Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2006, 0417
VK Sachsen, Beschluss vom 19.07.2006 - 1/SVK/059-06
1. Bietergemeinschaften sind vor allem dann unzulässig i.S.v. § 1 GWB, wenn sich Unternehmen zusammenschließen, die als Einzelunternehmen den Auftrag allein hätten ausführen können, weil sie über die geforderten Kapazitäten, technischen Ausrüstungen und fachlichen Kenntnisse verfügen.
2. Erweist sich die unternehmerische Entscheidung gegen die Alleinbewerbung nach diesem Maßstab als nachvollziehbar, so ist von der Zulässigkeit einer Bewerbergemeinschaft auszugehen.
3. Für eine fortwährend behauptete wettbewerbsbeschränkende Abrede muss ein gesicherter Nachweis existieren, woran hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine reine Vermutung kann für einen Ausschluss nicht genügen.
4. Fehlt es an der erforderlichen Vorlage von Eignungsnachweisen, liegt kein Anwendungsfall von § 21 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A vor, in dem das Fehlen geforderter „Angaben und Erklärungen“ nur nach pflichtgemäßem Ermessen des Auftraggebers zu einem Ausschluss des Angebots führt. Eignungsnachweise unterfallen nicht dem Begriff der „Angaben und Erklärungen“ im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A.
5. Die aus § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A folgende Konsequenz, wonach Angebote, in denen die Eignung nicht belegt ist, von der Wertung auszunehmen sind, ist im Rechtsinn zwingend.

VPRRS 2006, 0416

VK Sachsen, Beschluss vom 08.06.2006 - 1/SVK/047-06
1. Ein Bieter kann im Angebot nur das "erklären", was er selbst in der Hand hat. Dazu gehört nicht die Höhe gesetzlich bestimmter Steuersätze zum Zeitpunkt des "Bewirkens der Leistung" bzw. zum (ebenfalls gesetzlich bestimmten) Zeitpunkt des Entstehens der Steuer, da sich der jeweils zutreffende Steuersatz aus dem Gesetz und nicht aus einer Bietererklärung ergibt.
2. Durch eine privatrechtliche Vereinbarung oder auch durch eine im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegebene Formulierung, kann weder der Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs verschoben noch die rechtlich zutreffende Subsumtion unter den Steuertatbestand verändert werden.

VPRRS 2006, 0415

VK Sachsen, Beschluss vom 09.05.2006 - 1/SVK/035-06
1. Einem gegen die Aufhebung einer Ausschreibung gestellten, auf die Fortführung des aufgehobenen Verfahrens gerichteten Nachprüfungsantrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn vor Antragstellung die Vergabestelle den Auftrag neu ausgeschrieben hat, der Antragsteller die Neuausschreibung aber nicht als verfahrensfehlerhaft rügt und dementsprechend auch nicht mit einem Nachprüfungsantrag beanstandet.
2. Eine solche Vorgehensweise (Verzicht auf vorherige Rüge) ist nur dann möglich, wenn der Antragsteller während des bereits anhängigen Vergabenachprüfungsverfahrens von Tatsachen Kenntnis erlangte, die ihr vor Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens nicht bekannt waren.
3. Die Rüge in einem zwischenzeitlich im „Zweitverfahren“ neu ausgeschriebenen Vergabeverfahren („Erstverfahren“) hat dann Bestand, wenn der Antragsteller, der in dem erneuten Vergabeverfahren ein Angebot abgegeben hat, bei Abgabe seines Angebotes ausdrücklich betont, dass seine Rüge zur Aufhebung der Ausschreibung weiter Gültigkeit haben soll.

VPRRS 2006, 0414

VK Sachsen, Beschluss vom 25.04.2006 - 1/SVK/031-06
1. Das Ermessen der Vergabestelle reduziert sich auf Null, wenn die Ergänzung der zunächst fehlenden Angaben die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändern würde.
2. Grundsätzlich darf der Auftraggeber frei wählen, welche Eignungsnachweise er fordern möchte. Fordert er jedoch bestimmte Nachweise und Erklärungen, unterwirft er sich hinsichtlich dieser Nachweise einer Selbstbindung.
3. Werden Unterauftragnehmer einbezogen, sind solche Nachweise und Erklärungen auch für jeden von ihnen vorzulegen.
4. Die Nachweis- und Erklärungspflicht für Unterauftragnehmer entfällt, soweit als Unterauftragnehmer ein Postunternehmen tätig wird, das selbst bundesweit flächendeckend Universaldienstleistungen i. S. v. § 11 Postgesetz erbringt.
5. Kennt der Auftraggeber aus früheren Vertragsbeziehungen einen Bewerber bereits, darf aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes dennoch nicht auf dessen Eignungsnachweise verzichtet werden.

VPRRS 2006, 0413

VK Sachsen, Beschluss vom 05.04.2006 - 1/SVK/027- 06
1. Ein Angebot kann bei Fehlen geforderter Angaben und Erklärungen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A ausgeschlossen werden. Es handelt sich hierbei zunächst um eine Bestimmung, die den Ausschluss des Bieters - anders als beispielsweise in § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A - in das Ermessen der Vergabestelle stellt. Allerdings reduziert sich das Ermessen der Vergabestelle auf Null, wenn die Ergänzung der zunächst fehlenden Angaben die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändern würde.
2. Der Auftraggeber geht zu Recht von einer Änderung der Verdingungsunterlagen i.S.d. § 21 Nr. 1 Absatz 3 VOL/A bzw. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A aus, wenn eine Leistung angeboten wurde, die von einer geforderten Punktlagegenauigkeit abweicht und damit eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet.
3. Änderungen können in Ergänzungen und Streichungen bestehen; sie können sich aber auch auf den (technischen) Inhalt der Leistungen beziehen.
4. Bei der Bestimmung der Unverzüglichkeit i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist dem Antragsteller auch bei einfach gelagerten tatsächlichen oder rechtlichen eine Überlegungsfrist zuzubilligen, ob er taktisch gegen den Auftraggeber überhaupt vorgehen will oder nicht.
5. Eine Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung seines Angebots zu ermöglichen.
6. Die Wertung von technischen Lösungswegen - gerade bei innovativen oder unüblichen Methoden - ist immer von einer gewissen Restunsicherheit geprägt, die jedoch vom Beurteilungsspielraum des Auftraggebers gedeckt ist. Die Vergabekammer darf insoweit nur prüfen, ob die Vergabestelle die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums durch Fehlgebrauch, Überschreitung oder Unterschreitung oder durch Berücksichtigung sachfremder Erwägungen verletzt hat.

VPRRS 2006, 0412

VK Nordbayern, Beschluss vom 09.10.2006 - 21.VK-3194-30/06
1. Beim Fehlen geforderter Erklärungen (hier: „Verpflichtungserklärungen“ von Nachunternehmern) ist ein Angebotsausschluss zwingend, wenn die Erklärung zumutbar gefordert, klar verlangt und nicht unbedeutend war.*)
2. Die Vergabestelle darf von den Bietern den Nachweis verlangen, dass ihnen die erforderlichen Mittel der benannten Nachunternehmen zur Verfügung stehen.
3. Es genügt, wenn diese Verpflichtungserklärung der Nachunternehmer erst in den Verdingungsunterlagen gefordert wird.
4. Legt ein Bieter die geforderte Verpflichtungserklärung der Nachunternehmer nicht vor, so ist sein Angebot unvollständig und zwingend von der Wertung auszuschließen.
5. Der Einwand, dass eine Verpflichtungserklärung nicht notwendig sei, wenn die Bieter nur untergeordnete Teilleistungen weitervergeben wollen und deshalb die Nachunternehmerleistungen für den Nachweis der Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters nicht maßgebend seien, ist irrelevant. Die Eignungsprüfung ist nicht Gegenstand der formalen Angebotswertung im ersten Wertungsschritt nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A.
6. Fehlende Erklärungen können mit einer Aufklärung des Angebotsinhalts nach § 24 VOB/A nicht nachgereicht werden. § 24 VOB/A enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Verhandlungsgründe. Hiernach sind Verhandlungen nur erlaubt, soweit sie sich auf das rein Informatorische beschränken.

