Vergabepraxis & -recht.

Volltexturteile nach Sachgebieten
4967 Entscheidungen insgesamt
Online seit 2017
VPRRS 2017, 0042
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.01.2017 - 3 VK LSA 65/16
1. Unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zustande gekommene Verträge (hier: Zuschlag für Glas- und Unterhaltsreinigungsleistungen) sind nichtig.
2. Das vergaberechtliche Transparenzgebot und das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung sind verletzt, wenn für die Verwendung von Reinigungswerten als Eignungskriterium keine entsprechenden Werte bekannt gegeben werden.
3. Die Verwendung von Reinigungswerten bei der Angebotswertung ist unverzichtbar davon abhängig zu machen, dass der Auftraggeber den entsprechenden Wert (oder eine Bandbreite) entweder in der Vergabebekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen benennt. Das gilt auch, wenn der Auftraggeber die Einhaltung bestimmter Wertungskriterien im Rahmen der Angemessenheitsprüfung verwenden will.
4. Versäumt der Auftraggeber, die erforderlichen Formblätter, Eigenerklärungen und ergänzenden Vertragsbedingungen abzufordern, verletzt er seine Dokumentationspflicht und das Transparenzgebot.
5. Die Verordnung über die Anwendung des Formularwesens bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge vom 30.04.2013 ist aufgrund der Bezugnahmen verbindlich auch bei der Vergabe von Dienstleistungsverträgen anzuwenden.

VPRRS 2017, 0037

VK Bund, Beschluss vom 20.12.2016 - VK 2-123/16
1. Gibt es bei den Vorgaben der Ausschreibung (hier: Rahmenvereinbarung über Projektträgerleistungen) Transparenzdefizite oder sonstige Unklarheiten, wird der Bieter zwangsläufig merken, dass ihm wesentliche Informationen fehlen, an denen er sich bei der Angebotserstellung ausrichten kann.
2. Den "durchschnittlichen" Bieter gibt es nicht. Die konkrete Vergabe und der angesprochene Bieterkreis prägen den Empfängerhorizont und damit das Verständnis der Bieter, das zur Auslegung der Unterlagen maßgeblich ist. Entsprechend ergibt sich der Maßstab für die Erkennbarkeit im Rechtssinne aus dem objektivierten mit vergaberechtlicher Expertise versehenen Adressatenkreis.
3. "Erkennbarkeit" ist nicht gleichzusetzen mit "Erkennen". Entscheidend ist nicht, ob die Thematik (hier: Ausschreibung eines Rahmenvertrages oder isolierte Vergabe von Workshops) tatsächlich erkannt wurde, sondern ob dies aus objektivierter Bietersicht erkennbar gewesen ist. Ein öffentlicher Auftraggeber muss von Amtswegen mit vergaberechtlichen Fragen vertraut sein, unabhängig davon, ob er Juristen im Vergabeteam hat.
4. Hat der Auftraggeber bei den Konzepten transparent und nachvollziehbar mit einer Reihe von Fragestellungen vorgegeben, worauf Wertungspunkte vergeben werden, ist der "Flipping-Effekt" als eine Folge der Angebotsbewertung im Quervergleich der Angebote zulässig.
5. Enthält ein Rahmenvertrag Vorgaben zu Mengenabrufen und sogar eine Mindestabnahmemenge, ist dies ein Vorteil für die Bieter und insbesondere bei einem Ein-Partner-Modell kein vergaberechtliches Defizit.
VPRRS 2016, 0486

VK Lüneburg, Beschluss vom 27.09.2016 - VgK-39/2016
1. Das Transparenzgebot gebietet, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens klar und eindeutig zu formulieren sind. Alle ausreichend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter sollen die genaue Bedeutung dieser Bedingungen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen und der Auftraggeber tatsächlich überprüfen können, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen. Dies gilt uneingeschränkt für geschlossene Bewertungssysteme.
2. Entscheidet sich der Auftraggeber für ein offenes Wertungssystem, weil er vorab nicht weiß, welcher Bestwert erzielt werden wird, muss er vorab und transparent einen Bewertungsmaßstab aufstellen, der eindeutig festlegt, in welcher Abstufung die Angebote zueinander gewertet werden. Es bedarf daher der klaren Vorgabe eindeutiger Ziele, nicht aber konkreter Inhalte für die Erfüllung der vorgegebenen Bewertungsstufen.

VPRRS 2017, 0025

VK Bund, Beschluss vom 31.05.2016 - VK 1-34/16
1. Seit dem Wegfall des Meisterzwangs haben sich im Bereich Reinigungsleistungen zwei eigenständige Branchen - Unterhaltsreinigung und Glasreinigung - mit unterschiedlicher Organisation, Qualifikation und Entlohnung des eingesetzten Personals, sowie ausschließlich auf eines dieser Segmente spezialisierte Unternehmen gebildet.
2. Bei öffentlichen Vergaben ist die getrennte Vergabe von Unterhalts- und Glasreinigungsleistungen der Normalfall, die Gesamtvergabe beider Leistungen an einen Auftraggeber dagegen die Ausnahme.
3. Das Gebot der Losvergabe dient dem Wettbewerbsgrundsatz, da sich bei der Aufteilung eines Auftrags in mehrere Lose eine größere Anzahl von Marktteilnehmern um einen Auftrag bewerben kann und der Markt nicht nur wenigen, auf die Unterhalts- und Gleisreinigung gleichermaßen ausgerichteten Unternehmen offen steht.
4. Auf die Losvergabe darf nur nach umfassender Abwägung der widerstreitenden Interessen durch den öffentlichen Auftraggeber verzichtet werden. Ein potentieller Bieter hat einen Anspruch darauf, dass ein öffentlicher Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum bei der Losvergabe ordnungsgemäß ausübt.
5. Der Begriff "Splitterlos" ist dem Gesetz unbekannt und nicht verbindlich definiert.
6. Die Tatsache, dass der öffentliche Auftraggeber für den Auftrag "Glasreinigung" erheblich weniger bezahlt als für den Auftrag "Sonstige Unterhaltsreinigung", führt nicht automatisch zu irgendwelchen Schwierigkeiten oder Mehraufwand auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers, die einen Losverzicht rechtfertigen würden.
7. Typischer Mehraufwand, der jeder Losaufteilung immanent ist, rechtfertigt keinen Verzicht. Im Interesse des Mittelstandsschutzes muss ein Auftraggeber daher konkret vorliegende technische oder wirtschaftliche Gründe vortragen, die in seiner Ausschreibung eine Gesamtvergabe erfordern.

