Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zum Bau- & Immobilienrecht
Online seit 15. Januar
VPRRS 2021, 0009
VK Lüneburg, Beschluss vom 06.10.2020 - VgK-33/2020
1. Änderungen an den Vergabeunterlagen sind unzulässig. Das betreffende Angebot ist zwingend von der Wertung auszuschließen.
2. Unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen liegen immer dann vor, wenn ein Bieter etwas anderes anbietet, als vom öffentlichen Auftraggeber nachgefragt. Unerheblich ist, ob sich die Änderungen in den Vergabeunterlagen selbst manifestieren oder in anderer Weise, etwa dadurch, dass in einem zusätzlichen Begleitschreiben Vorbehalte oder Einschränkungen formuliert werden.
3. Auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit einer Änderung der Vergabeunterlagen kommt es nicht an. Der Bieter ist ohne Einschränkungen an die in den Vergabeunterlagen im Einzelnen präzisierte Nachfrage des öffentlichen Auftraggebers gebunden.
4. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen einer deutlichen Überschreitung des Auftragswerts voraus setzt eine vertretbare, d.h. wirklichkeitsnahe und ordnungsgemäß dokumentierte Auftragswertschätzung voraus. Zudem müssen alle Angebote deutlich höher liegen als die objektiv vertretbare Auftragswertschätzung.

Online seit 13. Januar
VPRRS 2021, 0008
VK Lüneburg, Beschluss vom 10.08.2020 - VgK-19/2020
1. Ein Angebot ist auch im Teilnahmewettbewerb auszuschließen, wenn die nachgeforderten Unterlagen nicht innerhalb der Nachfrist vorgelegt werden. Das setzt voraus, dass die nicht nachgelieferten Unterlagen ursprünglich in gerechtfertigter Weise gefordert wurden und auch die Nachforderung den Formerfordernissen der VOB/A entsprach.
2. „Angaben zu den technischen Fachkräften" betreffen die konkret vor Ort eingesetzten Mitarbeiter.
3. Im Teilnahmeverfahren kann eine Eignungsanforderung auch ohne Mindestanforderung verwendet werden, um aus der Zahl der Teilnehmer die besten für die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots auszuwählen.

Online seit 12. Januar
VPRRS 2021, 0006
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2020 - 11 Verg 12/20
Bestärkt die Vergabestelle durch ihre Antwort auf eine Bieteranfrage den Bieter in der Einschätzung eines Parameters für die Preiskalkulation, die sie selbst für fehlerhaft hält, kann dies zu einer Diskriminierung dieses Bieters führen, wenn dieser sein Angebot auf der Grundlage dieser Fehlvorstellung kalkuliert.*)

Online seit 11. Januar
VPRRS 2020, 0337
OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.11.2020 - 11 Verg 13/20
1. Die Forderung einer bestimmten nationalen Zulassung (hier: BASt-Begutachtung) kann nur eine von weiteren Möglichkeiten der Nachweisführung der Produktgeeignetheit abbilden. Ein fehlender Gleichwertigkeitszusatz bzw. die fehlende Zulassung eines Nachweises der Gleichwertigkeit ist vergaberechtswidrig.
2. Zielrichtung von § 7a EU VOB/A 2019 ist allein, dass materiell eine Gleichwertigkeit nachweisbar sein muss. Ein Bieter muss nachweisen dürfen - und können -, dass sein Produkt die Anforderungen der in Bezug genommenen Technischen Spezifikationen materiell erfüllt.
3. Die TL-transportable Schutzeinrichtungen stellt eine Technische Spezifikation i.S.v. § 7a EU Abs. 2 Nr. 1 e VOB/A 2019 dar.

Online seit 8. Januar
VPRRS 2021, 0005
VK Lüneburg, Beschluss vom 09.09.2020 - VgK-32/2020
1. Änderungen an den Vergabeunterlagen sind unzulässig und führen zum Angebotsausschluss. Das gilt nicht bei "Verstößen" gegen interpretierbare oder gar missverständliche beziehungsweise mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen.
2. Gibt der Bieter an, Nachunternehmerleistungen seien mit 0,00 Euro berücksichtigt, kann aus der Erklärung, dass für den Fall, dass während der Bauphase doch Nachunternehmer eingesetzt werden sollen, ein Zuschlag einkalkuliert wurde, kein Nachunternehmereinsatz abgeleitet werden.

