Vergabepraxis & -recht.

Hervorzuhebende Urteile zu Nachprüfungsverfahren
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei vpr-online eingestellt
Online seit 28. Juli
VPRRS 2025, 0147
VK Bund, Beschluss vom 07.07.2025 - VK 2-45/25
1. Die Konzeptbewertung steht dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist.
2. Der Auftraggeber ist gehalten, den relevanten Sachverhalt bei der Bewertung zugrunde zu legen und das von ihm für die Bewertung vorgegebene Verfahren unter Berücksichtigung der vergaberechtlichen Grundsätze einzuhalten, insbesondere die zu vergleichenden Angebote diskriminierungsfrei zu prüfen und zu bewerten.
3. Um die Nachprüfbarkeit zu gewährleisten, bedarf es einer hinreichenden Dokumentation des Wertungsvorgangs, aus dem sich die Vorgehensweise und tragenden Gründe der Entscheidungen des Auftraggebers transparent nachvollziehen lassen.
4. Es gibt keine vergaberechtliche Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Veröffentlichung des konkreten Bewertungsgremiums in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen.
5. In Bezug auf die zu rügenden Vergaberechtsverstöße, welche sich aus den Vergabeunterlagen ergeben, ist für eine Präklusion erforderlich, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet.

Online seit 25. Juli
VPRRS 2025, 0146
VK Bund, Beschluss vom 16.06.2025 - VK 2-39/25
1. Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, sind auszuschließen, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreis den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
2. Ein bestandskräftiger Dauerverwaltungsakt (hier: eine Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern über die Steuerbefreiung) entfaltet Tatbestandswirkung mit der Folge, dass öffentliche Auftraggeber die darin getroffene Regelung grundsätzlich "unbesehen", d.h. ohne die Rechtmäßigkeit nochmals überprüfen zu müssen, zu Grunde zu legen haben.
3. Die Vorlage eines zum Ende der Angebotsfrist "abgelaufenen" Eignungsnachweises (hier: Zertifikat nach DIN ISO 9001) ist unschädlich, wenn die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen eine Nachforderung von Unterlagen ausdrücklich zugelassen haben und der Bieter innerhalb der gesetzten Frist ein gültiges Zertifikat nachgereicht hat.

Online seit 3. Juli
VPRRS 2025, 0135
VG Köln, Beschluss vom 22.05.2025 - 4 L 960/25
1. Bei Streitigkeiten über die Errichtung eines Gigabitnetzes kann der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein.
2. Ein Vergabenachprüfungsverfahren vor einer Vergabekammer ist kein gerichtliches, sondern ein behördliches Verfahren. Das Verbot der doppelten Rechtshängigkeit steht einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht folglich nicht entgegen.

Online seit 2. Juli
VPRRS 2025, 0136
VK Westfalen, Beschluss vom 10.02.2025 - VK 2-2/25
1. Aus Verstößen gegen die Vorschriften des § 134 GWB erwächst keine Verletzung von Bieterrechten, sofern die Antragstellerin - wie hier - rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag eingereicht hat und damit ihrem Interesse an Primärrechtsschutz entsprochen wird.*)
2. Die Obliegenheit eine Rüge zu erheben wird nur dann ausgelöst, wenn die Antragstellerin eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat.*)
3. Zusätzlich muss bei der Antragstellerin die zumindest laienhafte rechtliche Wertung vorgenommen worden sein, dass der Antragsgegner mit seinem Vorgehen gegen Vergaberecht verstößt.*)
4. Die Vergabe solcher Bedarfspositionen bzw. Eventualpositionen ist nicht generell ausgeschlossen, unterliegt jedoch umfassenden Anforderungen, da diese dem Gebot der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung aus § 121 Abs. 1 GWB entgegenstehen sowie die Transparenz des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung aus § 97 Abs. 1 GWB beeinträchtigen können.*)
5. Bedarfspositionen sind vergaberechtlich lediglich ausnahmsweise zugelassen und dann auch nur, wenn spezifische Anforderungen bei den Ausschreibungsbedingungen und bei der Angebotswertung beachtet werden.*)
6. Der öffentliche Auftraggeber muss unter Ausschöpfung ihm zumutbarer Erkenntnismöglichkeiten zuvor den Versuch einer eindeutigen Klärung der Leistungsbeschreibung unternehmen. Bedarfspositionen sind kein Hilfsmittel, die Unvollständigkeit einer Planung zu kompensieren.*)

Online seit 1. Juli
VPRRS 2025, 0134
KG, Beschluss vom 06.05.2025 - Verg 7/23
1. Das Gesetz gibt keine Regel vor, unter welchen Umständen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG als notwendig anzusehen ist. Gleichwohl führen die für die Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts typischerweise maßgeblichen Umstände dazu, dass im Regelfall die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen notwendig ist, wenn sie nicht auf tatsächlich vorhandene Rechtskenntnisse, die ihnen etwa durch eine eigene Rechtsabteilung vermittelt werden, zurückgreifen können, während sie für den öffentlichen Auftraggeber im Regelfall nur dann notwendig ist, wenn die sich im Vergabenachprüfungsverfahren stellenden Rechtsfragen nicht mit den Rechtskenntnissen, die von ihm als Betreiber des Vergabeverfahrens zu erwarten sind, angemessen zu bewältigen sind.*)
2. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr für das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer (§ 182 Abs. 2 GWB) durch die Vergabekammer ist, wenn die Festsetzung im Beschwerdeverfahren angegriffen wird, auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Nicht vertretbar ist die Festsetzung, wenn die Vergabekammer die hierfür bestehenden gesetzlichen Vorgaben oder die nach diesen Vorgaben maßgeblichen Tatsachen nicht oder fehlerhaft berücksichtigt oder, soweit ihr danach ein Ermessen zukommt, dieses nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; darauf beschränkt sich die Überprüfung. Ist die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach diesen Grundsätzen fehlerhaft, kann der Vergabesenat sie abändern und hierbei von der Vergabekammer unterlassene Feststellungen nachholen sowie das für die Wertung der Umstände nach den gesetzlichen Vorgaben eingeräumte Ermessen selbst ausüben (vgl. § 178 Satz 2 Hs. 1 GWB).*)
3. Für die Ermittlung der Höhe der Verfahrensgebühr nach § 182 Abs. 2 GWB kann grundsätzlich auf die auftragswertorientierte Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes zurückgegriffen werden. Der danach maßgebliche Bruttoauftragswert ist vorrangig dem Angebot des Antragstellers im Vergabenachprüfungsverfahren zu entnehmen. Ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung Gegenstand des Vergabeverfahrens, verbietet sich bei der Ermittlung des Auftragswertes zur Festsetzung der Verfahrensgebühr nach § 182 Abs. 2 GWB ein Rückgriff auf § 3 Abs. 4 VgV; vielmehr ist zur Ermittlung des Auftragswertes unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu schätzen, in welchem Umfang der Antragsteller voraussichtlich Aufträge in Vollzug der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung erhalten hätte.*)
