Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5448 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
VPRRS 2010, 0250
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.05.2010 - 1 VK 27/10
1. Ein Angeobt ist auch dann unvollständig und auszuschließen, wenn zwar die Grund-, nicht jedoch die Wahl- bzw. Alternativpositionen ausgefüllt werden.
2. Dabei ist es unerheblich, ob aus Sicht des Bieters die Wahlposition im Widerspruch zu den übrigen Forderungen im Leistungsverzeichnis des Auftraggebers steht. Denn dem Bieter ist es verwehrt, seine eigene Ansicht an die Stelle des Auftraggebers zu setzen und nur solche Positionen auszufüllen, die er für sinnvoll erachtet.
3. Steht die Wahlposition tatsächlich im Widerspruch zu den sonstigen Anforderungen des Leistungsverzeichnisses, muss der Bieter den von ihm erkannten Verstoß gem. § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber rügen.

VPRRS 2010, 0249

OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.05.2010 - Verg W 1/08
1. Ein mit der Beschwerde angefochtener Beschluss der Vergabekammer wird infolge der Rücknahme des Nachprüfungsantrages auch hinsichtlich der in ihm enthaltenen Kostenentscheidung gegenstands- und wirkungslos.
2. Bei Rücknahme des Nachprüfungsantrags im Beschwerdeverfahren findet keine Erstattung von Auslagen statt, die den Beteiligten im Verfahren vor der Vergabekammer entstanden sind.
3. Fehlt es an einer vom Gericht veranlassten Zustellung der Beschwerdeschrift, entsteht kein Prozessrechtsverhältnisses in der Beschwerdeinstanz des Vergabenachprüfungsverfahrens. Dann gibt es in der Beschwerdeinstanz auch keine Kostenentscheidung.

VPRRS 2010, 0248

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.05.2010 - 1 VK 24/10
1. Grundsätzlich kann ein Angebot eines Bieters nur dann in der Wertung bleiben, wenn es die Preise und die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Erklärungen eindeutig, vollständig und zweifelsfrei enthält.
2. Bestehen Zweifel hinsichtlich des angebotenen Produkts, die auch nicht durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB eindeutig geklärt werden können, ist das Angebot schon aus Gründen der Gleichbehandlung aller Bieter auszuschließen. Andernfalls wäre die Wertung willkürlich und würde vom Gutdünken einer Vergabestelle abhängen oder von dem rein subjektiven Willen des Bieters.

VPRRS 2010, 0246

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.05.2010 - 1 VK 21/10
1. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A a.F. verlangt in Bezug auf die Preisangaben, dass jeder nach der Leistungsbeschreibung anzugebende Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben ist, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Bei dem Preis für die Baustelleneinrichtung dürfen deshalb nicht die Kosten für die Bauleitung eingerechnet werden.
2. Die Bildung einer Bietergemeinschaft ist grundsätzlich zulässig. Das Angebot einer Bietergemeinschaft kann allenfalls dann nicht zuzulassen sein, wenn die Mitglieder der Bietergemeinschaft sich durch den Zusammenschluss einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen.
3. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren ausgewirkt haben können.
4. "Ins Blaue hinein" erhobene Rügen sind unbeachtlich.

VPRRS 2010, 0242

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2010 - Verg 61/09
1. Die Nennung von "Planungsfabrikaten" ist nach § 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A (= Art. 23 Abs. 8 S. 2 VKR) nur zulässig, wenn "der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden" kann. Ist dies nicht der Fall, führt das grundsätzlich dazu, dass wegen der Verletzung des Grundsatzes produktneutraler Ausschreibung und unzulässiger Bevorzugung der Leitprodukte das Vergabeverfahren zu wiederholen ist.
2. Bietet ein Bieter andere als Leitfabrikate an, handelt es sich nicht um Varianten im Sinne des Art. 24 VKR (vgl. auch § 25 Nr. 4 VOB/A; diese sind vielmehr durch § 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A (= Art. 23 Abs. 8 S. 2 VKR) ohne Weiteres ausdrücklich zugelassen. Ein Ausschluss als nicht zugelassenes Nebenangebot wäre unzulässig.

VPRRS 2010, 0241

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010 - 15 Verg 4/10
1. Die Mitwirkung von Beratern / Sachverständigen am Vergabeverfahren wird durch § 6 VOL/A ausdrücklich zugelassen. "Nur" die Verantwortung für die Vergabe darf nicht an den Sachverständigen übertragen werden.
2. Allein die Anwesenheit eines Beraters beim Aufklärungsgespräch bietet keinen Anfangsverdacht und kein Indiz dafür, dass die Vergabestelle entgegen § 2 Nr. 3 VOL/A nicht die Verantwortung für den Beschaffungsvorgang getragen hat und die Entscheidungen, insbesondere solche, in denen ein Beurteilungsspielraum ausgefüllt bzw. ein Ermessen ausgeübt werden muss, nicht selbst getroffen hat bzw. treffen wird.
3. War der Berater nur anwesend und nicht einmal er, sondern ein Mitarbeiter der Vergabestelle führte das Gespräch, spricht der Umstand der Anwesenheit dafür, dass der anwesende Dritte nur beratende, nicht aber entscheidende Funktion besaß.
4. Daraus, dass die Beschlussvorlage die Tätigkeit und Mitwirkung eines Beraters nicht wiedergibt, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die Vergabestelle gegen den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit gemäß § 2 Nr. 3 VOL/A verstoßen hat.
5. Zur Frage des Verstoßes gegen den Vertraulichkeitsgrundsatz gemäß § 22 Nr. 6 VOL/A.
6. Eine erhebliche Differenz zwischen dem zu überprüfenden und dem nächst höheren Angebot reicht nicht aus, um einen ungewöhnlich niedrigen Preis anzunehmen. Vielmehr darf der niedrige Preis auch wettbewerblich nicht begründet sein.
7. Im Rahmen der Prüfung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A kann nur maßgeblich sein, ob der Bieter die geforderten Referenzen angegeben hat. Dabei ist unerheblich, ob den Referenzen eine Seite fehlt oder nicht.

