Vergabepraxis & -recht.
Volltexturteile nach Sachgebieten
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Online seit April
VPRRS 2024, 0075VK Westfalen, Beschluss vom 03.07.2023 - VK 1-19/23
1. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 15.10.2010 - Verg 10/10, IBRRS 2010, 3175 = VPRRS 2010, 0272; Beschluss vom 03.08.2011 - Verg 6/11, IBRRS 2011, 3512 = VPRRS 2011, 0295; Beschluss vom 21.10.2015 - Verg 28/14 m.w.N, IBRRS 2015, 2918 = VPRRS 2015, 0355) hat wiederholt geurteilt, dass für die Antragsbefugnis allein das Vorhandensein eines Vergaberechtsverstoßes nicht ausreicht, sondern darüber hinaus muss der Bieter durch diesen Vergaberechtsverstoß auch tatsächlich in seinen Rechten gem. § 168 Abs. 1 GWB verletzt sein.*)
2. In der Rechtsprechung sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten (BGH, IBR 2017, 209 = VPR 2017, 42), wobei der Senat in der Regel bei einem Preisabstand von 20 % zum nächstteureren Angebot eine solche Aufgreifschwelle annimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2019 - Verg 56/18, NZBau 2020, 249 = IBR 2020, 151 = VPR 2020, 69; Beschluss vom 02.05.2018 - Verg 3/18, IBRRS 2019, 0362 = VPRRS 2019, 0029; Beschluss vom 25.04.2012 - Verg 61/11, IBR 2012, 530 = VPRRS 2012, 0205).*)
VolltextOnline seit 2023
VPRRS 2023, 0106VK Südbayern, Beschluss vom 08.11.2022 - 3194.Z3-3_01-22-6
1. Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit einem Wirtschaftsteilnehmer, das auf § 14 Abs. 4 Nr. 2 b VgV gestützt wird, kann in vielen Fällen einzig eine umfassende Analyse bestehender Lösungen den Nachweis erbringen, dass die geforderte Lösung alternativlos i.S.d. § 14 Abs. 6 VgV ist und nicht das Ergebnis einer künstlichen Markteinschränkung durch den Auftraggeber.*)
2. Eine "Marktanalyse" bei der der Auftraggeber nur seinem gewünschten Vertragspartner die notwendigen Informationen zur Leistungserbringung zukommen hat lassen und weiteren Marktteilnehmern die exakten Rahmenbedingungen des Beschaffungsbedarfs nicht mitgeteilt hat, ist von vorneherein ungeeignet, Alleinstellungsmerkmale i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV i.V.m. § 14 Abs. 6 VgV zu begründen.*)
VolltextOnline seit 2021
VPRRS 2021, 0177VK Bund, Beschluss vom 11.06.2021 - VK 2-53/21
1. Referenzleistungen müssen mit den ausgeschriebenen Leistungen nicht identisch sein, sondern die referenzierten Leistungen müssen jenen nach Art und Umfang ähneln, so dass ein tragfähiger Rückschluss auf die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Bieters möglich ist.
2. Die "Ausführung" der Referenzleistungen ist mangels verengender Präzisierungen zur "Ausführung" in tatsächlicher Hinsicht zu verstehen, ohne dass es auf einen möglicherweise vertragsrechtlich relevanten Abnahmezeitpunkt ankommt. Wortlautgemäß liegt dementsprechend eine ausgeführte Referenzleistungen dann vor, wenn sie in einer Art und Weise ins Werk gesetzt worden ist, dass ein tragfähiger Rückschluss auf die entsprechende Leistungsfähigkeit des Bieters möglich ist.
3. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Referenzgeber dem Bieter eine entsprechende Referenzbescheinigung ausstellt und darin die entsprechende Leistung bestätigt. Auf dieser Grundlage kann der Auftraggeber nachvollziehen, ob die referenzierte Leistung in hinreichendem Maße ausgeführt worden ist.
VolltextOnline seit 2020
VPRRS 2020, 0318VK Bund, Beschluss vom 29.09.2020 - VK 2-73/20
1. Es ist Sache des öffentlichen Auftraggebers, zu definieren, was er beschaffen möchte. Das Vergaberecht regelt nur, in welchem Verfahren und nach welchen Regeln zu beschaffen ist. Die Definition des Beschaffungsbedarfs ist der eigentlichen Vergabe somit vorgelagert.
2. Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist zulässig, wenn aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist. Es darf keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung geben und der mangelnde Wettbewerb darf nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter sein.
3. Die technischen Besonderheiten, auf die der Auftraggeber das Fehlen von technischem Wettbewerb stützt, müssen von herausragender Bedeutung sein. Das Fehlen einer vernünftigen Ersatzlösung oder Alternative ist nicht schon dann anzunehmen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber favorisierte Produkt in einzelnen Merkmalen anderen am Markt erhältlichen Produkten überlegen ist.
4. Im Rahmen der Markterkundung kann zwar nicht verlangt werden, dass der öffentliche Auftraggeber sich so umfassende Kenntnisse aneignet, die etwa vergleichbar der bei dem Hersteller vorhandenen Expertise sein müssten. Regelmäßig dürfte es ausreichen, wenn sich der Auftraggeber bei anderen Nutzern vergleichbarer Produkte über die Vor- und Nachteile der einzelnen Geräte und die insoweit bestehenden Erfahrungen erkundigt und öffentlich verfügbare Quellen zu Rate zieht.
5. Beruht die Wertung des Auftraggebers, dass ausschließlich ein Produkt die technischen Besonderheiten erfüllt, maßgeblich auf der im Rahmen einer Markterkundung gewonnenen Einschätzung, hat er dies umfassend und nachvollziehbar zu dokumentieren.
VolltextOnline seit 2017
VPRRS 2017, 0162OLG München, Beschluss vom 21.04.2017 - Verg 1/17
1. Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, sind von der Wertung auszuschließen.
2. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht, also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet. Dabei genügt bereits die formale Abweichung für einen Ausschluss des Angebots, auf die Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit der Abweichung kommt es nicht an.
3. Auch im Verhandlungsverfahren trifft den Bieter die Obliegenheit, bei der Abgabe seines Angebots die aufgestellten Mindestanforderungen zu beachten und sein Angebot gemäß den Anforderungen abzugeben. Ein Verhandeln über die Mindestanforderungen ist unzulässig.
4. Was als Mindestanforderung nachgefragt wurde, ist aus der Sicht eines verständigen und fachkundigen potentiellen Bieters durch Auslegung der Leistungsbeschreibung zu ermitteln.
5. Sofern sich ergibt, dass die Leistungsbeschreibung zu unbestimmt oder unklar ist, ist sie vergaberechtswidrig. In diesem Fall kann ein "Abweichen" des Bieters auch nicht zu dessen Ausschluss führen.
6. Eine ausreichende Rüge liegt bereits vor, wenn die fragliche Äußerung des späteren Antragstellers gegenüber der Vergabestelle erkennen lässt, dass er einen bestimmten Sachverhalt als Vergaberechtsverstoß ansieht und eine Abhilfe erwartet.
7. An den Wortlaut dürfen keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere muss eine Rüge nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden.
8. Einen erst während des Nachprüfungsverfahrens erkannten und nicht aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen erkennbaren Verstoß kann der Antragsteller sofort zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, ohne dass es zuvor noch einer Rüge gegenüber der Vergabestelle bedarf.
VolltextOnline seit 2016
VPRRS 2016, 0464VK Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2016 - VK 14/16
1. Der Auftraggeber darf die Eignung eines potentiellen Bieters nicht vorwegnehmen und beurteilen, ohne diesem zuvor die Gelegenheit gegeben zu haben, etwas zu seiner Eignung vorzutragen.
2. Ein drohender Schaden (§ 107 Abs. 2 GWB a.F.) ist bereits dann anzunehmen, wenn der Bieter im Falle eines neuen ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren.
3. Für die Ausschreibung von Aufträgen ohne Teilnahmewettbewerb sind ernsthafte Nachforschungen zu potentiellen Unternehmen für die Auftragserteilung auf europäischer Ebene gefordert. Die Ausnahmevorschrift § 3 EG Abs. 4 c VOL/A 2009 ist restriktiv auszulegen.
VolltextVPRRS 2016, 0406
VK Sachsen, Beschluss vom 30.08.2016 - 1/SVK/016-16
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht gehalten, sich durch eine Markterkundung einen Überblick über die vorhandenen technischen Lösungen zur Befriedigung seines Beschaffungsbedarfs zu verschaffen, um so die Voraussetzungen für eine produktneutrale Ausschreibung herzustellen. Ob eine andere (technische) Lösung möglich ist, muss daher nicht notwendigerweise vom Auftraggeber untersucht werden, denn eine Pflicht zur Markterkundung würde zu einer unangemessenen Verrechtlichung der Beschaffungsentscheidung führen.*)
2. Eine produktspezifische Ausschreibung kann dann sachlich gerechtfertigt sein, wenn bspw. die Ersetzung vorhandener Produkte kostenintensiver wäre, langjähriges Know-How von Mitarbeiter verloren ginge, der aufzubringende Zeit- und Kostenaufwand deutlich größer wäre, ernsthafte Kompatibilitätsprobleme zu befürchten wären oder ein erhebliches Risikopotential für Fehlfunktionen bestünde. Ebenso darf ein Auftraggeber zur Wahrung der Zuverlässigkeit von Forschungsergebnissen und Funktionsfähigkeit seiner Arbeitsabläufe, die der Fortführung von jahrelangen Forschungsreihen dienen auf "Nummer sicher" gehen und eine Vergabe so gestalten, dass die mit der Beschaffung verbundenen Risiken möglichst überschaubar gehalten werden.*)
3. Bei der Untersuchung, ob von einem öffentlichen Auftraggeber für eine produktspezifische Festlegung des Beschaffungsbedarfes hinreichende, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind, kann zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass dieser in einem knappen Zeitrahmen mit begrenzten Ressourcen über eine hohe Anzahl von Einzelprodukten mit hohen Einzelstückzahlen zu entscheiden hatte.*)
4. Eine einzige, pauschale Begründung in der Leistungsbeschreibung ist nicht ausreichend, um die Produktspezifizierung für 313 unterschiedliche Produkte zu rechtfertigen. Es kann auch keinen begründungsfreien, pauschalen, prozentualen Toleranzbereich einer im Übrigen gerechtfertigten produktspezifischen Gesamtvergabe geben. Dies würde in die Zukunft gedacht Missbrauchsfälle produzieren und außer Acht lassen, dass eine den Wettbewerb begrenzende Festlegung des Auftraggebers nur in Ausnahmefällen erfolgen darf.*)
VolltextVPRRS 2016, 0352
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.01.2016 - 3 VK LSA 74/15
1. Die Wichtung der einzelnen Zuschlagskriterien nach dem Benotungssystem ist nicht nachvollziehbar dokumentiert, auch wenn man dem Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum zuspricht. Die Zusammensetzung und inhaltliche Gestaltung der Zuschlagskriterien ist aus der Leistungsbeschreibung nicht erkennbar. Die verbale Beschreibung der Wertung der Angebote kann nicht in einen Kontext zu der Benotung gesetzt werden, da aus der Vergabedokumentation nicht erkennbar wird, welche Kriterien für welche Benotung erforderlich sind.*)
2. Gemäß § 3 Abs. 5 a VOL/A 2009 ist eine Freihändige Vergabe zulässig, wenn nach Aufhebung einer Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung eine Wiederholung kein wirtschaftliches Ergebnis verspricht. Der Auftraggeber muss damit prognostizieren, ob die erneute Ausschreibung ein wirtschaftliches Ergebnis erwarten lässt.*)