VPRRS 2017, 0010

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.06.2016 - 20 D 95/13
1. Schreibt ein Auftraggeber Bodenabfertigungsarbeiten an einem Flughafen für einen konkreten Zeitraum aus (hier: 2010 - 2017), ist die Auswahlentscheidung eines Bewerbers rechtswidrig, wenn dieser die Konzession für einen abweichenden Geltungszeitraum erhält (hier: 2014 - 2020).
2. Erfolgt die Vergabe - jedenfalls teilweise - ohne die vorgeschriebene Ausschreibung im Amtsblatt der EU, wird dadurch das Recht der übrigen Bewerber auf ein ordnungsgemäßes und faires Auswahlverfahren verletzt, weil diese davon ausgehen dürfen, dass der konkret angegebene Ausschreibungszeitraum verbindlich ist.

VPRRS 2016, 0485

OLG Dresden, Beschluss vom 26.01.2016 - Verg 1/16
1. Ein Wertungsschema ist unzulässig, wenn der Bieter nicht erkennen kann, wonach der Auftraggeber innerhalb des Wertungskriteriums die Wertungsabstufung inhaltlich vorzunehmen beabsichtigt.
2. Es ist weder notwendig noch praktisch handhabbar, jeden denkbaren Wertungsaspekt im Vorhinein einem konkreten Punktwert zuzuordnen. Dies gilt insbesondere, wenn die Wertung konzeptionelle Ausführungen der Bieter zum Gegenstand hat.

VPRRS 2017, 0029

VK Hessen, Beschluss vom 17.08.2016 - 69d-VK-07/2016
1. Bei der Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes kommt es auf die übliche Sorgfalt und üblichen Kenntnisse eines durchschnittlichen Bieters an, mittels derer Tatsachen in Vergabeunterlagen von diesem ohne anwaltlichen Rat als Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden können. Hinzu treten muss bei ihm das Bewusstsein, dass hieraus in rechtlicher Hinsicht ein Vergabeverstoß resultieren könnte. Ist der Bieter ein Unter-nehmen, sind bei innerbetrieblicher Arbeitsteilung etwaige unterschiedliche Kenntnisstände von Mitarbeitern ohne Belang.*)
2. Ein unvollständiges Angebot gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A liegt vor, wenn darin bei einer Erklärung über die Kalkulation der Kosten eine geforderte Einzelposition nicht ausgewiesen wurde.*)
3. Der Auftraggeber darf ein unvollständiges Angebot nicht ausschließen, so-lange er sein Ermessen, ob er eine fehlende Erklärung nachfordert, nicht aus-geübt hat.*)
4. Bei der Beurteilung der Unwesentlichkeit i.S.v. § 19 EG Abs. 2 Satz 2, 2. Halb-satz VOL/A kommt es nicht darauf an, ob das Ergänzen der fehlenden Preis-angabe die Wettbewerbsstellung des betreffenden Bieters ändert oder nicht. Gerät weder der Wettbewerb noch die Eindeutigkeit bzw. Vergleichbarkeit des Angebotes in Gefahr, so besteht kein Anlass, solche Angebote von vor-herein zwingend auszuschließen.*)
5. Der Umfang der Nachforderungsmöglichkeit i.S.v. § 19 EG Abs. 2 VOL/A ist wesentlich weitreichender als die Aufklärungsmöglichkeit des § 18 Satz 1 VOL/A.*)

VPRRS 2017, 0020

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.11.2016 - 3 VK LSA 39/16
1. Hebt der Auftraggeber die öffentliche Ausschreibung auf, weil sie kein wirtschaftliches Ergebnis hatte, und fordert dann mehr als drei Unternehmen zur Angebotsabgabe in einer beschränkten Ausschreibung auf, ist dies zulässig.
2. Hat der Bieter ein Angebot mit kalkulierten Preis abgegeben und auch kein anderer Bieter wegen Unklarheiten Fragen zum Leistungsverzeichnis gestellt, ist anzunehmen, dass die Leistung eindeutig und erschöpfend beschrieben wurde.

VPRRS 2017, 0016

VK Bund, Beschluss vom 06.12.2016 - VK 2-119/16
1. Vermengt der Auftraggeber in seinem Nachforderungsschreiben Nachforderungen sowie weitere Erläuterungsanfragen und nimmt auf eine falsch zitierte Norm Bezug, kann er den Ausschluss des Angebots nicht auf einen einzelnen Punkt unter eine Reihe von Forderungen stützen. Für den Bieter ist nicht transparent, dass ein solches Schreiben auch einen Nachforderungstatbestand enthält.
2. Um den fehlerhaften Ausschluss des Nebenangebots zu heilen, hat der Auftraggeber ein konkretes Nachforderungsverlangen unter Fristsetzung zu stellen und anschließend eine erneute Wertung vorzunehmen.
3. Das Vergaberecht richtet sich an öffentliche Auftraggeber. Der Bieter ist deshalb nicht verpflichtet, sich mit dem Rechtsgebiet auszukennen und darf darauf vertrauen, dass der Auftraggeber die Vorgaben der Ausschreibung korrekt aufgestellt hat.
4. Für die Erkennbarkeit von Vergabefehlern in der Ausschreibung ist nicht nur die tatsächliche Erkennbarkeit eines vermeintlichen Fehlers, sondern auch die Erkennbarkeit im Rechtssinne entscheidend.
5. Für Nebenangebote gelten zusätzliche rechtliche Anforderungen. Werden Ausschreibungsfehler erst nach anwaltlicher Beratung erkannt, ist eine Rüge unverzüglich nach anwaltlicher Beratung fristgerecht.

