Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
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VPRRS 2010, 0202
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.04.2010 - 1 VK LVwA 65/09
1. Zu den Anforderungen an die formelle Vollständigkeit der einzureichenden Unterlagen einer Bewerbung.
2. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist dann gegeben, wenn sämtliche abgegebenen Teilnahmeanträge an einem gleichwertigen Mangel leiden. Bei Zweifeln an der Korrektheit der inhaltlichen Auswertung eines Teilnahmeantrages, ist kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz anzunehmen, wenn der Teilnahmeantrag der Antragstellerseite bereits formell unvollständig ist, die inhaltliche Bewertung konkurrierender Teilnahmeanträge bleibt dann unbeachtlich.

VPRRS 2010, 0440

VK Saarland, Beschluss vom 08.03.2010 - 1 VK 3/2010
1. Nach der Rechtssprechung des EuGH vom 28.01.2010 zum Merkmal der "Unverzüglichkeit" (Rs. C-406/08 und C-456/08) ist ein Nachprüfungsantrag zukünftig in der Regel nicht schon deshalb als unzulässig einzustufen, weil der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß nicht "unverzüglich" im Sinne von § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt wurde. Dies gilt bis zu einer eventuellen Klarstellung durch den Gesetzgeber oder einer einschlägigen anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.*)
2. Die Präklusionstatbestände des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GWB bleiben von dieser Rechtssprechung des EuGH unberührt.*)
3. Ein Vergabeverstoß hinsichtlich der sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Mängel ist immer dann erkennbar, wenn einem Bieter die Tatsachen, die einen möglichen Vergabeverstoß begründen, aus den ihm zugänglichen Unterlagen bewusst werden können. Dies löst eine Rügepflicht nach Maßgabe von § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB bis zur Angebotsabgabefrist aus, zumindest jedoch eine Pflicht zur Thematisierung der Problematik gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer Bieteranfrage.*)
4. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren verlangt, dass dem öffentlichen Auftraggeber alle zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen. Ob einem Umstand Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt, entscheidet einzig und allein der Auftraggeber. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.*)
5. Die Wettbewerbsrelevanz ist irrelevant, da es hierauf weder ankommt, noch Sache des Bieters ist, zu entscheiden, was der Auftraggeber für wettbewerbsrelevant hält. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind auszuschließen, unabhängig davon, ob es sich um wettbewerbserhebliche Erklärungen oder Nachweise handelt oder um solche, deren Fehlen keinen Einfluss auf den Preis, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebotes haben. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt, dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind.*)
6. Nur dann, wenn der Auftraggeber nach § 24 VOB/A mit dem Bieter verhandeln darf, fehlt regelmäßig ein zwingender Grund für den Ausschluss.*)

VPRRS 2010, 0200

VK Saarland, Beschluss vom 08.03.2010 - 1 VK 03/2010
1. Nach der Rechtssprechung des EuGH vom 28.01.2010 zum Merkmal der "Unverzüglichkeit" (Rs. C-406/08 und C-456/08) ist ein Nachprüfungsantrag zukünftig in der Regel nicht schon deshalb als unzulässig einzustufen, weil der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß nicht "unverzüglich" im Sinne von § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt wurde. Dies gilt bis zu einer eventuellen Klarstellung durch den Gesetzgeber oder einer einschlägigen anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.*)
2. Die Präklusionstatbestände des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GWB bleiben von dieser Rechtssprechung des EuGH unberührt.*)
3. Ein Vergabeverstoß hinsichtlich der sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Mängel ist immer dann erkennbar, wenn einem Bieter die Tatsachen, die einen möglichen Vergabeverstoß begründen, aus den ihm zugänglichen Unterlagen bewusst werden können. Dies löst eine Rügepflicht nach Maßgabe von § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB bis zur Angebotsabgabefrist aus, zumindest jedoch eine Pflicht zur Thematisierung der Problematik gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer Bieteranfrage.*)
4. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren verlangt, dass dem öffentlichen Auftraggeber alle zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen. Ob einem Umstand Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt, entscheidet einzig und allein der Auftraggeber. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.*)
5. Die Wettbewerbsrelevanz ist irrelevant, da es hierauf weder ankommt, noch Sache des Bieters ist, zu entscheiden, was der Auftraggeber für wettbewerbsrelevant hält. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind auszuschließen, unabhängig davon, ob es sich um wettbewerbserhebliche Erklärungen oder Nachweise handelt oder um solche, deren Fehlen keinen Einfluss auf den Preis, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebotes haben. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt, dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind.*)
6. Nur dann, wenn der Auftraggeber nach § 24 VOB/A mit dem Bieter verhandeln darf, fehlt regelmäßig ein zwingender Grund für den Ausschluss.*)

VPRRS 2010, 0196

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.02.2010 - 1 VK 4/10
1. Angebote aber, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind zwingend auszuschließen. Die Gleichbehandlung aller Bieter ist nur gewährleistet, wenn alle Angebote die geforderten Erklärungen enthalten. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt, dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbare Angebote vorliegen.
2. Eine gesonderte Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und ein Antragsteller erst im Verlaufe der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.
3. Bei gleichbleibender Sachlage ist ein Auftraggeber grundsätzlich an seine einmal getroffene Beurteilung der Eignung gebunden.

