Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Dienstleistungen
Online seit 24. Juni
VPRRS 2022, 0146
KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 2/22
1. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Gefordert werden kann danach nur, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) nach dem Empfängerhorizont der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt.*)
2. Die vergaberechtswidrige Erteilung eines Interimsauftrag über Leistungen, die Gegenstand eines Vergabeverfahrens sind, zu dem ein Vergabenachprüfungsverfahren anhängig ist, stellt einen Verstoß gegen das Zuschlagsverbot aus § 169 Abs. 1 GWB dar und kann in dem laufenden Nachprüfungsverfahren gerügt werden. Erledigt sich das Vergabeverfahren, das Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens war, ist die Verletzung des Zuschlagsverbotes durch die vergaberechtswidrige Interimsvergabe auf Antrag eines Beteiligten nach Maßgabe der § 168 Abs. 2 Satz 2, § 178 Satz 3 GWB festzustellen.*)

Online seit 23. Juni
VPRRS 2022, 0145
VK Westfalen, Beschluss vom 15.06.2022 - VK 1-20/22
1. Maßgeblich für den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme gem. § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB die Ausgestaltung der landesrechtlichen Regelung zur Übertragung rettungsdienstlicher Leistungen.*)
2. Sofern die Regelung gemeinnützige Organisationen bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen privilegiert, ist der Anwendungsfall der Bereichsausnahme eröffnet.*)
3. Sieht die landesrechtliche Regelung dagegen eine Gleichrangigkeit zwischen gemeinnützigen Organisationen und privaten Akteuren vor, kann sich der Auftraggeber nicht auf die Bereichsausnahme berufen.*)
4. Die derzeitige Regelung in Nordrhein-Westfalen sieht keine Privilegierung vor, der Anwendungsbereich der Bereichsausnahme ist daher nicht eröffnet.*)

Online seit 22. Juni
VPRRS 2022, 0142
KG, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 2/21
1. „Technische Fachkräfte” i. S. des § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV sind Fachkräfte, deren Leistungen eine durch Qualifikationen und Berufserfahrung belegbare besondere Fachkunde erfordern.*)
2. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 S. 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Gefordert werden kann danach nur, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) aus Sicht der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt.*)
3. Der im Vergabenachprüfungsverfahren gewährte Rechtsschutz ist rügebezogen. Es ist den Nachprüfungsinstanzen daher verwehrt, nicht gerügte Rechtsverletzungen von Amts wegen in das Verfahren einzuführen. Macht ein Beteiligter eine solche Rechtsverletzung zum Gegenstand seiner Rüge, ist sie aber, soweit zulässig und insbesondere nicht präkludiert (§ 160 Abs. 3 GWB), zu berücksichtigen.*)

Online seit 21. Juni
VPRRS 2022, 0141
VK Bund, Beschluss vom 19.01.2022 - VK 1-138/21
1. Grundsätzlich entspricht es der normalen Rollen- und Risikoverteilung im Wettbewerb, wenn sich ein Vorauftragnehmer an der Ausschreibung eines Folgeauftrags beteiligt.
2. Wettbewerbsvorsprünge eines Bieters, der sich aufgrund der Ausführung eines Vorauftrags bereits auf die Besonderheiten des Auftraggebers eingestellt hat, bedürfen anders als die Mitwirkung eines sog. Projektanten an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens keines Ausgleichs durch den Auftraggeber.