VPRRS 2006, 0411

VK Sachsen, Beschluss vom 18.08.2006 - 1/SVK/077-06
1. Die Überprüfung der Entscheidung über die Aufhebung eines Vergabeverfahrens muss in einem Nachprüfungsverfahren zulässig sein.
2. Eine Scheinaufhebung liegt dann vor, wenn der Auftraggeber unter Missbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer Aufhebung gesetzt hat, mit dessen Hilfe er dem ihm genehmen Bieter, obwohl dieser nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, den Auftrag zuschieben will.
3. Die Aufzählung in § 26 Nr. 1 VOL/A ist als abschließend zu betrachten.
4. Für eine Aufhebung können nur Gründe angeführt werden, die dem Ausschreibenden nicht bereits vor Einleitung des Verfahrens bekannt waren. Erst nachträglich, das heißt nach Beginn der Ausschreibung bekannt gewordene Gründe berechtigen zur Aufhebung wegen der Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung der Verdingungsunterlagen.
5. Von einer Berechtigung zur Aufhebung i.S.v. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A ist zumindest dann auszugehen, wenn auf der Grundlage der eingegangenen Angebote eine ordnungsgemäße Vergabe nicht möglich wäre. Ein solcher Fall ist zumindest dann gegeben, wenn ohne die Aufhebung das Wettbewerbsprinzip, das Gleichbehandlungsgebot oder das Diskriminierungsverbot verletzt werden würde oder aber eine sachgerechte Wertung der Angebote mangels Vergleichbarkeit nicht möglich ist.
6. Sind die Verdingungsunterlagen in sich widersprüchlich und insgesamt unklar gefasst, sind sie letztlich gar nach der Intention des Auftraggebers und dem Verständnis objektiver Dritter insbesondere darauf ausgerichtet, etwas auszuschreiben, was es so ab dem 01.09.2006 nicht mehr geben wird, so ist damit die Leistungsbeschreibung entgegen der Forderung in § 8 Nr. 1 Absatz 1 VOL/A gerade nicht so eindeutig beschrieben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und die Angebote miteinander verglichen werden konnten. Insoweit ist ein schwerwiegender Aufhebungsgrund i. S. d. § 26 Abs. 1 lit. d VOL/A gegeben.

VPRRS 2006, 0410

LG Hannover, Urteil vom 07.04.2006 - 13 O 173/04
Sollen entgegen der üblichen Praxis nach Abschluss eines Bauvorhabens vorzuhaltende Stahlgleitschwellen in das Eigentum des Auftraggebers übergehen, bedarf es eines gesonderten, herausgehobenen Hinweises in der Leistungsbeschreibung.

VPRRS 2006, 0407

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.04.2006 - VK 2-LVwA LSA 7/06
1. Wird nur der Preis als relevantes Zuschlagskriterium im Vergabevermerk angeführt, während in der Aufforderung zur Angebotsabgabe außer dem Preis noch weitere Zuschlagskriterien vermerkt waren, fällt der Vergabestelle eine Vergabeverstoß zur Last. Sie hat bei ihrer Wertung alle Kriterien, die sie in der Angebotsaufforderung genannt hat, zu berücksichtigen und entsprechend zu dokumentieren.
2. Können dem antragstellenden Bieter im Nachprüfungsverfahren unabhängig von den geltend gemachten Vergaberechtsverstößen ersichtlich von vornherein keine Aussichten auf den Zuschlag zugebilligt werden, so fehlt es an einem Rechtschutzbedürfnis.
3. Die Rügeobliegenheit besteht nicht erst ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller Kenntnis von einem völlig zweifelsfreien und in jeder Beziehung nachweisbaren Vergabefehler erlangt. Es genügt insoweit vielmehr die Kenntnis eines Sachverhaltes, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
4. Werden die vorgebrachten Vergabeverstöße erst mehrere Monate nach Kenntniserlangung gerügt, ist dies weder nach der im Regelfall angewandten dreitägigen Rügefrist, noch nach der von der Rechtsprechung im Einzelfall bei schwieriger Sach- oder Rechtslage und daher nötiger Konsultation von Sachverständigen zuerkannten zweiwöchigen Höchstfrist rechtzeitig.
5. Werden Preisabsprachen als Vergaberechtsverstoß gerügt, kann diese Rüge nicht auf alle denkbaren wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen ausgedehnt werden. Die dabei relevanten Lebenssachverhalte sind nicht deckungsgleich, weshalb nach § 107 Abs. 3 Satz 1 jeder behaupteter Vergabeverstoß einzeln zu rügen ist.

VPRRS 2006, 0406

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.03.2006 - VK 2-LVwA LSA 3/06
1. Werden in den Verdingungsunterlagen durch die Vergabestelle Erklärungen nach den Formblättern EFB-Formblatt 1 bzw. 2 in zulässiger Weise gefordert, dann sollen diese Erklärungen für die Vergabeentscheidung relevant sein, so dass die Nichtabgabe dieser Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluss von der Wertung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A führt.
2. Dass die Bestimmung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A als Sollvorschrift formuliert ist, bezieht sich lediglich darauf, dass das Angebot keine weiteren als die geforderten Erklärungen enthält. Der Auftraggeber hat jedoch bei Nichtvorliegen der verlangten Erklärungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Verfahrensweise. Dies gilt nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ohne jede Einschränkung.
3. Ist das Angebot des Antragstellers auszuschließen, kann der Fortgang des Vergabeverfahrens grundsätzlich weder seine Interessen berühren, noch kann er durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Vorschriften in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein. Dies gilt auch dann, wenn ein von der Vergabestelle vergaberechtswidrig zugelassenes mangelhaftes Angebot zwingend weiter nicht zu berücksichtigen ist.

VPRRS 2006, 0405

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.03.2006 - VK 2-LVwA LSA 2/06
1. Das Wettbewerbsprinzip gebietet grundsätzlich, dass der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren möglichst wettbewerbsoffen zu gestalten hat. Er hat die tatsächlichen Vorraussetzungen dafür zu schaffen, dass Wettbewerb zwischen den Unternehmen möglich ist. Dies hat der Auftraggeber bei der Auswahl von Kriterien zum Nachweis der Eignung der Unternehmen für die Realisierung der ausgeschriebenen Leistung zu beachten. Auch die Vorgaben der Leistungsbeschreibung sind so abzufassen, dass sie in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung einen größt möglichen Wettbewerb ermöglichen. Der Auftraggeber hat weiterhin wettbewerbsbeeinträchtige Verhaltensweisen der Bewerber zu unterbinden.
2. Nach § 10 Abs. 2 VOF darf die Zahl der zur Verhandlung aufgeforderten Bewerber bei hinreichender Anzahl geeigneter Bewerber nicht unter drei liegen. Hieraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss, dass diese Zahl auch unterschritten werden darf, wenn es an einer entsprechenden Anzahl von Bewerbern fehlt, die ihre Eignung im Sinne des § 10 Abs. 1 VOF nachgewiesen haben.
3. Die Vergabestelle hat die von ihr geltend gemachten Unzulänglichkeiten im Angebot des Bieters in die Auftragsgespräche einzubeziehen und dem Bieter Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Solche Gespräche sind in einem Verhandlungsverfahren nur dann unzulässig, wenn hierdurch die Identität der ausgeschriebenen Leistung nicht gewahrt wird.
4. Die Vergabekammer ist grundsätzlich auch gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB befugt, die Vergabestelle bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, den Verzicht auf eine Vergabe rückgängig zu machen. Der unterlegene Bieter hat nach § 97 Abs. 7 GWB einen Anspruch darauf, dass die Vergabestelle die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Hierzu gehören auch die Vorschriften über einen Verzicht auf die Vergabe im Zusammenhang mit den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen.

