Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5422 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2010
VPRRS 2010, 0371
VK Südbayern, Beschluss vom 19.03.2010 - Z3-3-3194-1-04-01/10
1. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten ist allein für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist.*)
2. Sinn der Auskömmlichkeitsprüfung liegt darin, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, mit seinen Argumenten darzulegen, dass er in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen. Bei dieser Prognoseentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber zwar keinen Ermessensspielraum, dafür aber einen Beurteilungsspielraum, der einer nur eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterliegt. Eine Verletzung dieses Beurteilungsspielraums liegt nur dann vor, wenn die von der Vergabestelle getroffenen Sachverhaltsermittlungen und - feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen und sachwidrigen Erwägungen beruhen.*)

VPRRS 2010, 0369

VK Arnsberg, Beschluss vom 02.07.2010 - VK 12/10
Gemäß § 25a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A 2006 darf der Auftraggeber nur die Kriterien berücksichtigen, die sich aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Dabei sind die als Mindestkriterien bezeichneten Vorgaben für den Auftraggeber unverzichtbar.*)

VPRRS 2010, 0368

VK Lüneburg, Beschluss vom 10.06.2010 - VgK-21/2010
1. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das den Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden. Es ist nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig darlegt, er hätte bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers im laufenden Verfahren ohne Neuausschreibung den Zuschlag auch tatsächlich erhalten.
2. Wenn die Auftraggeberin in der Benachrichtigung an die unterlegenen Bieter eine Frist für den frühesten Vertragsschluss setzt, die über die Mindestfristen des § 101a Abs. 1 Satz 3 und 4 GWB hinausgeht, darf sie zum Schutz der unterlegenen Bieter vor Ablauf dieser Frist den Auftrag nicht erteilen.
3. Gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 1 GWB ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des EUGH (vgl. Urteile vom 28.01.2010 in den Rechtssachen C-406/08 und C-456/08) ist die Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht mehr anwendbar.
4. Zu den materiellen Dokumentationspunkten zählen insbesondere die Verfahrensphasen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie etwa bei der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote. Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Eine nachträgliche Heilung im Nachprüfungsverfahren ist nicht möglich.

IBRRS 2010, 4185

VK Arnsberg, Beschluss vom 06.07.2010 - VK 7/10
1. Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A 2006 sind die geforderten Preise anzugeben und gemäß Abs. 3 sind Veränderungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig. Die Angabe der negativen Einheitspreise erfüllt die beiden Tatbestände.*)
2. Negative Preise sind keine Preise. Sie bezeichnen vielmehr eine Zahlung und damit eine Leistung des Bieters. Das ist materiell das Gegenteil eines Preises. Die Angabe einer Leistung im Preisverzeichnis ist damit logisch eine Abänderung des Leistungsverzeichnisses und damit auch subsummierbar unter § 21 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2006.*)
3. In der Sache handelt es sich bei der Nullpreisangabe oder bei Negativpreisen damit zunächst immer auch um eine fehlende Preisangabe. Ob sie wettbewerbsfeindlich sind, ist eine Frage des Einzelfalles, deren Prüfung dazu führen kann, dass keine Störung des Wettbewerbs und der Grundsätze des Vergaberechts mit der Wertung verbunden sind.*)

VPRRS 2010, 0365

VK Lüneburg, Beschluss vom 25.06.2010 - VgK-24/2010
1. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen ein durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden. Es ist im Übrigen aber nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte.
2. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt.
Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen.
Ausreichend ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, im Zuge einer ihm durch die Nachprüfungsinstanzen aufgegebenen erneuten Angebotswertung bislang vorhandene Wertungsfehler zu beseitigen. Das gilt unabhängig davon, ob sie Gegenstand der betreffenden Nachprüfungsentscheidung waren oder nicht. Ein Vertrauen der Bieter auf Beibehaltung der bisherigen vergaberechtswidrigen Wertung ist rechtlich nicht schützenswert und deshalb schon aus Rechtsgründen nicht anzuerkennen.
4. Enthält die Leistungsbeschreibung bei einer Teilleistung eine Produktangabe mit Zusatz "oder gleichwertig" und wird vom Bieter dazu eine Produktangabe verlangt, ist das Fabrikat (insbesondere Herstellerangabe und genaue Typenbezeichnung) auch dann anzugeben, wenn der Bieter das vorgegebene Fabrikat anbieten will. Dies gilt nicht, wenn er im Angebotsschreiben erklärt, dass er das in der Leistungsbeschreibung benannte Produkt anbietet. Enthält das Angebot weder die Produktangabe noch die Erklärung, ist das Angebot unvollständig.
5. Die in der Literatur auch vertretene weite Auslegung des Begriffes der "technischen Spezifikation" schließt die gesamten technischen Anforderungen im Leistungsverzeichnis ein. Hingegen sind technische Spezifikationen aus Sicht der Kammer die Bezugnahme und Bezeichnung von Normen mit der Folge, dass im Leistungsbeschrieb genannte zusätzliche individuelle Festlegungen keine technischen Spezifikationen sein können.

VPRRS 2010, 0441

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.04.2010 - VK 2-7/10
1. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB kann aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 28. Januar 2010 (Rs. C-406/08) derzeit grundsätzlich nicht angewandt werden.*)
2. Prüfungsmaßstab für die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen das Vergaberecht im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB ist die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Bieters.*)
3. Die Frist zwischen der Bekanntgabe der Nichtabhilfe und der Einreichung des Nachprüfungsantrags gern. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ist als echte Rechtsbehelfsfrist anzusehen. Auf die Frist ist grundsätzlich in der Vergabebekanntmachung hinzuweisen. Geschieht dies nicht, ist diese Ausschlussfrist nicht anwendbar.*)
4. Der Bieter soll aufgrund der Bekanntmachung klar und zweifelsfrei erkennen können, ob er für die Abgabe eines Angebots in Frage kommt. Er muss sich anhand der Bekanntmachung überlegen können, ob er die geforderten Nachweise erbringen kann und auf welche Weise.*)
5. Bei einem vorgeschalteten Teilnahmeverfahren ist die Eignung grundsätzlich anhand der mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Nachweise zu prüfen.*)

VPRRS 2010, 0362

VG Potsdam, Urteil vom 17.08.2010 - 3 K 1383/05
Soweit dem Zuwendungsempfänger in Ziff. 3.1 ANBest-G bei der Vergabe von Aufträgen für Bauleistungen die Beachtung der VOB/A aufgegeben wird, rechtfertigen unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und der haushaltsrechtlichen Zielsetzung der Zuwendung nur schwere Vergaberechtsverstöße eine Versagung der begehrten Zuwendung. Eine Verwaltungspraxis, wonach formelle und materielle Fehler im Vergabeverfahren regelmäßig und unabhängig von der Schwere des Verstoßes, zum Förderausschluss führen, ist rechtswidrig.*)

VPRRS 2010, 0361

BGH, Beschluss vom 23.09.2010 - VII ZR 213/08
Eine Anhörungsrüge ist unbegründet, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt wird.