VPRRS 2010, 0195

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.12.2009 - 1 VK 63/09
Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags folgt nicht daraus, dass durch die Vergabestelle eine europaweite Ausschreibung erfolgt ist. Maßgebend für die Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB ist ausschließlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens vorliegen. Eine Selbstbindung der Vergabestelle kann lediglich dazu führen, dass sich diese im Verlaufe des Vergabeverfahrens an die Verfahrensbestimmungen zu halten hat. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass damit ein Nachprüfungsverfahren eröffnet wird.

VPRRS 2010, 0194

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.02.2010 - 1 VK 75/09
1. Die fehlende finanzielle Sicherung eines Projekts kann nicht Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein.
2. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A dient grundsätzlich nur dem Schutz der Vergabestelle. Die Regelungen sollen dazu dienen, spätere Schäden der Vergabestelle zu verhindern, weil der Auftragnehmer, der einen unangemessen niedrigen Preis anbietet, den Auftrag möglicherweise nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführt. Diese Vorschriften bezwecken nicht, den Konkurrenten zu schützen, so dass dieser sich nicht auf deren Verletzung berufen kann.

VPRRS 2010, 0446

OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 - Verg 2/10
1. Hat die Vergabekammer auf Nachprüfungsantrag eines Bieters eine Wiederholung des Vergabeverfahrens für mehrere Lose einer Ausschreibung angeordnet und legt nur ein Beigeladener sofortige Beschwerde ein, wird die Entscheidung der Vergabekammer bezüglich der Lose bestandskräftig, für die der beigeladene Beschwerdeführer kein Angebot abgegeben hat. Der Antragsteller kann nicht im Wege einer unselbständigen Anschlussbeschwerde den Ausschluss anderer Beigeladener erreichen.*)
2. Der Beschwerdebefugnis eines Beigeladenen steht nicht entgegen, dass der Antragsteller Gründe für den Ausschluss des Beigeladenen vorbringt, über die die Vergabekammer nicht entschieden hat.*)
3. Im Verhandlungsverfahren genügt es nicht, dem Bieter unmittelbar zu Beginn einer für die Wertung maßgeblichen Befragung zu eröffnen, welche Unterkriterien für den Auftraggeber maßgeblich sind.*)
4. Vor einer Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren nur insoweit zu wiederholen, als sich ein Vergabefehler ausgewirkt haben kann. Steht fest, dass der Bieter auch bei Vermeidung des Vergabefehlers keine Aussicht auf den Zuschlag hat, ist sein Nachprüfungsantrag unbegründet.*)
5. Der öffentliche Auftraggeber hat einen Ermessensspielraum bei der Prüfung der Eignung eines Bieters.*)
6. Der Zuschlag darf auch auf ein Angebot mit einem niedrigen Preis erteilt werden, sofern der Auftraggeber eine sachlich fundierte, vertretbare Prognose trifft, dass der Bieter die Leistung zuverlässig und vertragsgerecht erbringen wird und konkrete Belege für ein wettbewerbsbeschränkendes oder unlauteres Unterangebot fehlen.*)

VPRRS 2010, 0193

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.01.2010 - 1 VK 67/09
1. Ein Bieter hat keinen allgemeinen Überprüfungsanspruch hinsichtlich des staatlichen Verhaltens.
2. Liegt das Angebot eines Bieters auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang, lässt dies die Antragsbefugnis grundsätzlich entfallen, da auf einem abgeschlagenen Platz in der Bieterreihenfolge liegende Antragsteller (auch bei Wegfall der für den Zuschlag vorgesehenen Bieter)keine realistische Aussicht auf eine Zuschlagserteilung haben.

VPRRS 2010, 0191

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.04.2010 - 1 VK 19/10
1. Nach § 108 Abs. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag schriftlich einzureichen. Er ist unverzüglich zu begründen. Der Sachverhalt mit den hieraus sich ergebenden Rechtsverletzungen ist darzulegen. Dabei sind zwar keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, die Sachverhaltsdarstellung hat aber doch so konkret zu sein, dass sich hieraus substantiiert die Verletzung von Vergabevorschriften ergibt. Durch die Bestimmung soll der Auftraggeber davor geschützt werden, mit Anträgen ins "Blaue hinein" konfrontiert zu werden.
2. Der Antragsteller hat nicht nur darzulegen, dass eine Rüge überhaupt erfolgt ist, sondern auch, dass das rechtzeitig geschehen ist. Fehlen diesbezügliche Angaben, ist die Begründung unvollständig, der Antrag somit unzulässig.
3. Liegt ein Ausnahmefall vor, der eine Rüge entbehrlich erscheinen lässt, ist dies ebenfalls in der Begründung darzustellen.

VPRRS 2010, 0189

OLG Celle, Beschluss vom 10.06.2010 - 13 Verg 18/09
1. Die Entscheidung darüber, ob ein Vergabeverfahren aufgehoben wird, steht nach dem Wortlaut des § 26 Nr. 1 VOB/A im Ermessen der Vergabestelle.*)
2. Ist ein Eilantrag aus Gründen erfolglos geblieben, die allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind (unzulässiger Antrag), ist es billig, die Kosten hierfür allein ihm aufzuerlegen, auch wenn seine Beschwerde zum Teil Erfolg hat.*)

VPRRS 2010, 0188

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.01.2010 - 1 VK 70/09
Wenn von einem erfahrenen und fachkundigen Bieter ein Produkt angeboten wird, muss sich der Auftraggeber zumindest auch an diesen wenden, wenn seine eigene Marktrecherche zu Zweifeln führt. Er kann seine möglicherweise unzutreffenden Rückschlüsse nicht ohne Weiteres gegen den Bieter verwenden, sondern sollte diesen im Rahmen eines gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A zulässigen Aufklärungsgesprächs zu seinem Angebot befragen. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, dass sich der Ausschluss eines Bieters hinterher als rechtwidrig erweist.