VPRRS 2010, 0240

OLG Naumburg, Urteil vom 17.07.2007 - 9 U 164/06
1. Von Seiten des Auftraggebers eines Architektenvertrages ist eine außerordentliche Kündigung im Regelfall gerechtfertigt, wenn die Planung des Architekten vorgegebene Baukosten erheblich überschreitet, weil der Architekt die ihm bekannten Kostenvorstellungen seines Auftraggebers nicht berücksichtigt und eine Information über etwaige Kostenmehrungen unterlassen hat.
2. Eine selbständige Garantie im Sinne eines unbedingten Verpflichtungswillens des Architekten, für Abweichungen bei den Baukosten einstehen zu wollen, kann wegen der für ihn weitgehenden Risiken nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden. Sie setzt in der Regel voraus, dass der Umfang der für die Bausumme zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage der Entwurfsplanung bereits im Detail feststeht.
3. Ein beziffertes Kostenlimit, nach dessen Inhalt der Architekt für die Auskömmlichkeit eines bestimmten Baubudgets einzustehen hat, stellt im Regelfall eine Vereinbarung der Beschaffenheit des Architektenwerks im Sinne von § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB dar.
4. Beruht eine Kostenüberschreitung auf mangelhafter Planung, kann der Architekt keine Toleranzgrenze für sich beanspruchen.
5. Ein nachträgliches Weglassen von Bauteilen als dem Bauherrn zumutbare Maßnahme zur Einhaltung der Baukostenobergrenze kommt nur dann in Betracht, wenn die Planung ausgewogen bleibt, der Charakter des Bauvorhabens nicht wesentlich verändert wird und anzunehmen ist, dass der Auftraggeber von Anfang an damit einverstanden gewesen wäre, eine Verringerung der Baukosten durch das Entfallen von Bauteilen in dieser Form zu akzeptieren.
6. Hat der Besteller das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt, ist ihm eine Nacherfüllung des Unternehmers im Regelfall nicht zuzumuten.

VPRRS 2010, 0239

OLG Koblenz, Urteil vom 11.05.2007 - 5 U 1668/05
Auch eine Grundposition kommt grundsätzlich nur dann zum Tragen, wenn deren Einzelvoraussetzungen erfüllt sind. Dies folgt schon aus einem allgemeinen Verständnis und unabhängig davon, ob noch Zulagepositionen mit einem Zulagepreis für eine Zusatzleistung vorgesehen sind.

VPRRS 2010, 0238

VK Bund, Beschluss vom 19.04.2010 - VK 2-23/10
(ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2010, 0237

VK Bund, Beschluss vom 10.05.2010 - VK 3-42/10
Entschließt sich der Auftraggeber zur Beschaffung, ist er frei in seiner Entscheidung, welchen Auftragsgegenstand er für erforderlich oder wünschenswert hält, soweit diese Entscheidung an sach- und auftragsbezogenen Kriterien ausgerichtet ist.

IBRRS 2010, 2823

OLG Koblenz, Urteil vom 01.07.2009 - 1 U 1535/08
Das Mehrvergütungsrisiko bei nachträglich erkannten und behobenen Planungsfehlern liegt grundsätzlich beim Auftraggeber.

VPRRS 2010, 0234

VK Nordbayern, Beschluss vom 02.07.2010 - 21.VK-3194-21/10
1. § 21 Nr. 1 Abs. 2 letzter Satz VOB/A gibt vor, dass Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen zweifelsfrei sein müssen. Es muss eindeutig erkennbar sein, welche Leistungen zu welchen Preisen angeboten werden. Zwei unterschiedliche Preisangaben für dieselbe Leistung erfüllen diese Vorgabe nicht.*)
2. Der VSt ist es verwehrt, nach der Angebotsabgabe zu erfragen, welcher der Preise gelten soll. Verhandlungen über Änderung der Angebote oder Preise sind nach § 24 Nr. 3 VOB/A unstatthaft. Auch eine Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB würde nicht zu einer Eindeutigkeit der Preise beitragen, weil bei solch klarer Widersprüchlichkeit keine Auslegungsfähigkeit gegeben ist. Unterschiedliche Preisangaben für dieselbe Leistung führen daher gem. § 25 Nr. 1 b VOB/A zwangsläufig zum Ausschluss des Angebotes.*)
3. Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist nur ein Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein Schaden droht einem Antragsteller dann nicht, wenn er ohnehin keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags hat, weil sein Angebot unabhängig von den geltend gemachten Vergabeverstößen ausgeschlossen werden muss. An der Überprüfung dieser Verfahrensverstöße fehlt dann das Rechtsschutzinteresse. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann denkbar, wenn alle Bieter zwingend ausgeschlossen werden müssten und deshalb das Vergabeverfahren aufgehoben werden muss. In einem solchen Fall liegt der mögliche Schaden des Bieters darin, dass ihm die Möglichkeit genommen wird, sich im Falle der Neuausschreibung wiederum am Wettbewerb beteiligen zu können.*)

