Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
5422 Entscheidungen insgesamt
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OLG Braunschweig, Urteil vom 26.06.2014 - 8 U 11/13
1. Für den Transport asbesthaltigen Materials dürfen aufgrund der - einem Fachunternehmen bekannten - Technischen Regeln für Gefahrstoffe keine Schüttrutschen verwendet werden.
2. Sieht das Leistungsverzeichnis für den Transport asbesthaltigen Materials den Einsatz von Schüttrutschen vor, liegt ein offenkundiger Widerspruch zwischen Leistungsverzeichnis und den Technischen Regeln für Gefahrstoffe vor, den der Auftragnehmer vor Vertragsschluss aufklären muss.
3. Die Kalkulation des Auftragnehmers wird grundsätzlich nicht Geschäftsgrundlage, selbst wenn sie dem Auftraggeber offengelegt wird. Es ist Sache des Auftragnehmers, wie er den Preis eines Bauvertrages kalkuliert. Er trägt deshalb das Risiko auskömmlicher Preise.
4. Auch wenn der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an die Aufstellung der Leistungsbeschreibung nach § 9 VOB/A missachtet, sind alle Erschwernisse vom Vertrag umfasst, mit denen nach dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters gerechnet werden musste.
5. Erschwernisse im Rahmen der Bauausführung, mit denen der Auftragnehmer nach den ihm bei Vertragsschluss erkennbaren Umständen von vornherein rechnen musste, stellen keine Behinderung dar.

IBRRS 2016, 1913

LG Heilbronn, Urteil vom 13.04.2016 - 8 O 128/15
1. Bestimmt die Sicherungsabrede, die Bürgschaft sichere "sämtliche Verpflichtungen aus dem Vertrag", so sind von ihr auch nach der Abnahme entstehende Gewährleistungsrechte umfasst.
2. Schuldet der Auftragnehmer eine Gewährleitungsbürgschaft bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die Vertragserfüllungsbürgschaft noch nicht zurück zu gewähren ist, und kommt es dadurch zu einer Kumulierung der durch die Auftragnehmerin zu leistenden Sicherheiten i.H.v. 8%, so liegt Übersicherung vor.
3. Eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers liegt vor, wenn er für einen Zeitraum über die Abnahme hinaus Gewährleistungssicherheiten i.H.v. 8% der Auftragssumme leisten muss.

VPRRS 2016, 0273

OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.06.2016 - 1 U 151/15
1. Die Bieter haben - auch im Unterschwellenbereich - gegen den Auftraggeber einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn dieser durch Missachtung von Vergabevorschriften den Bietern einen Schaden zufügt.
2. Der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen steht nicht entgegen, dass ein Bieter zuvor keinen Primärrechtsschutz - hier in Form einer einstweiligen Verfügung - in Anspruch genommen hat.

VPRRS 2016, 0271

EuGH, Urteil vom 14.07.2016 - Rs. C-406/14
1. Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass es nicht zulässig ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber in einer Klausel der Verdingungsunterlagen eines öffentlichen Bauauftrags vorschreibt, dass der künftige Auftragnehmer einen bestimmten Prozentsatz der von diesem Auftrag umfassten Arbeiten mit eigenen Mitteln zu erbringen hat.*)
2. Art. 98 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 st dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der im Rahmen eines öffentlichen Bauauftrags in Bezug auf ein Projekt, das mit einem finanziellen Zuschuss der Europäischen Union gefördert wird, unter Verstoß gegen die Richtlinie 2004/18/EG vorgeschrieben hat, dass der künftige Auftragnehmer mindestens 25% der entsprechenden Arbeiten mit eigenen Mitteln zu erbringen hat, eine "Unregelmäßigkeit" im Sinne von Art. 2 Nr. 7 dieser Verordnung darstellt, die die Vornahme einer finanziellen Berichtigung nach Art. 98 dieser Verordnung erforderlich macht, soweit die Möglichkeit, dass dieser Verstoß eine Auswirkung auf den Haushalt des betreffenden Fonds hatte, nicht ausgeschlossen werden kann. Die Höhe dieser Berichtigung ist unter Berücksichtigung aller im Hinblick auf die in Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Verordnung angeführten Kriterien relevanten konkreten Umstände, nämlich der Art und des Schweregrads der festgestellten Unregelmäßigkeit sowie des dem betreffenden Fonds entstandenen finanziellen Verlusts, zu bestimmen.*)

VPRRS 2016, 0269

VK Nordbayern, Urteil vom 21.06.2016 - 21.VK-3194-08/16
1. Zum Nachweis der Eignung ist die Fachkunde, Leistungsfähigkeit sowie Gesetzestreue und Zuverlässigkeit der Bieter zu prüfen. Dieser Nachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. erfolgen.
2. Verlangt der Auftraggeber keine weitergehenden, auf den konkreten Auftrag bezogene Angaben zur Eignung, erbringt der Bieter den verlangten Eignungsnachweis, wenn er seine Präqualifikationsnummer mit dem Angebot angibt.
3. Es liegt nicht im Aufgabenbereich eines Bieters, die Gültigkeit der Eintragung zu gewährleisten. Vielmehr hat die Präqualifizierungsstelle Sorge für die Aktualität der Liste präqualifizierter Unternehmen zu tragen.