VPRRS 2006, 0402

OLG Naumburg, Beschluss vom 25.09.2006 - 1 Verg 8/06
1. Ein Bieter kann die Vergabekammer auch dann noch in zulässiger Weise anrufen und geltend machen, dass er durch den Verzicht auf die Fortführung eines Verhandlungsverfahrens nach VOF in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, wenn der öffentliche Auftraggeber den Verzicht auf die Fortführung bereits bekannt gegeben hat.*)
2. Zur tatsächlichen Feststellung einer vorgetäuschten Auftragsverhandlung und eines sachlich nicht gerechtfertigten Verzichts auf Fortführung des Verhandlungsverfahrens sowie der fiktiven Aussicht eines Bieters auf Auftragserteilung bei vergaberechtlich beanstandungsfreier Durchführung des Verhandlungsverfahrens.*)

VPRRS 2006, 0401

OLG Schleswig, Beschluss vom 08.09.2006 - 1 Verg 6/06
1. Nach § 26 Nr. 1 a kann die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Das ist u. a. dann der Fall, wenn sämtliche eingegangenen Angebote nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen sind.
2. Die nach § 7 a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A in der Bekanntmachung geforderten Nachweise darf die Vergabestelle nicht (nachträglich) durch zusätzliche oder andere Erklärungen bzw. Vorlage von Erklärungen verändern.
3. Verlangt die Leistungsbeschreibung vom "Auftragnehmer" u. a. die Versicherung, die "Entgeltgenehmigung für vorstehende Preise erhalten zu haben" so ist dieses Verlangen kein Angebotskriterium, sondern eine Voraussetzung für den Vertragsschluss. Dafür spricht bereits die Verwendung des Wortes "Auftragnehmer" (statt Bieter), die auf eine Geltung bei Auftragserteilung hinweist.
4. Eine Genehmigung des Angebotspreises durch die Regulierungsbehörde muss erst im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung vorliegen.
5. Fehlt ein die Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigender Grund i.S.d. § 26 Nr. 1 VOL/A, ist die Aufhebung rückgängig zu machen. Die Vergabestelle hat anschließend das Vergabeverfahren mit dem Ziel einer Zuschlagerteilung fortzusetzen.

VPRRS 2006, 0399

VK Thüringen, Beschluss vom 15.06.2006 - 360-4002.20-024/06-J-S
1. Absolute Obergrenze der Rügefrist sind je nach Einzelfall bis zu 14 Tage entsprechend § 121 BGB.
2. Eine Zeitspanne von fünf Tagen zwischen Information durch die Vergabestele und Rüge des Antragstellers kann als unverzüglich erachtet werden.
3. Ein Nachlass, der nicht an der vom Auftraggeber bezeichneten Stelle eingetragen ist, darf nicht gewertet werden.
4. Lässt der Auftraggeber Nachlässe ohne Bedingung nur als Vomhundertsatz auf die Abrechnungssumme zu, können Pauschalpreisnachlässe nicht gewertet werden.

VPRRS 2006, 0398

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.08.2006 - VK-SH 20/06
1. Einzelaufträge sind als Lose einer Gesamtmaßnahme anzusehen (und daher bei der Schätzung des Auftragswertes gemäß § 3 VgV zu addieren), wenn zwischen den verschiedenen Bauabschnitten ein zwingender technischer Zusammenhang besteht, weil einzelne Abschnitte ohne die anderen keine sinnvollen Funktionen erfüllen können.*)
2. Ist für einen Bieter aufgrund der Ausschreibungsbedingungen nicht erkennbar, dass der Auftraggeber den Wert eines objektiv oberhalb des Schwellenwertes liegenden Gesamtbauvorhabens (zwecks vergaberechtswidriger Verkürzung des Rechtsschutzes der Bieter) „künstlich klein rechnen“ wollte, besteht insoweit keine Rügepflicht.*)
3. Eine teleologische Einschränkung der „scharfen“ Rechtsfolge des Angebotsausschlusses gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn ersichtlich ist, dass die Eignung des betreffenden Bieters gegeben ist und durch eine Nachreichung nach Angebotsabgabefrist zwischen den Bietern wettbewerblich nichts „verschoben“ würde. Entsprechen die Feststellungen des Auftraggebers zur Vollständigkeit einzelner Angebote insoweit objektiv nicht den Tatsachen, ist der Ausschluss des betreffenden Angebotes zu verfügen.*)
4. Hinsichtlich des Vorliegens abzugebender Erklärungen (hier: vorgesehener Personaleinsatz und Referenzliste) wird nur ein materielles Verständnis dem mit der Forderung verbundenen Zweck (hier: Beurteilung der Eignung) gerecht.*)
5. Der zwingende Ausschluss nimmt einem Bieter ohne Rücksicht auf die Wertungsfähigkeit anderer Angebote den Anspruch auf Gleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB.
6. Es ist zweifelhaft, ob lediglich in Aussicht gestellte gerichtliche lizenz- oder patentrechtliche Streitigkeiten überhaupt Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens sein können.*)
7. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, die Angebotswertung gemäß § 25 VOB/A zu wiederholen, scheidet aus, wenn die fehlerhafte Angebotswertung nicht ursächlich für die Nichtberücksichtigung der Antragstellerofferte (hier: Ausschluss wegen Unvollständigkeit) ist.*)
8. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf Dokumentationsmängel stützen, wenn sich diese gerade nachteilig auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren ausgewirkt haben können.*)

VPRRS 2006, 0394

VK Düsseldorf, Beschluss vom 21.04.2006 - VK-16/2006-L
1. Bei Fehlen der Unterschrift sind Angebote nach §§ 25 Nr.1 Abs. 1 lit. b i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen. Hinsichtlich der Rechtsfolge besteht kein Ermessen der Vergabestelle.*)
2. Wenn die Vergabestelle Angebote trotz fehlender Unterschrift wertet, sind Mietbieter, die sich an die Vorschrift des § 21 Nr.1 Abs. 2 Satz 1 VOL/A gehalten haben, in ihrem subjektiven Recht aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt.*)

VPRRS 2006, 0387

OLG Koblenz, Beschluss vom 31.05.2006 - 1 Verg 3/06
1.) Lässt der Auftraggeber Nebenangebote zu, muss er den Bietern dazu in den Verdingungsunterlagen bestimmte Vorgaben an Hand geben und darf Nebenangebote in der Wertung nur berücksichtigen, wenn sie diesen Vorgaben gerecht werden.*)
2.) Das Aufstellen rein formaler Wertungsvoraussetzungen für Nebenangebote reicht nicht aus, erforderlich sind leistungsbezogene, d.h. sachlich-technische Vorgaben.*)
3.) Fehlt die Vorgabe solcher Mindestanforderungen dürfen abgegebene Nebenangebote nicht gewertet werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie in der Ausschreibung für zulässig, bzw. nicht für unzulässig erklärt worden sind.*)
4.) Ein Beigeladener als Beschwerdeführer kann nicht im Beschwerdeverfahren erstmals Eingriffe in das Vergabeverfahren verlangen, die einzig und allein der Durchsetzung seiner subjektiven Rechte als Bieter dienen sollen und zugleich im Widerspruch zu den subjektiven Rechten des Antragstellers stehen.*)

