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Sinn und Unsinn von Koordinierungsklauseln in Tiefbauverträgen

Vor allem in den neuen Bundesländern glauben viele öffentliche Auftraggeber, eine Wunderwaffe gegen Nachtragsansprüche gefunden zu haben, die sich im Zusammenhang mit Änderungen und Erschwernissen bei der Verlegung von unterirdischen Leitungen ergeben können. Immer häufiger entdecken Bieter und Auftragnehmer im Leistungsverzichnis folgende Position:

"1,00 pauschal
Durchführung von Koordinierungsaufgaben für Leitungsverlegungen, die von den Versorgungsträgern durchzuführen sind (Trinkwasserleitung, Gasleitung, ELT-Kabel, Telekomkabeltrasse, Straßenbeleuchtung, Betriebskabel)."


Weicht später der tatsächliche Verlauf der Leitungen von dem vertraglichen Leitungsplan ab oder bleibt ein Versorgungsträger trotz Koordinationsbemühungen des Auftragnehmers bei der Verlegung von Leitungen monatelang untätig oder muss die vertraglich vorgesehene Neuverlegung von Leitungen aufgrund späterer planerischer Anordnungen wesentlich aufwändiger erfolgen als aus dem ursprünglichen Leitungsplan ersichtlich, so werden Nachtragsansprüche mit Hinweis auf die pauschal angebotene Koordinierung rigoros abgelehnt.

Nach meiner Ansicht ist eine solche Koordinierungsklausel sehr eng auszulegen. Die öffentlichen Auftraggeber sollten sich vor der Illusion hüten, als handle es sich dabei um ein Sorglospaket.

Eine Koordinierungstätigkeit bezieht sich auf das reibungslose Zusammenwirken zwischen den Unternehmen, die Entfernung und Neuverlegung der Leitungen zu erbringen haben, regelmäßig also die Versorgungsträger selbst. Aufgabe des Auftragnehmers ist es, diese Fremdleistungen in den eigenen Bauablauf zu integrieren. Die für die Leitungsverlegung zuständigen Unternehmer werden dadurch nicht zu Erfüllungsgehilfen des Tiefbauunternehmers. Diese Position hat auch keinerlei funktionalen Charakter. Insbesondere kann daraus nicht hergeleitet werden, dass der Auftragnehmer Leistungen schuldet, die bei verständiger Würdigung aus dem Leitungsplan nicht mehr erkennbar sind.

Die Untätigkeit eines Versorgungsträgers bei der Leitungsverlegung mit der Folge, dass es zu Bauablaufstörungen kommt, hat ebenfalls nichts mit der geschuldeten Koordinierung zu tun. Der Versorgungsträger ist zwar auch nicht Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers. Ist die Passivität des Versorgungsträgers auch nicht auf einen Koordinierungsfehler des Auftragnehmers zurückzuführen, ist der Auftragnehmer von der Erbringung seiner Tiefbau- und Straßenbauleistungen befreit und in der Lage, dann haben wir bei dem Auftraggeber einen Fall des Gläubigerverzuges mit der Konsequenz, dass dem Auftragnehmer allein aus der Passivität des Versorgungsträgers Entschädigungsansprüche zustehen können.

Natürlich können die Parteien eines Tiefbauvertrages vereinbaren, dass das komplette Risiko im Zusammenhang mit dem Verlauf und der Verlegung von unterirdischen Leitungen auf den Auftragnehmer übergeht. So etwas nennt man eine "Besondere Risikoübernahme". Eine solche Ausschreibung wäre allerdings eines öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf § 9 Nr. 1 und 2 VOB/A nicht würdig. Darüber hinaus sind derartige "Harakiri-Klauseln" mit äußerster Zurückhaltung auszulegen (BGH, IBR 2008, 312).

Was sind Ihre Erfahrungen mit solchen Koordinierungsklauseln in einem Leistungsverzeichnis?



Hans Christian Schwenker
(erstellt am 11.07.2008 um 13:59 Uhr)

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