VPRRS 2016, 0270

BGH, Beschluss vom 10.05.2016 - X ZR 66/15
Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 08.09.1998 - X ZR 109/96, VPRRS 2000, 0017 = IBRRS 2000, 0659 = BGHZ 139, 273, 278).*)

VPRRS 2016, 0256

VK Lüneburg, Beschluss vom 20.06.2016 - VgK-17/2016
1. Ein Rahmenvertrag kann auch ausschließlich fremdnützig geschlossen werden, so dass dem Anbieter eines Produkts das Vergabenachprüfungsverfahren auch dann offen steht, wenn der Auftraggeber mit dem Rahmenvertrag keinen eigenen Beschaffungsbedarf deckt.
2. Es besteht keine Möglichkeit der Überprüfung in einem Vergabenachprüfungsverfahren, wenn der Rahmenvertrag keine Wettbewerbsentscheidung enthält, sondern nur eine Leistungsbeschreibung für ein in einem weiteren wettbewerblichen Verfahren zu beschaffendes Produkt.

VPRRS 2016, 0265

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016 - Verg 37/14
1. Bei einem öffentlichen Bauauftrag ist zur Feststellung des Auftragswerts der Gesamtwert der Arbeiten zu veranschlagen, der die vom öffentlichen Auftraggeber gezahlten Geldbeträge und die von Dritten als Gegenleistung für die für ihre Rechnung errichteten Bauwerke geleisteten Beträge umfasst.
2. Für die Entscheidung, ob Bewerber oder Bieter auf Grund von Eigenerklärungen und beigebrachten Nachweisen als geeignet bzw. ungeeignet zu beurteilen sind, ist nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpft, um die gemachten Angaben zu verifizieren.
3. Erklärungen oder Nachweise, die nach Abgabe des Angebots auf gesonderte Aufforderung des Auftraggebers vorzulegen sind, aber vom Bieter nicht oder nicht rechtzeitig eingereicht werden, darf der Auftraggeber nicht nachfordern (entgegen OLG Celle, IBR 2012, 95).

VPRRS 2016, 0264

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.05.2016 - Verg 50/15
1. Formblätter, die zu dem Zweck abgefordert worden sind, bei der Auskömmlichkeitsprüfung des Preises und/oder bei der Beurteilung eventueller späterer Nachträge herangezogen zu werden, beinhalten keine Kalkulationsvorgaben, sondern sind als Kalkulationsabfragen zu bewerten.
2. Der Auftraggeber darf Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls wegen widersprüchlicher oder unvollständiger Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich "ausschlusswürdig" sind, nicht ohne Weiteres aus der Wertung nehmen, ohne dem vom Ausschluss bedrohten Bieter zuvor zu einer Aufklärung aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, die Widersprüche oder Unvollständigkeiten nachvollziehbar auszuräumen.

VPRRS 2016, 0261

VK Westfalen, Beschluss vom 17.06.2016 - VK 1-21/16
1. Kostenschätzung für eine Gesamtbaumaßnahme*)
2. Die Überprüfung einer Aufhebungsentscheidung des Auftraggebers ist nur zulässig, wenn der Schwellenwert erreicht oder überschritten wird.*)

VPRRS 2016, 0255

VK Bund, Beschluss vom 06.06.2016 - VK 1-30/16
Die Abgrenzung zwischen Nachunternehmerleistungen und sonstigen Leistungen dritter Unternehmen bestimmt sich danach, dass der Nachunternehmer dem Hauptauftragnehmer die Ausführung (bzw. den Ausführungserfolg) einer ausgeschriebenen Leistung in eigener Verantwortung schuldet, wohingegen ein drittes Unternehmen dem Hauptauftragnehmer nur die nötigen Mittel wie Baumaterial, Geräte oder auch Personal zur Verfügung stellt bzw. Hilfsleistungen erbringt, damit dieser die Ausführung der Leistung bewirken kann.