VPRRS 2010, 0187

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2010 - 1 VK 71/09
1. Wenn von einem erfahrenen und fachkundigen Bieter ein Produkt angeboten wird, muss sich der Auftraggeber zumindest auch an diesen wenden, wenn seine eigene Marktrecherche zu Zweifeln führt. Er kann seine möglicherweise unzutreffenden Rückschlüsse nicht ohne weiteres gegen den Bieter verwenden, sondern sollte diesen im Rahmen eines gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A zulässigen Aufklärungsgesprächs zu seinem Angebot befragen. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, dass sich der Ausschluss eines Bieters im Nachhinein als rechtwidrig erweist.
2. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Der öffentliche Auftraggeber hat sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, ob ein niedriges Unterkostenangebot berücksichtigt und ggf. bezuschlagt werden kann oder nicht. Hierzu ist festzustellen, ob ein überprüfungspflichtiges niedriges Angebot vorliegt. Im weiteren hat er das Angebot auf seine wirtschaftliche Auskömmlichkeit zu überprüfen, wobei der Bieter zu hören ist. Schließlich ist unter Berücksichtigung der Stellungnahme und der Erläuterungen des Bieters zu werten, ob trotz des niedrigen Angebots eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu erwarten ist oder nicht.

VPRRS 2010, 0180

OLG Celle, Beschluss vom 03.06.2010 - 13 Verg 6/10
1. Können gemäß der Allgemeinen Baubeschreibung Nebenangebote nur gewertet werden, wenn sie "sämtliche Vertragsbedingungen" erfüllen, "insbesondere Verdingungsunterlagen, technische Vorschriften, Normen und Lastangaben", so ist auch eine Auslegung dahingehend vertretbar, dass die Vergabestelle mit der ausdrücklichen Nennung der "Verdingungsunterlagen"- wenn auch sprachlich missglückt - lediglich die in den Verdingungsunterlagen enthaltenen allgemeinen, formellen Vertragsbedingungen und die "technischen Vorschriften, Normen und Lastangaben" in Bezug nehmen, im Übrigen aber - nur- die dem ersten Spiegelstrich nachfolgenden Mindestbedingungen stellen; mithin Konstruktionsalternativen (wie Wellenspundwände statt Kombinierten Spundwänden) gerade nicht ausschließen wollte.
2. Unklarheiten in den Vergabeunterlagen gehen nicht zu Lasten der Bieter. Daher kann ein Bieter, der unklare oder widersprüchliche Anforderungen der Vergabestelle in vertretbarer Weise ausgelegt und sein (Neben-)Angebot auf diese mögliche Auslegung ausgerichtet hat, nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, sein (Neben-)Angebot entspreche nicht den Ausschreibungsbedingungen.
3. Grundsätzlich steht es jedem Bieter frei, so zu kalkulieren, wie er es für richtig hält; dies ist Bestandteil seiner unternehmerischen Freiheit. Vergaberechtlich problematisch wäre lediglich ein "Auf- und Abpreisen", d. h. ein "Verstecken" von Kostenbestandteilen einzelner Positionen in anderen.
4. Zur Prüfung der Gleichwertigkeit von Nebenangeboten.

VPRRS 2010, 0179

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.12.2009 - 1 VK 60/09
1. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind zwingend vom Verfahren auszuschließen. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt,dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Alle Erklärungen und Nachweise, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.
2. Von diesem Grundsatz ist nicht nur bei der Abgabe von Angeboten auszugehen, sondern auch bei Teilnahmeanträgen.
3. Eine Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und der Antragsteller im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

VPRRS 2010, 0177

OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.05.2010 - Verg W 15/09
1. Der rechtliche Charakter des zu vergebenden Auftrags ist daran festzumachen, welche Hauptleistung der Auftragnehmer vertraglich schuldet. Hat der Auftraggeber die betriebsbereite Errichtung von Bauwerken mit einer speziellen technischen Funktion ausgeschrieben, ist der Auftrag als Bauauftrag, nicht als Lieferauftrag anzusehen.*)
2. Der Umstand, dass der Auftrag tatsächlich anders ausgeführt wird als ausgeschrieben, kann nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, in dem die Vergabe der ausgeschriebenen Leistung überprüft wird.*)

VPRRS 2010, 0175

OLG Koblenz, Beschluss vom 26.05.2010 - 1 Verg 2/10
1. Der Entscheidung des Preisgerichts kommt trotz der ihr eigenen Verbindlichkeit (§ 661 Abs. 2 Satz 2 BGB) keine dem Zuschlag entsprechende Wirkung zu mit der Folge, dass ein nach dieser Entscheidung eingehender Nachprüfungsantrag unzulässig wäre (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.03.2004 - Verg 4/04).
2. Das Preisgericht muss allen in die engere Wahl genommenen Arbeiten, also auch den besten Nichtpreisträgern, einen Rang zuzuweisen.