VolltextOnline seit 2014
VPRRS 2014, 0559VK Nordbayern, Beschluss vom 24.09.2014 - 21.VK-3194-26/14
1. Vom grundsätzlichen Gebot der Produktneutralität darf nur abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. In solchen Fällen ist eine Beschränkung oder Einengung des Wettbewerbs als Folge des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich hinzunehmen. Dieses Bestimmungsrecht des Auftraggebers ist jedoch in einem offenen Vergabeverfahren nicht grenzenlos. Nur solange die Anforderung nicht dazu führt, dass die Ausschreibung faktisch auf ein Produkt zugeschnitten ist und die Anforderung objektiv sach- und auftragsbezogen ist, wird dem Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb und der Wahrung der Bietervielfalt hinreichend Rechnung getragen.*)
2. Die europäische Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR) hat in Art. 23 Abs. 8 die Ausnahme der produktscharfen Spezifikation uneingeschränkt unter die Vorgabe des Zusatzes "oder gleichwertig" gestellt. Die für den nationalen Bereich noch weit gehende Aussage des § 7 Abs. 4 VOL/A, wonach der Zusatz "oder gleichwertiger Art" dann entfallen kann, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe rechtfertigt, wird damit für die EU-weite Vergabe nur unter diesem Vorbehalt möglich. Der scheinbare Widerspruch, dass bei einem ausschließlich brauchbaren Produkt der Zusatz "oder gleichwertig" keinen Sinn ergibt, weil ja eben nichts anderes erwünscht ist, löst sich unter der Prämisse des EU-Rechts auf, das offensichtlich davon ausgeht, dass es einem Auftraggeber gar nicht wirklich möglich ist, EU-weit abzuschätzen, welche Möglichkeiten der Markt bietet. Art. 23 Abs. 8 VKR wurde wortgleich in § 8 EG Abs. 7 VOL/A übernommen. Damit ist bei einer EU-weiten Vergabe zwingend eine Produktvorgabe mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0555
VK Nordbayern, Beschluss vom 24.09.2014 - 21.VK-3194-24/14
1. Vom grundsätzlichen Gebot der Produktneutralität darf nur abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. In solchen Fällen ist eine Beschränkung oder Einengung des Wettbewerbs als Folge des Bestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich hinzunehmen. Dieses Bestimmungsrecht des Auftraggebers ist jedoch nicht grenzenlos. Nur solange die Anforderung nicht dazu führt, dass die Ausschreibung faktisch auf ein Produkt zugeschnitten ist und die Anforderung objektiv sach- und auftragsbezogen ist, wird dem Grundsatz der Vergabe im Wettbewerb und der Wahrung der Bietervielfalt hinreichend Rechnung getragen.*)
2. Die europäische Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie) hat in Art. 23 Abs. 8 die Ausnahme der produktscharfen Spezifikation uneingeschränkt unter die Vorgabe des Zusatzes "oder gleichwertig" gestellt. Die für den nationalen Bereich noch weit gehende Aussage des § 7 Abs. 4 VOL/A, wonach der Zusatz "oder gleichwertiger Art" dann entfallen kann, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe rechtfertigt, wird damit für die EU-weite Vergabe nur unter diesem Vorbehalt möglich. Der scheinbare Widerspruch, dass bei einem ausschließlich brauchbaren Produkt der Zusatz "oder gleichwertig" keinen Sinn ergibt, weil ja eben nichts anderes erwünscht ist, löst sich unter der Prämisse des EU-Rechts auf, das offensichtlich davon ausgeht, dass es einem Auftraggeber gar nicht wirklich möglich ist, EU-weit abzuschätzen, welche Möglichkeiten der Markt bietet. Art. 23 Abs. 8 VKR wurde wortgleich in § 8 EG Abs. 7 VOL/A übernommen. Damit ist bei einer EU-weiten Vergabe zwingend eine Produktvorgabe mit dem Zusatz "oder gleichwertig" zu versehen.*)
VolltextVPRRS 2014, 0216
VK Bund, Beschluss vom 23.01.2014 - VK 2-126/13
1. In Vergabenachprüfungsverfahren ist die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands und der Bedingungen für die Auftragsvergabe zu respektieren. Eine Grenze findet die Bestimmungsfreiheit in § 8 EG Abs. 7 Satz 1 VOL/A 2009. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Auftraggeber in seinen technischen Anforderungen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft, ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.
2. Ein Verstoß gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung kann vorliegen, wenn der öffentliche Auftraggeber Merkmale vorgibt, die andere Bieter nicht erfüllen können oder technische Anforderungen in der Weise vorgibt, dass Bieter keine Ausweichmöglichkeiten haben. Auch eine niedrigere Gewichtung alternativer Produkte kann gegen das Gebot der Produktneutralität verstoßen.
3. Hinsichtlich der Frage, ob eine zu rechtfertigende Ausnahme vom Grundsatz der Produktneutralität vorliegt, steht dem Auftraggeber grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zu. Der Auftraggeber darf nach sachlichen Kriterien differenzieren, die sich aus der Art der zu vergebenden Leistung ergeben. Voraussetzung ist, dass er sich vor Festlegung der Ausschreibungsbedingungen einen möglichst breiten Überblick über die in Betracht kommenden technischen Alternativen verschafft hat.
VolltextVPRRS 2014, 0096
VK Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2006 - 1 VK 81/05
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextOnline seit 2013
VPRRS 2013, 1633OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.05.2000 - 2 Verg 2/00
1. Genügt als Nachweis der Erfüllung des Leistungsprofils einer Ausschreibung ein Eigentestat, so ist der Nachweis einer Falschbezeugung durch einen Konkurrenten im Vergabeverfahren zu beachten. Der Nachweis der Falschbezeugung kann auch noch vor dem Vergabesenat erbracht werden.