VPRRS 2017, 0017

VK Sachsen, Beschluss vom 11.11.2016 - 1/SVK/024-16
1. Fußt der Rügevortrag auf dem Vorwurf, dass der Zuschlagsbieter keinen Wartungsvertrag abgegeben habe, da im Submissionstermin kein Wartungsbetrag für die Wartungsleistungen verlesen worden sei, stellt dies einen ausreichend substantiierten Rügevortrag und keine "Rüge ins Blaue hinein" dar.*)
2. Eine Rüge ist auch dann ausreichend substantiiert, wenn das rügende Unternehmen eine konkrete Tatsache benennt, aus der sich der Verdacht eines Vergaberechtsverstoßes ergibt. Eine andere Auffassung würde einen effektiven Rechtschutz für den Bieter verhindern.

VPRRS 2017, 0024

OLG Celle, Beschluss vom 10.11.2016 - 13 Verg 7/16
1. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 8 EG Abs. 7 Satz 1 VOL/A 2009, wenn bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrages über die Lieferung von tauenden Streustoffen Salz aus einer bestimmten Gewinnungsstätte ausgeschlossen wird, bei dessen Verwendung in der Vergangenheit erhebliche Probleme (u.a. Verkrustungen und Verklumpungen) aufgetreten waren. Im Hinblick auf die zwingende Notwendigkeit eines jederzeit störungsfreien Betriebs des Winterdienstes darf der Auftraggeber die absehbaren Risiken der (Weiter-)Verwendung dieses Streusalzes ausschließen und den sichersten Weg wählen, weil bereits das tatsächlich vorhandene Risikopotential die getroffene Beschaffungsentscheidung sachlich rechtfertigt.*)
2. Die unterlassene Aufteilung des Liefervolumens in Teillose verletzt den Bieter nicht in seinen Rechten, wenn er selbst bei unterstellter Teillosbildung den Zuschlag nicht erhalten hätte.*)

VPRRS 2017, 0015

OLG Dresden, Beschluss vom 23.09.2016 - Verg 3/16
Auch wenn die Vergabeunterlagen keine ausdrücklichen Mindestvorgaben für die Anzahl der einzusetzenden Servicekräfte enthalten, bedeutet dies nicht, dass die Bieter in ihren Angaben völlig frei sind. Vielmehr sind so viele Servicekräfte anzugeben, wie zur ordnungsgemäßen Erbringung der Leistung mindestens notwendig sind.

VPRRS 2017, 0012

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.09.2016 - 3 VK LSA 26/16
1. Weicht der Angebotspreis des Antragstellers 9,5 v.H. vom nächst höheren Angebot ab, ist der Preis nicht unangemessen niedrig. Bei der Berechnung der Abstände zum nächsthöheren Angebot muss der Angebotspreis insgesamt betrachtet werden. Es ist unzulässig, auf bestimmte Einzelpreise abzustellen.
2. Entsprechend § 15 Abs. 1 VOB/A 2016 darf sich der Auftraggeber über das Angebot selbst, Bezugsquellen von Stoffen und Bauteilen sowie die Angemessenheit der Preise informieren. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben oder lässt er die ihm gesetzte Frist unbeantwortet verstreichen, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Die Aufklärung wurde durch die Antragsgegnerin nicht hinreichend bzw. fehlerhaft durchgeführt. Bloße Vermutungen können nicht die Grundlage für den Ausschluss eines Angebotes sein.*)

VPRRS 2017, 0008

VK Bund, Beschluss vom 05.12.2016 - VK 2-107/16
Auch nach der Vergaberechtsreform 2016 sind Angebote von der Wertung auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Die neu in die VgV eingefügte Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 4 stimmt wörtlich mit der Regelung des bisherigen § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 überein, so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung entsprechend herangezogen werden kann.

VPRRS 2017, 0054

VK Hessen, Beschluss vom 20.07.2016 - 69d-VK-21/2016
1. Eine Rüge ist auch dann rechtzeitig, wenn sie kurz vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe erfolgt ist.*)
2. Zu Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung.*)

VPRRS 2017, 0003

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2016 - Verg 25/16
1. Ein reines Schulnotensystem hat aufgrund völliger Unbestimmtheit und Intransparenz der Bewertungsmaßstäbe als vergaberechtswidrig auszuscheiden.
2. Bei (teil-)funktionalen Ausschreibungen kann ein Schulnotensystem zur Anwendung kommen kann, wenn der öffentliche Auftraggeber es durch funktionale Unterkriterien ausgefüllt hat.
3. Eine in den Vergabebedingungen liegende regionale Beschränkung führt regelmäßig zu einer Bevorzugung des bisherigen Auftragnehmers sowie umgekehrt zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung ortsfremder Bieterunternehmen.

VPRRS 2017, 0001

VK Hamburg, Beschluss vom 23.09.2016 - Vgk FB 6/16
1. Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen fest (hier: geforderte Fremdsprachen für Dolmetscherdienstleistungen), ist er berechtigt, diesen Fehler zu korrigieren.
2. Sind die Ausschreibungsbedingungen teilweise widersprüchlich und intransparent, ist es zulässig, die Ausschreibung teilweise aufzuheben und das Verfahren in eine zweite Angebotsrunde teilweise zurückzuversetzen.
3. Wie und in welchem Umfang ein öffentlicher Auftraggeber erkannte Fehler in seiner Ausschreibung behebt, unterliegt seiner Gestaltungsfreiheit. Werden die vergaberechtlichen Gebote Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung beachtet, ist ein ordnungsgemäßer und fairer Wettbewerb aufrechterhalten und keine Verletzung von Bieterrechten zu befürchten.

Online seit 2016
IBRRS 2016, 3386
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 16.05.2014 - 1 U 73/13
Eine Regelung in den Vertragsbedingungen des Auftraggebers, wonach sich der Ausführungszeitraum aufgrund von Schlechtwettertagen zwar verlängern kann, in diesem Fall jedoch kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht, benachteiligt den Auftragnehmer nicht unangemessen und ist wirksam.

