Vergabepraxis & -recht.

Hervorzuhebende Urteile zu IT
In den letzten 30 Tagen wurden folgende wichtige Entscheidungen im Volltext bei vpr-online eingestellt
Online seit 27. Januar
VPRRS 2023, 0020
OLG Bremen, Beschluss vom 04.11.2022 - 2 Verg 1/22
1. Wissenschaftliche Hochschulen in Form der Körperschaft öffentlichen Rechts sind öffentliche Auftraggeber.
2. Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, sind von der Wertung auszuschließen. Eine (unzulässige) Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn ein Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, er also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet.
3. Hält ein Bieter die Vorgaben des Auftraggebers für unzweckmäßig, rechtfertigt dies keine Abweichung von für sich genommen eindeutigen Vorgaben der Leistungsbeschreibung. Es ist Sache des Auftraggebers, den eigenen Bedarf zu definieren.
4. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, in der Ausschreibung eine weitergehende Vielfalt von technischen Lösungen zuzulassen.
5. Ein Nachprüfungsantrag ist grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf ist, ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksamen Zuschlag abgeschlossen ist.
6. Sobald der Zuschlag wirksam erteilt ist und eine damit verbundene Rechtsverletzung des Bieters nicht mehr verhindert werden kann, können die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht mehr in zulässiger Weise angerufen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fällen.

Online seit 24. Januar
VPRRS 2023, 0016
VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022 - VK 2-96/22
1. Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
2. Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Das gilt grundsätzlich sowohl für die Zuschlags(haupt)kriterien als auch für die Unterkriterien.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist aber nicht daran gehindert, nachträglich - auch erst nach dem Ablauf der Angebotsfrist - eine Präzisierung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien vorzunehmen.
4. Hinsichtlich der Entscheidung, in welcher Form ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist, wenn ein Bieter im Vergabeverfahren mit unvorhersehbaren und nicht zu vertretenen Erschwernissen belastet wird, steht dem Auftraggeber ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu.

Online seit 9. Januar
VPRRS 2023, 0001
OLG Schleswig, Beschluss vom 27.10.2022 - 54 Verg 7/22
1. Der Auftraggeber hat Aufklärung zu verlangen, wenn ein Preis ungewöhnlich niedrig erscheint. Aufklärung ist jedenfalls zu verlangen, wenn ein Preis um mindestens 20% unter dem nächsthöheren Angebot liegt, kann aber auch bei einer Abweichung von mindestens 10% verlangt werden.
2. Die Wertungsentscheidung muss vom Auftraggeber selbst getroffen werden. Dabei reicht es aus, wenn sich der Auftraggeber die Entscheidung eines Beraters zu eigen macht.
3. Die Wertungsentscheidung muss nicht zwingend von einem Organ des Auftraggebers getroffen werden. Notwendig ist nur, dass die entscheidende Person aus dem Bereich des Auftraggebers kommt, so dass die Entscheidung diesem zuzurechnen ist.
4. Das Vergabeverfahren ist zu dokumentieren. Sinn der Dokumentation ist es, die Entscheidungen des Auftraggebers transparent und überprüfbar zu machen. Zu diesem Zweck sind insbesondere die Gründe für den Zuschlag zu dokumentieren.
5. Ist in dem Wertungssystem durch die Preiswertung nur eine geringe Kompensation für qualitative Abwertungen zu erwarten, sind die maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, so dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
6. Es ist für einen durchschnittlichen, mit Vergabeverfahren vertrauten Bieter erkennbar, dass keine Losaufteilung vorgenommen wurde und trotz hoher Inflation und drohender Lieferengpässen keine Preisgleitklausel vorgesehen ist.