VPRRS 2006, 0386

OLG Koblenz, Beschluss vom 13.02.2006 - 1 Verg 1/06
1.) Eine Beschwerdebegründung, die jeglicher Tatsachendarstellung entbehrt und sich auf Angriffe gegen die im angefochtenen Beschluss geäußerte Auffassung der Vergabekammer beschränkt, ist unzulässig; auch eine ausdrückliche oder konkludente Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen und den Inhalt der Vergabeakten ersetzt die geforderte Angabe von Tatsachen und Beweismitteln nicht.*)
2.) Enthält die nach den Bewerbungsbedingungen abzugebende Nachunternehmererklärung nicht die geforderten Angaben zu den Teilleistungen, die auf den Nachunternehmer übertragen werden sollen, ergibt sich daraus ein zwingender Ausschlussgrund; eine Verweisung auf die entsprechende Ordnungsziffer im Leistungsverzeichnis ersetzt die fehlenden Angaben nicht, wenn die Leistungsposition verschiedene Leistungen umfasst.*)
3.) Soweit § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A den Ausschluss eines unvollständigen Angebots in das Ermessen der Vergabestelle stellt, tritt bei Fehlen oder Unvollständigkeit der geforderten Angaben und Erklärungen eine Ermessensreduzierung auf Null ein.*)

VPRRS 2006, 0382

BVerwG, Beschluss vom 08.08.2006 - 6 B 65.06
1. Wird die Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 6 GVG zugelassen, so ist das BVerwG zwar an diese Zulassungsentscheidung gebunden, es darf jedoch die weiteren Zulassungsvoraussetzungen prüfen.
2. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Zurückweisung der Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Beschluss, durch den der Rechtsweg in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren für unzulässig erklärt worden ist, unterliegt nicht der (weiteren) Beschwerde an das BVerwG.
3. Die Frage der Klärung des Rechtswegs bei Klagen gegen Vergabeentscheidungen für öffentliche Aufträge unterhalb der Schwelle des § 100 Abs. 1 GWB i.V. mit § 2 VgV muss daher einer Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten bleiben.

VPRRS 2006, 0381

LG Münster, Urteil vom 18.05.2006 - 12 O 484/05
Unterlässt der Geschäftsführer einer GmbH eine öffentliche VOB/A-Ausschreibung, obwohl eine solche zwingend in den der Subventionsbewilligung zu Grunde liegenden Nebenbestimmungen vorgesehen ist, so haftet er der GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG für den aus seiner Obliegenheitsverletzung folgenden Schaden.

VPRRS 2006, 0379

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.07.2006 - 1 L 59.06
1. Die Vergabeentscheidung bei staatlicher Auftragsvergabe ist nicht öffentlich-rechtlicher Art, so dass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet ist.
2. Für Streitigkeiten in Vergabeverfahren, die Aufträge unterhalb der Schwellenwerte betreffen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.

VPRRS 2006, 0378

OLG Koblenz, Urteil vom 19.05.2006 - 8 U 69/05
1. Ein Bieter darf die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung im Zweifelsfalle so verstehen, dass sie den Anforderungen der VOB/A entspricht.*)
2. Maßgebend für die Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont. Da der Empfängerkreis abstrakt ist, kommt dem Wortlaut der Ausschreibung große Bedeutung zu.*)
3. Zur Feststellung, wie die beteiligten Fachkreise die in der Ausschreibung verwendete Terminologie üblicherweise im speziellen fachlichen Sinne verstehen, kann ein Sachverständiger herangezogen werden.*)
4. Bei der Auslegung der Leistungsbeschreibung ist zunächst von der auf die konkrete Leistung bezogenen Positionen auszugehen. Die dort enthaltenen Angaben sind jedoch in Verbindung mit den sonstigen Angaben des Leistungsverzeichnisses und anderen vertraglichen Unterlagen als sinnvolles Ganzes auszulegen.*)

VPRRS 2006, 0375

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.04.2006 - 1 VK LVwA 8/06
1. Der Antragsgegner hat sein Auswahlermessen im Widerspruch zu § 25 a VOB/A nicht an den Kriterien ausgerichtet, die er selbst in der Bekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen benannt hat.*)
2. Dem Erfordernis der hinreichenden Transparenz wird nicht bereits dadurch genügt, dass der Vergabevermerk die Entscheidungen der formellen und wirtschaftlichen Prüfung wiedergibt, dabei jedoch die Betrachtung anhand der veröffentlichen Zuschlagskriterien gänzlich unerwähnt lässt.*)
3. Es ist festzustellen, dass das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt, ab dem die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung beginnt und die Dokumentation unzureichend wird, zu wiederholen ist.*)

VPRRS 2006, 0372

OLG Naumburg, Beschluss vom 09.08.2006 - 1 Verg 11/06
1. Ein Antrag auf Anordnung weiterer vorläufiger Maßnahmen i.S.v. § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB ist auch im Beschwerdeverfahren statthaft.*)
2. Eine Anordnung nach § 115 Abs. 3 GWB (analog) durch den Vergabesenat kann auch vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung über den Eilantrag ergehen.*)
3. Zur Anordnung einer Verlängerung der Angebotsfrist in einem Offenen Verfahren nach VOB/A.*)

VPRRS 2006, 0371

OLG Naumburg, Beschluss vom 31.07.2006 - 1 Verg 6/06
1. Ein Antrag i.S.v. § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB auf Anordnung anderer vorläufiger Maßnahmen als der Anordnung bzw. Verlängerung eines Zuschlagverbots ist grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat statthaft.*)
2. Zum (hier fehlenden) Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB analog bei Doppelausschreibung.*)

VPRRS 2006, 0370

VK Sachsen, Beschluss vom 31.01.2005 - 1/SVK/144-04
1. Die nicht rechtsverbindliche Unterschrift durch lediglich einen Prokuristen ist seit der Vergaberechtsnovelle des Jahres 2000 selbst in der VOB/A und VOL/A kein Ausschlussgrund mehr. Für die VOF gilt ein Erst-Recht-Schluss, da dort die Ausschlussgründe in § 11 normiert sind und die nicht rechtsverbindliche Unterschrift nicht genannt ist.
2. Führt der Auftraggeber eine Neubewertung mit neuen Bietergesprächen durch, handelt es sich dennoch um kein separates Verfahren mit Submissionstermin. Einen solchen gibt es ohnehin nur in VOB-Verfahren.
3. Rügt ein Bieter, dass preisliche Aspekte, die seiner Ansicht nach für sein Angebot sprechen, jedoch nicht nach § 16 Abs. 3 VOF publiziert wurden, nicht in die Entscheidung eingeflossen sind, ist dies aufgrund der fehlenden Publikation unbeachtlich.
4. Für den Zeitpunkt des Entstehens der Rügeobliegenheit ist das Erkennen eines Vergaberechtsverstoßes relevant, nicht die Entstehung desselben.

VPRRS 2006, 0368

VK Sachsen, Beschluss vom 11.02.2005 - 1/SVK/128-04
1. Der Auftraggeber verletzt den Bieter nicht dadurch in seinen Rechten, dass er seine Angebot bis zur dritten Wertungsstufe im Wertungsvorgang belässt und zu seinen Gunsten nicht von einem Fehlen wesentlicher Preisangaben ausgeht, obwohl dies nach logischen Gesichtspunkten nahe liegt.
2. Bei ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angeboten innerhalb der der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorangehenden Preis- und Preis-Leistungs-Prüfung hat der Auftraggeber eine Nachfragepflicht, um die zu erfüllen er die Einzelposten der Angebote zu prüfen hat, die jedoch nicht denklogisch mit einem Nachfrageverbot bei nicht ungewöhnlich niedrigen erscheinenden Angeboten korreliert.
3. Der Begriff des „Dienstleistungsauftrags“, der eine Leistung zur ausschreibungspflichtigen Leistung i.S.v. § 99 GWB macht, ist weit auszulegen, so dass alle gegenseitigen Verträge erfasst sind, mit denen der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Bedarfsdeckung die Leistungserbringung gegen Entgelt vereinbart.
4. Eine Entsorgungsträgereigenschaft nach §§ 15, 17, 18 KrW-/AbfG ist gegeben, wenn der Auftraggeber die ihm auferlegten Aufgaben nicht allein durch den Verkauf des Altpapiers an Dritte erfüllen kann, da dann der Verwertungserfolg noch nicht eingetreten ist.

