Vergabepraxis & -recht.
VPR 04/2023 - Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
um fachkundige und leistungsfähige Unternehmen für den zu vergebenden Auftrag zu finden, darf der Auftraggeber Eignungskriterien festlegen, die jedoch mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen (§ 122 Abs. 4 GWB). Im Rahmen einer zu vergebenden Museumssanierung erklärte das BayObLG eine geforderte Referenz „Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus/der Sanierung/eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt“ für überzogen. Das Gericht stellte klar, dass der Auftraggeber nur Eignungskriterien aufstellen darf, die geeignet und erforderlich sind, um die Leistungsfähigkeit für den konkret ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen. Entfalten besonders hohe Anforderungen eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung, müssen diese durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein, sonst sind sie unangemessen ( S. 126).
Erscheint ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, ist der Auftraggeber zu einer Preisprüfung verpflichtet (§ 60 VgV). Dadurch erhält der Bieter die Gelegenheit, den Anschein der Unseriösität seines Angebots zu widerlegen. Nach Ansicht des OLG Schleswig muss der Bieter dazu sein Angebot umfassend, schlüssig und nachvollziehbar erläutern - formelhafte, inhaltsleere und abstrakte Erklärungen genügen seiner Darlegungs- und Beweislast nicht ( S. 134).
Angebote, die nicht den geforderten Preis enthalten, sind vom Verfahren auszuschließen (§§ 13 EU, 16 EU VOB/A 2019). Das OLG Karlsruhe hatte sich mit einem Verfahren zu befassen, bei dem der Bieter für Lieferung, Einbau und Verdichtung grobkörnigen Bodens einen negativen Preis angesetzt hat – da er diesen vergütet zur Verwertung überlassen bekommt - und deshalb ausgeschlossen wurde. Nach Auffassung des Gerichts ist jedoch auch ein negativer Preis ein geforderter Preis. Eine Bestimmung, nach der Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind, ist unwirksam ( S. 125).
Von besonderer praktischer Bedeutung ist auch der (bestandskräftige) Beschluss der VK Bund vom 06.11.2023 Nach Ansicht der VK Bund gewährleistet die sog. Medianmethode keinen wirksamen Wettbewerb, so dass die Gefahr einer willkürlichen Entscheidung über den Zuschlag besteht, weshalb sie vergaberechtswidrig ist ( S. 137).
Auch alle anderen Beiträge empfehle ich Ihrer Aufmerksamkeit.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Stephan Bolz
Rechtsanwalt
Schriftleiter der VPR