VPRRS 2010, 0232

VK Nordbayern, Beschluss vom 21.07.2008 - 21.VK-3194-27/08
1. Sinn der Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 GWB) ist es, dem Auftraggeber die Möglichkeit zu geben, Vergaberechtsfehler im frühest möglichen Stadium zu korrigieren, so dass unnötige Nachprüfungsverfahren vermieden werden können. Dabei ist zum Ausdruck zu bringen, welcher Sachverhalt konkret zugrunde gelegt und woraus im einzelnen ein Vergabeverstoß abgeleitet wird. Wird ein Verstoß gegen die Produktneutralität der Ausschreibung gerügt, ist zumindest das Leitfabrikat zu nennen, welches der Ausschreib*)
2. Es gebieten die mit dem Fehlen von Erklärungen verbundenen schwerwiegenden Folgen, dass die ausschreibende Stelle eindeutig bestimmt, welche Erklärungen sie für die Angebotswertung fordert. Wie die Leistung selbst eindeutig und erschöpfend zu beschreiben ist (vgl. § 9 Nr.1 VOB/A), erfordert es das Prinzip der Gleichbehandlung (§ 2 Nr. 2 VOB/A) auch, eine objektive Mehrdeutigkeit der Ausschreibungsunterlagen in den geforderten Erklärungen nicht zum Nachteil eines Bieters ausschlagen zu lassen.*)
3. Der Preis als ausschließliches Zuschlagskriterium ist trotz § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A, wonach der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird und der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist, zulässig. Denn dem Auftraggeber obliegt es, diejenigen Zuschlagskriterien zu benennen, deren Verwendung er für die Wertung der Angebote vorsieht ( §§ 25a Nr. 1, 10a Buchst. a VOB/A ). In diesem Rahmen kann er auch nur auf den Preis, dem in der Regel ohnehin ein erhebliches Gewicht zukommen muss, als für die Wertung allein entscheidendes Kriterium abstellen.*)
4. Nach § 9 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A ist die vom Bieter auszuführende Leistung so erschöpfend und eindeutig zu beschreiben, dass dem Bieter ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermittelt und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglicht wird ( § 9 Nr. 6 Abs. 2 VOB/A ). Nach § 9 Nr. 10 Satz 1 VOB/A ist die Leistung produktneutral zu beschreiben. Eine Verpflichtung zur Abfrage des Fabrikates bestehtdarüber hinaus nicht. Die VSt kann sich auch darauf beschränken, nach Öffnung der Angebote nur vom mindestnehmenden Bieter die Fabrikate/Typen der angebotenen Geräte zu erfragen. Solche Verhandlungen sind nach § 24 VOB/A statthaft.*)

VPRRS 2010, 0231

OLG München, Beschluss vom 05.11.2009 - Verg 15/09
1. Zum notwendigen Bestandteil einer Rüge gehört weder, dass der Bieter das Wort "Rüge" benutzt, noch, dass er die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens androht.*)
2. Enthält ein ausgeschriebener Auftrag sowohl Elemente eines Bauauftrages als auch eines Lieferauftrages, richtet sich der Charakter der ausgeschriebenen Leistung grundsätzlich nach dem Schwerpunkt der ausgeschriebenen Leistung.*)
3. Ein Bieter kann einen Verstoß gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn er selbst konkret durch die fehlende europaweite Ausschreibung in seinen Rechten verletzt worden ist.*)
4. Auch bei einem Verstoß des Auftraggebers gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung ist ein Angebot eines Bieters zwingend auszuschließen, wenn das Angebot aus anderen Gründen als der fehlenden Übereinstimmung mit dem vorgegebenen Produkt nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entspricht.*)

VPRRS 2010, 0228

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2009 - 15 Verg 5/09
1. Der Begriff der Bekanntmachung nach § 107 Abs. 3 GWB bestimmt sich unabhängig von der üblichen Form europaweiter Ausschreibungen nach § 17 VOL/A.
2. Für die Antragsbefugnis bedarf es der Darstellung eines Schadens oder einer konkreten Chancenbeeinträchtigung, wenn beanstandet wird, dass eine nationale Ausschreibung erfolgt ist, anstelle einer europaweiten Ausschreibung.
3. Zu Anforderungen an die Schätzung des Werts des Auftrags.

VPRRS 2010, 0227

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 - Verg 9/10
1. Der öffentliche Auftraggeber muss ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der zu beschaffenden Bauleistung haben.
2. Die Ausübung städtebaulicher Regelzuständigkeiten stellt kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse dar.
3. Der Verkauf eines Grundstücks unter Wert kann zur Annahme einer finanziellen Beteiligung des öffentlichen Auftraggebers und damit zu einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse an der Bauleistung führen.
4. Parkplätze müssen der Allgemeinheit oder dem öffentlichen Auftraggeber selbst dienen, um ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse auszulösen.

VPRRS 2010, 0221

OLG Koblenz, Beschluss vom 10.06.2010 - 1 Verg 3/10
1. Die Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB setzt keine vorherige Rechtsbehelfsbelehrung voraus, da keine Rechtsmitteleinlegungsfrist im Sinne des Anhangs VII A - Bekanntmachung Nr. 24 zur VKR bestimmt wird.
2. Hat der Auftraggeber von der Bekanntmachung geforderter Eignungsnachweise und damit auch von der indirekten Bekanntgabe eines Mindestanforderungsprofils für die Eignung im Sinne des § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB abgesehen, darf er die Eignung eines Bieters nicht allein nicht mit der Begründung verneinen, dieser habe noch keine Erfahrungen mit Leistungen der ausgeschriebenen Art.
3. Bei der TL-Transportable Schutzeinrichtungen 97 handelt es sich um eine nationale technische Spezifikation im Sinne des § 9 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e) VOB/A 2006.
4. Die Forderung eines Auftraggebers, die Einsatztauglichkeit einer passiven Schutzeinrichtung für Autobahnbaustellen mit einem "kompletten BAST-Prüfbericht" nachzuweisen, entspricht nicht mehr der Prüfpraxis der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt).
5. Ein Antragsteller, der die Einsatztauglichkeit der von ihm angebotenen passiven Schutzeinrichtung (noch) nicht auf andere Weise belegen kann, ist nicht antragsbefugt, weil ihm durch die fehlerhafte Forderung der Vergabestelle kein Schaden entstehen kann.