VPRRS 2006, 0366

VGH Hessen, Beschluss vom 20.12.2005 - 3 TG 3035/05
1. Ist ein Investorenauswahlverfahren darauf ausgerichtet, einen Erwerber für das bzw. die Treuhandgrundstücke auszuwählen, der einen wirtschaftlich günstigen Preis für das/die Grundstücke bietet und dessen Bauabsichten den städtebaulichen Gestaltungsvorstellungen entsprechen, finden die vergaberechtlichen Vorschriften des GWB keine Anwendung.*)
2. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach ständiger Rechtsprechung nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird.*)
3. Werden in einem städtebaulichen Entwicklungsbereich durch eine von der Gebietskörperschaft eingeschaltete Treuhänderin Grundstücke veräußert, unterliegt die Tätigkeit der Treuhänderin zumindest insoweit den Vorgaben öffentlich-rechtlicher Normen, als sie gemäß § 167 Abs. 3 i.V.m. § 169 Abs. 5 bis 8 BauGB verpflichtet ist, nur unter Beachtung der besonderen städtebauentwicklungsrechtlichen Vorschriften, die von ihr treuhänderisch verwalteten Grundstücke zu veräußern.*)
4. Der Streit um eine Vergabeentscheidung hinsichtlich eines gemeindlichen Grundstücks stellt trotz der privatrechtlichen Abwicklung zumindest dann eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO dar, wenn die vergebende Stelle - sei es die Gebietskörperschaft selbst oder sei es ein von ihr eingesetzter Treuhänder - hinsichtlich der Vergabeentscheidung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben in seiner Entscheidung gebunden ist.*)
5. Sowohl der isoliert geltend gemachte Akteneinsichtsanspruch sowie der Anspruch auf Vorlage einer Begründung einer ablehnenden Verwaltungsentscheidung zielen auf unselbständige Verfahrenshandlungen, die gemäß § 44 a VwGO nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können.*)

VPRRS 2006, 0365

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.07.2006 - VK-SH 18/06
1. Eine Bepreisung von Positionen im Leistungsverzeichnis mit Null Euro ist grundsätzlich nicht unzulässig. Nur aus diesem Grund können Angebote daher nicht ausgeschlossen werden. Es liegt im Verantwortungsbereich des Bieters, wie er seine Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen des Leistungsverzeichnisses anbietet.*)
2. Äußert ein Bieter im Aufklärungsgespräch nur Vermutungen für vorhandene Null-Euro-Positionen und nennt zwei mögliche Erklärungen, die sich im übrigen auch noch ausschließen, hat er damit keine eindeutige Erklärung abgegeben und weder eine Mischkalkulation noch fehlende (vergessene) Preisangaben eingeräumt.*)
3. Ergibt die Aufklärung gemäß § 24 VOB/A, dass die Preise für die ausgeschriebenen Leistungen nicht in der nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A erforderlichen Weise das tatsächlich für die Leistung geforderte Entgelt ausweisen, ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, Ermittlungen darüber anzustellen, welche Preise für welche Leistungen tatsächlich gefordert werden, um auf diese Weise die Vergleichbarkeit der Angebote herzustellen.*)
4. Da dem Bieter eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Aufklärung von einzelnen Preispositionen zukommt (§ 24 Nr. 2 VOB/A), muss die Vergabestelle ihm auch ausreichend Gelegenheit geben, dem berechtigten Aufklärungsersuchen nachzukommen. Hierzu gehört es, dass insbesondere bei einem umfangreichen Leistungskatalog auf Fragen zu einzelnen Preispositionen in der Einladung zum Aufklärungsgespräch hingewiesen wird.*)
5. Wenn Null-Euro-Positionen im Aufklärungsgespräch durch den Bieter nur mit Gründen erklärt werden können, die den Ausschluss des Angebotes indizieren (Angabe vergessen oder andernorts eingepreist), muss der Bieter (im Nachgang) aufgrund seiner Mitwirkungspflicht zur Vermeidung eines Ausschlusses seines Angebots eine Stellungnahme abgeben, aus der sich das Vorliegen eines vergaberechtskonformen Grundes für diese Preisangaben ergibt.*)

VPRRS 2006, 0364

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.07.2006 - VK-SH 17/06
1. Das dem Auftraggeber gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A zustehende Ermessen reduziert sich von vornherein auf Null, wenn der öffentliche Auftraggeber bestimmte Unterlagen zu unbedingt vorzulegenden Angebotsunterlagen erklärt hat.*)
2. Um sicherzustellen, dass die Vergabestelle vergleichbare Angebote wertet, muss auf einen einheitlichen Zeitpunkt für die Bewertung der Aktualität (z.B. "nicht älter als drei Monate") der Gewerbezentralregisterauszüge abgestellt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem die Gültigkeitsdauer des Gewerbezentralregisterauszuges bei Vergaben nach der VOL/A (noch) bestehen muss, ist daher weder der Zeitpunkt der Abgabe des Angebots noch der Submissionstermin sondern das Ende der Angebotsfrist.*)
3. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, sämtliche Einzelheiten seiner Nachweisforderungen schon in der Bekanntmachung anzugeben. Es reicht vielmehr aus, wenn der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung angibt, welche Nachweise er von den Bietern fordert. Eine Konkretisierung von Nachweisen mit weiteren Einzelheiten, muss nicht in der Bekanntmachung, sondern kann in den Ausschreibungsunterlagen erfolgen.*)
4. Der Einwand eines Bieters, dass ihm die Einholung eines aktuellen Gewerbezentralregisterauszuges auf Grund des Streiks in der zuständigen Behörde nicht ohne weiteres möglich war, kann grundsätzlich nicht durchgreifen.*)

VPRRS 2006, 0363

VK Brandenburg, Beschluss vom 11.07.2006 - 1 VK 25/06
1. Nach § 4 Abs. 5 VgV hat der Auftraggeber sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines Bieters oder Bewerbers, der den Auftraggeber vor Einleitung des Vergabeverfahrens beraten oder sonst unterstützt hat, nicht verfälscht wird.
2. Nach der systematischen Stellung des § 4 Abs. 5 VgV soll diese Vorschrift im Rahmen der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nur für Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 bis 3 GWB gelten, die die Bestimmungen des 2. Abschnitts der VOL/A anwenden (§ 4 Abs. 1 VgV).
3. Eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 5 VgV ist nach § 6 Abs. 3 VgV für Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 GWB für die Vergabe von Bauaufträgen nach dem 2. Abschnitt der VOB/A vorgesehen.
4. § 4 Abs. 5 VgV findet im Sektorenbereich keine direkte Anwendung; das gilt auch für die Vergabe freiberuflicher Dienstleistungen nach § 5 VgV, wo ebenfalls keine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 5 VgV vorgesehen ist.
5. Ob und wann ein vorbefasster Bieter auszuschließen ist, kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
6. Von fehlender Eignung eines Bewerbers kann auch dann gesprochen werden, wenn er bestimmte zusätzliche Anforderungen nicht erfüllt, die der Auftraggeber aus Gründen, die in der Natur der ausgeschriebenen Aufgabe und der mit ihr verfolgten Zwecke liegen, mit Recht zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe machen will.
7. Liegt aufgrund der personellen Überschneidungen zwischen Bieter und Projektsteuerer Personenidentität vor, fehlt dem Bieter für die ausgeschriebene Bauüberwachungsleistung die Zuverlässigkeit.
8. Eine Identität zwischen dem Projektsteuerer und dem Bieter liegt vor, wenn der geschäftsführende Gesellschafter des Komplementärs des Projektsteuerers zugleich Geschäftsführer des Bieters ist.

