Beschwerde, wenn sich das Beschwerdebegehren aus der Begründung ergibt; ferner reicht auch die Bezugnahme auf einen Antrag aus, der - erfolglos - bei der Antragsgegnerin gestellt worden war und deren Verfügung nunmehr mit der Beschwerde angefochten wird .
3. Eine Auftraggeberin darf eine bauliche Anlage nicht mit der Absicht aufteilen, d.h. Teilanlagen schaffen, um sich der Anwendung der a-Paragraphen ( der VOB/A) zu entziehen .
4. Gemäß § 9 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A dürfen Produkte oder Verfahrensbezeichnungen nur ausnahmsweise und nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" aufgenommen werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verständliche Bezeichnungen nicht möglich ist.

VPRRS 2004, 0380

VK Halle, Beschluss vom 13.12.1999 - VK Hal 22/99
Bei Einstellung des Verfahrens wegen Erledigung der Hauptsache muss die Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens tragen, wenn die Verschiebung des Submissionstermins durch die Auftraggeberin aus nachprüfungsantragsbezogenen Gründen als Unterliegen i.S.d. § 128 Abs. 3 GWB und als erfolgreiche Anrufung der Vergabekammer i.S.d. § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB gewertet werden muss.

VPRRS 2004, 0379

VK Halle, Beschluss vom 06.12.1999 - VK Hal 21/99
Die Verpflichtung, die Kosten des Verfahrens zu tragen, ergibt sich daraus, dass die Zuschlagerteilung an die Bieterin aus nachprüfungsantragsbezogenen Gründen als Unterliegen der Auftraggeberin i.S.d. § 128 Abs. 3 GWB und als erfolgreiche Anrufung der Vergabekammer i.S.d. § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB gewertet werden muss.

VPRRS 2004, 0378

VK Halle, Beschluss vom 10.08.2000 - VK Hal 21/00
1. Befürchtet die Bieterin, dass sie aufgrund der Verletzung von Vergabevorschriften von der Möglichkeit ausgeschlossen wird, den Auftrag zu erhalten, ergibt sich hieraus in aller Regel zugleich die Möglichkeit des Schadeneintritts. Nicht erforderlich ist, dass die Bieterin nachweist, dass sie bei konkreter Anwendung der Vergabevorschriften den Auftrag tatsächlich auch erhalten hätte.
2. An das Formerfordernis des § 108 GWB dürfen keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere können die Anforderungen nicht größer sein, als die an die Form des § 117 GWB, der sofortigen Beschwerde vor dem zuständigen Oberlandesgericht.
3. § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist ersichtlich dem § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. aus dem Kartellbeschwerdeverfahrensrecht nachgebildet. Zu § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. ist anerkannt, dass der Antragsteller keinen Antrag mit tenorierungsfähigem Inhalt ausformulieren und stellen muss.
4. § 25 VOB/A verpflichtet den Auftraggeber, die eingereichten Angebote formell und inhaltlich zu prüfen. Bei der formellen Prüfung kommt es insbesondere darauf an, festzustellen, ob die Angebote den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A genügen. Angebote, die den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen, so z.B. wenn geforderte Preise fehlen, das Angebot nicht rechtsverbindlich unterzeichnet ist oder Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen wurden, sind nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zwingend auszuschließen.
5. Die Forderung in § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A, dass die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten sollen, besagt im Kern, dass das Vertragsangebot klar, vollständig und in jeder Hinsicht zweifelsfrei sein soll. In erster Linie kommt es auf das Einsetzen der Preise durch die Bieter an. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass der Bieter im Angebot nicht nur einen sogenannten Gesamtpreis nennt, sondern auch die jeweils geforderten Einzelpreise, d. h. alle Preise, da das Angebot ansonsten nicht vollständig ist. Diese Regel folgt dem Gedanken, dass der Einheitspreis Ausgangspunkt und Einsatzzahl ist, dabei letztlich auch Vertragspreis wird, und dass sich hieraus lediglich rechnerisch der Gesamtpreis der Position ergibt. Diese Grundregel gilt auch, wenn wie hier die Unstimmigkeit darauf beruht, dass der angeführte Einheitspreis den Angaben über den Gesamtpreis nicht entspricht, auch dann ist der Einheitspreis maßgebend.
6. An die Rechtsverbindlichkeit einer Unterzeichnung auf einem Angebot sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, da es dem Bieter nicht überlassen werden darf, im Rahmen der Bindefrist sein Angebot wegen mangelnder rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht des Unterzeichnenden zurückzuziehen. Zur Bewertung des Rechtsbindungswillens ist der Nachweis einer wirksamen Bevollmächtigung daher vor Angebotseröffnung im Interesse eines chancengleichen Vergabewettbewerbes unbedingt erforderlich.
7. Die überragende Funktion, die die Verbindlichkeit der Angebote für den Wettbewerb hat, verbietet es, dass Angebote unter einem Vorbehalt oder unter einer Bedingung gestellt werden, deren Erfüllung vom Bieter selbst abhängig ist. Unter eine solche Bedingung gestellte Angebote sind gemäß § 25 Nr. 1 Buchst. b) VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A auszuschließen. Die Bieter hätten anderenfalls Gelegenheit, noch nach Submission zu entscheiden, ob sie im Wettbewerb bleiben oder nicht. Könnten Bieter ihre Angebote nachträglich nach Belieben verbindlich oder unverbindlich machen, wäre ein echter Wettbewerb nicht mehr gegeben.
8. Ein nach der Angebotseröffnung in Kenntnis der Angebotspreise der Wettbewerber dem Auftraggeber gegenüber nachgereichter Vollmachtsnachweis oder die nachträgliche Genehmigung des Handelns eines vollmachtlosen Vertreters verstößt gegen das im § 8 Nr. 1 Satz 1 VOB/A vorgeschriebene Prinzip der Chancengleichheit aller Bewerber um den ausgeschriebenen Auftrag. Dieses Prinzip der Chancengleichheit ist ein prägendes Wesensmerkmal eines fairen Wettbewerbs.
9. § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A legt zwar fest, dass Angebote, die den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen, zwingend auszuschließen sind, jedoch gibt es hier auch Ausnahmen. Zwingende Voraussetzung für eine Wertbarkeit der Angebote ist, dass in diesen nur Preise von im Vergleich zur Gesamtleistung untergeordneten Positionen fehlen. Die angebotene Leistung muss auch ohne diese Positionen als in sich abgeschlossen gelten können. Es muss möglich sein, die fehlenden Positionen ohne Schwierigkeit später gesondert in Auftrag zu geben.