2. Es verstößt gegen § 8 Nr. 1 VOL/A (Abschn. 1), wenn die Leistungsbeschreibung lediglich Angaben allgemeiner Art enthält oder verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulässt oder Zweifelsfragen aufkommen lässt. Auslegungsschwierigkeiten führen aber nur dann zur Beanstandung des Vergabeverfahrens, wenn Angebote dadurch nicht mehr miteinander verglichen werden können oder dem Bieter eine Teilnahme an der Ausschreibung nicht mehr zumutbar ist. Daran fehlt es, wenn das Verständnis des Ausschreibenden und der Bieter nach Erläuterung durch den Ausschreibenden ein gemeinsames ist.
3. Verlangt die Ausschreibung ein schriftliches Selbstzeugnis des Bieters, so muss dieses im Vergabeverfahren abgegeben werden. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, Korrespondenz von Bietern aus der Zeit vor der Veröffentlichung der Ausschreibung beizuziehen und auf ihre Relevanz für das Vergabeverfahren zu untersuchen. Ein Bieter, der das geforderte schriftliche Selbstzeugnis nicht fristgerecht abgibt, kann nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A aus dem Verfahren ausgeschlossen werden.
4. Auf Feststellung einer Tatsache (hier: dass das Angebot des Beschwerdeführers nach der Wertung der Vergabestelle an erster Stelle stehe) besteht kein Rechtsanspruch.
5. Der Vergabesenat kann rechtskräftig gewordene Entscheidungen der Vergabekammer in einem Parallelverfahren nicht überprüfen.
6. Für die Kosten eines von einem Beigeladenen erfolglos eingelegten Rechtsmittels gilt § § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des obsiegenden Beigeladenen sind in der Regel vom unterlegenen Teil zu tragen.
VolltextVPRRS 2013, 1236
VK Nordbayern, Beschluss vom 18.08.2000 - 320.VK-3194-18/00
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextVPRRS 2013, 0793
OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.04.2006 - Verg W 1/06
Ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde hat keinen Erfolg, wenn nach der vergaberechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des Auftraggebers der Antragsteller wegen aussichtsloser Platzierung (hier: auf Rang 4) keine Chance auf die Erteilung des Zuschlags hat.
VolltextVPRRS 2013, 0600
VK Nordbayern, Beschluss vom 08.04.2013 - 21.VK-3194-12/13
Gem. § 3 Abs. 1 VgV ist bei der Schätzung der Auftragswert von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung auszugehen. Gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 VgV ist bei wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen über Liefer - oder Dienstleistungen der Auftragswert auf der Grundlage des tatsächlichen Gesamtwertes entsprechender aufeinander folgender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr zu schätzen; dabei sind voraussichtliche Änderungen bei Mengen oder Kosten möglichst zu berücksichtigen, die während der zwölf Monate zu erwarten sind, die auf den ursprünglichen Auftrag folgen.*)
VolltextVPRRS 2013, 0221
VK Thüringen, Beschluss vom 18.10.2001 - 216-4002.20-052/01-J-S
(ohne amtlichen Leitsatz)
VolltextOnline seit 2012
VPRRS 2012, 0318OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.07.2009 - Verg 13/09
Hat die Vergabestelle den Aufhebungsgrund selbst verursacht, etwa weil sie in der Vergabebekanntmachung weder Mindestanforderungen an die Eignung der Bieter festgelegt noch eine Vorlage von Eignungsnachweisen verlangt hat, liegt kein beachtlicher Grund vor, das Vergabeverfahren aufzuheben.
VolltextVPRRS 2012, 0099
VK Nordbayern, Beschluss vom 03.02.2012 - 21.VK-3194-42/11
1. Darf ein Auftraggeber wegen unheilbarer Mängel des Vergabeverfahrens keinem Bieter den Zuschlag erteilen, hat ein Bieter bei der Neuausschreibung der Leistung eine "zweite Chance". In einem solchen Fall ist der Bieter auch ohne wertbares eigenes Angebot antragsbefugt.*)
2. Die am Auftrag interessierten Unternehmen müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Angebote nicht nur vom Bestehen, sondern auch von der Tragweite der Zuschlagskriterien Kenntnis zu nehmen. Zur Tragweite gehört nicht nur die Gewichtung selbst, sondern auch die Umrechnungsformel bei der Wertung - wie etwa zur Umrechnung der Angebotspreise in Punkte.*)
VolltextOnline seit 2011
VPRRS 2011, 0385VK Bund, Beschluss vom 29.08.2011 - VK 1-105/11
Die Beschaffung von Laborgeräten mittels Herstellerlisten ist mangels produktneutraler Ausschreibung unzulässig.
VolltextVPRRS 2011, 0040
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2010 - Verg 40/10
Das Unterlassen einer Bekanntgabe in der Form einer Bewertungsmatrix nachträglich festgelegter Unterkriterien und Gewichtungskoeffizienten ist seiner Art nach geeignet, die Leistungs- und die Angebotsmöglichkeiten der Bieter nachteilig zu beeinflussen. Der Auftraggeber darf keine Zuschlagskriterien, Unterkriterien oder Gewichtungsregeln anwenden, die er den am Auftrag interessierten Unternehmen nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat.
VolltextOnline seit 2010
VPRRS 2010, 0398OLG Dresden, Beschluss vom 12.10.2010 - WVerg 9/10
1. § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB ist nicht nur anwendbar, wenn der Auftrag an ein Unternehmen erteilt worden ist, sondern auch dann, wenn er an zwei Unternehmen vergeben wurde.
2. Bei den sog. de-facto-Vergaben des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB besteht für den Bieter keine Rügeverpflichtung.
3. Die Vergabe von DNA-Analysen ist der Kategorie 27 "Sonstige Leistungen" des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG bzw. des Anhangs I Teil B der VOL/A 2006 zuzuordnen.
4. Bei DNA-Analysen im Rahmen der Strafverfolgung kommen regelmäßig Firmen aus dem europäischen Ausland aus Zeitgründen und wegen der erforderlichen Kühlung nicht in Betracht. Zudem muss regelmäßig die Person, die die Analyse durchgeführt hat, im Strafverfahren als Sachverständiger und/oder Zeuge zur Verfügung stehen.