VPRRS 2010, 0219

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.04.2010 - Verg 60/09
Weder die Wartung einer Brandmeldeanlage noch die Auswechselung einzelner Meldegeräte unterfallen dem Begriff von Bauleistungen (oder -arbeiten). Es handelt sich um eine Dienstleistung.

VPRRS 2010, 0218

OLG München, Beschluss vom 08.06.2010 - Verg 8/10
Eine ausdrückliche oder faktische Beschränkung auf deutsche Referenzobjekte verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot. Werden die zentralen Anforderungen einer DIN-Norm erfüllt, sind geringe landesspezifische Abweichungen der ausländischen Referenzobjekte für die Eignungsprüfung unbeachtlich.

VPRRS 2010, 0216

LG Bielefeld, Urteil vom 27.04.2010 - 9 O 8/09
Bei einer Ausschreibung nach VOB/A beinhaltet eine Klausel, wonach die Bewehrung bei der LV-Position Fertigteildecke einzurechnen ist, nicht die Verpflichtung des Auftragnehmers, die Bewehrung in den Einheitspreis der Fertigteilelemente einzukalkulieren, wenn ihm hierfür keine hinreichenden Kalkulationsunterlagen, insbesondere keine statische Berechnung, zur Verfügung stehen.

VPRRS 2010, 0214

VK Sachsen, Beschluss vom 11.05.2010 - 1/SVK/011-10
1. § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A, der Eignungsnachweise mittels Eintragung in das PQ-Verzeichnis zulässt, sieht nach seinem Wortlaut vor, dass alle öffentlichen Auftraggeber, die zur Anwendung der VOB/A verpflichtet sind, den Eintrag in die Liste der Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen (PQ-Verzeichnis) als Eignungsnachweise verbindlich anerkennen. Daher setzt der Hinweis des Bewerbers auf seine durch PQ nachgewiesene Eignung keineswegs das Einverständnis des Auftraggebers voraus.*)
2. Das Präqualifizierungsverfahren dient der Entbürokratisierung und Vereinfachung des Vergabeverfahrens und soll dem Bieter die zeit- und kostenaufwändige Mühe ersparen, für jede neue Ausschreibung um die er sich bewirbt erneut die geforderten Eignungsunterlagen zusammenzustellen. Dieses dem Grunde nach begrüßenswerte System der Präqualifikation würde ad absurdum geführt, wenn Nachweislücken, die sich lediglich aufgrund der noch nicht durch die Präqualifizierungsstelle erfolgten jährlichen Aktualisierungen ergeben, zu Lasten eines Bieters gingen. Denn dann wäre dieser wiederum vor jeder neuen Ausschreibung gehalten, zu überprüfen, ob die hinterlegten Dokumente noch dem aktuellen Anforderungsniveau entsprechen.*)
3. Etwas anderes gilt generell für den Fall, dass der Auftraggeber gesonderte, auftragsbezogene Eignungsnachweise fordert, die nicht in dem PQ-System hinterlegt sind. Hier ist und bleibt es Sache des Bieters darauf zu achten, dass er diese zusätzlichen Nachweise fristgerecht und anforderungsgemäß erbringt, da anderenfalls das Angebot vom Ausschluss bedroht ist.*)

VPRRS 2010, 0212

VK Lüneburg, Beschluss vom 19.03.2010 - VgK-09/2010
1. Ein Bieter ist gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB mit seiner Beschwerde dann präkludiert, soweit er einen Verstoß erkennt, aber nicht sofort rügt, sondern die Wertung abwartet.
2. Werden geforderte Unterlagen nicht vorgelegt, führt dies zum zwingenden Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs.1 b, § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A.
3. Zur Frage der Zulässigkeit der Forderung nach einer bauaufsichtlichen Zulassung.

VPRRS 2010, 0211

VK Sachsen, Beschluss vom 20.04.2010 - 1/SVK/008-10
1. Ist eine "Soll-Vorgabe" Bestandteil des Leistungsverzeichnisses, so ist diese als zwingend zu verstehen, wenn keine Abweichung von diesem Regelfall zugelassen wird. Eine Soll-Vorgabe führt nicht dazu, dass es in das Belieben des Bieters gestellt wird, ob er diese erfüllt oder nicht.*)
2. Ist in den Verdingungsunterlagen die Zertifizierung eines komplexen Systems mit verschiedenen Komponenten gefordert, so hat der Auftraggeber im Sinne der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung nach § 9 Nr. 1 VOB/A zu bezeichnen, welche Komponenten nach welchen Prüfnormen zu zertifizieren sind.*)

VPRRS 2010, 0207

VK Sachsen, Beschluss vom 10.03.2010 - 1/SVK/001-10
1. Kommt ein Bieter dem Verlangen des Auftraggebers nach Vorlage von EFB-Preisblättern zuvor, in dem er bereits mit Angebotsabgabe das entsprechende Formblatt vollständig ausgefüllt vorlegt, muss er sich an dieser vollständigen Erklärung auch festhalten lassen. Ergeben sich aus diesem Formblatt Widersprüche zu den übrigen Aussagen im Angebot, geht dies zu Lasten des Bieters. Ein Ausschluss des Angebotes wegen Unklarheit der darin enthaltenen Erklärungen ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt.*)
2. Sehen die Bewerbungsbedingungen folgende Formulierung vor: "Das Angebot muss die Preise und die in den Vergabeunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten. Unvollständige Angebote werden ausgeschlossen. Dasselbe gilt, wenn die von der Vergabestelle gesondert verlangten Unterlagen nicht zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt vorgelegt werden." so sind bei gesondert verlangten Unterlagen mit fruchtlosem Ablauf der Vorlagefrist Angebote auszuschließen.*)

VPRRS 2010, 0202

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.04.2010 - 1 VK LVwA 65/09
1. Zu den Anforderungen an die formelle Vollständigkeit der einzureichenden Unterlagen einer Bewerbung.
2. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist dann gegeben, wenn sämtliche abgegebenen Teilnahmeanträge an einem gleichwertigen Mangel leiden. Bei Zweifeln an der Korrektheit der inhaltlichen Auswertung eines Teilnahmeantrages, ist kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz anzunehmen, wenn der Teilnahmeantrag der Antragstellerseite bereits formell unvollständig ist, die inhaltliche Bewertung konkurrierender Teilnahmeanträge bleibt dann unbeachtlich.