VPRRS 2016, 0262

VK Lüneburg, Beschluss vom 07.03.2016 - VgK-03/2016
1. Bietergemeinschaften sind trotz ihrer grundsätzlich wettbewerbsbeschränkenden Wirkung nicht per se wettbewerbswidrig (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2015, 85 = VPR 2015, 7). Der Auftraggeber darf sie nicht allgemein von der Vergabe ausschließen.
2. Die Anforderung an eine Bietergemeinschaft, nur solche Referenzen vorzulegen, die die Bietergemeinschaft gemeinsam erbracht hat, ist vergaberechtlich problematisch, weil sie dem Charakter einer für den Einzelfall gebildeten Bietergemeinschaft widerspricht.
3. Vergaberechtlich problematische Festlegungen in der Ausschreibung sind unverzüglich zu rügen, anderenfalls ist der Nachprüfungsantrag unzulässig.

VPRRS 2016, 0245

VK Bund, Beschluss vom 29.02.2016 - VK 1-138/15
1. Als schwere Verfehlungen, die zum Ausschluss eines Unternehmens wegen Unzuverlässigkeit führen, sind unter anderem schwerwiegende Rechtsverstöße wie Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von einigem Gewicht anzusehen, insbesondere wenn sie sich auf die Auftragsdurchführung beziehen.
2. Die Feststellung einer schweren Verfehlung durch den Auftraggeber muss auf einer gesicherten Erkenntnisgrundlage beruhen. Bloße Behauptungen, unspezifizierte Vorwürfe, Vermutungen oder vage Verdachtsgründe reichen nicht aus.
3. Mutmaßlichen Straftaten, die Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft sind, belegen selbst keine konkrete Verfehlung bzw. Straftat und stellen keinen Ausschlussgrund dar.

VPRRS 2016, 0238

BVerwG, Urteil vom 14.04.2016 - 7 C 12.14
1. Ein Zugangsrecht im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG besteht auch an Informationen, die eine öffentliche Stelle von sich aus veröffentlicht hat.*)
2. Das Informationsweiterverwendungsgesetz begründet nach § 1 Abs. 2 a IWG keinen Anspruch auf Zugang zu angefragten Informationen. Das IWG gilt nicht für Informationen, an denen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG kein oder nur ein eingeschränktes Zugangsrecht besteht. Ein Zugangsrecht an Informationen im Sinne dieser Vorschrift besteht auch dann, wenn eine öffentliche Stelle Informationen von sich aus veröffentlicht hat.
3. Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, ausschreibungsbezogene Bekanntmachungen auf Anfrage nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 Satz 1 IWG unverzüglich nach Veröffentlichung im vorgesehenen Publikationsorgan zur Verfügung zu stellen.
4. Öffentliche Auftraggeber müssen den jeweiligen Zeitpunkt der Veröffentlichung ausschreibungsbezogener Bekanntmachungen so verlässlich ermitteln, dass die Informationen im Anschluss unverzüglich zur Verfügung gestellt werden können.

VPRRS 2016, 0247

VK Nordbayern, Beschluss vom 13.04.2016 - 21.VK-3194-05/16
1. Zum Nachweis ihrer Eignung ist die Fachkunde, Leistungsfähigkeit sowie Gesetzestreue und Zuverlässigkeit der Bieter zu prüfen. Dieser Nachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen.*)
2. Eine von der zuständigen Stelle ausgestellte Präqualifikation kann nicht mit einem Nachprüfungsverfahren aberkannt werden.*)
3. Die Feststellung, ob ein Bieter die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit besitzt, um den Auftrag zufriedenstellend ausführen zu können, ist das Ergebnis einer fachlich tatsächlichen Prognose, welche der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraumes trifft. Grundlage der Prognose müssen gesicherte Erkenntnisse sein.*)

VPRRS 2016, 0244

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.07.2015 - Verg 17/15
1. Die Bildung einer Bietergemeinschaft (BIEGE) und die Abgabe eines gemeinsamen Angebots kann Wettbewerbsrecht verstoßen, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt.
2. Die als Bieter auftretende BIEGE muss daher darlegen, dass ihre Bildung und Angebotsabgabe nicht gegen Wettbewerbsrecht verstößt. Diese Darlegung muss aber nicht schon mit der Abgabe des Angebots erfolgen.
3. Auch BIEGEN zwischen auf dem selben Markt tätigen Unternehmen sind wettbewerbsunschädlich, wenn erst der Zusammenschluss zu einer BIEGE ein erfolgversprechendes Angebot ermöglicht. Ob die beteiligten Unternehmen objektiv nicht in der Lage wären, den Auftrag alleine auszuführen, ist unerheblich.

VPRRS 2016, 0243

VK Bund, Beschluss vom 10.03.2016 - VK 1-10/16
1. Der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung stellt eine vergaberechtlich hinzunehmende Zäsur dar, mit der die formelle Eignungsprüfung abgeschlossen ist. Ereignisse, die nach Zuschlagserteilung eintreten, sind der Auftragsdurchführung zuzurechnen, also einer Phase, für die das Vergaberecht nicht (mehr) gilt.
2. Der beabsichtigte und verhandelte Verkauf von Unternehmensteilen führt - solange ein Vollzug noch aussteht - nicht dazu, dass der Bieter nicht mehr als geeignet anzusehen ist.