VPRRS 2016, 0010

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.10.2010 - VK 2-33/10
Nebenangebote sind zwingend von der Wertung auszuschließen, wenn sie nicht alle geforderten Preise, Angaben bzw. Erklärungen enthalten.

VPRRS 2010, 0358

KG, Beschluss vom 10.12.2009 - 2 Verg 5/09
1. Dem Bieter ist selbst nach der positiven Kenntnis von den Tatsachen, die den Vergabefehler aus seiner Sicht begründen, noch Zeit einzuräumen, sich rechtlich beraten zu lassen und das Ergebnis dieser Beratung in eine Entscheidung umzusetzen.
2. Der Auftraggeber hat die Möglichkeit, Anforderungen an Eignungsnachweise nach der Bekanntmachung der Ausschreibung zu modifizieren, solange nicht zusätzliche Eignungsnachweise gefordert werden. Anders als erschwerende Modifikationen und das spätere Aufstellen ergänzender Anforderungen steht es dem Auftraggeber frei, seine Anforderungen im Laufe des Verfahrens zu modifizieren, solange dadurch nicht der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter und der im Vergabeverfahren zu wahrende Transparenzgrundsatz verletzt werden.
3. Erleichtert der Auftraggeber seine ursprünglichen Anforderungen in einer Weise, dass anzunehmen ist, dass sich potenzielle Bieter, hätten sie die späteren Erleichterungen von Anfang an gekannt, ebenfalls an der Vergabe beteiligt und ein Angebot abgegeben hätten, kann von einem chancengleichen und transparenten Vergabeverfahren nicht mehr gesprochen werden.
4. Nur die Nichtbefolgung einer vom Auftraggeber unzweideutig und unmissverständlich aufgestellten und von einem fachkundigen Bieter so zu verstehenden Forderung nach einer Einreichung von Unterlagen darf zum Anlass genommen werden, das betreffende Angebot von der weiteren Wertung auszuschließen. Verbleibende Unklarheiten gehen dagegen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers.
5. Solange nur ein Referenzauftrag die formellen Anforderungen der Ausschreibung erfüllt, kann das Angebot nicht als formell unvollständig angesehen und bereits deswegen von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden. Sind bei den übrigen Referenzaufträgen die vom Auftraggeber vorgegebenen formellen Anforderungen nicht erfüllt, führt das allenfalls dazu, dass sie bei der vom Auftraggeber vorzunehmenden materiellen Prüfung der Geeignetheit der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden können.
6. Tritt ein Auftraggeber in die Prüfung ein, ob ein angebotener Preis als ungewöhnlich niedrig bewertet werden kann, obliegt es ihm - zunächst vor allem im eigenen Interesse - die Gründe dafür aufzuklären und nachzuvollziehen. Erst dann erst kann er gegebenenfalls weiter prüfen, ob der Bieter für seine Preisgestaltung stichhaltige und nicht aus übergeordneten Gesichtspunkten zu beanstandende Gründe hat, oder aber, ob die angebotenen Preise nicht in diesem Sinne schlüssig gemacht werden konnten und das Angebot deswegen auszuschließen ist.
7. Zu der Frage, ob § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A bieterschützenden Charakter hat.
8. Eine Aufhebung des Verfahrens gemäß § 26 Nr. 1 b VOL/A kommt in Betracht bei nur derart gravierenden Mängeln, die im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten Eignungs- und Angebotsprüfung nicht mehr heilbar sind.

VPRRS 2010, 0356

OLG Rostock, Urteil vom 30.06.2010 - 17 Verg 2/10
1. Sind alle Angebote unvollständig, so muss der Auftraggeber über die Aufhebung oder die Fortführung des Vergabeverfahrens entscheiden.
2. Die fristgebundene Nachforderung der fehlenden Erklärungen bei allen Bietern ermöglicht eine transparente und diskriminierungsfreie Fortsetzung des Verfahrens. Ein solches Vorgehen ist nicht vergaberechtswidrig.

VPRRS 2010, 0355

VK Nordbayern, Beschluss vom 30.09.2010 - 21.VK-3194-33/10
1. Zur Rügeobliegenheit, wenn infolge des unmittelbar bevorstehenden Ablaufes der Wartefrist gem. § 101a GWB der Zuschlag und der Verlust des Primärrechtschutzes drohen.*)
2. Kopplungsangebote sind grundsätzlich zulässig, müssen sich aber im Einzelfall am vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot messen lassen. Insbesondere muss eine Manipulationsmöglichkeit des Bieters auf einen vorangegangenen Wettbewerb ausgeschlossen sein. Dies wäre dann der Fall, wenn sich das Koppelungsangebot auch auf ein Einzellos bezieht, das bereits eröffnet ist und von dem bekannt ist, welchen Rang der Bieter einnimmt. Dann darf der Bieter seine Stellung in diesem Wettbewerb durch ein Koppelungsangebot nicht verbessern können.*)
3. Nicht dokumentierte Prüfungs- und Wertungsschritte gelten als nicht stattgefunden.*)
4. Angebote müssen klar und in sich schlüssig gestaltet sein. Insbesondere müssen die Einzelansätze einer Leistung der mathematischen Summe entsprechen. Bei Divergenz sind die Einzelansätze maßgebend (analoge Anwendung der Festlegungen aus § 23 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A).*)

VPRRS 2010, 0465

VK Bund, Beschluss vom 17.08.2010 - VK 1-70/10
1. Der Begriff der "wettbewerbsbeschränkenden Abrede" im Sinne von § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe c) VOB/A ist mit Blick auf den das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden Wettbewerbsgrundsatz weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind.
2. Wesentliches und unverzichtbares Merkmal einer Auftragsvergabe im Wettbewerb ist die Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern. Nur dann, wenn jeder Bieter die ausgeschriebenen Leistungen in Unkenntnis der Angebote und Angebotsgrundlagen sowie der Angebotskalkulation seiner Mitbewerber um den Zuschlag anbietet, ist ein echter Bieterwettbewerb möglich.