VPRRS 2006, 0362

VK Sachsen, Beschluss vom 19.07.2006 - 1/SVK/060-06
1. Eine Vereinbarung zur Bildung einer Bietergemeinschaft stellt nur dann eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung dar, wenn der Entschluss zur Mitgliedschaft in der Bietergemeinschaft für eines der beteiligten Unternehmen keine im Rahmen zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Entscheidung ist.*)
2. Fehlt es an der erforderlichen Vorlage von Eignungsnachweisen, liegt kein Anwendungsfall von § 21 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A vor, in dem das Fehlen geforderter "Angaben und Erklärungen" nur nach pflichtgemäßem Ermessen des Auftraggebers zu einem Ausschluss des Angebots führt. Eignungsnachweise unterfallen nicht dem Begriff der "Angaben und Erklärungen" im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A. Dagegen ist die aus § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A folgende Konsequenz, wonach Angebote, in denen die Eignung nicht belegt ist, von der Wertung auszunehmen sind, im Rechtsinne zwingend.*)

VPRRS 2006, 0361

VK Sachsen, Beschluss vom 08.06.2006 - 1/SVK/050-06
1. Eine Rüge am 13. Tag nach Zugang des Informationsschreibens ist nicht mehr als unverzüglich i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB anzusehen.*)
2. Zugegangen ist eine Rüge, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Vollendet ist der Zugang dann, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist. Dies ist bei einem Eingang der Rüge beim Auftraggeber nach Dienstschluss regelmäßig nicht der Fall.*)

VPRRS 2006, 0358

VK Sachsen, Beschluss vom 03.11.2005 - 1/SVK/125-05
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2006, 0357

VK Sachsen, Beschluss vom 16.09.2005 - 1/SVK/114-05
1. Die Formulierung: "Wir bieten die Leistungen … zum Preis … zuzüglich der am Tage der Abrechnung gültigen Mehrwertsteuer an“ stellt eine Abweichung von den auftraggeberseits vorgegebenen Zahlungsbedingungen und damit eine Änderung der Verdingungsunterlagen dar, die gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A zum zwingenden Angebotsausschluss führt. Mit dem Vorbehalt des Zeitpunktes des „Tages der Abrechnung“ werden die relevanten Bezugszeitpunkte Bewirken der Leistung bzw. Ausführung der Leistung, bzw. bei Fristablauf maßgebliche Steuersatz verändert, da der Auftragnehmer gemäß § 12 VOB/B den Abnahmezeitpunkt in der Hand hat.*)
2. Es ist ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nicht nachträglich Streit entsteht bzw. dass von vornherein ein solcher Streit dadurch unterbunden wird, dass objektiv ändernde Bedingungen per se als Abweichung von den Verdingungsunterlagen behandelt werden und zum Ausschluss des Angebotes führen.*)

VPRRS 2006, 0351

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.04.2006 - Verg 4/06
1. Die beiden Formblätter EFB-Preis 1a und 1b betreffen zwei verschiedene Kalkulationsmethoden (Zuschlagskalkulation und Endsummenkalkulation) und können sich deshalb zwar ausschließen; das Formblatt EFB-Preis 1c fordert aber über die Formblätter 1a und b hinaus die Angabe von Kalkulationszuschlägen für die Leistungen des Ausbaugewerbes, weshalb es in jedem Falle zusätzlich auszufüllen ist.
2. Das Formblatt EFB-Preis 1c ist als Bestandteil der Vergabeunterlagen auch von Generalunternehmern abzugeben.
3. Der Begriff "Ausbaugewerbe" ist nicht in einem Maße unklar, dass deswegen die Pflicht zur Ausfüllung des Formblatts EFB-Preis 1c entfiele. Der Begriff "Ausbaugewerbe" (Bauinstallation, sonstiges Baugewerbe) ist vom sog. "Bauhauptgewerbe" (Hoch- und Tiefbau) abzugrenzen und als solcher seit langem in der Baubranche bekannt.

VPRRS 2006, 0350

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2005 - Verg 38/05
Sollen für alle Positionen Preisangaben gemacht werden und steht im Vertragstext für Pförtnerdienste an Wochenend- und Feiertagen „auf Wunsch“, so muss dennoch für diese Position ein Preis angegeben werden, weil durch die Formulierung nur zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich um eine Wahlposition handelt. Die Pflicht zu diesbezüglichen Preisangaben blieb davon unberührt.

VPRRS 2006, 0349

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.07.2006 - 7 OB 105/06
Für Streitigkeiten in Vergabeverfahren, die Aufträge unterhalb der Schwellenwerte betreffen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.*)

VPRRS 2006, 0348

VG Potsdam, Beschluss vom 20.07.2006 - 2 L 430/06
Für Streitigkeiten in Vergabeverfahren, die Aufträge unterhalb der Schwellenwerte betreffen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.

VPRRS 2006, 0347

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 26.07.2006 - 7 OB 65/06
Streitigkeiten über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die die in § 2 VgV festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen, sind keine öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, so dass es bei der allgemeinen Rechtswegszuweisung an die ordentlichen Gerichte verbleibt.

VPRRS 2006, 0346

OLG München, Urteil vom 04.08.2005 - 8 U 1540/05
1. Soweit es um das von § 20 Nr. 3 VOB/A miterfasste Urheberrecht geht, besteht dieses nicht uneingeschränkt an allen Unterlagen, die der Bieter angefertigt hat, oder an allen seinen Vorschlägen. Vielmehr ergibt sich aus dem Begriff des Urheberrechts, dass dieses bzw. der Schutz des Bieters nur soweit reichen kann, wie urheberrechtlich geschützte Verhältnisse gegeben sind.
2. Für einen allgemeinen Schadensersatzanspruch aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten muss eine Vermögenseinbuße dargelegt werden.

VPRRS 2006, 0345

VK Sachsen, Beschluss vom 05.09.2005 - 1/SVK/104-05
1. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist nach seinem Wortlaut und Sinn nur auf "im Vergabeverfahren", aber nicht auf erst "im Nachprüfungsverfahren" erkannte Vergaberechtsverstöße anwendbar. Die Rügeobliegenheit für Vergaberechtsfehler, die erst während des laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens bekannt werden, entfällt daher
2. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Antragsteller erst im Laufe eines Nachprüfungsverfahrens von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften positive Kenntnis erlangt - und sei es dadurch, dass sich bei ihm erst in diesem Verfahren die hierzu erforderliche rechtliche Wertung vollzieht.
3. Ändert der Auftraggeber in Folge einer Rüge seine Bewertung hinsichtlich eines Kriteriums und lässt diese Neubewertung dem Antragsteller im zugehen, hat er die gerügten Vergaberechtsverstöße beseitigt, so dass sie nicht mehr streitgegenständlich sind.
4. Vergaberechtsverstöße, die nach einer Wertungskorrektur neu erkannt werden, sind ebenso wie die vor einer Korrektur erkannten unverzüglich nach Kenntnis zu rügen.
5. Ist ein Unterkriterium offensichtlich nicht der Vergabeakte zu entnehmen, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 18 VOF vor.