Online seit 4. Januar
VPRRS 2021, 0001
VK Lüneburg, Beschluss vom 11.08.2020 - VgK-16/2020
1. Hat der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen mitgeteilt, die Angebote mit vollen Punkten zu bewerten, ist eine Bewertung mit Zwischenpunkten unzulässig.
2. Die Wertung von Honoraren mit Punkten ist grundsätzlich zulässig. Ein Preiswertungssystem, wonach das preislich höchste Angebot nur einen Punkt erhalten soll, ist jedoch wettbewerbsverzerrend und unzulässig.
3. Es kommt bei der Rügepräklusion auf die objektive Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller (wie BayObLG, Beschluss vom 23.11.2000 - Verg 12/00, IBRRS 2003, 0101; entgegen OLG Düsseldorf, IBR 2007, 88).

Online seit 30. Dezember 2020
VPRRS 2020, 0369
OLG Naumburg, Beschluss vom 30.03.2020 - 7 Verg 1/20
1. Wann der Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots im Sinne eines Missverhältnisses zwischen dem angebotenen Gesamtpreis bzw. den angebotenen Gesamtkosten und dem objektiven Wert der ausgeschriebenen Leistungen zu gewinnen ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen.
2. Soweit auf den prozentualen Abstand des niedrigsten Angebotspreises zum nächsthöheren Preis von 20 % abgestellt wird, handelt es sich um einen Orientierungswert.
3. Dem Auftraggeber ist für das Einleiten eines Prüfungsverfahrens wegen des Eindrucks eines ungewöhnlich niedrigen Angebots ein weiter Entscheidungsspielraum zuzuerkennen.
4. Ein Aufklärungsverlangen zu den Grundlagen der Preisermittlung eines Bieters ist zulässig, wenn das Angebot inhaltlich bewertet wird, der Auftraggeber einem für die Vergabeentscheidung erheblichen Informationsbedürfnis folgt, wenn die geforderten Angaben geeignet sind, dieses Informationsbedürfnis zu befriedigen, und wenn dem Auftraggeber die Erlangung dieser Informationen nicht auf einfachere Weise möglich ist.
5. Die Einleitung eines Preisprüfverfahrens ist nicht willkürlich, wenn zwischen dem Gesamtpreis des Angebots des Bestbieters und demjenigen des zweitplatzierten Bieters ein Abstand von mehr als 10 % liegt.
6. Im Vergabenachprüfungsverfahren gilt nicht die Parteimaxime, wonach sämtliche tatsächliche Gesichtspunkte, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind, als wahr unterstellt werden müssten. Die Vergabekammer ist auch zu einem Aufgreifen von Mängeln eines Angebots von Amts wegen berechtigt.
7. Eine Entscheidung der Vergabekammer ist selbst dann nicht ohne weiteres wirkungslos, weil sie überobligatorische Feststellungen zum Sachverhalt vorgenommen hat. Derartige Fehler führten allenfalls zur Anfechtbarkeit der Entscheidung.

Online seit 22. Dezember 2020
VPRRS 2020, 0361
VK Westfalen, Beschluss vom 24.07.2020 - VK 2-13/20
1. Sämtliche Zuschlagskriterien müssen den Bietern bekannt gegeben werden. Das gilt auch für Unterkriterien. Diese sind ebenfalls als Zuschlagskriterien einzuordnen.
2. Die Nennung der Zuschlagskriterien hat spätestens in den Vergabeunterlagen zu erfolgen. Eine Bekanntgabe der Zuschlagskriterien in einer Einladung zum Bietergespräch ist nicht ausreichend.
3. Ein Bieter ist nicht in seinen Rechten verletzt, wenn der Auftraggeber zwar in nicht ordnungsgemäßer Weise neue Zuschlagskriterien einführt, der Bieter jedoch die maximale Punktzahl erhält und daher auch bei einer früheren Kenntnis nicht bessergestellt gewesen wäre.
4. Eine Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien ist für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter regelmäßig nicht erkennbar.
