Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Dienstleistungen
Online seit 20. September
VPRRS 2023, 0197
EuGH, Urteil vom 07.09.2023 - Rs. C-601/21
Aufträge über die Herstellung öffentlicher Dokumente, Vordrucke und Zeichen beeinträchtigen nicht zwangsläufig die wesentlichen Sicherheitsinteressen eines Mitgliedsstaats.

Online seit 18. September
VPRRS 2023, 0195
LG Dortmund, Urteil vom 16.05.2023 - 19 O 10/23 (Kart)
1. Städte und Gemeinden handeln bei Abschluss von Konzessionsverträgen kartellrechtlich als Unternehmen. Sie haben eine marktbeherrschende Stellung, weil ihnen auf dem relevanten Markt eine Monopolstellung zukommt, und sind als solche Normadressaten des Diskriminierungs- und Behinderungsverbots.
2. Wasserkonzessionsverträge sind solche Verträge, die den Betrieb von Leitungen auf oder unter öffentlichen Wegen für die öffentliche Wasserversorgung von Letztverbrauchern im Gebiet der Kommune betreffen, wobei eine "öffentliche Versorgung" vorliegt, wenn der Rechtsträger über ein festes Leitungsnetz Wasser an eine Vielzahl von Abnehmern in einem bestimmten Gebiet liefert.
3. Auch in einem Konzessionsvergabeverfahren im Bereich der Wasserversorgung sind die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das gilt jedenfalls dann, wenn an der Wasserkonzession ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht.
4. Das Auswahlverfahren muss so gestaltet werden, dass die an der Konzession interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Den am Erhalt der Wasserkonzession interessierten Unternehmen müssen zumindest die Entscheidungskriterien der Gemeinde rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden.

Online seit 15. September
VPRRS 2023, 0194
OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.08.2022 - 2 U 4/21 (Kart)
1. Gemeinden dürfen Bewerber um eine Konzession nicht unbillig behindern. Ob ein Auswahlverfahren unbillig behindert, bestimmt sich anhand einer Gesamtwürdigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielrichtung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist.
2. Eine unbillige Behinderung von Bewerbern um eine Konzession liegt vor, wenn deren Chancen auf den Abschluss des Konzessionsvertrags dadurch beeinträchtigt werden, dass die Auswahlentscheidung die an sie zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen nicht erfüllt.
3. Zu den an die Auswahlentscheidung zu stellenden verfahrensbezogenen Anforderungen gehört das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG.
4. Das Akteneinsichtsrecht nach § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG gilt nicht schrankenlos. Es wird bereits durch seinen Zweck begrenzt, Rechtsverletzungen im Rahmen der Auswahlentscheidung rügen zu können. Daher besteht es nur in Bezug auf Aktenbestandteile des Vergabevorgangs, die für die Auswahlentscheidung relevant sind.
5. Damit ein unterlegener Bieter gegenüber einer (beabsichtigten) Konzessionsvergabe, die den Anforderungen (möglicherweise) nicht entspricht und sich damit als gesetzwidrig erweisen kann, seine Rechte wirksam wahrnehmen kann, muss ihn die Gemeinde auf sein Verlangen darüber unterrichten, aufgrund welcher Erwägungen sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das Angebot des Bieters, dem die Konzession erteilt werden soll, nach den mitgeteilten Auswahlkriterien das bessere ist. Dazu ist grundsätzlich die umfassende Unterrichtung über das Ausschreibungsergebnis durch Überlassung einer ungeschwärzten und vollständigen Kopie des für die Auswahlentscheidung der Gemeinde erstellten Auswertungsvermerks erforderlich.

Online seit 14. September
VPRRS 2023, 0193
EuGH, Beschluss vom 10.01.2023 - Rs. C-469/22
Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 59 und dem 84. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen möchte, die Unterlagen über die Befähigung dieses Unternehmens und dessen verpflichtende Zusage erst nach der Auftragsvergabe einreichen muss.*)

Online seit 11. September
VPRRS 2023, 0189
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2022 - 1 VK LSA 19/21
1. Der Vergaberechtsweg ist nicht eröffnet, wenn man sich zu Recht auf die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB beruft.*)
2. Die Regelung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB steht in ihrer Gesamtheit nicht im Widerspruch zu bindendem europäischem Recht. Dem in § 107 Abs. 1 Nr. 4 letzter Hs. GWB verwendetem Begriff der Hilfsorganisation ist die Gemeinnützigkeit und damit auch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewissermaßen grundsätzlich immanent.*)
3. Dem Rechtstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 4 GG kann nicht ausschließlich durch die Gewährung von Primärrechtsschutz entsprochen werden. Ebenso wenig erwächst daraus ein Anspruch auf die Eröffnung eines bestimmten Rechtswegs.*)

Online seit 1. September
VPRRS 2023, 0182
OLG Schleswig, Beschluss vom 19.07.2023 - 54 Verg 3/23
1. Kann der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Preisprüfung die geringe Höhe eines angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen.
2. Die Verwendung des Verbs "dürfen" ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers steht, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann.
3. Auf die Aufforderung des Auftraggebers hin hat der Bieter Gelegenheit, den Nachweis der "Seriosität" seines Angebots zu erbringen. Der Bieter muss konkrete Gründe darlegen, die den Anschein widerlegen, dass sein Angebot nicht seriös ist. Dazu muss er seine Kalkulation und deren Grundlagen erläutern.
4. Die Erläuterungen des Bieters müssen umfassend, in sich schlüssig und nachvollziehbar sowie gegebenenfalls durch geeignete Nachweise objektiv überprüfbar sein. Formelhafte, inhaltsleere bzw. abstrakte Erklärungen ohne Bezug zu den einzelnen Positionen, wie etwa allgemeine Hinweise auf innerbetriebliche Strukturen oder wirtschaftliche Parameter, reichen nicht aus, um die Seriosität des Angebots nachzuweisen.
5. Ohne Ausübung eines Ermessens hat der Auftraggeber ein Angebot abzulehnen, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind.

Online seit 31. August
VPRRS 2023, 0181
EuG, Urteil vom 14.06.2023 - Rs. T-376/21
1. Von einem öffentlichen Auftraggeber kann nicht verlangt werden, dass er einem Bieter, dessen Angebot nicht ausgewählt wurde, zum einen neben den Gründen für die Ablehnung des Angebots eine detaillierte Zusammenfassung, in der jedes Detail seines Angebots im Hinblick auf dessen Bewertung berücksichtigt wurde, und zum anderen im Rahmen der Mitteilung der Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des abgelehnten Bieters übermittelt.
2. Ein öffentlicher Auftraggeber kann nicht daran gehindert werden, alle Lose eines öffentlichen Auftrags an denselben Bieter zu vergeben, sofern dessen Angebote im Vergleich zu allen anderen Bietern die wirtschaftlich günstigsten sind und der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter beachtet wird, um einen gesunden und wirksamen Wettbewerb zwischen den Teilnehmern an dieser Ausschreibung zu gewährleisten.