VPRRS 2010, 0174

VK Berlin, Beschluss vom 12.10.2007 - VK B 2 - 29/07
1. Zur Rechtzeitigkeit und Substantiiertheit einer Rüge*)
2. Ein Bieter darf sich nicht beliebig lange mit der Erforschung etwaiger Verfahrensmängel beschäftigen, um dann, wenn er meint, fündig geworden zu sein, die Ergebnisse in ein Nachprüfungsverfahren einzubringen.*)
3. Ein Antrag ist offensichtlich unzulässig, wenn Tatsachen zum Vorliegen seiner maßgeblichen Voraussetzungen nicht oder nicht rechtzeitig vorgetragen werden.*)

VPRRS 2010, 0173

VK Berlin, Beschluss vom 18.03.2010 - VK-B2-3/10 E
1. Voraussetzung für eine Gestattung des Zuschlags des § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB ist, dass der Auftraggeber bereits ein Unternehmen ausgewählt hat, dem der Zuschlag erteilt werden soll, und die übrigen Bieter darüber gemäß § 101a GWB darüber informiert hat.*)
2. Der Eilbeschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.*)

VPRRS 2010, 0171

VK Berlin, Beschluss vom 29.10.2009 - VK-B2-28/09
1. Der Auftraggeber darf auf eine förmliche Unterrichtung nach § 101a Abs. 1 Satz 1 GWB nur dann verzichten, wenn ein Bewerber oder Bieter endgültig aus dem weiteren Vergabeverfahren ausgeschieden ist, das heißt wenn der Auftraggeber sicher sein kann, dass die Ablehnung rügelos hingenommen worden ist, oder die Wirksamkeit eines Ausschlusses rechtskräftig festgestellt wurde.*)
2. Zur Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses*)
3. Zur Gleichwertigkeit eines Mangels bei nicht zugelassenem Alternativangebot*)

VPRRS 2010, 0168

LG Cottbus, Urteil vom 03.03.2010 - 6 O 258/07
Außergewöhnliche Witterungsverhältnisse, derentwegen eine bauseitige Vorleistung nicht rechtzeitig erbracht werden kann und sich infolgedessen die Bauzeit verschiebt bzw. verlängert, können zu einem Anspruch des Unternehmers aus § 642 BGB führen. Der Besteller kann das Baugrundstück nicht zur Verfügung stellen und unterlässt damit eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung.

VPRRS 2010, 0163

OLG Dresden, Beschluss vom 16.03.2010 - WVerg 2/10
1. Eine Preisangabe fehlt dann nicht, wenn sie zwar nicht an der vorgegebenen Stelle, aber nur geringfügig verschoben erfolgt ist, ohne dass deshalb ein abweichender Sinngehalt auch nur möglich erschiene.*)
2. Eine zulässige Bietergemeinschaft liegt nicht nur dann vor, wenn ihre Mitglieder voneinander abgrenzbare Teilleistungen einer ausgeschriebenen Gesamtleistung erbringen, sondern auch dann, wenn die Unternehmen etwa aus Kapazitätsgründen ein gemeinsames Interesse an dem zu vergebenden Auftrag haben und ungeachtet ihrer unternehmensrechtlichen Trennung bei der Erfüllung des Vertrages als operative geschäftliche Einheit handeln.*)

VPRRS 2010, 0162

VK Köln, Beschluss vom 10.05.2010 - VK VOL 10/2010
In europaweiten Vergabeverfahren sind die Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für die Berücksichtigung von Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der entsprechende Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit Nordrhein-Westfalen nicht anwendbar.

VPRRS 2010, 0161

OLG Dresden, Urteil vom 04.11.2008 - 9 U 870/08
1. Die Unterzeichnung eines Werkvertrags durch zwei Unternehmen kann eine baurechtliche ARGE begründen.
2. Im Falle der Insolvenz eines ARGE-Partners ist der andere nicht alleine befugt, Forderungen der ARGE geltend zu machen.

VPRRS 2010, 0155

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.10.2009 - VK 2-38/09
1. Der Verzicht auf die Vergabe ist rechtswidrig, wenn er gegen das Willkürverbot verstößt und für die Antragstellerin eine Diskriminierung darstellt.
2. Sofern es sich um eine Scheinaufhebung handelt, die dazu führen würde, einen Bewerber, der in dem ursprünglichen Verfahren keine Chance hatte, im Rahmen einer freihändigen Vergabe zu begünstigen, ist die Aufhebung nicht rechmäßig.
3. Der Auftraggeber hat die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer rechtmäßigen Aufhebung bzw. eines rechtmäßigen Verzichts auf die Vergabe.

VPRRS 2010, 0154

LG Saarbrücken, Beschluss vom 20.10.2009 - 4 O 450/09
1. Die Beifügung eigener AGB, die von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen abweichen, kann zum Angebotsausschluss führen.
2. Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot geändert worden sind, ist durch Vergleich des Inhalts des Angebots mit den in den Verdingungsunterlagen geforderten Leistungen festzustellen.
3. Sind Angebotsverstöße so gering, dass weder der Wettbewerb noch die Eindeutigkeit des Angebotsinhaltes noch das vom Auftraggeber nach dem Leistungsprogramm gewollte ernsthaft in Gefahr geraten, besteht kein Anlass, diese Angebote auszuschließen und es kann eine Abstimmung auf den richtigen Angebotsinhalt durch die in § 24 VOB/A gegebene Möglichkeit erfolgen.

