Vergabepraxis & -recht.

Aktuelle Urteile zu Nachprüfungsverfahren
Online seit heute
VPRRS 2025, 0206
OLG Dresden, Beschluss vom 28.08.2025 - Verg 1/25
1. Das objektive Fehlen von Wettbewerb aus technischen Gründen ist vom öffentlichen Auftraggeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
2. Vor einer Vergabe ohne Wettbewerb bedarf es einer belastbaren Prüfung des Auftraggebers, ob alternative wettbewerbliche Lösungen unter Einbeziehung bekannter Bewerber oder Bieter im Wege eines Mini-Wettbewerbs in Betracht kommen. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere Unternehmen für die Auftragsdurchführung in Frage kommen, muss ausgeschrieben werden.
3. Eine wirksame, freiwillige ex-ante-Transparenzbekanntmachung setzt unter anderem voraus, dass der öffentliche Auftraggeber bei seiner Bewertung, den Auftrag ohne vorherige Bekanntmachung vergeben zu dürfen, sorgfältig gehandelt hat und ob er insofern der Ansicht sein durfte, dass die (in einer Ausnahmevorschrift) hierfür geltenden Voraussetzungen tatsächlich erfüllt waren (hier verneint).

Online seit 13. Oktober
VPRRS 2025, 0204
VK Bund, Beschluss vom 23.04.2025 - VK 1-18/25
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf jedenfalls dann auf die Richtigkeit einer ihm vorgelegten offiziellen Bescheinigung einer Zertifizierungsstelle vertrauen, wenn keine objektive Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Zertifikats vorliegen (hier: Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001).
2. Beabsichtigt der Bieter, für die Auftragsausführung Ressourcen Dritter in Anspruch zu nehmen, muss er eine Verpflichtungserklärung des Dritten vorlegen, andernfalls die Eignung zu verneinen ist.
3. Referenzen eines anderen Unternehmens können einem Bieter grundsätzlich (nur) dann als Eigenreferenzen zugerechnet werden, wenn die Organisation des übernommenen Unternehmens im Wesentlichen unverändert geblieben ist und wenn die für den Referenzauftrag maßgeblichen Erfahrungen und Ressourcen mit übergegangen sind. Etwas anderes kann gelten, wenn und soweit die Betriebsmittel und die Betriebsstrukturen für die referenzierte Leistung ohne Bedeutung sind.
4. Auch wenn einem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung der Angebote ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht, muss dieser daher seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
5. Analog zum im allgemeinen Prozessrecht anerkannten Institut der gewillkürten Prozessstandschaft ist auch im Vergabenachprüfungsverfahren ein Antragsteller befugt, eine Verletzung fremder Bewerber- oder Bieterrechte im eigenen Namen geltend zu machen, sofern er dazu vom Berechtigten ermächtigt worden ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens im eigenen Namen hat.

Online seit 8. Oktober
VPRRS 2025, 0200
VK Westfalen, Beschluss vom 09.04.2025 - VK 1-13/25
1. Ein Nachprüfungsantrag kann grundsätzlich unmittelbar nach einer Rüge gestellt werden. Einer weiteren Veranlassung durch den Auftraggeber bedarf es hierfür nicht.
2. Ein bereits während der Angebotsfrist gestellter Nachprüfungsantrag ist nicht vorzeitig eingereicht, wenn der Auftraggeber die Beantwortung der Rüge innerhalb einer bestimmten Frist in Aussicht stellt, die Frist dann aber fruchtlos verstreicht.
3. Durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens bzw. dessen Rückversetzung in den Stand vor Bekanntmachung - initiiert durch die Rüge eines Bieters - begibt sich der Auftraggeber in die Rolle der unterlegenen Partei, so dass er nach der Erledigung des Vergabenachprüfungsverfahrens die Kostenlast trägt.

Online seit 29. September
VPRRS 2025, 0193
VK Westfalen, Beschluss vom 05.06.2025 - VK 2-27/25
1. Der Bieter begibt sich bei Rücknahme des Nachprüfungsantrages grundsätzlich in die Rolle der unterlegenen Partei, so dass er regelmäßig die Verfahrensgebühr zu tragen hat.
2. Allerdings können Billigkeitserwägungen zu einem anderen Ergebnis führen, wenn der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung die angerufene Vergabekammer als Nachprüfungsinstanz genannt und damit den Eindruck erweckt, dass der Auftragswert des streitgegenständlichen Ausschreibungsverfahrens oberhalb des maßgeblichen Schwellenwertes liegt und somit ein Nachprüfungsantrag statthafter Rechtsbehelf ist.

Online seit 16. September
VPRRS 2025, 0185
OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.07.2025 - 11 Verg 1/25
1. Eine 50.000 Euro übersteigende Gebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer kann nicht allein mit einem Verweis auf die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes begründet werden. Aus dieser Tabelle ergibt sich nur eine erste Orientierung für die Verortung des Einzelfalls im regelmäßigen Gebührenrahmen des § 182 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1, Satz 2 Hs. 1 GWB.*)
2. Bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe eine 50.000 Euro überschreitende Gebühr festzusetzen ist, ist eine einheitliche Ermessensentscheidung zu treffen.*)
3. Hat sich der Nachprüfungsantrag vor der Entscheidung der Vergabekammer erledigt, ist zunächst die bereits mit Antragseinreichung entstandene Gebührenschuld unter Berücksichtigung der im Laufe des Verfahrens erkennbar gewordenen Umstände zu bestimmen. Diese ist dann wegen der Erledigung zu halbieren.*)
4. Richtet sich die sofortige Beschwerde ausschließlich gegen die Höhe der von der Vergabekammer festgesetzten Gebühr, ist eine Anschlussbeschwerde unstatthaft, weil sie kein entgegengesetztes Rechtschutzziel verfolgt.*)
5. Die sofortige Beschwerde nur gegen die Gebührenhöhe ist analog §§ 68 Abs. 3, 66 Abs. 8 GKG gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.*)