5. Universitäten können, soweit sie Marktteilnehmer sein können und damit nicht von vorneherein und ohne weitere Prüfung nach § 7 Nr. 6 VOL/A 2006 von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden könnten, nicht im Wege der Freihändigen Vergabe beauftragt werden.
VolltextVPRRS 2010, 0390
VK Südbayern, Beschluss vom 25.06.2010 - Z3-3-3194-1-28-05/10
1. Bei der Vergabe von Labordienstleistungen handelt es sich um eine Dienstleistung des Anhangs IB, Kategorie 27 der VOL/A, nicht aber um eine Leistung der Kategorie 12 des Anhangs II zur Vergabekoordinierungsrichtlinie.*)
2. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 VOL/A sind Öffentliche Ausschreibungen durch Tageszeitungen, amtliche Veröffentlichungsblätter, Fachzeitschriften oder Internetportale bekannt zu machen. Das Internetportal als Bekanntmachungsmedium genügt nach dem Regelungszweck des § 17 VOB/A und § 17 VOL/A aber nur dann den Anforderungen der Transparenz, wenn dem durchschnittlichen Nutzer des Internets auch der entsprechende Internetauftritt des Auftraggebers bekannt ist, oder sich Bekanntmachungen im Internet nicht nur zufällig oder mit großem Aufwand finden lassen.*)
3. Grundsätzlich hat der Auftraggeber bis zum Eröffnungstermin die Möglichkeit, etwaige Fehler im Leistungsverzeichnis zu korrigieren, das heißt, er kann Teile des Leistungsverzeichnisses zurückziehen oder Änderungen am Leistungsverzeichnis vornehmen. Liegen dennoch inhaltlich unterschiedliche Angebote vor, die auf Änderungen zurückzuführen sind und liegt dies nicht im Verantwortungsbereich der Bieter, macht eine solche Situation es unumgänglich, das Vergabeverfahren in den Stand nach der erfolgten Bekanntmachung der Vergabeabsicht durch die Vergabestelle zurückzuversetzen. Hierbei sollte er sich auch dahingehend absichern, dass ihm alle Bewerber den Empfang der Mitteilung bestätigen.*)
4. Eine Loslimitierung kann vergaberechtlich nur dann zulässig sein, wenn damit bezogen auf den Bieterkreis und den Auftragsgegenstand keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vorliegt. Bei der Entscheidung über die Losaufteilung kommt es im Rahmen der Dokumentationspflicht vor allem darauf an, dass ersichtlich wird, dass die Vergabestelle das Interesse an einem breiteren Wettbewerb um den zu vergebenden Auftrag berücksichtigt und gegen wirtschaftliche und technische Belange abgewogen hat. *)
VolltextVPRRS 2010, 0386
VK Südbayern, Beschluss vom 25.06.2010 - Z3-3-3194-1-30-05/10
1. Gemäß § 17 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2006 sind Öffentliche Ausschreibungen durch Tageszeitungen, amtliche Veröffentlichungsblätter, Fachzeitschriften oder Internetportale bekannt zu machen. Das Internetportal als Bekanntmachungsmedium genügt nach dem Regelungszweck des § 17 VOB/A 2006 und § 17 VOL/A 2006 aber nur dann den Anforderungen der Transparenz, wenn dem durchschnittlichen Nutzer des Internets auch der entsprechende Internetauftritt des Auftraggebers bekannt ist, oder sich Bekanntmachungen im Internet nicht nur zufällig oder mit großem Aufwand finden lassen.*)
2. Grundsätzlich hat der Auftraggeber bis zum Eröffnungstermin die Möglichkeit, etwaige Fehler im Leistungsverzeichnis zu korrigieren, das heißt, er kann Teile des Leistungsverzeichnisses zurückziehen oder Änderungen am Leistungsverzeichnis vornehmen. Liegen dennoch inhaltlich unterschiedliche Angebote vor, die auf Änderungen zurückzuführen sind und liegt dies nicht im Verantwortungsbereich der Bieter, macht eine solche Situation es unumgänglich, das Vergabeverfahren in den Stand nach der erfolgten Bekanntmachung der Vergabeabsicht durch die Vergabestelle zurückzuversetzen. Hierbei sollte er sich auch dahingehend absichern, dass ihm alle Bewerber den Empfang der Mitteilung bestätigen.*)
3. Eine Loslimitierung kann vergaberechtlich nur dann zulässig sein, wenn damit bezogen auf den Bieterkreis und den Auftragsgegenstand keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vorliegt. Bei der Entscheidung über die Losaufteilung kommt es im Rahmen der Dokumentationspflicht vor allem darauf an, dass ersichtlich wird, dass die Vergabestelle das Interesse an einem breiteren Wettbewerb um den zu vergebenden Auftrag berücksichtigt und gegen wirtschaftliche und technische Belange abgewogen hat.*)
VolltextVPRRS 2010, 0375
VK Sachsen, Beschluss vom 09.07.2010 - 1/SVK/021-10
1. Die Vergabe von DNA-Analysen, die im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungsverfahren erhoben werden, ist der Kategorie 27 "Sonstige Dienstleistungen" des Anhanges IB der VOL/A zuzuordnen.*)
2. Der öffentliche Auftraggeber muss den CPV-Code benennen, der so präzise wie möglich dem Beschaffungsvorhaben entspricht. Falls die CPV-Nomenklatur nicht präzise genug ist, muss der Auftraggeber sich auf die Abteilung, Gruppe, Klasse oder Kategorie beziehen, die dem beabsichtigten Beschaffungsvorhaben am besten entspricht. Bei der Zuordnung steht dem Auftraggeber ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.*)
3. Die Ausnahmetatbestände des § 3 Nr. 4 VOL/A sind abschließend und aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen. Für Vergaben nach dem 2. Abschnitt der VOL/A ist § 3 Nr. 4 VOL/A allein dann anwendbar, wenn nachrangige Dienstleistungen nach Anhang I B vergeben werden. Dem Auftraggeber steht dann ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Entscheidung zwischen der freihändigen Vergabe an die in § 3 Nr. 4 lit. o VOL/A genannten Einrichtungen einerseits oder der öffentlichen Ausschreibung unter Beteiligung erwerbswirtschaftlicher Bieter andererseits zu.*)
