Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Nachprüfungsverfahren
Online seit gestern
VPRRS 2023, 0198
BayObLG, Beschluss vom 06.09.2023 - Verg 5/22
1. Der Antragsteller kann mit der Rüge der fehlenden Fachlosaufteilung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB nur präkludiert sein, wenn ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass es im maßgeblichen Fachbereich einen eigenständigen Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen gibt.*)
2. Im Rahmen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB können besonders hohe Anforderungen unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten und diese nicht mehr durch gewichtige Gründe gerechtfertigt ist.*)

Online seit 13. September
VPRRS 2023, 0192
OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2023 - 11 Verg 1/23
Wenn bereits der Nachprüfungsantrag wegen fehlender Antragsbefugnis (hier: fehlender Schaden des Antragstellers, da er gemeinsam mit anderen Bietern den Zuschlag für einen Rahmenvertrag für Abschleppdienstleistungen erhalten hat) unzulässig ist, so kann der Antragsteller nicht im Wege eines Fortsetzungsfeststellungsantrags die vermeintliche Vergaberechtswidrigkeit des Ausschreibungsverfahrens geltend machen.*)

Online seit 12. September
VPRRS 2023, 0191
VK Bund, Beschluss vom 11.08.2023 - VK 2-64/23
Ein Vergabenachprüfungsantrag ist mangels Antragsbefugnis unzulässig, wenn das eigentliche Interesse des antragstellenden Bieters nicht auf den Erhalt des streitgegenständlichen Auftrags gerichtet ist, sondern auf die Verhinderung einer zu späten Vergabe des Hauptauftrags.

Online seit 11. September
VPRRS 2023, 0189
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2022 - 1 VK LSA 19/21
1. Der Vergaberechtsweg ist nicht eröffnet, wenn man sich zu Recht auf die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB beruft.*)
2. Die Regelung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB steht in ihrer Gesamtheit nicht im Widerspruch zu bindendem europäischem Recht. Dem in § 107 Abs. 1 Nr. 4 letzter Hs. GWB verwendetem Begriff der Hilfsorganisation ist die Gemeinnützigkeit und damit auch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewissermaßen grundsätzlich immanent.*)
3. Dem Rechtstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 4 GG kann nicht ausschließlich durch die Gewährung von Primärrechtsschutz entsprochen werden. Ebenso wenig erwächst daraus ein Anspruch auf die Eröffnung eines bestimmten Rechtswegs.*)

Online seit 6. September
VPRRS 2023, 0186
OGH Österreich, Beschluss vom 25.04.2023 - 10 Ob 13/23v
1. Eine Schadenersatzklage wegen eines Vergaberechtsverstoßes ist nur zulässig, wenn die jeweils zuständige Vergabekontrollbehörde zuvor einen hinreichend qualifizierten Vergaberechtsverstoß festgestellt hat. Dieser Bescheid ist eine Prozessvoraussetzung der Einklagung des Schadenersatzanspruchs.
2. Eine Schadenersatzklage ist jedoch unabhängig von der Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde zulässig, wenn das Vergabeverfahren vom Auftraggeber aufgrund eines hinreichend qualifizierten Vergaberechtsverstoßes widerrufen wurde. Ein Antrag auf Feststellung des in einem Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes ist nämlich nach dem Widerruf dieses Vergabeverfahrens nicht mehr möglich.
3. Hat der Auftraggeber das Vergabeverfahren zwar nicht widerrufen, wohl aber die Ausschreibungsunterlagen während des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekontrollbehörde berichtigt, ist eine Schadenersatzklage unabhängig von einer vorherigen Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde zuzulassen.

Online seit 29. August
VPRRS 2023, 0179
VK Hessen, Beschluss vom 26.06.2023 - 96 e 01.02/23-2023
1. Die Anforderungen an die Darlegung einer Vergaberechtsverletzung bzw. an die Rüge gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber dürfen nicht zu hoch angesetzt werden. Ein Mindestmaß an Substanziierung ist jedoch einzuhalten. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen (sog. Rüge ins Blaue hinein) reichen nicht aus.
2. Die bloße Behauptung eines Mitbewerbers, der Bestbieter erfülle die Anforderungen der Ausschreibung nicht und sei daher auszuschließen, ohne Anhaltspunkte oder Indizien darzulegen, aus denen er diese Erkenntnis nimmt, erfüllt nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge.