IBRRS 2016, 1686

LG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2016 - 1 O 385/14
1. Ein Schadensersatzanspruch wegen eines Beratungsfehlers setzt voraus, dass zwischen dem Auftraggeber und dem beratenden Unternehmen ein Beratungs- oder zumindest ein - ggf. sogar unentgeltlicher - Gefälligkeitsvertrag zustande gekommen ist.
2. Ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis setzt den Willen voraus, eine Rechtsbindung zu begründen. Dabei kann ein Rechtsbindungswille auch bei einem unentgeltlichen und fremdnützigen Handeln anzunehmen sein. Eine vertragliche Bindung liegt nahe, wenn der Begünstigte sich erkennbar auf die Zusage verlässt und für ihn erhebliche Werte auf dem Spiel stehen.
3. Erbringt der Hersteller von Maschinen außerhalb seiner "Profession" zum Zwecke der Absatzförderung Beratungsleistungen, fehlt ihm der Rechtsbindungswille, sich mindestens Sekundärleistungsansprüchen zu unterwerfen.

VPRRS 2016, 0240

VK Sachsen, Beschluss vom 02.05.2016 - 1/SVK/007-16
1. Hat ein Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung angekündigt, erst im Zuge der Angebotsprüfung bei den Bietern Angaben zu den angebotenen Fabrikaten und den technischen Daten abzufragen, ist in diesem Vorgehen eine Verlagerung des Zeitpunktes zur Konkretisierung des Angebotes von der Angebotsabgabe auf den Zeitpunkt "ab Verlangen der Vergabestelle" zu sehen.*)
2. Wird der Bieter aufgefordert, die von ihm vorgesehenen Fabrikate und Produkte innerhalb einer bestimmten Frist zu benennen, ist darin die Aufforderung zur Konkretisierung des Angebotes zu sehen. Damit schuldet der Bieter nicht mehr nur ein Produkt mittlerer Art und Güte gemäß § 243 BGB.*)
3. Ist ein Bieter zu einer solchen fristgebundenen Konkretisierung seines Angebotes aufgefordert worden, so stellt die Mehrfachnennung von verschiedenen Fabrikaten für eine LV-Position einen Vergaberechtsverstoß dar, da der Bieter sich so offen behält, welches Produkt er anbieten möchte.*)

VPRRS 2016, 0239

VK Sachsen, Beschluss vom 03.05.2016 - 1/SVK/005-16
1. Nach § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2012 bezweckt das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, die Vorstellungen des Auftraggebers von der gewünschten Leistung in Bezug auf technische Merkmale oder Funktionen, Menge und Qualität für den Bieter so deutlich werden zu lassen, dass dieser Gegenstand, Art und Umfang der Leistung zweifelsfrei erkennen kann.*)
2. Eine Leistungsbeschreibung ist dann nicht eindeutig und erschöpfendend, wenn unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die den Bieter im Unklaren lassen, welche Leistungen von ihm in welcher Form und unter welchen Bedingungen angeboten werden sollen.*)

IBRRS 2016, 1640

OLG Köln, Urteil vom 07.06.2016 - 22 U 45/12
1. Die ATV DIN 18299 ff. enthalten Vorschriften über die Abrechnung von Bauleistungen auch insoweit, als es um die für die Preisberechnung als Grundlage dienende ansatzfähigen Mengen und Massen geht.
2. Zur Beantwortung der Frage, ob ein (temporärer) Spundwandverbau nach ATV DIN 18303 oder nach ATV DIN 18304 abzurechnen ist.
3. Sind in einem der Ausschreibung beiliegenden Bodengutachten bestimmte Bodenverhältnisse beschrieben, werden diese regelmäßig zum Leistungsinhalt erhoben, wenn sie für die Leistung des Auftragnehmers und damit auch für die Kalkulation seines Preises erheblich sind.
4. Ordnet der Auftraggeber die Leistung für tatsächlich davon abweichende Bodenverhältnisse an, liegt darin eine Änderung des Bauentwurfs, die zu einem Anspruch auf veränderte Vergütung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B führen kann.
5. Zahlt der Auftraggeber eine fällige Abschlagszahlung des Auftragnehmers nicht und stellt dieser daraufhin seine Leistungen vorübergehend ein, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Ersatz des dadurch entstandenen Verzögerungsschadens zu.