VPRRS 2010, 0440

VK Saarland, Beschluss vom 08.03.2010 - 1 VK 3/2010
1. Nach der Rechtssprechung des EuGH vom 28.01.2010 zum Merkmal der "Unverzüglichkeit" (Rs. C-406/08 und C-456/08) ist ein Nachprüfungsantrag zukünftig in der Regel nicht schon deshalb als unzulässig einzustufen, weil der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß nicht "unverzüglich" im Sinne von § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt wurde. Dies gilt bis zu einer eventuellen Klarstellung durch den Gesetzgeber oder einer einschlägigen anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.*)
2. Die Präklusionstatbestände des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GWB bleiben von dieser Rechtssprechung des EuGH unberührt.*)
3. Ein Vergabeverstoß hinsichtlich der sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Mängel ist immer dann erkennbar, wenn einem Bieter die Tatsachen, die einen möglichen Vergabeverstoß begründen, aus den ihm zugänglichen Unterlagen bewusst werden können. Dies löst eine Rügepflicht nach Maßgabe von § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB bis zur Angebotsabgabefrist aus, zumindest jedoch eine Pflicht zur Thematisierung der Problematik gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer Bieteranfrage.*)
4. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren verlangt, dass dem öffentlichen Auftraggeber alle zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen. Ob einem Umstand Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt, entscheidet einzig und allein der Auftraggeber. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.*)
5. Die Wettbewerbsrelevanz ist irrelevant, da es hierauf weder ankommt, noch Sache des Bieters ist, zu entscheiden, was der Auftraggeber für wettbewerbsrelevant hält. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind auszuschließen, unabhängig davon, ob es sich um wettbewerbserhebliche Erklärungen oder Nachweise handelt oder um solche, deren Fehlen keinen Einfluss auf den Preis, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebotes haben. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt, dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind.*)
6. Nur dann, wenn der Auftraggeber nach § 24 VOB/A mit dem Bieter verhandeln darf, fehlt regelmäßig ein zwingender Grund für den Ausschluss.*)

VPRRS 2010, 0200

VK Saarland, Beschluss vom 08.03.2010 - 1 VK 03/2010
1. Nach der Rechtssprechung des EuGH vom 28.01.2010 zum Merkmal der "Unverzüglichkeit" (Rs. C-406/08 und C-456/08) ist ein Nachprüfungsantrag zukünftig in der Regel nicht schon deshalb als unzulässig einzustufen, weil der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß nicht "unverzüglich" im Sinne von § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt wurde. Dies gilt bis zu einer eventuellen Klarstellung durch den Gesetzgeber oder einer einschlägigen anderslautenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.*)
2. Die Präklusionstatbestände des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 GWB bleiben von dieser Rechtssprechung des EuGH unberührt.*)
3. Ein Vergabeverstoß hinsichtlich der sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden Mängel ist immer dann erkennbar, wenn einem Bieter die Tatsachen, die einen möglichen Vergabeverstoß begründen, aus den ihm zugänglichen Unterlagen bewusst werden können. Dies löst eine Rügepflicht nach Maßgabe von § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB bis zur Angebotsabgabefrist aus, zumindest jedoch eine Pflicht zur Thematisierung der Problematik gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber im Rahmen einer Bieteranfrage.*)
4. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren verlangt, dass dem öffentlichen Auftraggeber alle zur Kennzeichnung der angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen. Ob einem Umstand Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt, entscheidet einzig und allein der Auftraggeber. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.*)
5. Die Wettbewerbsrelevanz ist irrelevant, da es hierauf weder ankommt, noch Sache des Bieters ist, zu entscheiden, was der Auftraggeber für wettbewerbsrelevant hält. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind auszuschließen, unabhängig davon, ob es sich um wettbewerbserhebliche Erklärungen oder Nachweise handelt oder um solche, deren Fehlen keinen Einfluss auf den Preis, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebotes haben. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt, dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind.*)
6. Nur dann, wenn der Auftraggeber nach § 24 VOB/A mit dem Bieter verhandeln darf, fehlt regelmäßig ein zwingender Grund für den Ausschluss.*)

VPRRS 2010, 0196

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.02.2010 - 1 VK 4/10
1. Angebote aber, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind zwingend auszuschließen. Die Gleichbehandlung aller Bieter ist nur gewährleistet, wenn alle Angebote die geforderten Erklärungen enthalten. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt, dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Alle Erklärungen, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbare Angebote vorliegen.
2. Eine gesonderte Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und ein Antragsteller erst im Verlaufe der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.
3. Bei gleichbleibender Sachlage ist ein Auftraggeber grundsätzlich an seine einmal getroffene Beurteilung der Eignung gebunden.

VPRRS 2010, 0195

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.12.2009 - 1 VK 63/09
Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags folgt nicht daraus, dass durch die Vergabestelle eine europaweite Ausschreibung erfolgt ist. Maßgebend für die Anwendbarkeit der §§ 97 ff GWB ist ausschließlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Vergabenachprüfungsverfahrens vorliegen. Eine Selbstbindung der Vergabestelle kann lediglich dazu führen, dass sich diese im Verlaufe des Vergabeverfahrens an die Verfahrensbestimmungen zu halten hat. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass damit ein Nachprüfungsverfahren eröffnet wird.