VPRRS 2006, 0344

VK Sachsen, Beschluss vom 03.12.2004 - 1/SVK/104-04
1. Die Anforderungen an die Darlegung eines zumindest drohenden Schadens nach § 107 Abs. 2 S. 2 GWB dürfen - wie im VOF-Verfahren - nicht zu hoch angesetzt werden, wenn weder die eigene Wettbewerbsstellung mitgeteilt noch die ausgewählten Büros benannt wurden.*)
2. Die vom Auftraggeber nach § 10 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 VOF benannten Teilnahmebedingungen enthalten eine vergaberechtliche Bindungswirkung für und gegen den Auftraggeber. Dieser darf seine bekannt gemachten Mindestbedingungen nachträglich weder erleichtern noch verschärfen.*)
3. Vor diesem Hintergrund ist die Bevorzugung von "jungen Büros" oder "sächsischen Büros" nicht gerechtfertigt. Dies gilt hinsichtlich sog. "junger Büros" auch in Ansehung des § 4 Abs. 5 VOF, da dieser im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgebot des § 4 Abs. 3 VOF i. V. m. § 97 Abs. 2 GWB auszulegen ist. Gibt der Auftraggeber demnach ein verbindliches Punkteranking vor, darf er das damit gefundene Ergebnis nicht dadurch wieder aushebeln, dass er punktschwächere Bewerber nur deswegen auswählt und bevorzugt, weil diese "junge Büros" sind.*)
4. Eine Entscheidung zugunsten eines Bewerbers mittels Abschluss eines Architektenvertrages kann vergaberechtskonform nicht - ohne weiteres - an den ersten Preisträger eines Planungswettbewerbs erfolgen. Auch in diesem Fall muss das europaweit bekannt gemachte Verhandlungsverfahren nach den dafür geltenden Regelungen (§§ 16, 24 VOF) beendet werden. Insbesondere § 25 Abs. 9 VOF gebietet es nicht, den Planungsauftrag an den ersten Preisträger eines Architektenwettbewerbs zu vergeben. Vielmehr müssen auch dann sämtliche Preisträger des Wettbewerbs zur Teilnahme an - separaten - Verhandlungen aufgefordert werden (so ausdrücklich § 5 Abs. 2 lit. c VOF für das Verhandlungsverfahren ohne vorherige EU-Bekanntmachung). Ohne die Aufforderung zur Angebotsabgabe und das Führen von Verhandlungsgesprächen über die Auftragsbedingungen anhand der verlautbarten Auftragskriterien ist ein Verhandlungsverfahren nach § 5 VOF nicht vergaberechtskonform.*)
5. Der Vergabevermerk nach § 18 VOF soll zur Sicherstellung der überragenden Prinzipien der Transparenz des Verfahrens aus § 97 Abs. 1 GWB und der Gleichbehandlung aller Bewerber nach § 97 Abs. 2 GWB sicher stellen, dass auch entscheidende Zwischenschritte im Vergabeverfahren - wie die Festlegung der Bewerber, die der Auftraggeber gemäß § 10 Abs. 1 GWB auswählt - zeitnah, eindeutig und nachvollziehbar in den Vergabeakten dokumentiert werden.

VPRRS 2006, 0343

VK Sachsen, Beschluss vom 23.08.2005 - 1/SVK/098-05
1. Auf die wirtschaftliche Bedeutung einer geforderten, aber fehlenden Erklärung kommt es für einen Ausschluss nach § 25 Nr. 1 lit b) VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 S. 3 VOB/A nicht an (wie BGH, B. v, 18.02.2003, X ZB 43/02).*)
2. Erklärungen zu Art und Umfang eines geplanten Nachunternehmereinsatzes gemäß § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A sind relevante und kalkulationserheblichen Erklärungen. Die Angabe „Teile der offenen Bauweise“ zur Bezeichnung einer Nachunternehmerleistung ist unklar. Dasselbe gilt, wenn der Bieter die Ordnungsziffern der zu vergebenden Leistungen nicht eingetragen hat. Denn dann ist dem Nachunternehmerverzeichnis selber nicht genau zu entnehmen, welche Teilleistungen durch den jeweiligen Nachunternehmer ausgeführt werden sollen. Insoweit kann es nicht die ergänzende Aufgabe des Auftraggebers sein, sich die relevanten Leistungsteile (LV-Positionen, Ordnungsziffern) aus dem Langtext-LV selber hinzuzudenken bzw. hinzuzufügen.*)
3. Eine angebotsausschließende Mischkalkulation liegt vor, wenn ein Bieter eigentlich in gesonderten Zulagepositionen abgefragte Leistungsbestandteile in eine LV-Position für Vortriebsrohre mit einbezieht. Denn wenn abgefragte Leistungsinhalte von der eigentlichen LV-Position in eine andere LV-Position eingerechnet werden, so ist das Angebot wegen einer unzulässigen Mischkalkulation nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b) VOB/A zwingend auszuschließen (wie OLG Rostock, B. v. 10.06.2005, 17 Verg 9/05 und VK Rheinland-Pfalz, B. v. 24.05.2005, VK 15/05).*)

VPRRS 2006, 0342

VK Sachsen, Beschluss vom 10.08.2005 - 1/SVK/088-05
1. In EU-Verfahren findet aufgrund § 9a VOL/A, der über § 4 VgV bei Vergaben von Dienstleistungsaufträgen Geltung hat, eine Bindung des Auftraggebers in der Weise statt, dass er an die ordnungsgemäß bekannt gemachten Zuschlagskriterien in der Weise gebunden ist, dass er alle benannten Zuschlagskriterien bei der Wertung der Angebote berücksichtigen muss, andererseits aber auch keine anderen, nicht bekannt gemachten, Zuschlagskriterien berücksichtigen darf. Dabei bestimmt § 9a VOL/A, dass der Auftraggeber - alle relevanten - Zuschlagskriterien entweder schon in der EU-Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angeben muss. Dies bedeutet, dass sich der Auftraggeber abschließend hinsichtlich der Zuschlagskriterien festgelegt hat, wenn er sie in der Vergabebekanntmachung namentlich bezeichnet hat. Ein Abändern (Weglassen, Hinzufügen) in den späteren Verdingungsunterlagen ist dem Auftraggeber dann verwehrt, wobei es ihm grundsätzlich frei steht, (alle) Zuschlagskriterien erst in den Verdingungsunterlagen (erstmalig) zu benennen.*)
2. Auch ein fälschlicherweise als Zuschlagskriterium benanntes Eignungskriterium muss aufgrund Selbstbindung des Auftraggebers in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen werden (OLG Düsseldorf, B. v. 25.02.2004, Verg 77/03).*)
3. Ein Ausschluss eines Bieters als ungeeignet darf nur auf der Grundlage von Umständen erfolgen, die auf einer gesicherten Erkenntnis des Ausschreibenden beruhen. Die zulässige Grenze für einen Ausschluss ist bei reinen Verdachtsmomenten dann zu Lasten eines Bieters überschritten, wenn sich der Auftraggeber auf Gerüchte verlässt und eventuelle Informationen von Seiten Dritter nicht selbst verifiziert. Auch eine reine Schlecht- oder Verzugsleistung kann für sich gesehen keinen Ausschluss eines Bieters rechtfertigen, wenn nicht auch die Verschuldensfrage für die Mängelleistung eindeutig zu Lasten des Bieters ermittelt wurde. Denn zu der Frage, ob der Bieter für die ausgeschriebene Leistung geeignet erscheint, zählt auch ein früheres vertragswidriges Verhalten des Bieters, insbesondere Schlechtleistungen. Erforderlich ist dabei auch eine umfassende Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfangs, der Intensität, des Ausmaßes und des Grads der Vorwerfbarkeit der Vertragsverletzungen. Insbesondere ist auch die Ursache für die nicht vertragsgerechte Durchführung eines früheren Auftrags in die Betrachtung einzubeziehen. Ohne schlussendliche Klärung dieser Verschuldensumstände darf eine vereinzelte, aber erwiesene, Mängelleistung nicht zum Ausschluss des Angebots in einer späteren Vergabe führen.*)
4. Eine Verneinung der für die Leistungserbringung notwendigen Eignung ist grundsätzlich denkbar, wenn die persönlichen oder fachlichen Voraussetzungen nach Überzeugung des Auftraggebers fehlen. Zu dieser Beurteilung findet in EU-Verfahren grundsätzlich eine Abforderung relevanter und einschlägiger Eignungsunterlagen nach § 7 a i. V. m. § 7 VOL/A statt. Ergeben diese Unterlagen keine Beanstandungen im Hinblick auf Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit, ist grundsätzlich von der generellen Eignung eines Bieters auszugehen. Dies gründet sich insbesondere daraus, dass der Auftraggeber in EU-Vergaben nicht befugt ist, weitere und erweiternde Eignungsnachweise von den Bietern zu fordern.*)