VPRRS 2010, 0153

EuGH, Urteil vom 06.05.2010 - Rs. C-149/08
1. Ein gemischter Vertrag, dessen Hauptgegenstand der Erwerb von 49 % des Kapitals eines öffentlichen Unternehmens durch ein Unternehmen und dessen untrennbar mit diesem Hauptgegenstand verbundener Nebengegenstand die Erbringung von Dienstleistungen und die Durchführung von Bauarbeiten betrifft, fällt nicht in seiner Gesamtheit in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz, steht einer nationalen Regelung entgegen, die dahin ausgelegt wird, dass die Mitglieder einer in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Bieterin aufgetretenen Gelegenheitsgesellschaft nicht die Möglichkeit haben, individuell Ersatz des Schadens zu verlangen, den sie aufgrund einer Entscheidung individuell erlitten zu haben behaupten, die von einer anderen Behörde als dem öffentlichen Auftraggeber, welche nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften an diesem Verfahren beteiligt gewesen ist, getroffen worden ist und den Ablauf des Verfahrens beeinflussen konnte.*)

VPRRS 2010, 0152

EuGH, Urteil vom 06.05.2010 - Rs. C-145/08
1. Ein gemischter Vertrag, dessen Hauptgegenstand der Erwerb von 49 % des Kapitals eines öffentlichen Unternehmens durch ein Unternehmen und dessen untrennbar mit diesem Hauptgegenstand verbundener Nebengegenstand die Erbringung von Dienstleistungen und die Durchführung von Bauarbeiten betrifft, fällt nicht in seiner Gesamtheit in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz, steht einer nationalen Regelung entgegen, die dahin ausgelegt wird, dass die Mitglieder einer in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Bieterin aufgetretenen Gelegenheitsgesellschaft nicht die Möglichkeit haben, individuell Ersatz des Schadens zu verlangen, den sie aufgrund einer Entscheidung individuell erlitten zu haben behaupten, die von einer anderen Behörde als dem öffentlichen Auftraggeber, welche nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften an diesem Verfahren beteiligt gewesen ist, getroffen worden ist und den Ablauf des Verfahrens beeinflussen konnte.*)

VPRRS 2010, 0150

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.10.2009 - L 21 KR 39/09
1. Bezüglich der Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften ist der Rechtsweg in das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet.
2. Die Rahmenvereinbarung nach § 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A ist vergaberechtlich die adäquate Form der Ausschreibung von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V.
3. Eine Verpflichtung zur Loslimitierung besteht nicht von vornherein.

VPRRS 2010, 0149

VK Nordbayern, Urteil vom 17.11.2009 - 21.VK-3194-50/09
1. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A. Deshalb sind Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt, grundsätzlich von der Wertung auszuschließen ( VOB/A).*)
2. Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation setzt voraus, dass entweder von vorneherein oder aufgrund einer von der VSt wegen bestehender Zweifel durchgeführten Aufklärung nach § 24 Nr. 1 VOB/A feststeht, dass das Angebot auf einer Mischkalkulation beruht. Bloße Zweifel genügen dagegen in keinem Fall für einen Ausschluss, sondern berechtigen die VSt nur zur Aufklärung. Erst von deren Ergebnis hängt es ab, ob ein Ausschluss des Angebots gerechtfertigt ist oder nicht. Können
Zweifel der VSt weder bestätigt noch ausgeräumt werden, muss die VSt ihre Zweifel zurückstellen, denn sie hat grundsätzlich das Vorliegen eines Ausschlussgrundes zu beweisen.*)
3. Die materielle Beweislast dafür, dass der von der BGl angebotene Preis im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht, trägt die Antragstellerin, nicht die Antragsgegnerin.*)
4. Grundsätzlich kann und darf ein öffentlicher Auftraggeber sich bei der Vorbereitung der Vergabe zwar eines Sachverständigen bedienen, § 7 Nr. 1 a und b VOB/A. Der Sachverständige darf zur Unterstützung des öffentlichen Auftraggebers eingesetzt werden; er kann also den dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt kaufmännisch, technisch oder juristisch aufbereiten. Die Kernkompetenz der Entscheidung muss jedoch beim Auftraggeber verbleiben. Insbesondere ist es allein Sache des Auftraggebers, Wertungen und Ermessensentscheidungen zu treffen.*)

VPRRS 2010, 0442

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.12.2009 - VK 1-56/09
Die Forderung nach einem Bauablaufplan ist ein geeignetes Mittel, um prüfen und feststellen zu können, ob der Bieter in der Lage ist, ein komplexes Bauvorhaben zu den vorgegebenen Ausführungszeiten vertragsgerecht auszuführen.

VPRRS 2010, 0145

VK Lüneburg, Beschluss vom 22.10.2009 - VgK-49/2009
1. Parallel- oder Alternativausschreibungen sind nicht per se vergaberechtswidrig. Derartige Ausschreibungen sind zulässig, sofern die berechtigten Interessen der Bieter im Hinblick auf einen zumutbaren Arbeitsaufwand gewahrt werden und zugleich sichergestellt ist, dass die wirtschaftlichste Verfahrensweise auch tatsächlich zum Zuge kommt und das Verfahren für die Beteiligten hinreichend transparent ist.
2. Eine Parallelausschreibung, die lediglich der Markterkundung und Wirtschaftlichkeitsberechnung verschiedener Verfahren dient, verstößt gegen § 16 Nr. 2 VOL/A, da sie einem vergabefremdem Zweck dient und damit nicht den Anforderungen des § 97 GWB entspricht.