VPRRS 2016, 0228

VK Lüneburg, Beschluss vom 18.04.2016 - VgK-08/2016
1. Der Auftraggeber verstößt gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot, wenn er der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht nur die finalen Angebote zur als Auftragsgegenstand festgelegten Variante zugrunde legt, sondern zu gleichen Teilen auch die indikativen Angebote zu den verworfenen Varianten.
2. Erhält ein Bieter einen Punktabzug, weil sein Konzept einen nach den Vergabeunterlagen möglichst zu vermeidenden Einsatz von Containern während der Bauphase vorsieht, ist es nicht gerechtfertigt, einem anderen Bieter die volle Punktzahl zu geben, nur weil dieser ohne nähere Erläuterung erklärt hat, dass auf den Einsatz von Containern verzichtet werden kann.
VPRRS 2016, 0229

VK Lüneburg, Beschluss vom 02.03.2016 - VgK-01/2016
1. Der bloße "Anschein" einer Doppelmandatschaft eines Bieters oder Bewerbers führt nicht bereits zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots. Vielmehr bedarf es konkreter Umstände, die eine Parteilichkeit besorgen lassen.
2. Ist ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen, kann die Vermutung der Voreingenommenheit nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass sich die Tätigkeit für den Bieter oder Bewerber nicht auf die Entscheidungen im Vergabeverfahren ausgewirkt hat.
3. Berät oder unterstützt ein Bieter oder Bewerber den Auftraggeber vor Einleitung des Vergabeverfahrens, hat der Auftraggeber (hier: durch Überlassung einer geschwärzten Fassung eines bereits ausgehandelten Pachtvertrags) sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme dieses Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.


OLG Naumburg, Urteil vom 11.03.2013 - 12 U 138/12
(Ergebnis fraglich: nicht veröffentlichungswürdig)

VPRRS 2016, 0232

VK Bund, Beschluss vom 04.03.2016 - VK 1-4/16
1. Mindestanforderungen an die technische Leistungsfähigkeit müssen bereits in der Bekanntmachung bekanntgegeben werden; in den Vergabeunterlagen sind allenfalls noch Konkretisierungen dieser Anforderungen zulässig.
2. Prüft der Auftraggeber das Angebot des erstplatzierten Bieters in seiner Gesamtheit und in Bezug auf auffällige Einzelpositionen, fordert er Erklärungen bzw. Unterlagen (insbesondere die Urkalkulation) an und wird es in einem Bietergespräch aufgeklärt, muss das Angebot selbst dann nicht von der Wertung ausgeschlossen werden, wenn es preislich 37% vor dem Angebot des zweitplatzierten Bieters liegt.

VPRRS 2016, 0234

VK Bund, Beschluss vom 18.02.2016 - VK 1-2/16
1. Zu einem Vergleich der für die einzelnen Positionen eines Leistungsverzeichnisses angegebenen Einzelpreise untereinander ist der öffentliche Auftraggeber ebenso wenig verpflichtet wie zu einem Vergleich der Einzelpreise sämtlicher Bieter.
2. Es liegt im Verantwortungsbereich des Bieters, wie er seinen Preis kalkuliert und zu welchen Preisen er die ausgeschriebenen Leistungen anbietet. Deshalb sind nicht einmal Unterpreisangebote oder eine Mischkalkulation per se vergaberechtswidrig; dasselbe gilt für hohe Einzelpreise.
3. Einen eindeutigen Angebotsinhalt, der keinen Anlass zu Zweifeln gibt, muss der Auftraggeber nicht aufklären.
4. Eine eindeutige, aber wegen eines Kalkulationsfehlers des Bieters "falsche" Preisangabe kann nach der Submission nicht mehr korrigiert werden.

VPRRS 2016, 0224

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18.05.2016 - 1 Verg 1/16
1. Der Vergabestelle steht im Sinne eines geordneten Vergabeverfahrens "als Herrin des Vergabeverfahrens" auch die Möglichkeit offen, klare Regeln für Bieterfragen vorzugeben.
2. Sind Rückfragen der Bieter bis zu einem bestimmten Termin an den Auftraggeber zu richten, liegt kein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht vor, wenn ein nach dem festgelegten Zeitpunkt geführtes Telefonat nicht dokumentiert wird.

VPRRS 2016, 0225

LG Potsdam, Urteil vom 13.04.2016 - 2 O 23/15
1. Eine Schadenspauschalierung für den Fall einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung ist - auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - grundsätzlich zulässig. Eine solche Schadenspauschale darf aber den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigen.
2. Eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach der Auftragnehmer 15% der Auftragssumme zu zahlen hat, wenn er aus Anlass der Vergabe eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, ist unwirksam.