VPRRS 2010, 0194

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.02.2010 - 1 VK 75/09
1. Die fehlende finanzielle Sicherung eines Projekts kann nicht Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein.
2. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A dient grundsätzlich nur dem Schutz der Vergabestelle. Die Regelungen sollen dazu dienen, spätere Schäden der Vergabestelle zu verhindern, weil der Auftragnehmer, der einen unangemessen niedrigen Preis anbietet, den Auftrag möglicherweise nicht oder nicht ordnungsgemäß ausführt. Diese Vorschriften bezwecken nicht, den Konkurrenten zu schützen, so dass dieser sich nicht auf deren Verletzung berufen kann.

VPRRS 2010, 0446

OLG München, Beschluss vom 21.05.2010 - Verg 2/10
1. Hat die Vergabekammer auf Nachprüfungsantrag eines Bieters eine Wiederholung des Vergabeverfahrens für mehrere Lose einer Ausschreibung angeordnet und legt nur ein Beigeladener sofortige Beschwerde ein, wird die Entscheidung der Vergabekammer bezüglich der Lose bestandskräftig, für die der beigeladene Beschwerdeführer kein Angebot abgegeben hat. Der Antragsteller kann nicht im Wege einer unselbständigen Anschlussbeschwerde den Ausschluss anderer Beigeladener erreichen.*)
2. Der Beschwerdebefugnis eines Beigeladenen steht nicht entgegen, dass der Antragsteller Gründe für den Ausschluss des Beigeladenen vorbringt, über die die Vergabekammer nicht entschieden hat.*)
3. Im Verhandlungsverfahren genügt es nicht, dem Bieter unmittelbar zu Beginn einer für die Wertung maßgeblichen Befragung zu eröffnen, welche Unterkriterien für den Auftraggeber maßgeblich sind.*)
4. Vor einer Zuschlagsentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren nur insoweit zu wiederholen, als sich ein Vergabefehler ausgewirkt haben kann. Steht fest, dass der Bieter auch bei Vermeidung des Vergabefehlers keine Aussicht auf den Zuschlag hat, ist sein Nachprüfungsantrag unbegründet.*)
5. Der öffentliche Auftraggeber hat einen Ermessensspielraum bei der Prüfung der Eignung eines Bieters.*)
6. Der Zuschlag darf auch auf ein Angebot mit einem niedrigen Preis erteilt werden, sofern der Auftraggeber eine sachlich fundierte, vertretbare Prognose trifft, dass der Bieter die Leistung zuverlässig und vertragsgerecht erbringen wird und konkrete Belege für ein wettbewerbsbeschränkendes oder unlauteres Unterangebot fehlen.*)

VPRRS 2010, 0193

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.01.2010 - 1 VK 67/09
1. Ein Bieter hat keinen allgemeinen Überprüfungsanspruch hinsichtlich des staatlichen Verhaltens.
2. Liegt das Angebot eines Bieters auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang, lässt dies die Antragsbefugnis grundsätzlich entfallen, da auf einem abgeschlagenen Platz in der Bieterreihenfolge liegende Antragsteller (auch bei Wegfall der für den Zuschlag vorgesehenen Bieter)keine realistische Aussicht auf eine Zuschlagserteilung haben.

VPRRS 2010, 0191

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.04.2010 - 1 VK 19/10
1. Nach § 108 Abs. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag schriftlich einzureichen. Er ist unverzüglich zu begründen. Der Sachverhalt mit den hieraus sich ergebenden Rechtsverletzungen ist darzulegen. Dabei sind zwar keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, die Sachverhaltsdarstellung hat aber doch so konkret zu sein, dass sich hieraus substantiiert die Verletzung von Vergabevorschriften ergibt. Durch die Bestimmung soll der Auftraggeber davor geschützt werden, mit Anträgen ins "Blaue hinein" konfrontiert zu werden.
2. Der Antragsteller hat nicht nur darzulegen, dass eine Rüge überhaupt erfolgt ist, sondern auch, dass das rechtzeitig geschehen ist. Fehlen diesbezügliche Angaben, ist die Begründung unvollständig, der Antrag somit unzulässig.
3. Liegt ein Ausnahmefall vor, der eine Rüge entbehrlich erscheinen lässt, ist dies ebenfalls in der Begründung darzustellen.

VPRRS 2010, 0189

OLG Celle, Beschluss vom 10.06.2010 - 13 Verg 18/09
1. Die Entscheidung darüber, ob ein Vergabeverfahren aufgehoben wird, steht nach dem Wortlaut des § 26 Nr. 1 VOB/A im Ermessen der Vergabestelle.*)
2. Ist ein Eilantrag aus Gründen erfolglos geblieben, die allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind (unzulässiger Antrag), ist es billig, die Kosten hierfür allein ihm aufzuerlegen, auch wenn seine Beschwerde zum Teil Erfolg hat.*)

VPRRS 2010, 0188

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.01.2010 - 1 VK 70/09
Wenn von einem erfahrenen und fachkundigen Bieter ein Produkt angeboten wird, muss sich der Auftraggeber zumindest auch an diesen wenden, wenn seine eigene Marktrecherche zu Zweifeln führt. Er kann seine möglicherweise unzutreffenden Rückschlüsse nicht ohne Weiteres gegen den Bieter verwenden, sondern sollte diesen im Rahmen eines gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A zulässigen Aufklärungsgesprächs zu seinem Angebot befragen. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, dass sich der Ausschluss eines Bieters hinterher als rechtwidrig erweist.