VPRRS 2010, 0354

VK Nordbayern, Beschluss vom 22.09.2010 - 21.VK-3194-34/10
1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009 ist ein Nachreichen von Erklärungen oder Nachweisen zulässig. Die Anerkennung der Besonderen Vertragsbedingungen 214.H ist eine Erklärung der Bieter i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009.*)
2. In den Besonderen Vertragsbedingungen sind vom Auftraggeber die Ausführungsfristen, die Rechnungslegung und die Sicherheitsleistungen für die Baudurchführung festgelegt. Es handelt sich um eine von der Vergabestelle vorformulierte Unterlage, die vom Bieter an keiner Stelle individuell auszufüllen oder zu ergänzen war. Deswegen kann ein Angebot auch ohne diese Unterlage in jeder Hinsicht mit den Angeboten anderer Bieter verglichen und bewertet werden. Fehlende Unterlagen bzw. Vertragsbedingungen, bei denen keine eigenständigen Eintragungen der Bieter gefordert waren, rechtfertigten selbst nach der VOB/A 2006 keinen Angebotsausschluss.*)

VPRRS 2010, 0352

OLG Celle, Urteil vom 21.04.2010 - 14 U 134/09
1. Ein Leistungsverzeichnis, das einer Ausschreibung nach VOB/A zugrunde liegt, ist so auszulegen, dass es den Anforderungen von § 9 VOB/A entspricht. Der Bieter darf es bei Auslegungszweifeln deshalb so verstehen, wie es den Anforderungen der VOB/A entsprechend verstanden werden müsste, d. h. er kann von einer erschöpfenden Beschreibung der von ihm zu erbringenden Leistung ausgehen.
2. Für die Abgrenzung, welche Leistungen von der vertraglich vereinbarten Vergütung erfasst oder nicht erfasst und deshalb zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an, die im Zusammenhang des gesamten Vertragswerks auszulegen ist. Soweit die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart haben, gehören dazu auch die allgemeinen technischen Bestimmungen für Bauleistungen der VOB/C.
3. Leitlinie für die Abgrenzung der verschiedenen DIN ist der jeweilige Hauptinhalt der Leistung. Nach DIN 18299, Abschnitt 1 haben allerdings abweichende Regelungen in den ATV der DIN 18300 f. Vorrang vor den allgemeinen Regelungen, weil das dem anerkannten Grundsatz entspricht, dass allgemeine Regelungen hinter den spezielleren zurücktreten.
4. Im Regelungsbereich der DIN 18300 Ziffer 3.8 gilt nach Ziffer 4.5 der ZTVE-StB 94, dass erosionsempfindliche Oberbodenflächen zu schützen sind; der Auftragnehmer hat dabei auch Schutzmaßnahmen gegen Niederschlagswasser aus Flächen außerhalb der Baustelle zu regeln. Solche Maßnahmen sind aber in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen.

VPRRS 2010, 0351

VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.10.2010 - VK-SH 13/10
1. Wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, dürfen Nebenangebote nicht berücksichtigt werden. Dies folgt aus Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/18/EG, der mangels Umsetzung ins deutsche Recht unmittelbar anzuwenden ist.
2. Hat der Auftraggeber gleichwohl Nebenangebote zugelassen, liegt ein schwerwiegender Vergabefehler vor, der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A 2006 (= VOB/A 2009 § 17 Abs. 1 Nr. 3) zwingt.

VPRRS 2010, 0350

OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.03.2010 - 5 U 89/09
1. Für eine wirksame Vertretung bei der Zustellung von gerichtlichen Schrift-stücken nach § 171 ZPO muss der rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigt sein.*)
2. Durch die in einem Beauftragungsschreiben der Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeberin enthaltene Formulierung: "Auf Grund Ihres Angebots erhalten Sie den Auftrag zur Ausführung der oben bezeichneten Leistungen im Namen und auf Rechnung* (*Vertretungsformel gemäß VHB eintragen) der Bundesrepublik Deutschland, das Bundesministerium der Verteidigung, die Oberfinanzdirektion Münster, den Bau und Liegenschaftsbetrieb NRW Düsseldorf." erlangt das BLB die Stellung eines bevollmächtigten Bauleiters.*)
3. Vor dem Hintergrund des gemeinsamen Runderlasses des Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau und Wohnungswesen vom 27.01.2000, durch den geregelt wird, dass die Entgegennahme von Zustellungen im Rahmen eines Rechtsstreits der jeweils zuständigen Oberfinanzdirektion obliegt, beinhaltet die obige Bevollmächtigung des BLB keine Zuweisung einer Zustellungsbevollmächtigung an das BLB.*)

VPRRS 2010, 0349

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.08.2010 - Verg W 1/10
Macht der Bieter eine geforderte Fabrikatsangabe nicht an der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Stelle, sondern nur in einer selbst gefertigten "ergänzenden Leistungsbeschreibung", führt dies zum Angebotsausschluss wegen fehlender Erklärungen, wenn die ergänzende Leistungsbeschreibung nicht den Anforderungen des § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A an ein zulässiges Kurzverzeichnis genügt.

