Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Nachprüfungsverfahren
Online seit heute
VPRRS 2025, 0093
VK Westfalen, Beschluss vom 12.03.2025 - VK 1-7/25
1. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
2. Ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für den Fortsetzungsfeststellungsantrag ist das Vorliegen des sog. Feststellungsinteresses. Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art und muss geeignet sein, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder zu mildern.
3. Durch die Erklärung des Antragsgegners, sich der Erledigungserklärung des Antragstellers anzuschließen, ist das Nachprüfungsverfahren beendet. Eine Umstellung von Anträgen im laufenden Nachprüfungsverfahren ist nicht mehr möglich.

Online seit 23. April
VPRRS 2025, 0082
VK Sachsen, Beschluss vom 09.09.2024 - 1/SVK/022-24G
1. Ein zugunsten der Vorabgestattung des Zuschlags streitender Abwägungsaspekt stellt die Verhinderung von Versorgungslücken im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge dar.*)
2. Insbesondere eine Interimsvergabe durch den Auftraggeber kann geeignet sein, eine vorübergehende Versorgungslücke unter weitgehender Schonung des Interesses an effektivem Primärrechtsschutz zu schließen, weil befristete Interimsvergaben in der Regel dem Zweck dienen, eine Lücke zu schließen, die durch ein Zuschlagsverbot infolge eines Nachprüfungsverfahrens entsteht.*)
3. Im Rahmen von Interimsvergabeverfahren betreffend Dienstleistungen der Daseinsvorsorge ist die Frage der Verursachung der Dringlichkeit nicht allein entscheidungserheblich. Die Dringlichkeit kann für eine gewisse Zeit - interimsweise -auch dann generell gegeben sein, wenn sie auf von dem Auftraggeber zu vertretenden Umständen beruht. Die zeitlich beschränkte Interimsvergabe ist somit selbst dann grundsätzlich zulässig, wenn die Gründe für die Dringlichkeitssituation in der Sphäre des Auftraggebers liegen. Der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit der Dringlichkeit tritt in diesen Fällen meist hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Versorgungsleistung zurück.*)

Online seit 15. April
VPRRS 2025, 0081
VK Sachsen, Beschluss vom 21.01.2025 - 1/SVK/022-24
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf sich grundsätzlich auf die Angaben der Bieter und die von ihnen in ihren Angeboten abgegebenen Leistungsversprechen verlassen. Nur wenn sich Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen, und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Anforderungen möglicherweise nicht erfüllen kann, ist de Auftraggeber verpflichtet, Aufklärung zu verlangen und die ausreichende Leistungsfähigkeit des Bieters durch Einholung weiterer Informationen zu prüfen.*)
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, dass ein Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter erteilt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls läuft der Auftraggeber Gefahr, gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter zu verstoßen. Ein Auftraggeber darf eine Bieterfrage allenfalls im Einzelfall individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Information handelt.*)
3. Der Umstand, dass ein Bieter selbst eine Bieterfrage gestellt hat und als einziger eine Antwort erhalten hat, lässt eine Rechtsverletzung nicht entfallen. Denn es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Bieter durch die Berücksichtigung der ihm erteilten Antwort auf seine Bieterfrage einen Wettbewerbsnachteil erlitten hat, während andere Bieter, denen die Antwort nicht bekannt war, die Vorgabe nicht beachtet haben und dadurch günstiger anbieten konnten bzw. einen Wettbewerbsvorteil erlangen.*)
4. Eine Preisprüfung ist durchzuführen, wenn der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot 20% oder mehr beträgt. Dabei ist auf die Differenz des Gesamtpreises und nicht auf einzelne Preispositionen abzustellen.*)
5. Über die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird im Hauptsacheverfahren entschieden. Es löst gesonderte Vergabekammergebühren aus, über die getrennt und unabhängig davon zu entscheiden ist, wer die Kosten in der Hauptsache trägt. Dabei ist anerkannt, dass die Kostenlast für das Eilverfahren und den Nachprüfungsantrag in der Hauptsache unterschiedliche Beteiligte treffen kann.*)
6. Für die Kosten des Eilverfahrens nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) gelten die gleichen Grundsätze wie für die Kosten des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache. Die Frage der Verteilung der Kosten des Eilverfahrens richtet sich daher konkret nach den §§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog, der bestimmt, dass soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, er die Kosten zu tragen hat.*)