VPRRS 2010, 0187

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2010 - 1 VK 71/09
1. Wenn von einem erfahrenen und fachkundigen Bieter ein Produkt angeboten wird, muss sich der Auftraggeber zumindest auch an diesen wenden, wenn seine eigene Marktrecherche zu Zweifeln führt. Er kann seine möglicherweise unzutreffenden Rückschlüsse nicht ohne weiteres gegen den Bieter verwenden, sondern sollte diesen im Rahmen eines gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A zulässigen Aufklärungsgesprächs zu seinem Angebot befragen. Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, dass sich der Ausschluss eines Bieters im Nachhinein als rechtwidrig erweist.
2. Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Der öffentliche Auftraggeber hat sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, ob ein niedriges Unterkostenangebot berücksichtigt und ggf. bezuschlagt werden kann oder nicht. Hierzu ist festzustellen, ob ein überprüfungspflichtiges niedriges Angebot vorliegt. Im weiteren hat er das Angebot auf seine wirtschaftliche Auskömmlichkeit zu überprüfen, wobei der Bieter zu hören ist. Schließlich ist unter Berücksichtigung der Stellungnahme und der Erläuterungen des Bieters zu werten, ob trotz des niedrigen Angebots eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu erwarten ist oder nicht.

VPRRS 2010, 0180

OLG Celle, Beschluss vom 03.06.2010 - 13 Verg 6/10
1. Können gemäß der Allgemeinen Baubeschreibung Nebenangebote nur gewertet werden, wenn sie "sämtliche Vertragsbedingungen" erfüllen, "insbesondere Verdingungsunterlagen, technische Vorschriften, Normen und Lastangaben", so ist auch eine Auslegung dahingehend vertretbar, dass die Vergabestelle mit der ausdrücklichen Nennung der "Verdingungsunterlagen"- wenn auch sprachlich missglückt - lediglich die in den Verdingungsunterlagen enthaltenen allgemeinen, formellen Vertragsbedingungen und die "technischen Vorschriften, Normen und Lastangaben" in Bezug nehmen, im Übrigen aber - nur- die dem ersten Spiegelstrich nachfolgenden Mindestbedingungen stellen; mithin Konstruktionsalternativen (wie Wellenspundwände statt Kombinierten Spundwänden) gerade nicht ausschließen wollte.
2. Unklarheiten in den Vergabeunterlagen gehen nicht zu Lasten der Bieter. Daher kann ein Bieter, der unklare oder widersprüchliche Anforderungen der Vergabestelle in vertretbarer Weise ausgelegt und sein (Neben-)Angebot auf diese mögliche Auslegung ausgerichtet hat, nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, sein (Neben-)Angebot entspreche nicht den Ausschreibungsbedingungen.
3. Grundsätzlich steht es jedem Bieter frei, so zu kalkulieren, wie er es für richtig hält; dies ist Bestandteil seiner unternehmerischen Freiheit. Vergaberechtlich problematisch wäre lediglich ein "Auf- und Abpreisen", d. h. ein "Verstecken" von Kostenbestandteilen einzelner Positionen in anderen.
4. Zur Prüfung der Gleichwertigkeit von Nebenangeboten.

VPRRS 2010, 0179

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.12.2009 - 1 VK 60/09
1. Angebote, bei denen geforderte Erklärungen und Nachweise fehlen, sind zwingend vom Verfahren auszuschließen. Der Grundsatz der Transparenz und Gleichbehandlung verlangt,dass die Angebote in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Alle Erklärungen und Nachweise, die der Auftraggeber dadurch, dass er sie gefordert hat, als Umstände ausgewiesen hat, deren Vorlage für die Entscheidung relevant sein sollen, haben vorzuliegen, da ansonsten keine in jeder Beziehung vergleichbaren Angebote vorliegen.
2. Von diesem Grundsatz ist nicht nur bei der Abgabe von Angeboten auszugehen, sondern auch bei Teilnahmeanträgen.
3. Eine Rüge ist entbehrlich, wenn ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist und der Antragsteller im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens von weiteren Vergabeverstößen Kenntnis erlangt, die bisher nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

VPRRS 2010, 0177

OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.05.2010 - Verg W 15/09
1. Der rechtliche Charakter des zu vergebenden Auftrags ist daran festzumachen, welche Hauptleistung der Auftragnehmer vertraglich schuldet. Hat der Auftraggeber die betriebsbereite Errichtung von Bauwerken mit einer speziellen technischen Funktion ausgeschrieben, ist der Auftrag als Bauauftrag, nicht als Lieferauftrag anzusehen.*)
2. Der Umstand, dass der Auftrag tatsächlich anders ausgeführt wird als ausgeschrieben, kann nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, in dem die Vergabe der ausgeschriebenen Leistung überprüft wird.*)

VPRRS 2010, 0175

OLG Koblenz, Beschluss vom 26.05.2010 - 1 Verg 2/10
1. Der Entscheidung des Preisgerichts kommt trotz der ihr eigenen Verbindlichkeit (§ 661 Abs. 2 Satz 2 BGB) keine dem Zuschlag entsprechende Wirkung zu mit der Folge, dass ein nach dieser Entscheidung eingehender Nachprüfungsantrag unzulässig wäre (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.03.2004 - Verg 4/04).
2. Das Preisgericht muss allen in die engere Wahl genommenen Arbeiten, also auch den besten Nichtpreisträgern, einen Rang zuzuweisen.