VPRRS 2010, 0342

VK Nordbayern, Beschluss vom 22.09.2010 - 21.VK-3194-24/10
1. Wenn die ASt über eigene Rechtsabteilungen verfügt und bei der ASt aufgrund langjähriger Betätigung in einem üblicher Weise mit öffentlichen Auftraggebern und Ausschreibungen agierenden Geschäftsfeld vergaberechtlich versierte Mitarbeitern vorhanden sind, so dass ein Rückgriff auf den firmeninternen Sachverstand zumutbar erscheint, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die ASt als nicht notwendig anzusehen.*)
2. Für einen solchen Fall kann der Umstand sprechen, dass ein ASt das Rügeschreiben mit umfangreichen rechtlichen Ausführungen, die bereits sämtliche Erwägungen des späteren Nachprüfungsantrages aufführen, ohne Rechtsbeistand selbst erstellt hat.*)

VPRRS 2010, 0341

OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 - 1 Verg 9/10
1. Der Auftraggeber ist grundsätzlich berechtigt, zum Nachweis der Eignungskomponente "Erfahrung" Angaben über die Ausführung von mit der jetzt zu vergebenden Leistung vergleichbaren Tätigkeiten zu verlangen.*)
2. Gemeint sind damit unternehmensbezogene Referenzen, d.h. es kommt darauf an, ob die natürliche oder juristische Person, die sich um den Auftrag bewirbt, selbst bereits vergleichbare Leistungen erbracht hat.*)
3. Referenzen für "verwandte" oder Vorgängerunternehmen könnten allenfalls dann Berücksichtigung finden, wenn eine weitgehende Personenidentität besteht und dies bereits mit dem Teilnahmeantrag dargelegt wird.*)
4. Ein Bewerber, der nicht der geforderte Anzahl von Referenzobjekten belegt, scheitert bereits an der Hürde der formalen Eignungsprüfung, weil der Auftraggeber dessen Eignung auf der Grundlage der bekanntgemachten und daher verbindlichen Spielregeln für den Teilnahmewettbewerb nicht prüfen und schon gar nicht vergaberechtskonform bejahen kann.*)

VPRRS 2010, 0340

OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 - 1 Verg 8/10
1. Mit der Pflicht des Auftraggebers, die Eignung der am Auftrag interessierten Unternehmen zu prüfen, korrespondiert das Recht, die Vorlage von Eignungsnachweisen zu fordern.*)
2. Vergabekammern und -senate sind nicht befugt, die Entscheidung des Auftraggebers, einen bestimmten Nachweis für erforderlich zu halten, durch eine eigene zu ersetzen oder Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen. Sie dürfen nur eingreifen, wenn eine Forderung unzumutbar ist oder nicht mehr der Befriedigung eines mit Blick auf das konkrete Beschaffungsvorhaben berechtigten Informationsbedürfnisses des Auftraggebers dient, sondern ohne jeden sachlichen Grund ausgrenzend und damit wettbewerbsbeschränkend wirkt.*)

VPRRS 2010, 0339

OLG Koblenz, Beschluss vom 15.09.2010 - 1 Verg 7/10
1. Wie jede Ausnahmevorschrift auch ist § 100 Abs. 2 lit. d) GWB "eng", d.h. so auszulegen, dass ihre Anwendung auch tatsächlich die Ausnahme bleibt. Sie darf deshalb nicht so angewendet werden, dass ein staatlich beherrschter Flughafenbetreiber als Sektorenauftraggeber zwar theoretisch seinen betriebsbedingten Bedarf in Anwendung des Vergaberechts decken muss (wenn bestimmte Auftragswerte erreicht werden), faktisch aber seine gesamte Bautätigkeit und weite Teile des Dienstleistungsbereichs "vergaberechtsfrei" sind, weil im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Flughafens immer auch Sicherheitsaspekte eine Rolle spielen.*)
2. Sicherheitsmaßnahmen, die allein an die Eigenschaft des Auftraggebers als Flughafenbetreiber anknüpfen, also nicht durch die Verfahrensweise bei einer Auftragsvergabe veranlasst sind oder die völlig unabhängig von einer Beschaffung ergriffen werden müssen, sind keine besonderen.*)
3. Werden die auf einem Zivilflughafen üblichen hohen Sicherheitsstandards für Verkehrsflughäfen für die Dauer von Bauarbeiten suspendiert und durch Maßnahmen geringer Intensität ersetzt, um die Durchführung der Bauarbeiten erleichtern, liegen die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 lit. d) bb) GWB nicht vor.*)

VPRRS 2010, 0338

OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.06.2010 - 11 Verg 4/10
1. Es bedarf keiner zusätzlichen Rüge, wenn die Vergabestelle im Antwortschreiben auf eine vorherige Rüge weitere - im Absageschreiben ungenannte - Zuschlagsversagungsgründe nachschiebt. Denn ansonsten hätte es die Vergabestelle in der Hand, durch dosierte und nachträgliche Bekanntgabe ihrer Entscheidungsgrundlagen eine Mehrzahl von Rügen erforderlich zu machen, die letztlich auf dieselbe Entscheidung zielen, nämlich das Angebot des Antragstellers nicht zu berücksichtigen.
2. Zwar stehen unvollständige und deshalb unbrauchbare Erklärungen fehlenden gleich. Bei auf den ersten Blick unklaren oder unvollständigen Erklärungen muss einem Ausschluss jedoch die Prüfung vorangehen, ob nicht im Wege der Auslegung ein eindeutiger oder vollständiger Inhalt ermittelt werden kann.
3. Aus der Sicht des objektiven Empfängerhorizonts bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass die von der Antragstellerin benannten Nachunternehmer ihre Nachunternehmererklärungen im Formblatt 320 EG allein ihr gegenüber abgegeben haben, selbst wenn in den Formularen 320 EG an der vorgesehenen Stelle der Name der Firma, gegenüber der sich die Nachunternehmer verpflichten, fehlt.
4. Die allgemeinen zivil- und handelsrechtlichen Vorschriften, die mangels ausdrücklicher Regelung im Vergaberecht subsidiär anzuwenden sind, sehen eine Pflicht zur Vorlage einer Vollmachtsurkunde bei einem Handeln in Vertretung nicht vor, sondern lediglich die Pflicht, dass der Wille, im fremden Namen aufzutreten, deutlich zu Tage tritt, und dass das Handeln im Rahmen einer dem Vertreter bereits eingeräumten Vertretungsmacht erfolgt.
5. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht gehindert, sich bei der Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens ganz oder teilweise der Hilfe Dritter zu bedienen, die über einen qualifizierten Sachverstand verfügen. Externe Dritte dürfen die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung indes lediglich unterstützen. Nicht zulässig ist es, die Verantwortung für die Vergabe an diese zu übertragen. Die Vergabestelle muss eigenverantwortlich das Vergabeverfahren durchführen. Dieser Pflicht und Verantwortung im Hinblick auf die Vergabeentscheidung genügt die Vergabestelle, wenn sie die Wertung durch einen Freiberufler und dessen Zuschlagsvorschlag genehmigt. Diese Genehmigung soll zumindest durch einen billigenden Prüfungsvermerk mit verantwortlicher Unterschrift zum Ausdruck kommen.
6. Wird bei der Vorlage von Referenzen auf die Tätigkeit anderer Firmen zurückgegriffen, so taugt dies nicht zum Nachweis der Eignung des Bieters, weil damit nicht dokumentiert werden kann, dass sich dieser konkrete Bieter auch wirklich hinsichtlich der nachgefragten Leistung am Markt bereits bewährt hat. Die früheren Leistungen eines anderen Unternehmers können nur dann die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens für einen konkreten Auftrag belegen, wenn sichergestellt ist, dass dieses den ausgeschriebenen Auftrag vollständig oder zumindest zu einem ganz überwiegenden Teil durch dasselbe Personal des Unternehmens durchführen wird.