VPRRS 2016, 0221

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016 - Verg 52/15
1. Entspricht die elektronische Signatur nicht den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers, werden Zweifel begründet, ob das Angebot eindeutig und nachprüfbar dem Bieter zuzuordnen ist und, ob der Bieter den (gesamten) Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklären wollte.
2. Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit des Angebotsinhalts führen nicht zum zwingenden Angebotsausschluss. Das Angebot ist vielmehr auszulegen. Erst wenn die Zweifel nicht durch Auslegung ausgeräumt werden können, ist das Angebot auszuschließen.
3. Gibt der Auftraggeber zu erkennen, von seiner Entscheidung unter keinen Umständen abrücken zu wollen, kann die Rügeobliegenheit ausnahmsweise entfallen.
VPRRS 2016, 0504

LG München I, Urteil vom 04.03.2016 - 2 O 8641/14
1. Die Vorhaltung eines Berliner Verbaus ist nach Mietrecht zu behandeln.
2. Der Anspruch auf Vergütung der Vorhaltung eines Berliner Verbaus ist daher nicht mittels Bauhandwerkersicherheit sicherbar.

VPRRS 2016, 0216

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.11.2015 - 15 A 1141/15
1. Die VOB/A enthält keine Vorschrift, die als Ermächtigungsgrundlage für den Ausschluss eines Bieters durch Verwaltungsakt herangezogen werden kann.
2. Ein Ausschluss von Vergabeverfahren beruht auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der grundsätzlich auch für einen öffentlichen Auftraggeber gilt. Aus diesem Blickwinkel bedarf er keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung.
3. Dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, weil der streitbefangene Ausschluss vom Vergabeverfahren (formal) dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, aber keine öffentlich-rechtliche (Handlungs-)Rechtsgrundlage für einen solchen Ausschluss existiert, weil die Vergabesperre (materiell) privatrechtlicher Natur ist, ist nicht widersprüchlich.

VPRRS 2016, 0210

OLG Brandenburg, Urteil vom 17.03.2016 - 12 U 76/15
Zur Feststellung der Unzumutbarkeit einer Auftragsdurchführung wegen eines Kalkulationsirrtums des Bieters bei der Erstellung eines Angebots und einem in diesem Fall durch die Auftragserteilung begründeten Verstoß des Auftraggebers gegen das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB (hier bejaht bei einer erheblichen Abweichung des Endpreises des Angebots des Bieters von den Endpreisen der übrigen Anbieter um 7,3% und einer erheblichen Unterschreitung des angesetzten Budgets).*)

VPRRS 2016, 0206

OLG Dresden, Urteil vom 14.02.2014 - 16 U 1480/12
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2016, 0200

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2016 - Verg 48/15
1. Die Angebote müssen die geforderten Preise enthalten. Diese Voraussetzung ist nicht nur dann nicht erfüllt, eine Preisangabe fehlt, sondern auch, wenn der angegebene Preis unzutreffend ist.
2. Eine Preisangabe ist unzutreffend, wenn auch nur für eine Position nicht der Betrag angegeben wird, der für die betreffende Leistung auf der Grundlage der Urkalkulation tatsächlich beansprucht wird.
3. Eine nachträgliche Klarstellung des Angebotsinhalts ist zulässig, eine nachträgliche Änderung des Angebots durch das Einfügen eines neuen Preises hingegen nicht.

VPRRS 2016, 0199

VK Bund, Beschluss vom 11.04.2016 - VK 2-17/16
1. Der Auftraggeber kann verlangen, dass die Bieter bereits mit ihrem Angebot die Urkalkulation und eine Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle vorlegen.
2. Erklärungen eines Bieters müssen eindeutig sein, anderenfalls ist das Angebot vom Auftraggeber zwingend von der Wertung auszuschließen. Das gilt auch im Anwendungsbereich der SektVO.

VPRRS 2016, 0197

OLG Bremen, Beschluss vom 29.01.2016 - 2 Verg 3/15
1. Ein VOF-Verhandlungsverfahren kann nicht unter den in § 17 VOB/A 2012, § 20 EG VOB/A 2012 oder in § 17 VOL/A 2009 genannten Voraussetzungen aufgehoben werden. Die VOF setzt nur die Möglichkeit eines Verzichts auf die Auftragserteilung voraus, ohne dessen Voraussetzungen zu regeln.
2. Die Aufhebung eines vom Auftraggeber trotz Kenntnis einer ungesicherten Finanzierung eingeleiteten Vergabeverfahrens ist nicht möglich, da der Auftragnehmer insoweit Vertrauensschutz genießt.
3. Da sich das VOF-Verhandlungsverfahren als dynamischer Prozess darstellt, in dem sich durch Verhandlungen Veränderungen ergeben können, sind Modifikationen solange vom Verfahren gedeckt, wie die Identität als solche gewahrt bleibt und kein "Aliud" entsteht.