VPRRS 2010, 0141

OLG Stuttgart, Urteil vom 09.02.2010 - 10 U 76/09
1. Bei Auslegung eines Angebots im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ist der Inhalt des Begleitschreibens einzubeziehen. Durch den Inhalt des Begleitschreiben kann daher das Angebot und damit der spätere Vertragsinhalt von den Ausschreibungsunterlagen, insbesondere dem Leistungsverzeichnis, abweichen.*)
2. Im Ausschreibungsverfahren entsteht zwischen dem Ausschreibenden und den einzelnen Bietern ein vorvertragliches Schuldverhältnis, in dem für die Bieter die in der VOB/A festgehaltenen allgemeinen Verhaltenspflichten gelten, auch wenn die VOB/A dem an die VOB/A angelehnten Ausschreibungsverfahren nicht ausdrücklich zu Grunde gelegt wurde.*)
3. Zu den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Bieters gehört die Verpflichtung, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote so deutlich zu kennzeichnen, dass ein Übersehen durch die ausschreibende Stelle möglichst ausgeschlossen wird.*)
4. Ändert ein Bieter im Begleitschreiben zu seinem Angebot die im Leistungsverzeichnis des Ausschreibenden verlangte Beschaffenheit des Werks ohne ausreichenden Hinweis ab und wird diese Änderung Vertragsinhalt, kann dieses Verhalten des Bieters einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss begründen.*)
5. Ein solcher Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wird nicht durch das Gewährleistungsrecht verdrängt, weil der Bieter, der eine Änderung der Ausschreibungsunterlagen in Bezug auf die geschuldete Beschaffenheit des Werks nicht hinreichend deutlich macht, besondere Auskunfts- und Hinweispflichten im Ausschreibungsverfahren verletzt. Dadurch wird ein eigenständiger, neben dem Gewährleistungsrecht stehender Schadensersatzanspruch ausgelöst.*)
6. Der Schadensersatzanspruch wird grundsätzlich nicht wegen eines Mitverschuldens reduziert, weil die ausschreibende Stelle die nicht ausreichend kenntlich gemachte Abänderung der Ausschreibungsunterlagen im Angebot übersehen und das Angebot nicht ausgeschlossen hat.*)

VPRRS 2010, 0140

VK Hamburg, Beschluss vom 07.04.2010 - VK BSU 3/10
1. Die Vergabekammer sieht sich durch die jüngsten Urteile des EuGH vom 28.01.2010 (IBR 2010, 159; IBR 2010, 127) gehindert, jedenfalls die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB anzuwenden.
2. Raum für eine europarechtskonforme Auslegung des allein maßgeblichen Begriffs der Unverzüglichkeit im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB sieht die Vergabekammer nicht.

VPRRS 2010, 0139

VK Hamburg, Beschluss vom 07.04.2010 - VK BSU 2/10
1. Die Vergabekammer sieht sich durch die jüngsten Urteile des EuGH vom 28.01.2010 (IBR 2010, 159; IBR 2010, 127) gehindert, jedenfalls die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB anzuwenden.
2. Raum für eine europarechtskonforme Auslegung des allein maßgeblichen Begriffs der Unverzüglichkeit im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB sieht die Vergabekammer nicht.

VPRRS 2010, 0137

VK Sachsen, Urteil vom 28.12.2009 - 1/SVK/060-09
1. Eine im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOL/A fehlende Preisangabe liegt vor, wenn sich aus den von den Bietern in den Los- und Preisblättern vorgenommenen Eintragungen keine zweifelsfreien Preisangaben entnehmen lassen, mithin nicht eindeutig erkennbar ist, zu welchem Preis die ausgeschriebene Leistung tatsächlich angeboten wird.*)
2. Korrekturen von unbeachtlichen und eindeutigen Übertragungsfehlern führen nicht notwendigerweise zum Ausschluss des Angebots.*)
3. Fordern die Verdingungsunterlagen: "Im Angebot muss zweifelsfrei gekennzeichnet sein, welche Leistungsanteile von welchem Mitglied der Bietergemeinschaft erbracht werden.", so kann von einer fehlenden Angabe keine Rede sein, wenn die Antragstellerin erklärt, die Mitglieder der Bietergemeinschaft wollten alle Leistungsteile gemeinschaftlich erbringen.*)

VPRRS 2010, 0136

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.2009 - Verg 30/09
Ein Hauptangebot ist nicht wegen unzulässiger Änderung der Verdingungsunterlagen auszuschließen, wenn ein Bieter die zwingend anzubietende Leistungsbestandteile sowie alternative Leistungspositionen erkennbar gesondert ausweist und die Inhalte insoweit eindeutig sind.

VPRRS 2010, 0133

EuGH, Urteil vom 22.04.2010 - Rs. C-423/07
Sollen Bauwerke, die in der veröffentlichten Vergabebekanntmachung und in den Ausschreibungsbedingungen nicht benannt waren, ebenfalls ausgeführt werden (hier: teilweise drei- und vierspurige Bau einer Autobahn statt des ursprünglich zweispurigen Baus), so darf kein Zuschlag erfolgen. Vielmehr bedarf es einer neuen Ausschreibung.