VPRRS 2010, 0336

VK Sachsen, Beschluss vom 06.07.2010 - 1/SVK/013-10
1. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH(Urteil vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08, IBR 2010, 259; Urteil vom 28.01.2010 C-456/08) bleibt das Merkmal der Unverzüglichkeit im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB anwendbar. Rügen, die nach Dienstschluss bei der Vergabestelle eingehen, sind dieser erst am nächsten Arbeitstag zugegangen.*)
2. Auch im Verhandlungsverfahren können nur Angebote in der weiteren Wertung berücksichtigt werden, wenn diese im Zeitpunkt der Angebotsabgabe die Mindestanforderungen erfüllen.*)
3. Es ist zwar nicht die Aufgabe der Vergabestelle, im Zweifel einzelne Positionen des Angebots zu ergänzen, um festzustellen, was der Bieter eventuell angeboten haben könnte. Jedoch wäre es reine Förmelei der vorliegend fehlenden Hersteller- /Typangabe eine Ausschlussrelevanz zuzuweisen, wenn die Angabe sich unzweideutig aus dem Angebot selbst ergibt.*)

VPRRS 2010, 0458

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22.06.2010 - VK 1-20/10
1. Nebenangebote müssen entsprechend § 9 Nr. 1 VOB/A so eindeutig und erschöpfend beschrieben sein, dass der Auftraggeber sich ein klares Bild über die angebotene Ausführung der Leistung machen kann.
2. Der Bieter, der mit einem Nebenangebot zum Zuge kommen möchte, muss insbesondere darlegen, dass die alternativ angebotene Leistung gleichwertig mit der von der Vergabestelle ausgeschriebenen Leistung ist.
3. Soweit das Nebenangebot in technischer Hinsicht vom Hauptangebot abweicht, ist es Aufgabe des Bieters, die Gleichwertigkeit durch entsprechende Unterlagen wie Prüfzeugnisse, Gutachten, Qualitätszertifikate etc. nachzuweisen.

VPRRS 2010, 0332

OLG Hamm, Urteil vom 13.03.2008 - 21 U 15/06
1. Der Auftragnehmer muss sich nach freier Kündigung gemäß § 8 Abs. 1 VOB/B, § 649 BGB auf die vereinbarte Vergütung anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart bzw. an Gewinn aus "Füllaufträgen" erzielt hat.
2. Für die Berechnung des Anspruchs kann nicht auf die Kalkulation des Auftragnehmers zurückgegriffen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen von der ursprünglichen Planung und Kalkulation abweichenden Verlauf bestehen.
3. Der Auftragnehmer muss bei der Berechnung des Anspruchs sämtliche Leistungspositionen berücksichtigen, auch solche, die er unauskömmlich kalkuliert hat.
4. Der in die Berechnung einzustellende Abzug des "ersparten Verlustes" bei nur einer deutlich unterkalkulierten Leistungsposition kann dazu führen, dass der ansonsten gegebene Vergütungsanspruch vollständig aufgezehrt wird.
5. Aus der freien Kündigung des Auftraggebers darf der Auftragnehmer keine Nachteile erleiden, aber auch keine Vorteile ziehen.
6. Statt der Berechnung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B, § 649 BGB kann der Auftragnehmer abweichend hiervon die Vergütung für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen sowie den aus dem Auftrag entgangenen Gewinn geltend machen.
7. Erbrachte Leistungen sind nur insoweit zu vergüten, als sie tatsächlich im Vertrag vorgesehen und in der Kalkulation des Auftragnehmers und damit in den Vertragspreisen enthalten sind.
8. Für die Berechnung des entgangenen Gewinns ist darauf abzustellen, welchen Verlauf das Bauvorhaben bei Durchführung tatsächlich genommen hätte. Insoweit darf der Auftragnehmer nur dann auf seine Kalkulation zurückgreifen, wenn keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Verlauf erkennbar sind.

VPRRS 2010, 0331

Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 16.09.2010 - Rs. C-306/08
1. Ein entgeltlicher Vertrag setzt voraus, dass der Auftraggeber den wirtschaftlichen Nachteil entweder positiv in Form einer Zahlungspflicht gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer oder negativ in Form des Ausfalls ansonsten fälliger Einnahmen oder Mittel trägt.
2. Die bloße Berechtigung des Auftraggebers, von einem Dritten die Bezahlung der auftragsgegenständlichen Leistung zu verlangen, reicht zur Annahme eines entgeltlichen Vertrags nicht aus.

