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VPRRS 2021, 0010
Unzureichende Akteneinsicht = unbillige Behinderung!

KG, Urteil vom 24.09.2020 - 2 U 93/19

1. Rügen betreffend Rechtsverletzungen, die aus der Bekanntmachung der Gemeinde nach § 46 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EnWG (1. Phase) oder aus der Mitteilung nach § 46 Abs. 4 Satz 4 EnWG (2. Phase) erkennbar waren, mussten in den jeweiligen Phasen verfolgt werden und können in einem Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG, das nach der Information über die Auswahlentscheidung nach § 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG geführt wird (3. Phase), nicht mehr geltend gemacht werden (vgl. B.I.1.).*)

2. Die mit einem Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG befassten Gerichte haben sich jedenfalls in der 3. Phase mit sämtlichen gerügten Rechtsverstößen auseinanderzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn bereits aufgrund des Durchgreifens einzelner Rügen eine vergabeerhebliche unbillige Behinderung festzustellen ist (vgl. B.I.2.).*)

3. Dies erfordert es gleichwohl nicht, dass der Antrag des Verfügungsklägers oder die gerichtliche Entscheidungsformel darauf gerichtet sein müsste, der Gemeinde die Konzessionierung so lange zu untersagen, bis den in der Urteilsformel im Einzelnen aufgeführten Rügen in der Sache abgeholfen sei (vgl. B.I.3.).*)

4. Eine nach dem Maßstab des § 47 Abs. 3 Satz 1 EnWG unzureichende Akteneinsicht kann zum Gegenstand einer (isolierten) Rüge im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG gemacht werden und begründet im Falle ihrer Begründetheit bereits für sich genommen eine unbillige Behinderung des unterlegenen Bieters (Anschluss OLG Dresden, Urteil vom 18. September 2019 - U 1/19 Kart, VPR 2020, 146 = VPRRS 2020, 0163) (vgl. B.II.2.a)).*)

5. Bei einem Konzeptwettbewerb mit relativ-vergleichender Bewertungsmethode kann das Transparenzgebot (§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EnWG) es gebieten, dem unterlegenen Bieter (Akten-) Einsicht in das Angebot des obsiegenden Bieters zu gewähren, wenn die Kenntnis dieses Angebots aus der Angebotsauswertung an sich nicht zuverlässig zu gewinnen ist und vorrangige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht entgegenstehen (vgl. B.II.2.b) bb)).*)

6. Fordern Ausschreibungskriterien einer Gemeinde eine "Verpflichtung" des Bieters zu einer bestimmten Leistung, kann diese Anforderung seitens eines nicht rechtsfähigen Eigenbetriebes auch durch eine verbindliche Form der Verwaltungsanweisung (bspw. einer innerstädtischen Festlegung) erfüllt werden (vgl. B.II.3.a)).*)

7. Eine Netzbetriebsgenehmigung nach dem EnWG muss der Bieter noch nicht zum Zeitpunkt der Bewerbung um energierechtliche Wegenutzungsrechte, sondern erst im Zeitpunkt der vorgesehenen Vertragsausführung innehaben (vgl. B.II.4.a) aa)).*)

8. Der Begriff der "notwendigen Verteilungsanlagen" in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG ist zur Sicherung eines effektiven Wettbewerbs um das örtliche Verteilnetz grundsätzlich weit auszulegen (Anschluss OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Juni 2011 - 11 U 36/10 (Kart), ZNER 2012, 188 = VPRRS 2014, 0594). Dass sich die Übernahme bei historisch gewachsenen Systemen nicht ohne Entflechtung oder andere Schwierigkeiten bewerkstelligen lässt, steht dem Netzherausgabeanspruch grundsätzlich nicht entgegen (vgl. B.II.4.c) bb)(1)).*)

9. Es kann beurteilungsfehlerfrei sein, ein belastbares, plausibles und in sich stimmiges (hier: Personal-) Konzept eines Newcomers ausreichen zu lassen, dessen Umsetzung er zugesichert hat, ohne dass daran objektiv begründete Zweifel bestehen (Anschluss OLG Celle, Urteil vom 17. März 2016 - 13 U 141/15 (Kart), ZNER 2016, 242). Von einem Newcomer dagegen ein unmittelbar realisierbares und keine Fragen bzw. Bedingungen offen lassendes Konzept zu verlangen, überspannte die Anforderungen an die Versorgungssicherheit zulasten des von §§ 46, 47 EnWG vorgesehenen und gewollten Wettbewerbs um das Netz (entgegen OLG Brandenburg, Urteil vom 22. August 2017 - 6 U 1/17 Kart, EnWZ 2017, 457) (vgl. B.II.4.d) bb)(1)).*)

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