4. Die Freihändige Vergabe ist gemäß § 3 Nr. 4 lit. o) VOL/A zulässig, wenn ein Auftrag an Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen der Jugendhilfe, Aus-und Fortbildungsstätten oder ähnliche Einrichtungen vergeben werden soll. § 3 Nr. 4 lit. o) VOL/A korrespondiert mit § 7 Nr. 6 VOL/A. Die Möglichkeit der freihändigen Vergabe stellt somit einen Ausgleich dafür her, dass den Einrichtungen nach § 7 Nr. 6 VOL/A eine Teilnahme am Wettbewerb nicht möglich ist. Dieses Ausgleichsgefüge wird nach Auffassung der Vergabekammer auch nicht durch die Entscheidung des EuGH (U. v. 23.12.2009 -Rs. C-305/08) aus den Angeln gehoben.*)
5. Der Anwendung des § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB steht nicht entgegen, dass der Auftraggeber den Auftrag an zwei Unternehmen erteilt hat, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen. Der Begriff "ein" Unternehmen ist als (unbestimmter) Artikel zu betrachten, nicht als "Zahlwort", alles andere würde zu absurden Ergebnissen und zu einer einfachen Umgehung des gesetzlichen Tatbestandes führen.*)
VolltextVPRRS 2010, 0304
VK Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2010 - VK 5/10
1. Die Zurückweisung eines Nachprüfungsantrages gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung als "offensichtlich unbegründet" sollte die Ausnahme bleiben, die nur dann aus prozessökonomischen Gründen statthaft ist, wenn eine Verhandlung von vorneherein unnötig und für das Ergebnis irrelevant erscheint, etwa wenn nach Durchsicht der Vergabeakten kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass es die von der Antragstellerin behaupteten Vergaberechtsverstöße tatsächlich nicht gibt.
2. Ein Angebot ist dann nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen, wenn der Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen hat.
3. Da der Auftraggeber den Vertragsinhalt in den Angebotsunterlagen vorgegeben hat, ist es sein anerkennenswertes Interesse zu verhindern, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht, und den Prüfungsumfang im Vergabeverfahren im Interesse einer schnellen und reibungslosen Umsetzung der Auftragsvergabe nicht ausufern zu lassen. Eine derartige materielle Prüfung der Leistungen kann dem Auftraggeber und den weiteren Bietern nicht zugemutet werden. Eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen liegt daher bereits dann vor, wenn ein Leistungsverzeichnis des Bieters formell in das Angebot einbezogen wird und daher inhaltlich bei der Feststellung des Vertragsinhaltes Berücksichtigung finden muss.
VolltextVPRRS 2010, 0303
VK Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2010 - VK 55/09
1. Auch das Zustandekommen des zur Nachprüfung durch die Vergabekammer des Landes Brandenburg gestellten Vertragsschlusses unterliegt dem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach § 102 GWB.
2. Bereits die Entscheidung, kein geregeltes Vergabeverfahren durchzuführen, muss der Nachprüfung zugänglich sein.
3. Ein Nachprüfungsantrag ist unzulässig, wenn der Auftraggeber mit einem anderen Anbieter einen wirksamen Vertrag über die streitige Leistung geschlossen hat.
4. Eine wirksame Zuschlagserteilung ist für den Fall zu verneinen, dass die Vergabestelle ihrer Pflicht zur Information der erfolglosen Bieter aus § 13 Satz 1 VgV nicht nachgekommen ist.
5. Der Vortrag, es liege in der Natur der Sache, dass der bisherige Vertragspartner weiterhin ein Interesse habe, im Falle der Neuvergabe den Zuschlag zu erhalten, genügt ebenso wenig, wie gelegentlich und beiläufig geäußerte Interessenbekundungen, ohne dass diesen ein konkretes Beschaffungsvorhaben zugeordnet werden könnte.
6. Bei einem sittenwidrigen Verhalten gegenüber der Allgemeinheit oder gegenüber einem Dritten ist § 138 BGB nur anwendbar, wenn alle Beteiligten des streitigen Rechtsgeschäftes subjektiv sittenwidrig zum Nachteil des Betroffenen handeln. Das Bewusstsein von Sittenwidrigkeit ist bei den Handelnden nicht erforderlich; es genügt, dass der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt.
7. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist.
VolltextVPRRS 2010, 0302
VK Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2010 - VK 51/09
1. Grundsätzlich schadet eine fehlerhafte Bezeichnung des Auftraggebers als Adressat eines Nachprüfungsantrages nicht und führt - wenn klar erkennbar ist, wer als Adressat des Antrages gemeint ist - auch nicht dazu, dass sich ein Nachprüfungsantrag gegen den falschen, nicht passiv prozessführungsbefugten Antragsgegner richtet. Der Antrag könnte dann entsprechend ausgelegt und im Passivrubrum berichtigt werden.
2. Der Vergabekammer ist es verwehrt, von einer verfahrensrechtlich unschädlichen Falschbezeichnung der Auftraggeberin auszugehen, wenn der Antragsteller ausdrücklich sämtliche Nachprüfungsanträge in der in Rede stehenden Vertragsangelegenheit aufrechterhält und Parallelverfahren betreibt.
VolltextVPRRS 2010, 0301
VK Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2010 - VK 50/09
1. Grundsätzlich schadet eine fehlerhafte Bezeichnung des Auftraggebers als Adressat eines Nachprüfungsantrags nicht und führt - wenn klar erkennbar ist, wer als Adressat des Antrages gemeint ist - auch nicht dazu, dass sich ein Nachprüfungsantrag gegen den falschen, nicht passiv prozessführungsbefugten Antragsgegner richtet.