VPRRS 2010, 0330

VK Arnsberg, Beschluss vom 09.09.2010 - VK 17/10
Die Eingrenzung der angebotenen Leistung durch die Herausnahme bestimmter Schadensursachen aus einem Vertrag, der den Leistungsumfang ursachenunabhängig über Zustandsbeschreibungen definiert erfüllt den Tatbestand des § § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A 2006.*)

VPRRS 2010, 0328

VK Arnsberg, Beschluss vom 25.08.2010 - VK 15/10
1. Nach der Entscheidung des EuGH vom 28.01.2010 - Rs. C-406/08 zur mangelnden Bestimmtheit einer Fristbestimmung durch Begriffe, deren Auslegung ins Ermessen eines Richters gestellt ist, ist die Regelung des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB vergaberechtlich nach der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG unzulässig, weil der Begriff der Unverzüglichkeit Ermessensentscheidungen genau dieser Art zulässt.*)
2. Ziel der Richtlinie ist es aber, den Zugang zum Rechtsschutz sicherzustellen. Dieses Ziel kann nicht mit variablen ermessensabhängigen Fristenläufen erreicht werden.*)
3. Die Unbestimmtheit wird auch nicht mit dem Hinweis auf die ebenso unbestimmte Formulierung des § 121 BGB "ohne schuldhaftes Zögern" verhindert. Gerade im Vergaberecht hat sich auch in mehr als 10 Jahren keine eindeutige Auslegung durch die Rechtsprechung herauskristallisiert.*)
4. Auch eine fehlende Breitenangabe führt ebenso wie die Nichterfüllung eines geforderten Verschlusstyps als fehlende Erklärung zum Ausschluss.*)

VPRRS 2010, 0326

VK Arnsberg, Beschluss vom 02.07.2010 - VK 12/10
Gemäß § 25a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A darf der Auftraggeber nur die Kriterien berücksichtigen, die sich aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Dabei sind die als Mindestkriterien bezeichneten Vorgaben für den Auftraggeber unverzichtbar.*)

VPRRS 2010, 0323

OLG Celle, Beschluss vom 30.09.2010 - 13 Verg 10/10
1. Bevor ein Angebot nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A Ausgabe 2006 ausgeschlossen werden kann, muss dem betroffenen Bieter unter Setzung einer angemessenen Frist zwingend Gelegenheit gegeben werden, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften oder aber beachtliche Gründe dafür aufzuzeigen, dass sein Angebot trotzdem anzunehmen ist.*)
2. Von einer genaueren Überprüfung unter Einbeziehung des betroffenen Bieters ist nur dann abzusehen, wenn ein offenbares Missverhältnis von Preis und Leistung im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A Ausgabe 2006 besteht, bei dem der angebotene (Gesamt)Preis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass es sofort ins Auge fällt.*)

VPRRS 2010, 0322

VK Sachsen, Beschluss vom 22.07.2010 - 1/SVK/022-10
1. Die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens darf nicht dazu führen, dass ein Wettbewerb praktisch nicht möglich wird. Bei Postzustelldienstleistungen verfügt derzeit kaum ein privater Postdienstleister - auch nicht im Wege der Kooperation mit anderen Dienstleistern - über ein flächendeckendes Netz. Bei Nichtbildung von Regionallosen hat der Auftraggeber es dem Bieter zu ermöglichen, die Flächendeckung im Zustelldienst, durch Inanspruchnahme des marktbeherrschenden Unternehmens, das rechtlich verpflichtet ist, Einlieferungen des Bieters zu befördern, herzustellen.*)
2. Fehlt in der Vergabebekanntmachung die Angabe, dass konkrete Nachweise zur Darlegung der Eignung für Nachunternehmer vorzulegen sind, kann ein Angebot nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil für Nachunternehmer keine Eignungsnachweise vorgelegt worden sind. Eine ungeschriebene Pflicht, für jeden Nachunternehmer jeden vom Vertragspartner geforderten Eignungsnachweis gleichfalls zu erbringen, kann nicht angenommen werden.*)
3. Dem Absehen von der Losvergabe hat eine umfassende Interessenabwägung voranzugehen. Die hierfür sprechenden Gründe dürfen nicht lediglich in einer Vermeidung des mit einer Fachlosvergabe typischerweise verbundenen Mehraufwands liegen.*)

VPRRS 2010, 0321

VK Sachsen, Beschluss vom 11.06.2010 - 1/SVK/016-10
1. Auch in einem VOF Verfahren sind unvollständige Angebote auszuschließen. Ein solcher zwingender Ausschluss formal fehlerhafter Angebote im VOF-Verfahren resultiert dabei aus dem in § 97 Abs. 2 GWB enthaltenen Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot als tragender Grundlage des Vergaberechts.*)
2. Angaben zu vergleichbar erbrachten Projekten vermögen nicht fehlende Angaben zur Qualifikation von Mitarbeitern zu ersetzen. Ein Rückschluss über die jeweils ausgeführten Leistungsphasen bei den vergleichbaren Projekten oder über die Bürozugehörigkeit führt nicht zu einer sicheren Ermittlung der tatsächlich vorliegenden Qualifikation. Es ist nicht Aufgabe des Auftraggebers, die Qualifikation der benannten Personen anhand vergleichbarer Projekte herzuleiten oder durch eigene Nachforschungen zu ermitteln.*)

IBRRS 2010, 3630

VK Hessen, Beschluss vom 23.08.2010 - 69d-VK-19/2010
1. Eine Rüge neun Tage nach Zugang des Informationsschreibens ist nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, auch wenn dieses noch nach § 13 VgV a.F. erfolgte.
2. Ein nachträglich versandtes Informationsschreiben nach § 101a GWB gleichen Inhalts stellt eine nachträgliche Richtigstellung dar und lässt die Rügemöglichkeit des Antragstellers nicht erneut aufleben.
3. Die Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist auch unter Berücksichtigung der neuesten EuGH-Rechtsprechung anwendbar.*)

VPRRS 2010, 0320

OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2010 - Verg W 8/10
1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages, der die Feststellung der Unwirksamkeit eines vom öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrages zum Ziel hat, setzt auf Seiten des Antragstellers ein Interesse am Auftrag, die Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte und einen drohenden Schaden durch eine behauptete Verletzung von Vergabevorschriften voraus. An diese Voraussetzungen dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.*)
2. Ein Unternehmen kann die Feststellung der Unwirksamkeit des vom öffentlichen Auftraggeber geschlossenen Vertrages nicht erreichen, wenn ihm der Auftraggeber in nachvollziehbarer Weise die Eignung für die Durchführung dieses Auftrages abgesprochen hat.*)
3. Die Annahme der Unzuverlässigkeit des Auftragnehmers ist gerechtfertigt, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer über die Auslegung eines zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrages derartige Meinungsverschiedenheiten entwickelt haben, dass mit der Ausführung der beauftragten Leistungen nicht einmal begonnen werden konnte und die vom Auftraggeber hierbei eingenommene Rechtsposition vertretbar ist.*)
4. Die Mitteilung des Auftragnehmers, dass er von dem von ihm benannten Rohstofflieferanten nicht beliefert werde, rechtfertigt auf Seiten des Auftraggebers die Annahme, dass der Auftragnehmer nicht leistungsfähig sei.*)