VPRRS 2016, 0489

VK Bund, Beschluss vom 18.11.2016 - VK 2-103/16
1. Aus der bisherigen Leistungserbringung eines Bieters als Vorauftragnehmer gewonnenen Erkenntnisse dürfen vom Auftraggeber im Rahmen der Eignungsprüfung eines Folgeauftrags berücksichtigt werden.
2. Auch wiederholte Fälle kleinerer Unregelmäßigkeiten reichen für eine negative Eignungsprognose aus.
3. Zweifel an der Eignung aufgrund festgestellter Schlechtleistungen an einem anderen Standort werden durch die beanstandungsfreie Leistungserbringung anderen Standorten nicht ausgeräumt.

VPRRS 2016, 0482

VK Südbayern, Beschluss vom 23.11.2016 - Z3-3-3194-1-20-03/15
1. Sektorenauftraggeber ist nur, wer Verkehrsleistungen selbst erbringt. Die bloße Organisation solcher Dienstleistungen (hier: für Personenbeförderung mit Omnibussen und Regionalbuslinien) macht den Auftraggeber nicht zum Sektorenauftraggeber.
2. Die Übertragung von Linienbündeln auf eine andere Stadt, führt dazu, dass die Zuständigkeit zur Vergabe des streitgegenständlichen Auftrags wechselt. Der Verlust der Zuständigkeit einen öffentlichen Auftrag zu erteilen, führt zu einer wesentlichen Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens, die es erlauben, eine Ausschreibung aufzuheben.
3. Ist nicht ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass die ausschreibende Stelle die Bekanntmachung bereits in Kenntnis des unmittelbar bevorstehenden Antrags auf Übertragung der Zuständigkeit veröffentlicht hat, kann das Vergabeverfahren rechtmäßig aufgehoben werden.

VPRRS 2016, 0480

EuGH, Urteil vom 08.12.2016 - Rs. C-553/15
1. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur freihändigen Vergabe ("in-house") öffentlicher Aufträge ist bei der Beurteilung der Frage, ob das beauftragte Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber, insbesondere die Gebietskörperschaften, die an ihm beteiligt sind und es kontrollieren, verrichtet, in diese Tätigkeit eine solche nicht einzubeziehen, die dem Unternehmen von einer an ihm nicht beteiligten Behörde zugunsten von Gebietskörperschaften, die auch nicht an ihm beteiligt sind und keine Kontrolle über das Unternehmen ausüben, auferlegt wird; diese Tätigkeit ist als Tätigkeit zugunsten Dritter anzusehen.*)
2. Bei der Beurteilung der Frage, ob das beauftragte Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaften verrichtet, die an ihm beteiligt sind und über das Unternehmen gemeinsam eine Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausüben, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen eine Tätigkeit gehören kann, die das Unternehmen für diese Gebietskörperschaften verrichtet hat, bevor diese gemeinsame Kontrolle wirksam wurde.*)

VPRRS 2016, 0470

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2016 - Verg 1/16
1. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind gewahrt, sofern (1) die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, (2) vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, (3) solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind, und (4) die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
2. Verhält sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt.

VPRRS 2016, 0475

BSG, Urteil vom 25.11.2015 - B 3 KR 16/15
Stellt eine Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Verträge mit Apotheken in der Weise sicher, dass sie im Wege der Ausschreibung einen auf ein bestimmtes Gebiet bezogenen Exklusivliefervertrag mit einer Apotheke schließt, sind alle anderen Apotheken von der Erbringung dieser Leistung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse in diesem Gebiet ausgeschlossen.*)

VPRRS 2016, 0444

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.07.2016 - 1 VK LSA 08/16
1. Kann ein durchschnittlich erfahrener Bieter durch das bloße Lesen der Vergabeunterlagen merken, dass das ausgewiesene Konzept zu den geplanten Eignungs- und Zuschlagskriterien eine unzulässige Mehrfachbewertung zulässt, ist ihm zuzumuten, dies zu rügen. Verschließt sich der Bieter gegen diesen offensichtlich möglichen Rückschluss, ist er im Nachprüfungsverfahren mit diesem Einwand präkludiert.
2. Kann der konkrete Bieter wegen unterdurchschnittlicher Erfahrungen den Rückschluss nicht ziehen, muss er sich gegebenenfalls fachlichen Rat erkaufen. Wer dies unterlässt, handelt schuldhaft.
3. Fordert die Bieterinformation unmissverständlich dazu auf, Start- und Zielzeit der Busfahrt sowie die Linienkilometer nachvollziehbar anzugeben, führt ein unbekümmerter Umgang mit diesen Vorgaben (hier: durch Stehenlassen der Platzhalter-Null bei der Kilometerangabe) und die Änderung der Vergabeunterlagen zum Ausschluss des Bieters.

VPRRS 2016, 0468

VG Münster, Urteil vom 07.09.2016 - 9 K 3118/12
Teilwiderruf und Rückforderung einer Subvention wegen unzulässiger Wahl des Vergabeverfahrens (hier: Neubau eines trimodalen Containerterminals).*)

VPRRS 2016, 0465

VK Brandenburg, Beschluss vom 25.02.2016 - VK 28/15
1. Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Über die Erkennbarkeit der einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umstände hinaus muss dabei für den Bieter auch die Vergaberechtswidrigkeit zu erkennen sein.
2. Allein daraus, dass sich die Bieter als Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen regelmäßig an Ausschreibungen beteiligen, kann nicht geschlossen werden, dass sie mit der vergaberechtlichen Beurteilung von Wertungssystemen und der diesbezüglichen richterlichen Rechtsprechung auskennen. Ist ein Bewertungsmaßstab nicht mit den Vergabeunterlagen bekannt gemacht worden, sind sich daraus möglicherweise ergebende Vergaberechtsverstöße für die Bieter nicht erkennbar.