2. Der Vergabekammer ist es verwehrt, von einer verfahrensrechtlich unschädlichen Falschbezeichnung des Auftraggebers auszugehen, wenn der Antragsteller sämtliche Nachprüfungsanträge ausdrücklich aufrechterhält und in der in Rede stehenden Vertragsangelegenheit gegen den wirklichen Auftraggeber ein Parallelverfahren betreibt.
VolltextVPRRS 2010, 0211
VK Sachsen, Beschluss vom 20.04.2010 - 1/SVK/008-10
1. Ist eine "Soll-Vorgabe" Bestandteil des Leistungsverzeichnisses, so ist diese als zwingend zu verstehen, wenn keine Abweichung von diesem Regelfall zugelassen wird. Eine Soll-Vorgabe führt nicht dazu, dass es in das Belieben des Bieters gestellt wird, ob er diese erfüllt oder nicht.*)
2. Ist in den Verdingungsunterlagen die Zertifizierung eines komplexen Systems mit verschiedenen Komponenten gefordert, so hat der Auftraggeber im Sinne der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung nach § 9 Nr. 1 VOB/A zu bezeichnen, welche Komponenten nach welchen Prüfnormen zu zertifizieren sind.*)
VolltextVPRRS 2010, 0158
OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.03.2010 - Verg W 6/10
1. Die Rüge eines Vergaberechtsverstoßes muss eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthalten. Dem genügt eine Rüge nicht, wenn sie mehrere Beanstandungen enthält, die nur durch einander ausschließende Verhaltensweisen des Auftraggebers behoben werden können.*)
2. Schließt der Auftraggeber ein Angebot aus zwei voneinander unabhängigen Gründen von der Wertung aus und wird nur hinsichtlich eines der Ausschlussgründe eine ordnungsgemäße Rüge erhoben, hat die Ausschlussentscheidung des Auftraggebers unabhängig von der Berechtigung der Rüge Bestand.*)
3. Im Vergabeverfahren scheidet auf Seiten des Bieters eine nachträgliche Irrtumskorrektur aus, wenn dies zur Folge hätte, dass sich sein Angebot inhaltlich ändern würde.*)
VolltextOnline seit 2009
VPRRS 2009, 0282OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.07.2009 - 15 Verg 3/09
1. Ein Vergabeverfahren kann aufgehoben werden, wenn selbst das günstigste Angebot unangemessen hoch ist (hier: 16% über Marktpreis).
2. Maßstab für die Ermittlung eines angemessenen Preises können auch Ergebnisse aus einem anschließenden Vergabeverfahren sein.
VolltextOnline seit 2008
VPRRS 2008, 0283OLG Naumburg, Beschluss vom 25.09.2008 - 1 Verg 3/08
1. Positive Kenntnis von einem Vergaberechtsverstoß i.S.v. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB liegt bereits vor, wenn der unzureichende Informationsgehalt der in den Verdingungsunterlagen mitgeteilten Gewichtung von Zuschlagskriterien für den Bieter ohne Weiteres erkennbar ist und dieser sein Angebot erstellt, ohne eigenen Bedenken z. Bsp. gegen ein zu hohes Gewicht des Preiskriteriums weiter nachzugehen. Soweit ein Bieter bei „Ca.“-Angaben zu den Produktabmessungen in der Leistungsbeschreibung die Angabe von Toleranzgrenzen vermisst, weil er für die Erstellung seines eigenen Angebotes auf eine eigenmächtige Definition zurückgreifen und damit den Ausschluss seines Angebots besorgen muss, liegt ein möglicher Vergabeverstoß aus seiner Sicht auf der Hand und begründet eine Rügeobliegenheit.*)
2. Nach Aufhebung eines Offenen Verfahrens mit der Begründung, dass ausschließlich unvollständige bzw. von den Verdingungsunterlagen abweichende und daher nach § 25 Nr. 1 VOB/A auszuschließende Angebote eingegangen waren, kann der Auftraggeber ein Verhandlungsverfahren ohne (erneute) Vergabebekanntmachung auch unter Einbeziehung weiterer Unternehmen als der Bieter des vorangegangenen Offenen Verfahrens durchführen (§ 3a Nr. 6 lit. b) VOB/A). Für die Zulässigkeit seiner Wahl der Vergabeart ist es unerheblich, ob er sich von Anfang rechtlich darüber im Klaren war, auf welche Rechtsnorm er diese Wahl stützen kann.*)
3. Die Vorschriften des § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VOB/A – Bieteröffentlichkeit des Angebotseröffnungstermins – sowie des § 24 Nr. 3 VOB/A – Verbot von Vertragsverhandlungen nach Ablauf der Angebotsfrist – gelten im Verhandlungsverfahren nicht.*)
4. Werden bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht alle bekannt gemachten Zuschlagskriterien berücksichtigt und findet trotz Bekanntmachung eines Punktesystems eine vollständige Punktberechnung für die Angebote nicht statt, so verstößt die Wertung gegen §§ 25 Nr. 3 Abs. 3 Sätze 2 und 3 sowie 25a Nr. 1 VOB/A.*)
5. Die subjektiven Rechte eines Bieters i.S.v. § 97 Abs. 7 GWB sind bereits dann verletzt, wenn eine Verschlechterung seiner Zuschlagschancen nicht ausgeschlossen werden kann.*)
5.1. Ein Bieter hat zwar im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbewertung nach einem Punktesystem keinen Anspruch auf den richtigen Punktwert; er ist regelmäßig durch eine ihn übergehende Vergabeentscheidung nicht selbst betroffen, wenn die Auswahl des Zuschlagsaspiranten im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, weil der Wertungsvorgang grundsätzlich nur der Auswahl eines Angebotes als wirtschaftlichstes Angebot dient und die nachfolgende Platzierung unerheblich ist.*)
5.2. Ist jedoch nicht ersichtlich, wie eine nachvollziehbare Wertung der bekannt gemachten Zuschlagskriterien ohne vorherige Bekanntgabe von Unterkriterien bzw. ohne Verlangen der Abgabe von Erklärungen der Bieter bzw. Fremdnachweisen über aussagekräftige Umstände hätte erfolgen sollen, und kommt deshalb als geeignete und zugleich verhältnismäßige Maßnahme zur Beseitigung der Rechtsverletzung zum Nachteil des Bieters lediglich die Wiederholung des Vergabeverfahrens ab dem Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe in Betracht, so ist eine Verbesserung der Zuschlagschancen des Bieters regelmäßig nicht auszuschließen.*)
6. Im Beschwerdeverfahren ist eine von der Kostenentscheidung in der Hauptsache getrennte Kostenentscheidung für das Verfahren auf Anordnung der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO zulässig und jedenfalls dann geboten, wenn der Antrag eines Beteiligten im Eilrechtsschutz abgewiesen wird, sein Antrag in der Hauptsache aber (teilweise) Erfolg hat.*)
VolltextOnline seit 2007
VPRRS 2007, 0313OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.07.2007 - 1 Verg 1/07
1. Die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB setzt voraus, dass der Antragsteller auch die Kausalität zwischen Vergaberechtsverletzung und drohendem Schaden darlegen kann.*)
2. Ein Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist daher unzulässig, wenn der Antragsteller selbst die Ursache dafür gesetzt hat, dass er sich nicht an einem Vergabeverfahren beteiligen kann.