VPRRS 2010, 0445

VK Lüneburg, Beschluss vom 15.01.2010 - VgK-74/2009
1. Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit unzulässig ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung sowie unter Beachtung des Gesichtspunkt der Branchenüblichkeit zu klären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 3 VOL/A nicht ausschließt, dass die Beteiligten den Rahmen des Zulässigen ausschöpfen.
2. Jedem Vertrag wohnen gewisse Risiken inne, die der Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistung zu tragen hat. Hier finden die allgemeinen zivilrechtlichen Gefahrtragungsregeln Anwendung. Risiken, die der Unternehmer nach der im jeweiligen Vertragstyp üblichen Wagnisverteilung grundsätzlich zu tragen hat - die z.B. mit der Beschaffung oder Finanzierung von Materialien oder technischen Schwierigkeiten bei der Ausführung der Leistung zusammenhängen - sind gerade keine ungewöhnlichen Wagnisse.
3. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Die Rüge muss angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von einem bis drei Tagen erfolgen. Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB regelmäßig nicht.
4. Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

VPRRS 2010, 0317

VK Nordbayern, Beschluss vom 17.08.2010 - 21.VK-3194-31/10
Zur Rügepräklusion des § 107 Abs. 3 GWB.*)

VPRRS 2010, 0315

VK Arnsberg, Beschluss vom 09.09.2010 - VK 18/10
Die Eingrenzung der angebotenen Leistung durch die Herausnahme bestimmter Schadensursachen aus einem Vertrag, der den Leistungsumfang ursachenunabhängig über Zustandsbeschreibungen definiert, erfüllt den Tatbestand des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A 2006.*)

VPRRS 2010, 0314

VK Nordbayern, Beschluss vom 08.07.2010 - 21.VK-3194-22/10
Ausschluss wegen fehlender, aber geforderter Erklärungen.

VPRRS 2010, 0312

OLG München, Beschluss vom 13.08.2010 - Verg 10/10
Es bleibt offen, ob § 101b Abs. 2 GWB eine den § 107 Abs. 3 GWB verdrängende Sonderregelung darstellt.*)

VPRRS 2010, 0311

OLG München, Beschluss vom 09.09.2010 - Verg 16/10
1. Die mangelnde Erfolgsaussicht des Nachprüfungsantrags kann für sich genommen, ohne dass ein besonderes Beschleunigungsinteresse des Auftraggebers hinzutritt, die vorzeitige Gestattung des Zuschlags gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht rechtfertigen.*)
2. Unabhängig vom Ausgang des Nachprüfungsverfahrens hat der unterlegene Auftraggeber die Kosten des Verfahrens nach § 115 Abs. 2 Satz 5 GWB analog zu § 96 ZPO zu tragen.*)

VPRRS 2010, 0309

Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 14.09.2010 - Rs. C-568/08
1. Die Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 2 Abs. 1 und 6 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der zum Erhalt einer vorläufigen Maßnahme nur ein Verfahren zur Verfügung steht, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es grundsätzlich auf eine schnelle Maßnahme gerichtet ist, es keinen Schriftsatzwechsel zwischen Anwälten gibt, in der Regel nur schriftliche Beweise erhoben werden und die gesetzlichen Beweisregeln nicht zur Anwendung kommen, unabhängig davon, dass das Urteil nicht zu einer endgültigen Festlegung der Rechtsverhältnisse führt und auch nicht Teil eines Entscheidungsfindungsprozesses ist, der zu einer solchen rechtskräftigen Entscheidung führt oder nur die Prozessparteien bindet.
2. Die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG steht eventuellen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Richter im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und dem Gericht des Hauptsacheverfahrens nicht entgegen, sofern nicht die von der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vorgegebenen Ergebnisse beeinträchtigt werden, insbesondere die drei Garantien des Art. 1 Abs. 2 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof.
3. Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG sind die Kriterien für die Feststellung und den Umfang des zu ersetzenden Schadens, der sich aus einer Verletzung des Vergaberechts der Europäischen Union ergibt, nach nationalem Recht zu bestimmen - wobei der Grundsatz der Effektivität des Rechts der Union verlangt, dass die Anforderungen an den Nachweis des Schadens nicht derart streng sein dürfen, dass er so erschwert wird, dass seine Wirksamkeit beeinträchtigt wird -, dass Zinsen zuzuerkennen sind und dass die Möglichkeit der Berücksichtigung des entgangenen Gewinns nicht ausgeschlossen ist.

VPRRS 2010, 0304

VK Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2010 - VK 5/10
1. Die Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung als "offensichtlich unbegründet" sollte die Ausnahme bleiben, die nur dann aus prozessökonomischen Gründen statthaft ist, wenn eine Verhandlung von vorneherein unnötig und für das Ergebnis irrelevant erscheint, etwa wenn nach Durchsicht der Vergabeakten kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass es die von der Antragstellerin behaupteten Vergaberechtsverstöße tatsächlich nicht gibt.
2. Ein Angebot ist dann nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen, wenn der Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen hat.
3. Da der Auftraggeber den Vertragsinhalt in den Angebotsunterlagen vorgegeben hat, ist es sein anerkennenswertes Interesse zu verhindern, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht, und den Prüfungsumfang im Vergabeverfahren im Interesse einer schnellen und reibungslosen Umsetzung der Auftragsvergabe nicht ausufern zu lassen. Eine derartige materielle Prüfung der Leistungen kann dem Auftraggeber und den weiteren Bietern nicht zugemutet werden. Eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen liegt daher bereits dann vor, wenn ein Leistungsverzeichnis des Bieters formell in das Angebot einbezogen wird und daher inhaltlich bei der Feststellung des Vertragsinhaltes Berücksichtigung finden muss.