VPRRS 2016, 0187

VK Brandenburg, Beschluss vom 04.02.2015 - VK 19/14
1. Macht der Bieter von der Möglichkeit der Verwendung einer selbst gefertigten Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses Gebrauch und fehlt eine Seite und damit die Angabe der Einheits- und Gesamtpreise für insgesamt 8 Einzelpositionen, ist das Angebot zwingend von der Wertung auszuschließen (Anschluss an KG, IBR 2013, 482 = VPR 2013, 21).
2. Sind die Angebote schriftlich oder elektronisch (mit fortgeschrittener oder qualifizierter Signatur) einzureichen und entscheidet sich ein Bieter dafür, ein schriftliches Angebot abzugeben, müssen alle erforderlichen Angaben von der Schriftform gedeckt sein.

VPRRS 2016, 0193

OLG Bremen, Urteil vom 23.03.2005 - 1 U 71/04 b
(Ohne amtlichen Leitsatz)

VPRRS 2016, 0185

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.05.2015 - 1 VK 15/15
1. Die Forderung nach Benennung der Nachunternehmer und das Verlangen von Verpflichtungserklärungen bereits mit dem Angebot ist in der Regel unzumutbar und deshalb grundsätzlich unzulässig.
2. Ist es zwingend notwendig, dass die Nachunternehmer und deren Konzepte und Möglichkeiten dem Auftraggeber bekannt sind, um überhaupt eine Wertung durchführen zu können, stellt die Forderung, die Nachunternehmer mit der Angebotsabgabe zu benennen, ausnahmsweise keine unzumutbare Forderung dar.

VPRRS 2016, 0184

VK Bund, Beschluss vom 24.03.2016 - VK 2-15/16
1. Hat ein Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen, ist das betreffende Angebot zwingend auszuschließen. Dem Auftraggeber steht insoweit kein Ermessen zu.
2. Ob der Bieter nicht das angeboten hat, was der Auftraggeber nachgefragt hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.
3. Aufgrund der für den Bieter einschneidenden Konsequenzen kommt ein Ausschluss nur dann in Betracht, wenn die Vorgaben eindeutig und erschöpfend beschrieben worden sind, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und vergleichbare Angebote zu erwarten waren.
4. Im Rahmen der Rechenprüfung hat der Auftraggeber der Frage nachzugehen, ob der Rechenweg und das Rechenergebnis im jeweiligen Angebot korrekt sind. Im Anwendungsbereich der VOL/A 2009 gibt es allerdings keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn mathematische Fehler festgestellt werden. Ist die Ursache des Fehlers unklar, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie das Angebot insoweit auszulegen ist.

VPRRS 2016, 0183

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016 - Verg 41/15
1. Bieter, die in Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben haben, können von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden.
2. Die von öffentlichen Auftraggebern gestellten Anforderungen an die Eignung sind allerdings - ebenso wie die zum Beleg der Eignung geforderten Nachweise - bereits in der Bekanntmachung anzugeben.
3. Die Forderung des Auftraggebers, offen zu legen, ob und welches Schwesterunternehmen sich ebenfalls am Wettbewerb beteiligt, verstößt gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs.

VPRRS 2016, 0180

VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - 3 K 15.1070
Eine unterbliebene Losbildung bei der Auftragsvergabe durch den Auftraggeber stellt einen schweren Vergaberechtsverstoß dar, der den Zuwendungsgeber zur Rückforderung einer gewährten staatlichen Zuwendung (hier: zur Ersetzung eines alten Feuerwehrfahrzeugs) berechtigt.

VPRRS 2016, 0178

OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.02.2016 - 1 U 60/15
1. Das Fehlen in der Vergabeausschreibung geforderter rechnerischer Nachweise zu Wärmedämmeigenschaften von Fenster- und Türelementen stellt, sofern der Vertragsinhalt hierdurch nicht bestimmt wird, keine einer Abänderung der Vergabeunterlagen vergleichbare Auslassung (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A 2012) dar; bei ihrem Fehlen ist die Vergabestelle gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2012 zu einer Nachforderung verpflichtet.*)
2. Wird der preisgünstigste Bieter zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, muss der Auftraggeber Schadensersatz in Höhe des positiven Interesses zahlen.

VPRRS 2016, 0175

BGH, Urteil vom 19.04.2016 - X ZR 77/14
Hat sich ein Architekt oder Ingenieur an einem nach der Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen durchgeführten, dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegenden Vergabeverfahren beteiligt, in dem für über die Bearbeitung der Angebotsunterlagen hinausgehende Leistungen eine pauschale Vergütung als abschließende Zahlung vorgesehen ist, kann er die Bindung an diese Vergütung nur durch Rüge gegenüber dem Auftraggeber und Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens beseitigen. Unterlässt er dies, stehen ihm keine weitergehenden Honoraransprüche für die in Rede stehenden Leistungen zu. Das gilt unabhängig davon, ob eine Vergütung als zu gering und deshalb nicht angemessen im Sinne von § 13 Abs. 3 VOF 2009 beanstandet wird, oder ob der Auftraggeber nach Ansicht des Bieters im Vergabeverfahren als Angebot nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure mit einem höheren Betrag zu vergütende Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe verlangt hat.*)