VPRRS 2016, 0464

VK Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2016 - VK 14/16
1. Der Auftraggeber darf die Eignung eines potentiellen Bieters nicht vorwegnehmen und beurteilen, ohne diesem zuvor die Gelegenheit gegeben zu haben, etwas zu seiner Eignung vorzutragen.
2. Ein drohender Schaden (§ 107 Abs. 2 GWB a.F.) ist bereits dann anzunehmen, wenn der Bieter im Falle eines neuen ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren.
3. Für die Ausschreibung von Aufträgen ohne Teilnahmewettbewerb sind ernsthafte Nachforschungen zu potentiellen Unternehmen für die Auftragserteilung auf europäischer Ebene gefordert. Die Ausnahmevorschrift § 3 EG Abs. 4 c VOL/A 2009 ist restriktiv auszulegen.

VPRRS 2016, 0463

VK Brandenburg, Beschluss vom 03.08.2016 - VK 10/16
1. Es ist nicht Aufgabe der Vergabekammer zu prüfen, ob bei der Ausschreibung von Buslinienbündeln Bieter die Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes verletzen oder Genehmigungen (hier: für Rufbus-Fahrten) hätten erhalten müssen.
2. Die Vergabekammer prüft nur die Einhaltung vergaberechtlicher Verschriften, nicht die Verletzung von Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes. Entscheidungen von Genehmigungsbehörden können ausschließlich im Verwaltungsverfahren überprüft werden.
3. Das Vergaberecht kennt keinen vorbeugenden Rechtsschutz.

VPRRS 2016, 0460

VK Westfalen, Beschluss vom 28.07.2016 - VK 2-24/16
1. Es ist zulässig, in einer Gerichtsstandsvereinbarung eine zuständige Vergabekammer festzulegen.
2. Spätestens mit Abgabe eines uneingeschränkten Angebots unterwirft sich der Bieter den Konditionen des Verfahrens. Wird eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht gerügt, begründet sie eine ausschließliche Zuständigkeit des entsprechenden Gerichts für das Vergabeverfahren.
3. Zur Zuständigkeit einer Vergabekammer des Landes bei grenzüberschreitender gemeinsamer Vergabe und zur Zulässigkeit einer Vergaberechtsvereinbarung analog § 106a Abs. 3 S. 2 GWB a.F. i.V.m. Art. 23 EuGVVO. *)

VPRRS 2016, 0455

VK Brandenburg, Beschluss vom 15.09.2015 - VK 15/15
1. Ein Bieter kann sich auch zulässigerweise an die Vergabekammer wenden und die Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschriften geltend machen, wenn der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung bereits aufgehoben hat.
2. Ein öffentlicher Auftraggeber darf vom Beschaffungsvorhaben Abstand nehmen und kann nicht dazu gezwungen werden, einen Vertrag mit einem Bieter abzuschließen. Nur in Ausnahmefällen - z.B. wenn der Auftraggeber unverändert am Beschaffungsziel festhält und kein tatsächlich sachlich gerechtfertigter Grund und kein Aufhebungstatbestand vorliegt - kann der Auftraggeber verpflichtet werden, das Vergabeverfahren fortzuführen.
3. Bieter haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen des Vergabeverfahrens eingehalten werden, aber nicht darauf, dass ein Vergabeverfahren mit Erteilung eines Zuschlags abgeschlossen wird.

VPRRS 2016, 0458

VK Westfalen, Beschluss vom 22.04.2016 - VK 2-14/16
1. Die Tariftreueverpflichtung ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und anderer Obergerichte "eine zusätzliche Bedingung (Anforderung) an die Auftragsausführung" im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB a.F. (Art. 26 Richtlinie 2004/18/EG i.V.m. Erwägungsgrund 33) (OLG Düsseldorf zuletzt in der Entscheidung vom 15.07.2015 - Verg 11/15, VPR 2016, 7).*)
2. Die Einstufung einer Tätigkeit in die Kategorien des Tarifvertrages ist Teil der Kalkulation und damit der Kalkulationsfreiheit des Bieters zugeordnet. Der Bieter trägt das Risiko einer arbeitsrechtlich fehlerhaften Einordnung. Ob diese Einstufung arbeitsrechtlich korrekt ist, obliegt nicht (mehr) der Überprüfung durch die Vergabestelle oder die Vergabekammer. Hierzu hat der Gesetzgeber entschieden, einen eigenen Weg vorzugeben, nämlich den über die Vollzugsprüfung durch die Prüfbehörde nach § 15 TVgG NRW. Für die Entscheidung der Vergabestelle ist es daher allein ausreichend, dass der Bieter sich verpflichtet, die tarifgerechte Entlohnung zu zahlen (vgl. dazu auch VK Münster, Beschluss vom 27.10.2015 - VK 1-28/15, VPR 2016, 120).*)

VPRRS 2016, 0456

VK Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2016 - VK 5/16
1. Das maschinelle Mähen der Böschungen und Entfernen des Bewuchses aus der Grabensohle sowie das Beräumen der Grabensohle von abgelagertem organischen Material sind Gewässerunterhaltungsarbeiten, für die der Schwellenwert für Dienstleistungen maßgebend ist.
2. Unterwasserarbeiten können zwar als Wasserbau auch den Bauleistungen zugeordnet werden, dies setzt jedoch voraus, dass fühlbare Eingriffe in die Bauwerkssubstanz ausgeschrieben werden.
3. Für die Überschreitung des maßgeblichen Schwellenwertes ist die geschätzte Gesamtvergütung für die vorgesehenen Leistungen ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer maßgebend. Kosten aus einer vor 10 Jahren erfolgten Auftragsvergabe können dabei nicht als Marktpreise angesehen werden. Der Auftraggeber muss eine ausreichende Marktrecherche vornehmen, sich einen Überblick über die Marktlage verschaffen und dies entsprechend in der Vergabeakte dokumentieren.

