Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Nachprüfungsverfahren
Online seit heute
VPRRS 2025, 0134
KG, Beschluss vom 06.05.2025 - Verg 7/23
1. Das Gesetz gibt keine Regel vor, unter welchen Umständen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG als notwendig anzusehen ist. Gleichwohl führen die für die Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts typischerweise maßgeblichen Umstände dazu, dass im Regelfall die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen notwendig ist, wenn sie nicht auf tatsächlich vorhandene Rechtskenntnisse, die ihnen etwa durch eine eigene Rechtsabteilung vermittelt werden, zurückgreifen können, während sie für den öffentlichen Auftraggeber im Regelfall nur dann notwendig ist, wenn die sich im Vergabenachprüfungsverfahren stellenden Rechtsfragen nicht mit den Rechtskenntnissen, die von ihm als Betreiber des Vergabeverfahrens zu erwarten sind, angemessen zu bewältigen sind.*)
2. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr für das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer (§ 182 Abs. 2 GWB) durch die Vergabekammer ist, wenn die Festsetzung im Beschwerdeverfahren angegriffen wird, auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Nicht vertretbar ist die Festsetzung, wenn die Vergabekammer die hierfür bestehenden gesetzlichen Vorgaben oder die nach diesen Vorgaben maßgeblichen Tatsachen nicht oder fehlerhaft berücksichtigt oder, soweit ihr danach ein Ermessen zukommt, dieses nicht nachvollziehbar ausgeübt hat; darauf beschränkt sich die Überprüfung. Ist die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach diesen Grundsätzen fehlerhaft, kann der Vergabesenat sie abändern und hierbei von der Vergabekammer unterlassene Feststellungen nachholen sowie das für die Wertung der Umstände nach den gesetzlichen Vorgaben eingeräumte Ermessen selbst ausüben (vgl. § 178 Satz 2 Hs. 1 GWB).*)
3. Für die Ermittlung der Höhe der Verfahrensgebühr nach § 182 Abs. 2 GWB kann grundsätzlich auf die auftragswertorientierte Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes zurückgegriffen werden. Der danach maßgebliche Bruttoauftragswert ist vorrangig dem Angebot des Antragstellers im Vergabenachprüfungsverfahren zu entnehmen. Ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung Gegenstand des Vergabeverfahrens, verbietet sich bei der Ermittlung des Auftragswertes zur Festsetzung der Verfahrensgebühr nach § 182 Abs. 2 GWB ein Rückgriff auf § 3 Abs. 4 VgV; vielmehr ist zur Ermittlung des Auftragswertes unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu schätzen, in welchem Umfang der Antragsteller voraussichtlich Aufträge in Vollzug der ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung erhalten hätte.*)

Online seit gestern
VPRRS 2025, 0133
VK Berlin, Beschluss vom 23.05.2025 - VK B 1-16/25
1. Die Bildung einer Bietergemeinschaft und die Abgabe eines gemeinsamen Angebots kann gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. Jedoch muss die Bietergemeinschaft nicht schon mit Angebotsabgabe, sondern erst auf eine entsprechende Aufforderung darlegen, dass ihre Bildung und Angebotsabgabe nicht gegen Wettbewerbsrecht verstößt.
2. Der Antragsteller muss zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Rahmen der Antragsbefugnis nur das behaupten, was er auf der Grundlage seines - oft nur beschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder für möglich halten darf.
3. Dies entbindet ihn aber nicht davon, wenigstens Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorzutragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergabeverstoß begründen; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen genügen nicht.

Online seit 27. Juni
VPRRS 2025, 0130
VK Berlin, Beschluss vom 12.02.2025 - VK B 1-8/24
1. Der antragstellende Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag auch dann noch zurücknehme, wenn eine Entscheidung der Vergabekammer durch Beschluss ergangen ist, solange dieser noch nicht formell bestandskräftig geworden ist.
2. Soweit auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers zwar grundsätzlich auch vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts vorausgesetzt werden können, kann bei schwierigen Fragen des materiellen Vergaberechts unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gleichwohl notwendig sein.

Online seit 7. Juni
VPRRS 2025, 0131
VK Berlin, Beschluss vom 17.06.2025 - VK B 1-12/25
1. Nimmt der antragstellende Bieter den Nachprüfungsantrag zurück, begibt er sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen und hat deshalb die Kosten des Verfahrens zu tragen, sofern keine Anhaltspunkte für eine andere Ausübung des billigen Ermessens bestehen (hier verneint).
2. Auch wenn das Gesetz keine Regel vorgibt, führen doch die für die Beurteilung der Notwendigkeit der Hinzuziehung typischerweise maßgeblichen Umstände dazu, dass im Regelfall die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für den öffentlichen Auftraggeber nur dann notwendig ist, wenn die sich im Vergabenachprüfungsverfahren stellenden Rechtsfragen nicht mit den Rechtskenntnissen, die von ihm als Betreiber des Vergabeverfahrens zu erwarten sind, angemessen zu bewältigen sind.
3. Der Gesichtspunkt der Waffengleichheit und die fehlende Möglichkeit des Rückgriffs auf Inhouse-Juristen reichen allein für die Annahme der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht aus.

Online seit 5. Juni
VPRRS 2025, 0114
VK Nordbayern, Beschluss vom 11.11.2024 - RMF-SG21-3194-9-34
1. Ein Nachprüfungsantrag ist auch dann unzulässig, wenn die Bekanntmachung den Hinweis enthält, dass die Vergabekammer für die Überprüfung der Vergabeentscheidung zuständig sei. Eine falsche Angabe kann keine Zuständigkeit der Vergabekammer begründen.
2. Setzt die Vergabestelle durch eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung den Rechtsschein, dass ein Nachprüfungsverfahren zulässig ist, entspricht es der Billigkeit, ihr nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrags die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Online seit 4. Juni
VPRRS 2025, 0111
OLG Naumburg, Beschluss vom 02.09.2024 - 6 Verg 2/24
1. Auskunftsrechte in einem Vergabenachprüfungsverfahren gehen nicht über die Reichweite des materiellen Begehrens hinaus. Der Umfang der Akteneinsicht ist wegen der Akzessorietät dieses Verfahrensrechts begrenzt auf diejenigen Inhalte "der Akten" der Vergabestelle, die erforderlich sind, um dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit zu geben, seine Rechte zu wahren.
2. Daneben ist zu berücksichtigen, dass - ungeachtet der gesondert vorzunehmenden Prüfung der Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Teilnehmer des Vergabeverfahrens durch die Gewährung von Akteneinsicht - auch die Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit (geringstmöglicher Eingriff in Rechte Dritter) und insbesondere des Beschleunigungsgrundsatzes im Verfahren eine Beschränkung der Akteneinsicht rechtfertigen können.