VPRRS 2006, 0341

VK Sachsen, Beschluss vom 25.07.2005 - 1/SVK/084-05
1. Hat der Auftraggeber für die Wertbarkeit von Nebenangeboten Mindestanforderungen festgelegt, muss er sich aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 97 Abs. 2 GWB daran halten. Dies gilt umso mehr, wenn der Auftraggeber selber in den Verdingungsunterlagen bestimmt hat, dass bei Nichterfüllung der Mindestanforderungen (Hier Belagbreite und Gerüstgruppe bei Gerüstbauarbeiten) Nebenangebote nicht gewertet wird.*)
2. Die Entscheidung zur Verpflichtung eines Auftraggebers, einem bestimmten Bieter den Zuschlag zu erteilen, kann von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur ausnahmsweise getroffen werden. Dies ist aber der Fall, wenn unter Beachtung aller bestehenden Wertungsspielräume des Auftraggebers die Erteilung des Zuschlags an einen bestimmten Bieter die einzig rechtmäßige Entscheidung ist (so auch schon OLG Düsseldorf, B. v. 27.04.2005, Verg 10/05; 1. VK Sachsen, B. v. 04.11.2003, 1/SVK/042-03 und B. v. 24.04.2003, 1/SVK/031-03 und vom 13.05.2003, 1/SVK/038-03). Dies ist der Fall, wenn der Auftraggeber keine tauglichen Zuschlagskriterien nach §§ 97 Abs. 5 GWB, §10 a VOB/A angegeben hat und somit der Zuschlag dem preisgünstigsten, wertbaren Angebot gebührt.*)

VPRRS 2006, 0340

VK Sachsen, Beschluss vom 22.07.2005 - 1/SVK/080-05
1. Füllt ein Bieter keine der drei Varianten einer vorgegebenen Nachunternehmererklärung nach § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A aus, so ist sein Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b) VOB/A wegen Fehlens geforderter Erklärungen (§ 21 Nr. 1 S. 3 VOB/A) zwingend auszuschließen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Bieter die ebenfalls abgeforderte Nachunternehmerliste ausgefüllt hat, da dieser Liste zwar indirekt der generelle Einsatz von Nachunternehmern entnommen werden kann, die Nachunternehmerliste aber weder eindeutig noch zweifelsfrei ist. Das Fehlen alternativ abzugebender, sich gegenseitig ggf. ausschließenden Erklärungen, hat zur Folge, dass das Angebot seinem Inhalt nach weder eindeutig noch bestimmbar und damit nicht annahmefähig ist. Zum Ausschluss führt in einem solchen Fall darüber hinaus auch noch das Fehlen einer Eintragung zum Punkt Bezeichnung der Leistung als auch die Eintragung „anteilig“ in der einzig vorgelegten Nachunternehmerliste. Im letztgenannten Fall ist insbesondere nicht zweifelsfrei erkennbar und abgrenzbar, welchen Anteil der benannte Nachunternehmer erbringen soll.*)
2. Für die Entscheidung der Vergabekammer (Verpflichtung des Auftraggebers zum Ausschluss eines Angebots) ist es unschädlich, dass der Auftraggeber seine Negativentscheidung nicht ausdrücklich auf den zwingenden Ausschluss gestützt hat.*)
3. Ist das Angebot des Antragstellers zwingend auszuschließen, kann mit dem Nachprüfungsantrag nicht bewirkt werden, dass auch das Angebot eines beigeladenen Unternehmens in Folge möglicher Mängel des Angebots ausgeschlossen wird. Denn in diesem Fall kann der weitere Fortgang des Vergabeverfahrens weder die Interessen des Antragstellers berühren noch kann er durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen in seinen Rechten verletzt sein.*)

VPRRS 2006, 0339

VK Sachsen, Beschluss vom 21.07.2005 - 1/SVK/076-05
Die Eignung eines Bieters kann immer nur im Rahmen einer Prognoseentscheidung beurteilt werden. Hierbei folgt bereits aus dem Charakter der Prognose, dass die Umstände, die auf eine fehlende persönliche und fachliche Eignung schließen lassen, nicht mit einer prozessualen Tatsachenfeststellungen Genüge leistenden Gewissheit feststehen müssen. Vielmehr reicht es aus, wenn die Umstände auf einer gesicherten Erkenntnis der Vergabestelle beruhen.*)

VPRRS 2006, 0338

VK Sachsen, Beschluss vom 07.07.2005 - 1/SVK/061-05
1. Ändert ein Bieter in seinem Angebot bindende und zweifelsfreie Vorgaben der Verdingungsunterlagen wie die Leistungsbeschreibung (inkl. Baubeschreibung) und technische Vertragsbedingungen, ohne dass es noch auf die Erheblichkeit der Änderung ankäme, ist sein Angebot zwingend auszuschließen.
2. Gibt der Bieter den Standort eines Krans abweichend von den Anforderungen im Leistungsverzeichnis und deren Anlage an, ist darin bereits eine Änderung der Verdingungsunterlagen zu sehen, da die angebotene Leistung nicht der Leistungsbeschreibung des öffentlichen Auftraggebers entspricht, also eine andere Leistung darstellt.
3. Selbst dann, wenn eine Leistungsbeschreibung erkanntermaßen unklar bzw. risikoreich ist, darf der Bieter diese Lückenhaftigkeit nicht durch eigene, für ihn günstige Kalkulationsannahmen ausfüllen.

VPRRS 2006, 0337

VK Sachsen, Beschluss vom 31.05.2005 - 1/SVK/046-05
1. Der aus dem vertragsrechtlichen Grundsatz, dass von dem Abschluss eines Vertrages Abstand genommen und grundsätzlich niemand zum Abschluss eines Vertrages gezwungen werden kann, folgende mögliche Verzicht auf eine Auftragsvergabe gilt auch für das öffentliche Auftragswesen.
2. Jedoch ist eine Verzichtsentscheidung auch nicht losgelöst von allen rechtlichen Bindungen möglich. Ein öffentlicher Auftraggeber hat beim Verzicht auf die Auftragsvergabe vielmehr die allgemeinen vergabeverfahrensrechtlichen Prinzipien des Transparenzgebots, des Vertrauensschutzprinzips sowie des Willkürverbots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu beachten, vor allem wenn gar kein abschließender Verzicht erfolgen soll, sondern lediglich eine erneute Ausschreibung des VOF-Verfahrens mit modifizierter Vergabebekanntmachung.
3. Die Regelung des § 26 VOL/A ist lediglich eine für den Bereich der nicht freiberuflichen Dienstleistungsaufträge festgelegte Vorschrift, während es für die Beendigung eines VOF-Vergabeverfahrens keine Vorschrift, die den im VOF-Verfahren unanwendbaren §§ 26 VOB/A bzw. VOL/A entspräche.
4. Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens darf in Ansehnung des Wettbewerbsprinzips nicht dazu genutzt werden, um denjenigen Bewerbern, die ihre Eignung im laufenden VOF-Verfahren nicht erbringen konnten, eine erneute Chance zu bieten, sich an dem in wesentlichen Teilen gleichem VOF-Verfahren erneut zu bewerben.
5. Kann der Auftraggeber nicht schlüssig darlegen, dass seine Aufhebung der Ausschreibung das geeignete Mittel war, um ein rechtmäßiges, den Vergabegrundsätzen entsprechendes Vergabeverfahren durchzuführen, kann ihm aufgegeben werden, den Verzicht auf die Vergabe rückgängig zu machen und die Verpflichtung zur Fortsetzung des Verhandlungsverfahrens auszusprechen.