VPRRS 2016, 0457

VK Sachsen, Beschluss vom 13.05.2016 - 1/SVK/004-16
1. Nimmt ein Bieter in einer vom Auftraggeber vorgefertigten Tabelle handschriftliche Ergänzungen mit Querverweisen auf andere Spalten vor, statt in den Tabellenspalten die entsprechenden Zahlenwerte an der geforderten Stelle anzugeben, stellt dies eine Änderung der Vertragsunterlagen gemäß § 19 EG Abs. 3 d VOL/A 2009 dar. Auch in Kalkulationstabellen dürfen Erläuterungen oder Zusätze wie "in Position... enthalten" nicht in den Vertragsunterlagen angebracht werden.*)
2. Der den Ausschluss eines Angebots rechtfertigende Mangel kann dann nicht im Wege eines Aufklärungsgesprächs nach § 18 EG Satz 1 VOL/A 2009 beseitigt werden, wenn hierzu die Änderung des Angebots notwendig wäre.*)

VPRRS 2016, 0454

VK Sachsen, Beschluss vom 01.11.2016 - 1/SVK/020-16
1. Die Auskömmlichkeitsprüfung stellt eine Prognoseentscheidung dar, ob der Bieter in der Lage ist, seine Leistungen zu den angebotenen Preisen auftragsgerecht zu erbringen. Ihre abschließende Durchführung beinhaltet die Ausübung eines Beurteilungsspielraumes.*)
2. Einem Wiedereinstieg in eine bereits abgeschlossene Prüfung der Auskömmlichkeit der Angebotspreise stehen keine rechtlichen Bedenken entgegen, wenn neue objektive, sachbezogene und nichtdiskriminierende Gründe dafür vorliegen.*)
3. Ein Auftraggeber, der in der Vergangenheit wiederholt negative Erfahrungen mit der Preisbildung, der Preistransparenz oder der Belastbarkeit von in Aufklärungsgesprächen abgegebenen Preisauskünften eines Bieters gemacht hat, darf diese bei neuen Vergabeverfahren berücksichtigen und kann bei diesem Bieter eine Tiefenprüfung der Preise durchführen.*)
4. Standen sich Auftraggeber und Bieter bisher ausschließlich in problembelasteten Vertragsverhältnissen gegenüber, die in einem Fall in einer gegen Mitarbeiter des Auftraggebers gestellte Strafanzeige mündeten und geht selbst der Bieter davon aus, dass die Zusammenarbeit (oder das Vertrauensverhältnis) mittlerweile völlig gestört sei, kann nicht mehr von üblichen Meinungsverschiedenheiten auf der Baustelle die Rede sein. In einem solchen Fall ist ein Auftraggeber berechtigt, das Angebot dieses Bieters nach § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. i.V.m. § 16 EG Abs. 2 Nr. 1 VOB/A 2012 wegen fehlender Eignung auszuschließen.*)

VPRRS 2016, 0451

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.11.2016 - Verg 23/16
1. Ein Verfassungsorgan (hier: der Deutsche Bundestag) ist kein öffentlicher Auftraggeber. Auftraggeber - und damit Antragsgegner im Vergabenachprüfungsverfahren - ist bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch ein Verfassungsorgan des Bundes die Bundesrepublik Deutschland.
2. Die Vergabe von Aufträgen an Tochtergesellschaften des öffentlichen Auftraggebers ist nicht als vergabepflichtig anzusehen, wenn der Auftraggeber über den Auftragnehmer eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle (Kontroll- oder Beherrschungskriterium) und der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber verrichtet (Wesentlichkeitskriterium). Eine Beteiligung an der Geschäftsführung ist nicht erforderlich.
3. Das Wesentlichkeitskriterium ist nach dem bis zum 18.04.2016 geltenden "alten" Vergaberecht erfüllt, wenn das zu beauftragende Unternehmen 90% seiner Tätigkeit für die Körperschaften und öffentlichen Einrichtungen verrichtet, die ihre Anteile innehaben.
4. Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU, der es ausreichen lässt, wenn mehr als 80% der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person der Ausführung der Aufgaben dienen, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen vom diesem kontrollierten juristischen Personen betraut wurden, entfaltet keine Vorwirkung dergestalt, dass das bis zum 18.04.2016 anwendbare Recht mit Blick auf die neue Regelung richtlinienkonform auszulegen wäre.
5. "In-House-schädliche" Fremdgeschäfte des Auftragnehmers sind nur solche Tätigkeiten, die nicht für den Auftraggeber oder ihm zuzurechnende Stellen, sondern für private Dritte erbracht werden.

VPRRS 2016, 0453

VK Sachsen, Beschluss vom 29.09.2016 - 1/SVK/021-16
1. Gem. § 20 Abs. 1 VOF dienen Präsentationen mit den ausgewählten Bietern der Ermittlung des Bieters, der im Hinblick auf die gestellte Aufgabe am ehesten die Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserbringung bietet. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, bei der dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, der von der Vergabekammer nur eingeschränkt überprüfbar ist. Deshalb sind an die Bestimmtheit der Kriterien geringere Anforderungen zu stellen als bei einem Beschaffungsvorgang mit einer klar umrissenen Leistungsbeschreibung.*)
2. Bei der Überprüfung einer Bewertung von schöpferischen Leistungen ist einzustellen, dass ein Bewertungsergebnis ohnedies keine mathematische Genauigkeit in der Weise ausweisen kann, dass die bloße Anzahl positiver oder negativer Gesichtspunkte sich rechnerisch genau in der Punktebewertung niederschlägt. Es wäre unverhältnismäßig, von einem Auftraggeber zu verlangen, in der Begründung der Wertungsentscheidung einer Präsentation ausdrücklich auf jede - Einzelheit einzugehen. Eine zusammenfassende, auf die tragenden Gründe beschränkte Darstellung muss vielmehr genügen, sofern dadurch nicht wesentliche Elemente einer Präsentation ausgeblendet werden.*)

VPRRS 2016, 0452

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.09.2016 - 15 Verg 7/16
1. Jede produkt-, verfahrens- und technikspezifische Ausschreibung ist als solche wettbewerbsfeindlich. Allerdings obliegt dem öffentlichen Auftraggeber die Bestimmung des Auftragsgegenstands. Das Vergaberecht macht ihm grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands (hier: eines Steinway & Sons-Flügels).
2. Es obliegt dem Auftraggeber, die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen; die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes hat aber auf sach- und auftragsbezogenen Gründen zu beruhen.
3. Ist die Festlegung des Beschaffungsbedarfs aufgrund sachlicher und auftragsbezogener Gründe diskriminierungsfrei erfolgt, ist eine sich hieraus ergebende wettbewerbsverengende Wirkung hinzunehmen.