VPRRS 2010, 0132

VK Lüneburg, vom 15.12.2009 - VgK-63/2009
1. Von § 98 Nr. 2 GWB werden juristische Personen des privaten Rechts erfasst, die von der öffentlichen Hand überwiegend finanziert werden oder bei denen die öffentliche Hand den beherrschenden Einfluss infolge Aufsicht oder mehrheitlicher Beteiligung ausübt und die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllen. Erfasst werden damit vor allem Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand im Bereich der Daseinsvorsorge. Merkmal der Sektorenauftraggeber im Sinne des Vierten Abschnitts der VOL/A oder der VOB/A ist es hingegen gerade, dass Wirtschaftlichkeitsaspekte Vorrang vor Vorsorgeüberlegungen haben.
2. Ein Nichtabhilfeschreiben nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB muss einen ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass der Auftraggeber der Rüge nicht abhelfen will.
3. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Dieses Ermessen reduziert sich durch Selbstbindung eines Auftraggebers aber immer dann auf Null und damit auf einen zwingenden Ausschluss des Angebotes, sobald der Auftraggeber mit der Vergabebekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder den sonstigen Vergabeunterlagen Nachweise und Belege zu Mindestbedingungen erhebt, in dem er ihre Vorlage ausdrücklich mit Angebotsabgabe verlangt und auf einen zwingenden Ausschluss im Falle der Nichtbeifügung oder nicht rechtzeitigen Beifügung hinweist.
4. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung der Bewerbereignung ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser Spielraum engt sich jedoch dann ein, wenn der Auftraggeber selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von zulässigen Mindestvoraussetzungen einschränkt. Er ist dann an diese Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von ihnen abweichen.
5. Die Möglichkeit der Angebotsaufklärung nach § 24 VOL/A darf ein öffentlicher Auftraggeber nur nutzen, um Zweifel über die Angebote der Bieter zu beheben. Das Recht des öffentlichen Auftraggebers zur Aufklärung eines Angebotes darf jedoch nicht dazu führen, dass einem Bieter Gelegenheit gegeben wird, ein Angebot im Zuge der Aufklärungsverhandlung ggf. so zu ändern, nachzubessern oder zu vervollständigen, dass dieses wertbar und damit zuschlagsfähig wird.

VPRRS 2010, 0131

VK Lüneburg, vom 08.01.2010 - VgK-68/2009
1. Bei einem Vortrag "ins Blaue hinein" ist die Vergabekammer von der Notwendigkeit einer Sachaufklärung von Amts wegen gem. § 110 Abs. 1 GWB entbunden.
2. Ein Nebenangebot muss den vertraglich vorausgesetzten Zweck unter allen technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mindestens ebenso erfüllen wie das Hauptangebot und so für den Auftraggeber geeignet sein. Es muß gegenüber dem Hauptangebot eine gleichwertige Qualität aufweisen, in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht die Anforderungen der Vergabestelle erfüllen, ohne teurer zu sein oder die Qualität der ausgeschriebenen Bauleistung übertreffen, dabei aber preislich im Rahmen der Hauptangebote bleiben.

VPRRS 2010, 0130

OLG Schleswig, Urteil vom 09.04.2010 - 1 U 27/10
Anspruchsbegründende Wirkung vermögen Erstmaßnahmen der Vergabestelle auszulösen, die die Bewerbungs- bzw. Auftragschancen eines Bieters konkret und in rechtswidriger Weise gefährden. Die Durchführung einer Angebotseröffnung gehört nicht dazu.

VPRRS 2010, 0129

VK Südbayern, Beschluss vom 10.12.2009 - Z3-3-3194-1-59-10/09
Notwendiger Inhalt einer Rüge ist, dass der Auftraggeber in der Rolle eines "verständigen Dritten" objektiv erkennen können muss, welcher Sachverhalt aus welchem Grund als Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften gesehen wird. Eine Bitte um die Beantwortung von in einem Schreiben aufgeworfener Fragen reicht hierzu nicht aus.

VPRRS 2010, 0128

LG Flensburg, Urteil vom 22.03.2010 - 4 O 67/10
Die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibungsunterlagen begründet keinen Anspruch darauf, den Submissionstermin bis zur Entscheidung der Vergabeprüfstelle hinauszuschieben. Eine weitgehende Verpflichtung kann bei Abwägung der beiderseitigen Interessen aus dem zwischen den Parteien bestehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis nicht abgeleitet werden.

VPRRS 2010, 0127

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.01.2010 - VgK-74/2009
1. Ein Bieter darf sich nicht mutwillig einer positiven Kenntnisnahme von vermeintlichen, anschließend im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemachten Vergabeverstößen verschließen.
2. Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit unzulässig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung sowie unter Beachtung des Gesichtspunkt der Branchenüblichkeit zu klären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 3 VOL/A nicht ausschließt, dass die Beteiligten den Rahmen des Zulässigen ausschöpfen.
3. Ist eine einseitige Verlängerungsoption hinreichend bestimmt und insbesondere hinsichtlich Laufzeit und Umfang eindeutig begrenzt, so wird dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet, wenn er in der Lage ist, die entsprechenden Risiken zu kalkulieren.