VPRRS 2016, 0168

VK Westfalen, Beschluss vom 14.04.2016 - VK 1-9/16
1. Eine Zurückversetzung oder eine Teilaufhebung der Ausschreibung ist eine Maßnahme der Vergabestelle, die vergaberechtlich zulässig ist, soweit dies transparent und diskriminierungsfrei erfolgt.*)
2. Eine solche Teilaufhebung und eine sich unmittelbar daran anschließende Neuausschreibung kann innerhalb eines bereits eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens auf gegebenenfalls neue Vergaberechtsverstöße durch die Vergabekammer überprüft werden.*)
3. Anforderungen an Fahrzeugrückhaltesysteme müssen sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben und können nicht unter Bezugnahme auf eine vom Auftraggeber selbst geführte Produktliste ersetzt werden.*)

VPRRS 2016, 0167

VK Nordbayern, Beschluss vom 15.03.2016 - 21.VK-3194-42/15
1. Bei der Frage, ob das Vergabeverfahren wegen einer beträchtlichen Abweichung des Angebots von einer vertretbaren Schätzung aufgehoben werden darf, kann auf die Grundsätze, ob ein den Ausschluss eines Angebotes rechtfertigendes Missverhältnis zwischen Leistung und Angebot vorliegt, zurückgegriffen werden.
2. Erst ab einem Abstand von 20% liegt ein Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung bzw. der Kostenschätzung und dem Angebot nahe.
3. Liegen die Voraussetzungen des § 17 EG VOB/A 2012 nicht vor, ist eine dennoch erfolgte Aufhebung rechtswidrig, mit der Folge, dass der Auftraggeber schadensersatzpflichtig ist. Schadensersatzfrei ist eine Aufhebung für den Auftraggeber nur dann, wenn er den Aufhebungsgrund nicht zu verantworten hat.
4. Ein zur Aufhebung der Ausschreibung anlassgebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann schon deshalb nicht als schwerwiegender Grund genügen, weil es die Vergabestelle andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen.

VPRRS 2016, 0165

VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.09.2015 - VK 1-12/15
1. Die Auslegung eines angebotenen Nachlasses hat bei Unklarheiten nach dem objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen und vernünftigen Bieters im Lichte der Vorgaben der VOB/A zu erfolgen.*)
2. Nicht jede mangelnde Eindeutigkeit in den Angebotsunterlagen berechtigt den Auftraggeber zur Korrektur, sondern dies kann einschränkend nur in Bezug auf erhebliche Fehler gelten. Soweit sich Widersprüchlichkeiten je nach Auslegungsergebnis auf die Bieterrangfolge auswirken, ist ohne weiteres von der Erheblichkeit des Fehlers auszugehen.*)

VPRRS 2016, 0161

VK Südbayern, Beschluss vom 15.03.2016 - Z3-3-3194-1-03-01/16
1. Öffentliche Auftraggeber können nicht deshalb auf einen Aufhebungsgrund nach 17 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2012 berufen, weil sie geltend machen, dass sie den Beschaffungsbedarf nunmehr anders definieren und ausschreiben würden. Die Gründe, die eine Aufhebung nach 17 EG Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2012 rechtfertigen sollen, dürfen nicht der Vergabestelle zurechenbar sein.*)
2. Bieter müssen die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A 2012; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A 2009) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb rechtmäßig ist. Vielmehr bleibt es der Vergabestelle aus sachlichen Gründen, insbesondere bei einem geänderten Beschaffungsbedarf, grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13, IBR 2014, 292).*)
3. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat der Auftraggeber darzulegen, inwieweit sich der Beschaffungsbedarf geändert hat. Die unkonkrete Behauptung, den Beschaffungsbedarf neu definieren zu wollen, reicht insbesondere dann nicht aus, wenn Indizien gegen eine Änderung des Beschaffungsbedarfs sprechen.*)

VPRRS 2016, 0148

OLG München, Urteil vom 29.10.2015 - 1 U 2090/15
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf keine Beschränkten Ausschreibungen nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A 2012 durchführen, um vermutete Preisabsprachen zu bekämpfen und eine Abhängigkeit von ein bis zwei Unternehmen zu verhindern.
2. Im Bereich der nationalen Vergaben unterhalb des Schwellenwerts kann ein Bieter Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung suchen.
3. Der Anrufung des Gerichts steht das Nachprüfungsverfahren nach § 21 VOB/A 2012 nicht entgegen, weil ihm kein gesetzlicher Suspensiveffekt zukommt.

VPRRS 2016, 0164

LG München I, Urteil vom 28.05.2015 - 2 O 1248/15
(ohne)