VPRRS 2016, 0169

VK Südbayern, Beschluss vom 08.04.2016 - Z3-3-3194-1-57-11/15
Dem Europäischen Gerichtshof wird zur Auslegung der Richtlinie 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar, dass einer Person, die die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union abgeschlossenen Vertrags geltend macht, das Nachprüfungsverfahren mangels drohenden Schadens deshalb nicht eröffnet ist, weil der öffentlicher Auftraggeber, der vor der Vergabe keine Bekanntmachung im Amtsblatt der europäischen Union vorgenommen hat und kein geregeltes Vergabeverfahren durchgeführt hat, die zu erbringende Leistung durch Erklärung im Nachprüfungsverfahren bindend derart bestimmt, dass der klagende Wirtschaftsteilnehmer sie nicht erbringen könnte?
2. Stellt es eine wesentliche Vertragsänderung dar, wenn ein aus einem anderen öffentlichen Unternehmen ausgegründetes öffentliches Unternehmen im Rahmen Übergangs eines Betriebsteils mit dem bisherigen Leistungserbringer der betrieblichen Altersvorsorge des ausgründenden öffentlichen Unternehmens einen neuen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge abschließt, der zur Sicherstellung der Rechte der übergegangenen Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter und Invalidität aus betrieblicher Altersvorsorge insoweit mit dem ursprünglichen Vertrag identisch ist und das ausgegründete öffentliche Unternehmen vom ausgründenden öffentlichen Unternehmen als Alleingesellschafter beherrscht wird?

VPRRS 2016, 0447

VK Westfalen, Beschluss vom 29.07.2016 - VK 2-25/16
1. Ein Ausschluss eines Angebots wegen einer fehlenden Erklärung gem. § 19 EG Abs. 3a VOL/A 2009 setzt voraus, dass diese wirksam gefordert wurde. Hat der öffentliche Auftraggeber die aus seiner Sicht vorzulegende Erklärung nicht in die abschließende Liste nach § 9 EG Abs. 4 VOL/A 2009 aufgenommen, muss sie wenigstens eindeutig und unmissverständlich gefordert sein und der Bieter muss Gelegenheit zum Nachreichen erhalten.*)
2. Nicht wertungsrelevante Preise können nach § 19 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A 2009. nachgefordert werden.*)

VPRRS 2016, 0441

VK Brandenburg, Beschluss vom 29.10.2015 - VK 19/15
1. Für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit des Angebotspreises ist nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen. Es kann deshalb nicht allein auf Stundenverrechnungssäte abgestellt werden.
2. Wird das nächstniedrigere Angebot um 2-4 % unterschritten, ist dies noch nicht als ungewöhnlich oder unangemessen niedrig zu bewerten.
3. In der allgemeinen vergaberechtlichen Praxis wird eine Aufgreifschwelle als zulässig erachtet, die zwischen 10 und 20 % liegt, bzw. erst ab einem Preisabstand von 20 % zum nächstgünstigeren Angebot beginnt. Es bleibt jedoch offen, ob diese Aufgreifschwelle auch im Bereich der Reinigungsdienstleistungen zulässig ist.

VPRRS 2016, 0440

OLG Naumburg, Beschluss vom 14.10.2016 - 7 Verg 3/16
1. Verstößt die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens gegen das Transparenzgebot (hier: unklar, ob es sich bei der Fahrzeitangabe "Orientierungswert maximal 60 Minuten" um einen Orientierungswert oder einen Maximalwert handelt) ist die Ausschreibung aufzuheben.
2. Für die Formulierung "Orientierungswert, in max. 60 Minuten" mit dem Verweis auf § 14 Abs. 5 ApoG gibt es weder eine exakte juristische noch eine dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende exakte Auslegung.
3. Kalkulationsvorgaben sind als Ausdruck der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers zulässig, müssen jedoch klar sein. Wenn Rabatte in den Rechnungspreis einbezogen werden sollen und können, darf nicht offen bleiben, welche Rabatte aus den Umsätzen weitergegeben werden dürfen und in welchem Umfang.
4. Die Formulierung, dass "direkt rechnungswirksame Rabatte, nicht aber Bonus oder Kickback-Zahlungen" gemeint seien, "wobei diese letzteren Rabatte nicht weitergegeben werden müssen",deutet darauf hin, dass nicht direkt wirksame Rabatte weitergegeben werden "können". Es bleibt unklar, was der Auftraggeber unter rechnungswirksamen Rabatten versteht und welche Rabatte in welchem Umfang weitergegeben werden dürfen.

VPRRS 2016, 0448

VK Südbayern, Beschluss vom 02.05.2016 - Z3-3-3194-1-07-02/16
1. Der apothekenrechtliche Grundsatz der Versorgung aus einer Hand gem. § 14 Abs. 5 Satz 2 ApoG steht einer Leistungserbringung durch Bietergemeinschaften entgegen.*)
2. Ein erteilter Zuschlag i.S.d. § 114 Abs. 2 GWB an eine Bietergemeinschaft ist unwirksam, wenn diese in ihrem Angebot ausdrücklich erklärt hat, dass Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers nicht die Bietergemeinschaft, sondern ein Mitglied der Bietergemeinschaft werden soll, das nicht am Vergabeverfahren teilgenommen hat.*)
3. Ein Angebot, das bewusst die Person des Bieters (Bietergemeinschaft oder Einzelbieter) offen lässt, ist regelmäßig auszuschließen.*)
4. Wird kein Preiswettbewerb bei jedem Einzelabruf durchgeführt, ist für eine wirksame Rahmenvereinbarung, wie bei Abschluss eines jeden Vertrages, erforderlich, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) festgelegt sind. Dazu gehört bei einem Lieferauftrag auch der Preis der zu liefernden Leistung. *)
5. Bleibt unklar, ob Preisangaben mit 0,00 Euro die Bedeutung haben "das Produkt wird für 0,00 Euro geliefert" oder "das Produkt wird nicht angeboten und gehört nicht zum Leistungsumfang", sind die entsprechenden Angebote nicht wertbar. *)

VPRRS 2016, 0491

VK Bund, Beschluss vom 29.08.2016 - VK 1-76/16
1. Eine Wertung ist nicht bereits dann fehlerhaft, wenn dasselbe Konzept bei anderen Ausschreibungen desselben öffentlichen Auftraggebers von anderen Wertern besser bewertet worden ist oder dass derselbe öffentliche Auftraggeber mit dem betreffenden Unternehmen bisher zufrieden war.
2. Verbindliche Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit einer Wertung können nicht daraus gezogen werden, dass ein öffentlicher Auftraggeber früher bereits fehlerhaft gewertet hat.