VPRRS 2010, 0174

VK Berlin, Beschluss vom 12.10.2007 - VK B 2 - 29/07
1. Zur Rechtzeitigkeit und Substantiiertheit einer Rüge*)
2. Ein Bieter darf sich nicht beliebig lange mit der Erforschung etwaiger Verfahrensmängel beschäftigen, um dann, wenn er meint, fündig geworden zu sein, die Ergebnisse in ein Nachprüfungsverfahren einzubringen.*)
3. Ein Antrag ist offensichtlich unzulässig, wenn Tatsachen zum Vorliegen seiner maßgeblichen Voraussetzungen nicht oder nicht rechtzeitig vorgetragen werden.*)

VPRRS 2010, 0173

VK Berlin, Beschluss vom 18.03.2010 - VK-B2-3/10 E
1. Voraussetzung für eine Gestattung des Zuschlags des § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB ist, dass der Auftraggeber bereits ein Unternehmen ausgewählt hat, dem der Zuschlag erteilt werden soll, und die übrigen Bieter darüber gemäß § 101a GWB darüber informiert hat.*)
2. Der Eilbeschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.*)

VPRRS 2010, 0171

VK Berlin, Beschluss vom 29.10.2009 - VK-B2-28/09
1. Der Auftraggeber darf auf eine förmliche Unterrichtung nach § 101a Abs. 1 Satz 1 GWB nur dann verzichten, wenn ein Bewerber oder Bieter endgültig aus dem weiteren Vergabeverfahren ausgeschieden ist, das heißt wenn der Auftraggeber sicher sein kann, dass die Ablehnung rügelos hingenommen worden ist, oder die Wirksamkeit eines Ausschlusses rechtskräftig festgestellt wurde.*)
2. Zur Abweichung von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses*)
3. Zur Gleichwertigkeit eines Mangels bei nicht zugelassenem Alternativangebot*)

VPRRS 2010, 0168

LG Cottbus, Urteil vom 03.03.2010 - 6 O 258/07
Außergewöhnliche Witterungsverhältnisse, derentwegen eine bauseitige Vorleistung nicht rechtzeitig erbracht werden kann und sich infolgedessen die Bauzeit verschiebt bzw. verlängert, können zu einem Anspruch des Unternehmers aus § 642 BGB führen. Der Besteller kann das Baugrundstück nicht zur Verfügung stellen und unterlässt damit eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung.

VPRRS 2010, 0163

OLG Dresden, Beschluss vom 16.03.2010 - WVerg 2/10
1. Eine Preisangabe fehlt dann nicht, wenn sie zwar nicht an der vorgegebenen Stelle, aber nur geringfügig verschoben erfolgt ist, ohne dass deshalb ein abweichender Sinngehalt auch nur möglich erschiene.*)
2. Eine zulässige Bietergemeinschaft liegt nicht nur dann vor, wenn ihre Mitglieder voneinander abgrenzbare Teilleistungen einer ausgeschriebenen Gesamtleistung erbringen, sondern auch dann, wenn die Unternehmen etwa aus Kapazitätsgründen ein gemeinsames Interesse an dem zu vergebenden Auftrag haben und ungeachtet ihrer unternehmensrechtlichen Trennung bei der Erfüllung des Vertrages als operative geschäftliche Einheit handeln.*)

VPRRS 2010, 0162

VK Köln, Beschluss vom 10.05.2010 - VK VOL 10/2010
In europaweiten Vergabeverfahren sind die Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für die Berücksichtigung von Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der entsprechende Runderlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit Nordrhein-Westfalen nicht anwendbar.

VPRRS 2010, 0161

OLG Dresden, Urteil vom 04.11.2008 - 9 U 870/08
1. Die Unterzeichnung eines Werkvertrags durch zwei Unternehmen kann eine baurechtliche ARGE begründen.
2. Im Falle der Insolvenz eines ARGE-Partners ist der andere nicht alleine befugt, Forderungen der ARGE geltend zu machen.

VPRRS 2010, 0155

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.10.2009 - VK 2-38/09
1. Der Verzicht auf die Vergabe ist rechtswidrig, wenn er gegen das Willkürverbot verstößt und für die Antragstellerin eine Diskriminierung darstellt.
2. Sofern es sich um eine Scheinaufhebung handelt, die dazu führen würde, einen Bewerber, der in dem ursprünglichen Verfahren keine Chance hatte, im Rahmen einer freihändigen Vergabe zu begünstigen, ist die Aufhebung nicht rechmäßig.
3. Der Auftraggeber hat die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer rechtmäßigen Aufhebung bzw. eines rechtmäßigen Verzichts auf die Vergabe.

VPRRS 2010, 0154

LG Saarbrücken, Beschluss vom 20.10.2009 - 4 O 450/09
1. Die Beifügung eigener AGB, die von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen abweichen, kann zum Angebotsausschluss führen.
2. Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot geändert worden sind, ist durch Vergleich des Inhalts des Angebots mit den in den Verdingungsunterlagen geforderten Leistungen festzustellen.
3. Sind Angebotsverstöße so gering, dass weder der Wettbewerb noch die Eindeutigkeit des Angebotsinhaltes noch das vom Auftraggeber nach dem Leistungsprogramm gewollte ernsthaft in Gefahr geraten, besteht kein Anlass, diese Angebote auszuschließen und es kann eine Abstimmung auf den richtigen Angebotsinhalt durch die in § 24 VOB/A gegebene Möglichkeit erfolgen.

VPRRS 2010, 0153

EuGH, Urteil vom 06.05.2010 - Rs. C-149/08
1. Ein gemischter Vertrag, dessen Hauptgegenstand der Erwerb von 49 % des Kapitals eines öffentlichen Unternehmens durch ein Unternehmen und dessen untrennbar mit diesem Hauptgegenstand verbundener Nebengegenstand die Erbringung von Dienstleistungen und die Durchführung von Bauarbeiten betrifft, fällt nicht in seiner Gesamtheit in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien.*)
2. Das Unionsrecht, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz, steht einer nationalen Regelung entgegen, die dahin ausgelegt wird, dass die Mitglieder einer in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Bieterin aufgetretenen Gelegenheitsgesellschaft nicht die Möglichkeit haben, individuell Ersatz des Schadens zu verlangen, den sie aufgrund einer Entscheidung individuell erlitten zu haben behaupten, die von einer anderen Behörde als dem öffentlichen Auftraggeber, welche nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften an diesem Verfahren beteiligt gewesen ist, getroffen worden ist und den Ablauf des Verfahrens beeinflussen konnte.*)