VPRRS 2010, 0122

VK Münster, Beschluss vom 11.12.2009 - VK 23/09
1. Versäumt die Vergabestelle, den Interessenten Mindestanforderungen für Nebenangebote zu nennen, dann ist sie verpflichtet, alle Nebenangebote aus der Wertung zu nehmen. Auf die Gleichwertigkeit kommt es dann nicht mehr an.*)
2. Als Nebenangebote werden Vorschläge eines Bieters angesehen, die in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht eine andere Lösung anbieten und eben nicht nur ein alternatives - aber gleichwertiges- Produkt benennen.*)
3. Die Vergabestelle bestimmt allein den Gegenstand und Inhalt der Beschaffung. Die Grenze wird erst erreicht, wenn eine wettbewerbsfeindliche Verengung des Angebotsmarktes eintritt.*)

VPRRS 2010, 0119

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.03.2010 - Verg 12/10
Zu der Frage, welche Bedeutung die Übergabe von Unterlagen mit dem Angebot in einem gesondert verschlossenen Umschlag hat, die Öffnung des Umschlags vom Bieter unter eine Bedingung gestellt wird.

VPRRS 2010, 0116

VK Lüneburg, Beschluss vom 24.02.2009 - VgK-57/08
1. Von vornherein unzulässig sind solche Nebenangebote oder Sondervorschläge, bei denen die konkurrierenden Bieter bei objektiver Betrachtung nicht damit rechnen konnten, dass sie angeboten werden.
2. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen, namentlich von den festgelegten Mindestbedingungen für Nebenangebote abweichen.

VPRRS 2010, 0114

BGH, Beschluss vom 25.03.2010 - VII ZR 160/09
1. Ist der nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 oder § 2 Nr. 5 VOB/B zu vereinbarende Einheitspreis für Mehrmengen außerordentlich überhöht (hier: um mehr als das achthundertfache), weil der Auftragnehmer in der betreffenden Position des Leistungsverzeichnisses einen ähnlich überhöhten Einheitspreis für die ausgeschriebene Menge angeboten hat, besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.
2. Diese Vermutung kann nur durch Angaben zur Preisbildung widerlegt werden, die den Schluss auf ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben ausschließen (gegen OLG Jena, IBR 2009, 634).

VPRRS 2010, 0111

VK Brandenburg, Beschluss vom 08.04.2009 - VK 17/09
1. Dass sich ein Antragsteller unter den von ihm als vergaberechtswidrig angegriffenen Bedingungen nicht weiter an dem Vergabeverfahren beteiligt, lässt sein Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, wenn die weitere Teilnahme als nicht zumutbar erscheint.
2. Der Dialog ist eine Art "Vorverfahren zur Bestimmung des Auftragsgegenstandes".
3. Im Verhandlungsverfahren darf der öffentliche Auftraggeber den Bietern feste Fristen für die Überarbeitung ihrer Lösungsvorschläge setzen.
4. Die Nachprüfungsinstanzen können die Fristenregelung des Auftraggebers nur darauf überprüfen, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, der zu Grunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt wurden und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist.
5. Die Umstände, die auf eine Angemessenheit der Frist schließen lassen, müssen nicht mit einer prozessualer Tatsachenfeststellung entsprechenden Gewissheit feststehen. Vielmehr reicht es aus, wenn die Umstände auf einer gesicherten Erkenntnis der Vergabestelle beruhen.
6. Im wettbewerblichen Dialog hat jeder Teilnehmer Anspruch darauf, dass ihm die Position, die er nach Abschluss einer Dialogphase erreicht hat, von einem anderen Teilnehmer nicht mit Verspätung wieder abgenommen wird.
7. Ein Zuschnitt der Überarbeitungsfrist auf eine kleine Anzahl von Teilnehmern kann bei besonderer Eilbedürftigkeit gerechtfertigt sein.
8. Die sukzessive Beschränkung auf immer weniger Verhandlungspartner mit dem Ergebnis, dass am Ende nur noch ein Bewerber verbleibt, ist für sich noch keine Diskriminierung.
9. Die Regel des "echten Wettbewerbes" ist auch dann noch gewahrt, wenn der öffentliche Auftraggeber die Zahl der Teilnehmer bis auf minimal zwei reduziert.

VPRRS 2010, 0109

VK Münster, Beschluss vom 22.01.2010 - VK 29/09 E
Die Interessen der Antragsgegnerin an einer Vorabgestattung des Zuschlags für den vor ihr beantragten Teil an der Gesamtbaumaßnahme rechtfertigen hier gemäß § 115 Abs. 2 GWB ausnahmsweise die Zuschlagserteilung auf den Teilbereich.*)

VPRRS 2010, 0108

VK Münster, Beschluss vom 11.02.2010 - VK 29/09
1. Es ist zwischen der formellen und materiellen Eignungsprüfung zu unterscheiden. Die inhaltliche Überprüfung von Referenzen erfolgt im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung; insoweit steht der Vergabestelle ein Beurteilungsspielraum zu, der nur beschränkt nachprüfbar ist.*)
2. Bei Abweichungen eines Bieterangebots von den in den Verdingungsunterlagen gemachten Vorgaben, müssen die Vorgaben in den Verdingungsunterlagen klar und unmissverständlich sein. Etwaige Zweifel gehen nicht zu Lasten der Bieter.*)