VPRRS 2016, 0443

OLG Naumburg, Beschluss vom 12.09.2016 - 7 Verg 5/16
1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vertragsunterlagen vorgenommen wurden, sind zwingend von der Angebotswertung auszuschließen.
2. Ob das Angebot eines Bieters von den Vertragsunterlagen abweicht und diese damit ändert, ist anhand der Leistungsbeschreibung einschließlich sämtlicher Anlagen, wie Erläuterungen, etwaigen Datenblättern etc., durch Auslegung zu ermitteln.
3. Für die Auslegung der Vertragsunterlagen ist ein objektiver Maßstab anzulegen und auf den Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters, der mit der Leistung vertraut ist, abzustellen.
4. Ein Angebotsausschluss wegen Änderungen an den Vertragsunterlagen setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt der Leistung entsprechend eindeutig beschrieben sind. Verstöße gegen interpretierbare oder missverständliche bzw. mehrdeutige Angaben in den Vergabeunterlagen führen somit nicht zum Angebotsausschluss.
5. Ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist abzulehnen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen der Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Darüber hinaus sind die Erfolgsaussichten der Beschwerde in die Abwägung einzubeziehen, was eine summarische Bewertung des Sachstands und zumindest eine Plausibilitätsprüfung der Rechtsfragen erforderlich macht.

VPRRS 2016, 0438

VK Westfalen, Beschluss vom 01.09.2016 - VK 2-28/16
1. Beschreibt eine Leistungsbeschreibung die technischen Anforderungen durch Bezug auf die im Anhang TS definierten technischen Spezifikationen gemäß § 8 EG Abs. 2 VOL/A 2009, und fehlt dabei der Zusatz "oder gleichwertig", so verstößt die Beschreibung schon formal gegen die gesetzlichen Vorgaben. *)
2. Die Leistungsbeschreibung ist widersprüchlich und nicht eindeutig, wenn einerseits eine EMV-Zertifizierung für die Infrarot-Kamera gefordert wird, andererseits das nachgewiesene Funktionieren des Gesamtsystems ausreichen soll.

VPRRS 2016, 0435

VK Sachsen, Beschluss vom 24.08.2016 - 1/SVK/017-16
1. Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter verstößt. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine zusätzliche Auskunft handelt. Der Begriff der zusätzlichen Auskunft ist dabei weit auszulegen.*)
2. Ein Auftraggeber kann allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn sie offensichtlich ein individuelles Missverständnis des Bieters betrifft und die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde.*)

VPRRS 2016, 0432

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.07.2016 - 1 VK 28/16
1. Die Bestimmung des Auftragsgegenstands obliegt dem Auftraggeber. Das Vergaberecht macht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich dessen, was er beschaffen muss oder will.
2. Das Vergaberecht regelt nur die Art und Weise der Beschaffung. Es liegt damit in der Hand des Auftraggebers, die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen; die konkreten Spezifikationen müssen aber objektiv auftrags- und sachbezogen sein und dürfen keine diskriminierende Wirkung haben.

VPRRS 2016, 0431

VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.08.2016 - 1 VK 36/16
1. In technischen Anforderungen darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden, „das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert“.
2. Gegen diese Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen und explizit in der Leistungsbeschreibung benannt worden ist, sondern auch, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein Leitfabrikat ausgeschrieben wurde, weil nur ein einziges Produkt allen Vorgaben gerecht wird.
3. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die fehlende Produktneutralität auf sachlichen Gründen beruht, liegt beim Auftraggeber. Hierzu bedarf es einer detaillierten und dokumentierten Begründung.

VPRRS 2016, 0430

VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.09.2016 - 2 VK LSA 12/16
1. Der Auftraggeber darf Angebote wegen verspäteten Eingangs des Aufklärungsschreibens nur dann ausschließen, wenn er vorab dem Bieter deutlich macht, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt.
2. Das aktuelle Gesetz (§ 18 EG VOL/A 2009) sieht anders als früher keine Rechtsfolge vor, wenn der Bieter vom Auftraggeber gesetzte Fristen für Aufklärungsmaßnahmen versäumt.
3. In Sachsen-Anhalt dürfen Dienstleistungen, die unter das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) fallen, nur an Bieter vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern Arbeitsbedingungen zu gewähren, die mindestens den Vorgaben des für das Unternehmen nach dem AEntG geltenden Tarifvertrages entsprechen. Entspricht der vom Bieter vorgelegte Arbeitsvertrag einer Objektleiterin nicht dem (gem. AEntG) für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrag für gewerblich Beschäftigte in der Gebäudereinigung, ist der Bieter nicht tariftreu und damit unzuverlässig.

VPRRS 2016, 0390

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.06.2015 - Verg 4/15
1. Die Vorschrift des § 132a Abs. 2 Satz 4 SGB V, wonach für die Versorgung der Versicherten mit Impfstoffen Verträge mit mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmen innerhalb eines Versorgungsgebiets zu schließen sind, ist bieterschützend.
2. Das Ziel einer Beteiligung von mindestens zwei pharmazeutischen Unternehmen kann durch Wahl eines Mehr-Partner-Modells oder durch Losbildung erreicht werden.
3. Die Krankenkassen haben bei der Ausschreibung von Rabattverträgen keine größtmögliche Versorgungssicherheit für die Versicherten anzustreben oder zu gewährleisten.