VolltextVPRRS 2007, 0081
VK Saarland, Beschluss vom 19.01.2007 - 3 VK 05/2006
1. Eine Bieterin ist mit ihren im Vergabenachprüfungsverfahren behaupteten Vergabeverstößen präkludiert, wenn sie es mangels rechtzeitiger, zu ihren Lasten gehender Kenntnisnahme von der Ausschreibung versäumt hat, diese Verfahrensverstöße gegenüber dem Auftraggeber (rechtzeitig i.S. von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) zu rügen. Die Unkenntnis bzw. nicht rechtzeitige Kenntnisnahme von der Ausschreibung geht insbesondere dann zu Lasten der Antragstellerin, wenn sie nach einer Bekanntmachung im EU-Bekanntmachungsblatt bzw. in einer einschlägigen Fachzeitschrift Ausschau gehalten hat, obwohl Vergabekammer und OLG in ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem bezüglich der gleichen Auftragsvergabe vorangegangenen Vergabeverfahren eine derartige Bekanntmachungspflicht des Auftraggebers ausdrücklich verneint hatten und lediglich eine überregionale deutschlandweite Bekanntmachung gefordert hatten.*)
2. Der Antragstellerin fehlt es an der für die Zulässigkeit ihres Nachprüfungsantrags erforderlichen Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB, wenn die behaupteten Vergabeverstöße „falsche Bekanntmachung und falsche Wahl der Vergabeart“ nicht ursächlich sein können für den ihr möglicherweise durch eine Nichtteilnahme entstandenen Schaden. Das ist dann der Fall, wenn die von ihr beanstandete verfahrensrechtliche Schlechterstellung nicht auf die vom Auftraggeber gewählte Verfahrensart zurückzuführen ist, sondern auf die Tatsache, dass sie es verabsäumt hat, dafür Sorge zu tragen, (rechtzeitig) von der Veröffentlichung der in Rede stehenden Auftragsvergabe in den in Frage kommenden Publikationsorganen Kenntnis zu nehmen.*)
3. Bei Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht der Antragstellerin grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht zu, wenn es einer Akteneinsicht nicht bedurfte, um die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags zu beurteilen.*)
VolltextOnline seit 2006
VPRRS 2006, 0192OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2006 - Verg 98/05
1. Fehlt ein von der Vergabestelle geforderter Eignungsnachweis und behauptet der Bieter aber, dieser habe seinem Angebot beigelegen, und nennt hierfür auch Zeugen, so muss die Vergabekammer diesem Beweisantritt nachgehen.
2. Leiden verschiedene Angebote an denselben Mängeln, so muss die Vergabestelle hieraus dieselben Konsequenzen ziehen.
VolltextOnline seit 2005
VPRRS 2005, 0146OLG Jena, Beschluss vom 14.02.2005 - 9 Verg 1/05
1. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB ist auch nach Erteilung des Zuschlags zulässig, wenn das Beschwerdeverfahren gerade die Frage der Wirksamkeit der Zuschlagserteilung zum Gegenstand hat (im Anschluss an BayObLG NZBau 2000, 261).*)
2. Der Senat hält an seiner früheren Rechtsprechung fest, wonach die Nichtigkeitssanktion des § 13 S. 6 VgV nicht zum Tragen kommt, wenn ein Informationsschreiben der Vergabestelle nicht die Anforderungen des § 13 S. 1 VgV erfüllt (vgl. Senat Beschl. vom 29.05.2002, VergabeR 2002, 543, 544).*)
3. Auf dem Boden früherer Entscheidungen des Senats bleibt es dabei, dass die Frist des § 13 S. 2 VgV weder unterbrochen noch verlängert wird, wenn ein Bieter nach Erhalt der Vorabmitteilung die darin angegebene Begründung der Nichtberücksichtigung des Angebots als unzutreffend oder unzureichend rügt (vgl. Senat Beschl. vom 09.09.2002, VergabeR 2002, 631, 634).*)
VolltextOnline seit 2001
VPRRS 2001, 0040VK Niedersachsen, Beschluss vom 09.01.2001 - VgK 4/2000
1. Eine Gewährleistungsfristverkürzung durch den Bieter bewirkt ein Nebenangebot nichttechnischer Art.
2. Dieses Angebot ist auszuschließen, wenn die Bewerbungsbedingungen nichttechnische Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulassen und ein solches nicht abgegeben wird.
3. Ein gleichzeitiger Vorbehalt des Auftraggebers, Nebenangebote, die den Bewerbungsbedingungen nicht entsprechen, auszuschließen, erlaubt nicht die Wertung eines nicht zugelassenen Nebenangebots.
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