VPRRS 2010, 0300

VK Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2009 - VK 41/09
1. Alles, was der Herstellung und späteren bestimmungsgemäßen Nutzung (Funktion) einer baulichen Anlage dient, ist als Bauleistung anzusehen und dementsprechend auszuschreiben.
2. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob ein öffentlicher Bauauftrag vorliegt, ist die Erreichung des im Vertrag geregelten Vertragsziels. Zu den Bauleistungen zählen insbesondere auch die Lieferung und Montage der für eine bauliche Anlage erforderlichen maschinellen und elektrotechnischen Anlagen und Anlagenteile sowie von Kommunikations- und fernmeldetechnischen Vermittlungs- und Übertragungseinrichtungen. Entscheidend ist, dass das Bauwerk ohne diese Anlagen noch nicht als vollständig fertig gestellt anzusehen ist. Unerheblich ist dagegen, ob sie wesentliche Bestandteile des Bauwerkes werden.
3. Die Montage elektrotechnischer und elektronischer Anlagen stellt nur dann keine Bauleistung dar, wenn die technische Anlage lediglich in dem Bauwerk untergebracht ist, das Bauwerk aber auch ohne sie nach seiner Zweckbestimmung funktionsfähig ist.

VPRRS 2010, 0299

LG Duisburg, Urteil vom 06.07.2010 - 24 O 125/09
Eine für den Abschluss eines Kaufvertrages wesentliche Vermittlungs- oder Nachweistätigkeit eines Maklers liegt nicht vor, wenn der Erwerb des Grundstückes erst Jahre später und nach Teilnahme und Erfolg einer Offenen Ausschreibung der öffentlichen Hand erfolgt.

VPRRS 2010, 0297

VK Lüneburg, Beschluss vom 30.06.2010 - VgK-26/2010
1. Maßstab für die Erkennbarkeit i. S. des § 107 Abs. 3 Nr. 2 u. 3 GWB ist die Erkenntnismöglichkeit für das Unternehmen bei Anwendung üblicher Sorgfalt. Die Erkennbarkeit muss sich dabei nicht nur auf die den Verstoß begründenden Tatsachen, sondern auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen.
2. Erscheinen dem Auftraggeber Angebote im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat der Auftraggeber gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A vor der Vergabe des Auftrages Einzelposten dieser Angebote zu überprüfen.
3. Zu diesem Zweck muss er in Textform vom Bieter die erforderlichen Belege verlangen und bei der Vergabe das Ergebnis dieser Überprüfung berücksichtigen.
4. Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Für Liefer- und Dienstleistungen im Sinne der VOL/A gibt es eine keine verbindliche Aufgreifschwelle. Rechtsprechung und Schrifttum orientieren sich zumindest für den Liefer- und Dienstleistungsbereich mehrheitlich an einer 20 %-Schwelle.
5. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote anzunehmen.

VPRRS 2010, 0295

VK Lüneburg, Urteil vom 25.02.2010 - VgK-82/2009
1. Die Frage, ob Merkmale des § 98 Abs. 2 GWB konkret erfüllt sind, ist anhand einer Einzelfallbetrachtung zu entscheiden. Eine Aufgabe im Allgemeininteresse liegt u. a. dann vor, wenn die Aufgabe nicht nur die Förderung des privaten Interesses eines Einzelnen oder einer Gruppe von Personen, sondern das Interesse der Gesamtheit der Bevölkerung zum Gegenstand hat. Entscheidend ist dabei letztlich, ob Gemeinwohlbelange gefördert werden sollen. Bei kommunalen Wohnungsbaugesellschaften oder Sanierungsgesellschaften ergibt sich das Merkmal des Allgemeininteresses in der Regel aus den rechtlichen Rahmenbedingungen der Einrichtung, die regelmäßig auf die Deckung des Wohnungsbedarfs schwächerer Bevölkerungsschichten ausgerichtet sind.
2. Es gibt keine abschließenden Merkmale, anhand derer die Nicht-Gewerblichkeit verbindlich festzustellen ist, sondern lediglich von der Rechtssprechung festgestellte und hervorgehobene Indizien.

VPRRS 2010, 0290

VK Lüneburg, Beschluss vom 25.03.2010 - VgK-07/2010
1. Die Grundsätze über die Losvergabe dienen nicht ausschließlich der Förderung mittelständischer Interessen. Vielmehr sind diese Grundsätze auch Ausprägung des Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 97 Abs. 1 und Abs. 5 GWB.
2. Grundsätzlich steht es jeder Vergabestelle frei, die auszuschreibende Leistung nach ihren individuellen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser, den autonom bestimmten Zwecken entsprechenden Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen.
3. Zwar ist angesichts des eindeutigen Regel-Ausnahme-Prinzips des § 97 Abs. 3 GWB zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber grundsätzlich einen erhöhten Koordinierungsaufwand aufgrund der mittelstandsfördernden Entscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten des Vorrangs der Losvergabe hinzunehmen hat, führt die Koordinierung jedoch zu einem erheblichen Mehraufwand, kann nach wie vor ein (wirtschaftlicher) Grund für eine zusammengefasste Vergabe gegeben sein. Dem öffentlichen Auftraggeber steht insoweit nach wie vor eine Einschätzungsprärogative zu.

VPRRS 2010, 0289

VK Lüneburg, Beschluss vom 16.04.2010 - VgK-10/2010
1. Aus den Entscheidungen des EuGH, der sich mit der Rechtswirksamkeit von Präklusionsregeln in irischen und englischen Vorschriften befasst hat, kann nicht der Rückschluss auf eine Europarechtswidrigkeit des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gezogen werden.
2. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A können Angebote, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A enthalten, ausgeschlossen werden. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser Spielraum engt sich jedoch dann ein, wenn der Auftraggeber selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von zulässigen Mindestvoraussetzungen erklärt. Er ist dann an diese Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von ihnen abweichen.
3. Werden Erklärungen oder Nachweise nicht eindeutig gefordert, so kann ihr Fehlen bei Angebotsabgabe nicht zur Begründung eines Angebotsausschlusses nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A herangezogen werden.

VPRRS 2010, 0288

VK Südbayern, Beschluss vom 29.07.2010 - Z3-3-3194-1-39-06/10
1. Grundsätzlich darf nur in besonderen Ausnahmefällen eine Gestattung des Zuschlags erfolgen, wenn ein dringendes Interesse besteht, welches deutlich das Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Nachprüfungsverfahrens übersteigt.
2. Mehrkosten, die durch ein Nachprüfungsverfahren entstehen können, sind dann ein Argument für die Gestattung des Zuschlags, wenn sie in erheblicher Höhe anfallen.