Online seit 14. Juni
VPRRS 2022, 0137
EuGH, Urteil vom 12.05.2022 - Rs. C-719/20
Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift oder Praxis entgegensteht, nach der die Ausführung eines öffentlichen Auftrags, der ursprünglich ohne Ausschreibung an eine Inhouse-Einrichtung vergeben wurde, über die der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübte, automatisch von dem Wirtschaftsteilnehmer fortgesetzt wird, der diese Einrichtung nach einer Ausschreibung übernommen hat, wenn der öffentliche Auftraggeber über diesen Wirtschaftsteilnehmer keine solche Kontrolle ausübt und auch nicht an dessen Kapital beteiligt ist.*)

Online seit 10. Juni
VPRRS 2022, 0134
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.2021 - 1 VK 42/21
1. An die Bejahung der Eignung eines Bieters in einem früheren Stadium eines Offenen Vergabeverfahrens ist die Vergabestelle nicht gebunden. Eine Regelung für den Schutz des Vertrauens der Bieter auf den Bestand der Beurteilung ihrer Eignung durch die Vergabestelle ist gesetzlich nicht vorgesehen.
2. Revidiert sie ihre Eignungsbeurteilung zum Nachteil eines Bieters, insbesondere nachdem dieser einen Nachprüfungsantrag gestellt hat, kann dies lediglich Anlass geben, besonders kritisch zur prüfen, ob diese Entscheidung eine im Interesse eines verantwortungsvollen Einsatzes öffentlicher Mittel gebotene Korrektur einer Fehleinschätzung darstellt oder von sachfremden Erwägungen getragen sein könnte.
3. Dient die erneute Beurteilung der Eignung der eigenen Fehlerkorrektur des Auftraggebers, liegt kein sachfremder Grund vor.
4. Referenzen müssen sich stets auf eine eigene Leistung des Bieters beziehen.
5. War ein Bieter nicht Auftragnehmer und Vertragspartner des Referenzgebers, ist für jede Referenz die Offenlegung erforderlich, welche konkrete Tätigkeit über welchen Zeitraum in welcher Funktion erbracht wurde oder ob eine Eignungsleihe vorliegt.
6. Referenzen für Leistungen, die beispielsweise als Nachunternehmer für den Auftragnehmer erbracht worden sind, können die technische und berufliche Leistungsfähigkeit ausschließlich für die durch den Bieter selbst erbrachte Nachunternehmerleistung belegen.

Online seit 8. Juni
VPRRS 2022, 0131
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.06.2021 - 1 VK 14/21
1. Lässt sich die Identität des Bieters bei einem elektronischen Angebot eindeutig feststellen, darf es nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil es über ein fremdes Benutzerkonto hochgeladen wurde.
2. Von einer Vergabeplattform aufgestellte Nutzungsbedingungen, die die Nutzung eines fremden Accounts verbieten, sind keine Formvorgaben der Vergabestelle.

Online seit 7. Juni
VPRRS 2022, 0130
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.05.2021 - 1 VK 11/21
1. Ausnahmsweise können öffentliche Aufträge zur Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten an eine zentrale Beschaffungsstelle vergeben werden, ohne ein Vergabeverfahren durchzuführen.
2. Eine zentrale Beschaffungsstelle ist ein öffentlicher Auftraggeber, der für andere öffentliche Auftraggeber dauerhaft Liefer- und Dienstleistungen beschafft, öffentliche Aufträge vergibt oder Rahmenvereinbarungen abschließt (zentrale Beschaffungstätigkeit)
3. Ein Unternehmen, dass satzungsgemäß Einkaufsdienstleistungen für Universitätskliniken, Krankenhäuser und andere Einrichtungen im Gesundheitswesen unter Wettbewerbsbedingungen erbringt, ohne über eine marktbezogene Sonderstellung zu verfügen, handelt gewerblich und ist kein öffentlicher Auftraggeber.

Online seit 2. Juni
VPRRS 2022, 0128
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.03.2021 - 1 VK 1/21
1. Ein öffentlicher Auftraggeber verfügt bei der Angebotswertung über einen Beurteilungsspielraum, da diese anhand der von ihm festgelegten und damit für ihn bindenden Zuschlagskriterien eine Gesamtschau zahlreicher Einzelumstände beinhaltet.
2. Die Bewertungsentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers ist auch in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten, daraufhin zu überprüfen, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.
3. Es steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegen, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung qualitativer Wertungskriterien Noten mit zugeordneten Punktwerten vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängen soll.
